Nr. 36.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Die Rückberufung
Donnerstag, den 12. Februar 1891.
Expedition: Beuth- Straße 3.
ist. Schrittweise zieht sich die Regierung zurück und giebt Was die übrigen Parteien betrifft, so ist einzig und ein Ergebniß des Kulturkampfes nach dem andern auf. allein die Stellung der Sozialdemokraten eine klare und Erst vor wenigen Wochen mußte Herr von Goßler die be- durchaus widerspruchslose, weil sie sich einfach als Kondingungslose Rückerstattung der Sperrgelder im preußischen sequenz ebenso ihrer Grundsätze wie ihrer Taktik ergiebt. Künstlich strebt man eine Volksbewegung zu schaffen Landtage befürworten und damit die Niederlage des Die anderen Parteien werden vielleicht bei einer parladadurch, daß die Frage der Rückberufung der Jesuiten preußischen Staates und den Sieg der katholischen Kirche mentarischen Verhandlung geschlossen stimmen, aber heute zur Tagesfrage gemacht werden soll. Von nationalliberaler und der ultramontanen Partei vor aller Welt zugestehen. find sie uneins in ihren eigenen Reihen. Konservative, wie von ultramontaner Seite sucht man Petitionsstürme Kein ruhiger Politiker wird Windthorst und den von ihm Freisinnige und Antisemiten sind theils für, theils zu organisiren. Die einen sollen beweisen, daß es der geführten Abgeordneten verübeln können, daß sie die für gegen die Rückberufung der Jesuiten und so wie wir Wunsch des deutschen Volkes ist, daß den Jesuiten die sie so günstige politische Lage voll und ganz ausnüßen, ja Namen aller Parteien mit Ausnahme sozialdemokratischer Grenzen des Deutschen Reiches verſchloſſen bleiben, die man wird bei Beachtung der Lehre der Geschichte, daß und ultramontaner auf den Petitionen gegen die Rückanderen erklären pathetisch, die Gerechtigkeit, das Prinzip die Machtfragen in der Politik das ausschlaggebende berufung der Jesuiten finden, so finden sich auch Namen der freien Meinungsäußerung und nicht zum mindeſten Moment sind, nicht einmal läugnen dürfen, daß aller Parteien mit Ausnahme sozialdemokratischer auf den die Nothwendigkeit, dem Siegeszuge der Sozialdemokratie die jezige Politik des Zentrums feine andere Petitionen für Rückberufung der Jesuiten . Einhalt zu thun, gebieten die Rückberufung des Ordens sein kann. Wir betonen dies deshalb so energisch, Die Sozialdemokraten aber sind sich klar darüber, daß der Jesuiten . weil wir die Meinung hegen, daß das Eintreten das Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten aufgehoben werden
Theilnahmslos steht der weitaus größte Theil des für die Rückberufung der Orden Herrn Windthorst soll, dieser Standpunkt ist der der ganzen Partei, obgleich deutschen Volkes diesen Bestrebungen gegenüber, ge- nicht so lieb ist, als er es vorzugeben bemüht ist. Herrn wir noch nirgends in unseren Reihen Sympathien irgend ringschäzig lächelnd hört man die Tiraden der Windthorst wäre es sicherlich lieber, könnte er Agitations- einer Art für den Orden der Jesuiten entdecken konnten. Nationalliberalen an, welche die Schlagworte des material aus der Zeit des Kulturkampfes auf schlechtere Aber eben so wenig als Sympathie für die Jesuiten wird Liberalismus wieder hervorholen, Niemand glaubt ihnen, Zeiten, die ja auch für seine Partei kommen werden, man Furcht vor den Jesuiten bei uns antreffen. Es liegt daß es ihnen mit ihren Befürchtungen Ernst sei, Jeder aufsparen. Dies gestatten ihm aber seine früheren Ver- auch dafür nicht die allermindeste Veranlassung vor. Wir mann hat das Bewußtsein, daß diese Aktion gegen die sprechungen und seine Machtstellung in den deutschen Par- werden mit diesen Gegnern ebenso leicht fertig, wie mit Jesuiten von ihnen nur in die Hand genommen wurde, lamenten nicht. So sieht er, daß eine„ Errungenschaft" anderen mächtigeren und zahlreicheren. Uns kann es nur um dieser erzkapitalistischen Partei endlich wieder etwas des Kulturkampfes nach der anderen in die historische ein verächtliches Lächeln abringen, wenn die Rückmehr volksthümliches Relief zu verschaffen. Doch ver- Rumpelkammer wandert und er zuletzt ohne das werth- berufung der Jesuiten als einzige und sicherste Medizin gebens ist all der Liebe Müh'! Das deutsche Volt kennt volle Agitationsmaterial, das er so trefflich zu verwerthen gegen uns, die wir ja doch eine Krankheit im deutschen die Entwicklung des Nationalliberalismus doch viel zu verstand, die Wahlkämpfe der nächsten Jahre führen muß. Volkskörper bedeuten sollen, empfohlen wird. Wenn wir genau, um bei dieser geistig und politisch bankerotten Herrn Windthorst halten wir für einen viel zu flugen feine tüchtigeren Gegner hätten, könnten wir wahrlich fast Partei anderes zu vermuthen, als die rücksichtslose Ver- Politiker, als daß er an die unverrückbare Festigkeit des die Hände in den Schooß legen, dies bewiesen die Reden tretung großkapitalistischer Interessen. Handeln die Ver- Thurms des Zentrums glauben könnte. Er, der diesen der Jesuitenpatres auf dem im vorigen Jahre in Brüssel treter der Schlotbarone, pardon, der nationalliberalen Thurm als Baumeister aufführen half, weiß besser als abgehaltenen internationalen Sozialkongreß der Katholiken, Partei einmal scheinbar anders, dann geschieht es nach irgend Jemand sonst, daß Fürst Bismarck mit seiner wo die Herren das längst widerlegte, krause manchesterliche der den Jesuiten zugeschriebenen Parole: der Zweck Kulturkampf- Politik die Fundamente dieses Thurmes gelegt Beug als geistige Waffen zur Bekämpfung der Sozialheiligt die Mittel. Dann gilt es einfach die wahren Ziele hat, und weniger geschulte Baumeister wie Herr Windt- demokratie empfahlen. dieser volksfeindlichen Partei zu verhüllen! horst wissen, daß ohne Fundamente die stolzesten Bauten Wir sehen in der Rückkehr der Jesuiten keine Gefahr
Was die Zentrumspartei anlangt, so ist ihr Standpunkt durch Sturm und Wetter dem Untergange überantwortet für die geistige Entwicklung, für die freie Forschung, für in der Jesuitenfrage natürlich ein dem nationalliberalen direkt werden, deshalb wäre es der Zentrumspartei mehr als die Befreiung aus religiösen Irrthümern, der nicht durch entgegengesetter. Sie fordert die uneingeschränkte Aufhebung lieb, wenn einige Restchen des Kulturkampfes erhalten Aufklärung der Massen und Hebung der Volksbildung erdes die Jesuiten betreffenden Ausnahmegesetzes, in erster Linie blieben. Aber dies kann nicht zugestanden werden, folgreich und leicht entgegengetreten werden könnte. die Aufhebung der Grenzsperre gegen den Orden des ohne die Wählermassen Kopfschen zu machen. Dies ist das Ebenso unberechtigt als die vorgebliche Furcht der UltraDilemma, aus dem sich selbst ein Windthorst nicht heraus- montanen vor den Kindereien der Freimaurer , ebenso Die Führer des Zentrums sind sich über die Macht- helfen kann. übertrieben ist die blasse Furcht mancher Liberalen vor den stellung ihrer Partei im deutschen und preußischen ParDamit haben wir die Stellung der beiden an der Jesuiten. lamente vollſtändig klar, sie wissen genau, daß die Reichs- Jesuitenfrage meistbetheiligten Parteien dargelegt. Kurz Das Material, das zur Bekämpfung der Jesuiten regierung ebenso wie die preußische auf ihre Unterstützung zusammengefaßt ist dieselbe: Die Nationalliberalen find von liberaler Seite angeführt wird, erscheint uns recht vollständig angewiesen ist, daß die Regierung die Wieder- gegen die Rückkehr der Jesuiten , obgleich ihnen die Frage werthlos. Aus der Geschichte des Jesuitenordens, aus verbelebung des so gefürchteten Bundes Windthorst- Richter gleichgiltig ist; die Ultramontanen sind für die Rückgangenen Jahrhunderten werden alle möglichen Schandwie das gebrannte Kind das Feuer fürchtet und deshalb von berufung der Jesuiten , obgleich ihnen die Sache gar nicht thaten der Jesuiten hervorgesucht. Wir lassen dahingestellt, Bugeständniß zu Zugeständniß an die Partei Roms gezwungen eilig ist.
Feuilleton.
Για
ud verboten.]
XVII.
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heute abends ein bischen gemüthiich zu machen, mein Mädchen", sagte sie. Jezt gab Mama alle ihre Kunden auf, mit Ausnahme der Assessorin. Sie behielt sie aus Freundschaft. Sie fand es wohl auch höchst unterhaltend, mit dem Wagen abgeholt zu werden; stehen sie jetzt bei Larsen am Fenster? flüsterte sie gern, während sie wegführ.
Fanny wurde nicht reicher als bisher. Allein sie gestattete sich, ein Klavier zu miethen.
ob sie wahr sind oder nicht, jedenfalls sind es
Und dann machten die Beiden Spaziergänge. Er plauderte; sie hörte zu. Er erzählte vom Studentenverein und vom Gesellschaftsleben, vom Hörsaal und vom Krankenhaus; er schwaite von seinem Schneider und seinen Kostümen und befragte sie um Rath hinsichtlich seiner Manschetten und Kragen. Sie erfuhr alle seine Zukunftspläne. Er erzählte, in welchem Styl er seine Zimmer einrichten, in welcher Fabrit er seinen Flügel kaufen wollte, welche Maler auf seinen Wänden vertreten sein sollten; er beschrieb seine fünftigen Visitkarten und erklärte, wie er es anstellen würde, um feine Patienten zu bekommen. Er war gott
Anzug oder einen neuen Hut bekommen, so war er geradezu
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Der alte Houen sagte niemals ein Wort; Fanny war Es war ein altes viereckiges Hackbrett, das sie für anEs war ein altes viereckiges Hackbrett, das sie für anüberzeugt, daß er unzufrieden sei. Sie that allerdings ihr derthalb Kronen monatlich bekam. Eine ganze Menge leichter ihrem Posten, selbst wenn sie frank war, leistete mehr, lag. So saß denn Fanny und klimperte und spielte, so oft köstlich. Er drehte sich vor Fanny rund herum und fragte, Bestes. Versäumte niemals einen Augenblick, war auf Musikstücke lich ihr Frau Kahrs, die nun übrigens im Bett gefegnet kindisch, der große Junge. Hatte er einen neuen als sie verpflichtet war, bediente mit einer Lebhaftigkeit, sie eine freie Stunde hatte. Es war nicht viel Ton im ob er nicht hübsch sei; sagen Sie aufsichtich. Fiäulein, welche die Kunden verlockte, mehr zu kaufen, als Kasten. Allein der Klang war schön. Es war etwas Zartes, finden Sie diesen Hut hübsch?"- Er wurde ungeheuer fie Luft hatten, log sich in die Gunst des Chefs Nachdenkliches darin, etwas Sanftes, Träumerisches, Harfenhinein, so daß sie darüber selbst erstaunt war, -ähnliches; es sang vom Frieden alter Stuben, von den Er- vergnügt, wenn sie ihn einen Gecken nannte.„ Wiffen Sie, aber nein; niemals ein Wort. Er war unzufrieden. innerungen alter Frauen. Da konnte es denn geschehen, was Sie find, Aas?"" Nein." Sie sind ein Ged!" Er lächelte, pfiff leise vor sich hin, machte sich stramm; Jungfer Stange mußte geschickter gewesen sein. Sie wagte daß an einem Sonntag Vormittag Aas zu Fanny herauf,, wissen Sie aber, was Sie sind?"„ Nein!" von einer Lohnerhöhung nichts verlauten zu lassen; man fam; er sang und sie begleitete. Und sie vergaß die Müh" Hübsch!" mußte Gott danken, wenn ihr nicht gekündigt wurde. Welch' sal der Welt. Sie war das junge Mädchen in der Gallerie; Durch schlau ausgesonnene Fragen veranlaßte sie ihn, ein hoffnungslos unbrauchbares Wesen sie war; wenn sie des Auges schimmernder Feuchtblick sagte es, sie baute ihre volle Kraft aufbot, taugte sie nicht einmal zum Leinwand- flimmernde Traumschönheitsreiche; das Summen des alten zu erklären, was sie nicht verstand; er wurde ihr Lehrer. Klaviers ward zu Musit, zu Tonwogen, auf welchen sein Den ganzen Sommer und Herbst trieben sie sich mit einEines Tages jedoch sagte der Cbef ihr ein Wort, daß Sängerschiff segelte. Alles wandelte sich in Glück und ander herum und konnten schließlich mitsammen von Allem so gut war wie tausend Worte; er erhöhte ihren Lohn. Klarheit. Die Töne lebten und redeten; sie konnte Lachen reben. Aber gewiffe Dinge gab es doch, über die sie keinen Sie sollte von nun an vierzig Kronen monatlich haben. über den Troll")- Humor der norwegischen Fjellmelodien ordentlichen Bescheid erhielt. Fanny lief hein und erzählte es lachend und weinend und wurde sentimental bei der weichen Trauer slavischer und zugleich der ganze Elleberg sei ihr vom Herzen gefallen, magyarischer Weisen. Sie begann vor sich ordentlich Achtung zu triegen. Mama ging aus und holte eine Flasche Bockbier. *) Die Trolle( Trolde) sind die riesenhaften Wald- und Berggeiſter der nordischen Sage, gutmüthig und gefährlich zugleich.
verkaufen.
sagte sie.
"
Bei Thorseng las sie jeden Sonntag Aftenposten"( die Abendpost); eine ganze Menge Sachen begriff sie nicht. Es schien, als lebten wir in einer großen Gefahr; Alles, was gut und heilig, war von Untergang bedroht; ein paar abscheuliche Gesellen im Storthing wollten Revolution machen;