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Nr. 119.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Das elendelte aller Wahlsysteme

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Sonntag, den 22. Mai 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

des Einflusses, ber dem liberalen Bürger­thum in Stadt und Land thatsächlich zu­tommt, gehört auch die Vorenthaltung einer gerechten Ein­theilung der Wahlkreise. Die Forderung ist nach dieser Rich­tung vollkommen legitimirt und erwiesen."

Damit gab der große Volksmann seinem Reforms Humbug das richtige Schild. Der Einfluß des liberalen Bürgerthums" wenn der nur gesichert wird, dann kann man sich anstößige Redewendungen gegen das ganze System schon verkneifen.

ersten Abtheilungen von den Höchstbesteuerten bilden läßt, und zwar lediglich mit Rücksicht auf die Steuer­summe, die sie in der glücklichen Lage find, zu zahlen, ohne Rücksicht aber auf die geringe Zahl der Personen, welche ist bekanntlich das preußische Dreiklassen Wahlsystem, und für die ersten Abtheilungen verhältnißmäßig in Betracht wenn Minister Herrfurth in der vorgestrigen Debatte des tommen gegenüber der Masse der weniger Vermögenden in der preußischen Abgeordnetenhauses diese autoritative" Be- dritten Abtheilung, die mit ihrem einen Drittel von Wahl­zeichnung, die bekanntlich von Bismarck stammt, der den männern natürlich nie gegen die zwei Drittel Wahlmänner der Rummel fennen mußte, nicht gelten lassen wollte, so wurde Reichen durchdringen können. Es ist nun bezeichnend für den damit nur bewiesen, daß der sogenannte neue Kurs" bürgerlichen Spießbürger und Kalkulator Richter erstens, daß bereits vielfach unter Bismarck heruntergekommen ist. Was er sich trotz der drohenden Bedrängniß seiner Hinter Es tann ruhig gesagt werden, daß alle anderen veranlaßte nun aber Regierung und Abgeordnetenhaus, sich männer, der städtischen Bourgeoisie, nur zu einer elenden Bourgeoisparteien im Abgeordnetenhause immer noch eine in dem Vollgefühl der ungestörten Besitzerfreude überhaupt Anfrage" über die Absichten" der Regierung aufschwingen relativ anständigere und ehrlichere Haltung einnahmen, als zu dem traurigen System zu äußern, auf Grund dessen konnte, und zweitens, daß er gegenüber seinem verrotteten die freifinnige unter ihrem großen Eugen. Der national bas Regieren und Gesezemachen" in Preußen besorgt und unmoralischen Wahlsystem im besten Falle denkt, liberale Sobrecht machte gar kein Hehl daraus, daß er mit an eine Abänderung mit Rücksicht auf die neuen Steuer- der ursprünglichen Absicht" der oftroyirten Wahlverordnung

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In seiner Eigenschaft als enfant terrible, als Schreckens- gesetze." In der Begründung seiner" Anfrage" leistete sich voll und ganz übereinstimme; er verschmähte heuchlerische Find und Plaudertasche der Bourgeoisie, das heißt der ja der edle Held des liberalen Bürgerthums" i zu Anfang Liebeserklärungen an das Reichstags- Wahlrecht und städtischen Bourgeoisie, hatte Eugen Richter beim preußischen bie billige Phrase, daß er und seine Freunde auf dem machte seinen regelrechten Bückling vor den bes Abgeordnetenhaus mit seinen Freunden den Antrag gestellt, Boden des Reichstags- Wahlrechtes ständen". Mit dieser rechtigten Interessen" der Agrarier. Der Führer die Regierung um Auskunft zu ersuchen" darüber, ob sie platonischen Versicherung hatte er aber bereits seinem libes des Zentrums ſtellte fich ebenfalls klipp und beabsichtige", in der nächsten Session Gesezentwürfe vortalen Gewissen Rechnung getragen. Reines der anmuthigen klar auf den Boden des Dreillaffen Wahlsystems!" zulegen 1. über Abänderung des Wahlrechts mit Rücksicht Worte bürgerlicher Entrüstung und empörten Rechts- Wenn sein Fraktionsgenosse Dr. Lieber auch einen rollen­auf die neue Steuergesetzgebung", 2. über eine Neu- gefühls, die ihm sonst so reichlich zu Gebote stehen, mehr widrigen Seitensprung machte und im Gegensatz zu Huene eintheilung der Wahlkreise in Anbetracht der seit 1860 ver- für die ganze Ungeheuerlichkeit, die im Dreiklassen- Wahlsystem die Anpassung an das Reichstags- Wahlrecht proklamirte, änderten Bevölkerungsverhältnisse. Und diese spießbürgerlich- steckt. Nach der platonischen Versicherung konnte vielmehr indem er Eugen Richter ganz richtig sagte, daß er durch muthige Anfrage" war hervorgegangen aus der Angst, die der Fackeltanz in Wadenstrümpfen um die bessere" Ge- seine lahme Haltung die gründliche Lösung nur verzögere, städtische Bourgeoisie könne etwa bei den nächsten preußischen staltung des schmählichsten Benfuswahlrechtes beginnen, so schadet das der reaktionären Haltung des Zentrums nicht; Wahlen von 1893 zu kurz kommen in der Macht das es überhaupt giebt, und der Fackeltanz wurde mit diese Partei hat schon andere Widersprüche als diesen zur vertheilung gegenüber der feudalen Bourgeoisie. Auf grobknochigen Beinen so fein wie ein Eiertanz ausgeführt. höheren Ehre der Dunkelmännerei miteinander versöhnt". Grundlage des alten preußischen Steuersystems konnten Wie es möglich ist, auf Grundlage des Dreiklassen- Wahl- Für die Konservativen gelang es dem von Kardorff, den ja städtische wie feudale Bourgeoisie den Staat mit fystems Korrektur zu schaffen, vermögen wir nicht zu sagen gröbsten Ausdruck für jede Renderung an der Dreitlaffen­gleicher Unverfrorenheit über's Ohr hauen und ihr Antheil und ist auch nicht unsere Aufgabe." So sehr verließ den Wahl zu finden: sie kann jedes Mal nur ein Attentat an der Parlamentsvertretung regulirte sich denn auch ziem- Führer des Fortschritts Rückschritts seine übliche Ent- auf die Spitze der Monarchie" sein, die ja dann ebenfalls lich gleichmäßig danach, wenn man davon abfieht, daß der rüstung über alles Freiheitswidrige, so elend fab sein gewählt" werden müßte, und inmitten so vieler geistreicher Landrath die Bauern noch etwas besser kommandiren konnte, Protest gegen das Wahlsystem aus, das Bismard als das Argumente konnte sich die Regierung durch den Mund des als der Fabrikant und Geldaristokrat in der Stadt die von elendeste" bezeichnet hatte und wir wissen, warum. Ministers Herrfurth auf den bequemsten Machtstandpunkt ihm abhängigen Existenzen. Durch die vorjährige Steuer- Da der Freifinn im Abgeordnetenhause sich selbst die Kraft stellen, den es nur giebt: das Dreiklassen- Wahlsystem ist reform dagegen sind die ganz Reichen ein wenig mehr nicht mehr zutraut, an der feudalen Wahlungeheuerlichkeit geltendes Recht" für Preußen, folglich bleibt es solches, herangezogen worden durch die elenden vier Prozent, bis Etwas zu ändern, so sucht er einfach mit in der großen und die königliche Staatsregierung ist nicht gewillt, an zu denen man nur zu gehen wagte, sowie durch die an und Kufe zu fressen; ein Happen bleibt vielleicht doch noch diesen verfassungsmäßigen Grundsägen rütteln zu lassen." für sich sehr schwächliche Selbsteinschätzung, die aber doch für ihn übrig. Wenn also die Abänderung" des Wahl- Bunttum.

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Schmuhmachen" ein wenig erschwert. ein wenig erschwert. Und da rechts mit Rücksicht auf die neue Steuer" Steuer" nicht Möge es der Königlichen Staatsregierung gut be in großen Gegenden Preußens die ganz Reichen geht, dann wollen wir uns als Gesammtbourgeoisie, die kommen! diesen aufrichtigen Wunsch wagte auch der noch immer nicht durch die Finanzwelt und industrielle doch schließlich gleiche Interessen gegenüber den Arbeitern Liberalfte der Liberalen im preußischen Abgeordneten­Emporkömmlinge, wie es Eugen Richter als Vertreter der hat, bei der Regelung der Wahlkreise brüderlich theilen hause dem Minister nicht mit auf den Weg zu geben; " bürgerlichen Intelligenz" wünschen muß, repräsentirt wer- so schloß der große Eugen. Und indem er sehnsüchtige der große Eugen zog vielmehr feine" Anfrage", ja, den, sondern durch die steinreichen Ableger der junkerlichen Blicke nach den Nationalliberalen warf, endigte er in dant sogar seine Anfrage" höflich zurück, nachdem er die Klauen Feudalaristokratie, so wäre es wohl möglich, daß die Steuer- barer Erinnerung an einen Liebesdienst, den ihm die des reaktionären Löwen gesehen hatte, und erklärte- wer reform den junkerlichen Einfluß in Preußen zum großen Leader der Nationalliberalen im Reichstag geleistet, unter lacht da?- Ich habe für den Anfang auch nichts Aerger der Geldbourgeoisie noch etwas verstärkte. So Anderem mit folgenden Worten: anderes erwartet, und es hat nun diese Anfrage ihren Etwas ist eben möglich auf Grund des durch bloße Ver­ordnung im Jahre 1849 dem Wolfe aufgenöthigten weck erfüllt. In dieser Form ist der Antrag daher er­ledigt und ich kann ihn ebenso gut zurückziehen, wie ich es preußischen Dreitlassen Wahlsystems, das die Wähler be­mit einem früheren Antrage gethan habe." So endigte der fanntlich in drei Abtheilungen scheidet und die beiden Sturm im Glase Wasser, dessen Zweck wohl lediglich ge­

Feuilleton.

Madbrud verboten.)

Am Webstuhl der Zeit.

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Beitgenössischer Roman in 3 Büchern von A. Otto Walster .

Herr v. Bennigsen hat neulich im Reichstage das Wort ausgesprochen, daß das liberale Bürgerthum nicht die Geltung besitzt, die ihm nach seiner Stellung zukommt. Das ist voll ständig richtig, und zu dieser Vorenthaltung

gefeiert, und den Leuten war es recht, denn sie gegen alles Uebereinkommen sich an die Gerichte des Staates bekamen trotzdem ihren Tagelohn, den sie mit Muße wandten. Das Handelsgericht, dem die Sache zunächst wieder verzehren konnten. Dafür jauchzten sie dem vorlag, weigerte sich allerdings, ohne Weiteres in der ge­neuen Ministerpräsidenten zu, wenn er fich, wie ge- wünschten Weise vorzugehen und verwies die Leute auf wöhnlich, Mittags durch die Straßen fahren ließ, nannten einen Vergleich, aber die Burückgewiesenen appellirten bis ihn den Volkskönig", und Raffmaus verfehlte nicht, sich in an das Justizministerium. Dr. Benjamin fand die An­der Sonne seiner neuen Popularität zu wärmen. Aller- sprüche der Leute für gerecht und wies das Handelsgericht dings protestirte Dr. Lutz mit jedem Tage entschiedener an, gerechtfertigte Ansprüche zu berücksichtigen. Die Genossen­gegen diese enorme und nußlose Verschwendung, durch welche schaft protestirte entschieden dagegen und weigerte sich der Rech­nur die Arbeiter demoralisirt würden; die liberalen Fabri- nungsablage, welche in diesem Falle ganz entschieden ſtatuten­Die erste größere That des neuen Ministeriums bestand kanten murrten mit jedem Tage Lauter, denn die Arbeiter widrig sei, erbot sich aber, um diese unangenehme Sache Los­denn auch in einem Gesetze über Errichtung von Volks- liefen ihnen aus den Werkstätten, weil sie vom Staate mehr zu werden, zu einer Abfindungssumme, welche mehr als werkstätten, in welchen zu einem bestimmten Lohnsate alle Lohn bei weniger Arbeit erhielten, doch Raffmaus tröstete reichlich genannt werden konnte. Nichts destoweniger be beschäftigungslosen Arbeiter Beschäftigung finden sollten, damit, daß es sich nur um eine Uebergangszeit handele, harrten die Ausgeschlossenen, angetrieben von den heimlichen und die liberale Kammermehrheit nahm in ihrem ersten während welcher die Herrschaft der Liberalen befestigt Anstiftern der ganzen Intrigue, auf ihrem Verlangen und Siegesrausche dieses Gesetz trotz aller Warnungen und werden müßte. erwirften endlich einen Beschluß, demzufolge eines Tages Proteste der Konservativen und aller verständigen Volks- In dieser Zeit tam auch die von Raffmaus angelegte die Siegel in der Druckerei, im Konsumverein und in der wirthschaftslehrer an. Große Summen wurden ausgesetzt, und den Parteigenossen angedeutete Intrigue zum Ausbruch. Volksbank angelegt wurden. und die gedankenlosen Arbeiter strömten in Massen unter Eine Anzahl von Buchdruckern und Schriftsegern, welche Ein Schrei der Entrüstung hallte durch die Reihen der das provisorisch errichtete Staatsdach. Das Volksblatt" vor Kurzem mit einem kleinen Kapital fich bei der Ge- Genoffen bei diesem unerhörten Verfahren, und Hanke und brachte eine vernichtende Kritik gegen dieses auf Sand genossenschafts- Druckerei zum Eintritt gemeldet hatten und Barth eilten bis zum Minister, um Abhilfe gegen solch' baute Unternehmen, das" Voltsblatt" wurde polizeilich fon- arglos aufgenommen worden waren, fingen plöglich an ungerechtes, schadenbringendes Verfahren zu suchen. Aber fiszirt, und die Staatsarbeiter" jauchzten auch dieser Maß- Schwierigkeiten zu erheben, verletzten die Reglements nach Dr. Benjamin, welcher eben erst durch sein besonderes Ver­regel ihren Beifall zu. Belieben, kehrten sich nicht an Verwarnungen und Strafen, fügen die Sachen soweit gebracht hatte, erklärte nun

des

Freilich fehlte es an hinreichender Beschäftigung. Un verwarfen Schiedsgerichte und selbst Gutachten der General- achselzuckend, er tönne nicht in den Gang nüße, zwecklose Arbeiten wurden unternommen, Gräben zu- versammlung, so daß endlich zu ihrer Ausschließung ge- Rechtsverfahrens eingreifen, man solle ruhig das geschüttet und neugezogen, Hügel abgetragen und anderswo schritten werden mußte. Das schien es, was sie herbei- Ende des Prozesses abwarten. Umsonst stellte man aufgeführt, ganze Straßen niedergerissen und Arbeiter zuführen beabsichtigt hatten, denn nun erhoben sie Anspruch ihm vor, daß das Eigenthum oder vielmehr die wohnungen gebaut, deren Herstellung das doppelte und auf Theilung des Vermögens, sowohl der Buchdruckerei, fauren Ersparnisse von Hunderten von Arbeitern in Frage dreifache Geld kostete von dem, was sie Privatunternehmern als des Konsumvereins und sogar der Boltsbant. gestellt würden, daß außerdem das Verlangen der Aus­

würden gekostet haben; und dabei fehlte es immer noch an Natürlich wurden diese unbilligen und gänzlich un- geschloffenen nach dem Wortlaut der Statuten, die sie selbst ausreichender Arbeit, denn die Menge der Zuströmenden gerechtfertigten Forderungen von der Genossenschaft unterschrieben hätten, ein durchaus ungerechtfertigtes sei. wuchs unaufhörlich. Ganze und halbe Tage wurden energisch zurückgewiesen, worauf die Ausgeschlossenen Dr. Benjamin zuckte abermals mit den Achseln und er­