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Sehr günstig lägen die Verhältnisse im Regierungsbezirk Liegniß; hier gäbe es keinen Kreis, in dem nicht bei der letzten Reichstags­wahl Socialdemokraten und Freisinn zusammen die absolute Mehr­heit der abgegebenen Stimmen erhalten hätten. Auf Landtags­Wahlkreise umgerechnet ergäbe sich folgendes Bild: Es erhielten bei der Reichstagswahl 1903 in Prozent der ab­gegebenen Stimmen Soc. Freis. Buf

Landtags- Wahlkreis

Bisherige Vertretung im Landtage

bereit. dem Der Plan wurde den Ministern und Fürsten Hohenlohe vorgelegt. Herr v. Thielen stand der Sache fühl gegenüber, Miquel war heute dafür, morgen dagegen, und nur Reichskanzler Fürst Hohenlohe war ein entschiedener Freund des Projekts. Wir wollten die Konzession nur für den Fall, daß der Kanal wieder abgelehnt würde. Die Verhandlungen wurden aber durch Thielen in die Länge gezogen; er sagte, er habe die Sache einer Kommission zur Prüfung überwiesen. Nachdem ich fünfmal in sechs Monaten bei ihm war, erhielt ich die Nachricht, die Regierung wolle die Konzession nicht erteilen. Inzwischen war auch Hohenlohe aus dem Amte geschieden, und der jezige Reichskanzler brachte der Angelegenheit anscheinend kein Interesse entgegen; ich habe wenigstens von ihm nicht einmal eine Antwort bekommen. Nachher habe ich auch erfahren, daß die von Herrn v. Thielen( der das Wort sprach: Gebaut wird er doch!") eingesetzte Kommission" überhaupt niemals zusammengetreten ist."

Rönnten fich die Freisinnigen zu einer derartigen Tattit entschließen,| gegen Karten, dort Zutritt. Allmählich sichert die Kenntnis bei der so wären in Schlesien   eine ganze Reihe von Mandaten den Konservativen auf der Straße, im Stimmengewirr, sich drängenden Menge durch, zu entreißen. zwar im Regierungsbezirk Oppeln  , der schwarzen deutlich als die Richter, Gefangenen und Zeugen, auf Ümivegen, Ecke, käme diesmal noch kein einziger Wahlkreis in Betracht; höchstens dahin gelangen. Und nun sammelt sich die mehrhundertköpfige Schar vor der im Düſter der Nacht gleich einer Zwingburg dürfte es möglich sein, in Beuthen  - Tarnowiz- kattowiz- Zabrze bei Schar vor der im Düſter der Nacht gleich einer Zwingburg aufragenden Kaserne, bor   deren mächtigem, geschlossenen der großen Zersplitterung der andren Parteien eine Handvoll Wahl- Thor die Wache angetreten ist. Wie ein Brausen der männer durchzubringen; diesen würde die ehrenvolle Aufgabe zu Sturmflut dringt es hinauf zum Schloß droben auf dem fallen, den Verlauf der Abgeordnetenwahl in Beuthen   zu Jettenbühl, über dem friedlich der Mond leuchtet. 8 Uhr schlägt es überwachen, wo am 20. November mehr als 2300 Wahl- vom Turm der Jesuitenkirche, kurz danach thut das Thor sich auf männer zur Wahl zusammentreten würden. Achten unsre und es erschienen die ersten der Zuhörer, denen es geglückt war, Wahlmänner darauf, daß alles mit ehrlichen Dingen zu eingelassen zu werden, stürmisch mit Hurra! Es sind Civilisten!" geht, so kann dort unter Umständen die Wahl unmöglich werden Sie bringen aber die traurige Kunde von dem schweren Urteilsspruch. Nun gerät die Menge fast außer Rand und ein schöner Erfolg für diejenigen, die die Unhaltbarkeit der Band, sie weicht nicht von der Stelle, und als die Militärrichter bald heutigen Zustände darthun wollen. danach erscheinen, dröhnt hundertfältiges Pfeifen, Gejoht und Hoch Hüffener!" ihnen entgegen. Alle Kundgebungen mißachtend, bahnen Die Junter wollten den Kanal nicht, vor allem deshalb nicht, fie fich ihren Weg. Aber noch lange bleiben viele auf der Stelle und weil sie ihn als Kompensationsobjekt für höhere Zölle in der Hand starren den Bau an, der die Gefangenen birgt. Wie ein Lauffeuer behalten wollten. Und die Regierung arbeitete den Junkern so verbreitet sich die Nachricht durch die Stadt; alle Schichten eifrig in die Hände, daß sie sogar mit Gewalt und List die private der Bevölkerung nehmen daran teil; nichts Ausführung des Kulturiertes hintertrieb. Ein ganz köstliches Bild andres wird heute mehr im Wirtshaus verhandelt; die aus dem Junkerreich!- Tageszeitungen drucken Ertrablätter, Camelots schreien sie durch die Ein Minister über den Dresdener   Parteitag. Straßen. Auch am heutigen Sonntag steht die Signatur der Stadt unter diesem mächtigen Ein- Wir sind es gewöhnt, daß unsre Gegner viel Unverständiges drud. Die Majestät militärischer Disciplin ist blutig rot am über unsre inneren Partei- Angelegenheiten schwagen und es ist nicht Heidelberger   Horizont aufgestiegen! den Anschlagsäulen, zu verwundern, daß sich an den erregenden Vorkommnissen von an den Schaufenstern der Kaufleute fleben die Plakate Dresden   auch die gegnerische Kunst eifrig versucht. Aber was der mit dem Urteilsspruch, davor sammeln sich die Fremden, badische Minister des Innern Schenkel jüngst in einer Rede bei die Landleute, die von den Dörfern hereingekommen, ihre Sonn- der Eröffnung einer landwirtschaftlichen Ausstellung in Karlsruhe  tagseinkäufe zu machen, die Soldaten unsres Bataillons, die gestern geleistet hat, zählt ungefähr zu dem unbedeutendsten, was die mit flingendem Spiel aus dem Monöver in die Stadt einmarschiert Gegner unsrer Partei in der letzten Zeit vollbrachten. Der Minister find, an dem Gebäude vorbei, wo über ihren vier Kameraden das Dr. Schenkel feierte die Ausstellung, in deren Vorführungen auch Damoklesschwert schwebte." zum Ausdruck komme, daß von einem Klassengegensatz zwischen Gewerbe und Landwirtschaft, zwischen Fabrikarbeiter und Grund­befizer in Baden keine Rede sein könne." Wer so an die Harmonie aller wirtschaftlichen Interessen, an die Interessengemeinschaft unter Grundbesizes und den Zoll­den Zollwuchereifrigen des Ein neuer Menterei- Prozeß? ausgewucherten des Fabrikproletariats glaubt, dem kann freilich Die Neue Badische Landeszeitung" schreibt: ein Parteitag der Socialdemokratie ganz und gar nicht be­der abgedroschensten Wie wir hören, sollen in Reichartshausen   auch noch weitere hagen. Aber etwas über dem Niveau schwere Ausschreitungen vorgekommen sein. Fünfzehn Redensarten könnte ein Minister doch wohl sein Mißbehagen Grenadiere des hiesigen Regiments legten ebenfalls nach Verzum Ausdruck bringen. Er donnerte, nach dem Bericht der Köln  . abredung Civilkleider an und bewarfen den Gast- 8tg." also: hof, in dem die Offiziere tafelten, mit Steinen, so daß die Offiziere flüchten mußten. Auch dieses Vergehen wurde verraten und die 15 Mann verhaftet und ebenfalls nach Heidelberg   in Gewahrsam gebracht. Uebrigens werden auch noch aus verschiedenen andren Orten, wie Nußloch  , Sinsheim  , Düren  , wo das 110. und 111. Regiment im Standquartier lagen, ähnliche Vorkommnisse, allerdings leichterer Art gemeldet."

Rothenburg  - Hoyerswerda  

Grünberg- Freystadt  .

Glogau  - Lüben

Jauer- Bolkenhayn- Landes­

hut

Bunzlau- Löwenberg Sagan- Sprottau  .

Haynau Liegnig- Gold­

berg

V

Lauban- Görlig

=

Hirschberg- Schönau.

20,0 30,6 50,61 Kons., 1 Natl. 20,6 32,8 53,4 2

23,6 30,2 53,8 2

28,0 30,0 58,0

35,9 59,0

23,1 20,4 39,0 59,4

36,0

221

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An

Der Sturm der Entrüstung, der sich in Heidelberg   in so leiden­fchaftlicher Weise Luft machte, wird das ganze Land durchhallen!

040 1 Freifons. dad 34,1 70,1 2 45,5 26,2 71,7 3 Freif. Volksp. 31,1 45,2 76,3 1 Freifons., 1 Natl. In allen diesen Kreisen müßte energisch gearbeitet werden; nehme man aber an, daß in den drei ersten diesmal der un­mittelbare Erfolg noch ausbleiben würde, so wäre es doch möglich 7 Konservative, 2 Freikonservative und einen National­liberalen zu verdrängen. Nimmt man an, daß in jedem Kreis ein Mandat den Socialdemokraten, der Nest den Freisinnigen zufällt, so würden 6 Socialdemokraten und 7 Freisinnige aus der Wahl hervor­gehen, trotz Aufgabe eines Mandates in Görlig würden es die Freisimmigen von 3 auf 7 Mandate bringen können. Im Regierungs­ bezirk Breslau   würden von den 11 Landtags- Wahlkreisen für diesmal nur drei in Betracht kommen. In Breslau  - Stadt und Waldenburg- Reichenbach ergaben die Reichstagswahlen 1903 für die Socialdemokratie 51,3 und 56,6 Proz. der abgegebenen Stimmen, also die absolute und der militärischen Disciplin", die nur für die Mannschaften ihre Majorität, für die Freisimmigen nur 18,6 und 9,1 Proz.; in Striegan- furchtbare Geltung zu haben scheint, noch zahlreiche weitere Opfer Schweidnitz   hatten die Socialdemokraten 35,8, die Freisinnigen 21,8, fallen! Uebrigens wäre angesichts solch zahlreicher Vorkommmisse beide zusammen 57,6 Proz.; bisherige Vertretung im Landtage in demselben 110. Grenadier- Regiment eine unnachsichtige Nach­3 Freifinnige( Breslau  ), 3 Freikonservative, 1 Konservativer, forschung nach den Ursachen der Ausschreitungen unabweisbar! 1 Centrumsmann. Wie oben könnten hier 5 Freisinnige und 3 Social­demokraten gewählt werden; trotz Aufgabe eines Breslauer Mandats könnten die Freisinnigen von drei auf fünf steigen.

Sollte sich die Meldung bestätigen, so würden dem Militarismus

Noch ein Gegenstück zum Fall Hüffener.

Ein Musketier in Kiel   wurde wegen Besuchs eines ver botenen Lotals arretiert, stieß, um zu entfliehen, denunteroffizier mit dem Fuß gegen den Unterleib und widersezte sich der Patrouille. Dafür verurteilte das Kriegsgericht der 18. Division ihn zu fünfjährigem Gefängnis und Ausstoßung aus der Armee.

Diese Rechnungen auf Grund der Reichstags- Wahlergebnisse feien freilich nicht entscheidend. Deshalb sei es das gute Recht der Freisiunigen, sich vor den Urwahlen nicht zur Aufgabe eines Mandates zu verstehen. Die Landtagswahl in Breslau   1898 hat ihnen allerdings gezeigt, wie die Verhältnisse liegen; deshalb ist es Hüssener friegte nur zwei Jahre Festung. Und der Unteroffizier dringend nötig, daß sie sich bei Aufstellung der Wahlmanns Kandidaten auf die Social Dunkel kam genau mit der Hälfte der Strafe, die über den Eventualität, nachher einen demokraten wählen zu müssen, einrichten. Für die Social- Kieler Musketier verhängt wurde, davon, obwohl ihm 356 Fälle demokratie gestalten sich die Aussichten noch insofern zum Teil schwerster Soldatenschindereien nachgewiesen worden ungünstiger, als die Freisimmigen auch Anschluß nach rechts, waren!-

an die Nationalliberalen suchen können. Auch das ist ihr gutes Recht, das

ihnen nicht

Deutfches Reich.

Die Steuer- Bedrohung.

bestritten werden soll. Die Freisinnigen mögen also bedenken, daß sie ein eventuelles Ent­gegenkommen seitens der Nationalliberalen, in Liegnig ist ein Wahlbündnis bereits abgeschlossen, auch nur dem Auftreten der In der bayrischen Abgeordnetenkammer, die am Dienstag Socialdemokratie verdanken. Uebrigens werden veraussichtlich auch wieder ihre Sigungen aufnahm, legte der Finanzminister v. Riedel die vereinigten Freisinnigen und Nationalliberalen noch von den die Finanzlage Bayerns   dar und kam dabei in beachtenswerter socialdemokratischen Wahlmännern abhängig sein. Also auch in Weise auf die Thatsache neuer Reichs Steuerpläne zu jenen Kreisen müssen die vereinigten Liberalen sich darauf einrichten, sprechen. Er führte aus: Bezüglich des Budgets für die Finanz­eventuell für einen Socialdemokraten stimmen zu können. Die periode 1904/05 seien die anfangs gehegten Befürchtungen glücklicher­Stellungnahme der Socialdemokratie ist durch die Dresdener   weise übertrieben gewesen. Die Finanzlage sei zwar noch nicht ganz Beschlüsse unabänderlich festgelegt. Unter voller Ueberlegung aller Konsequenzen ist einstimmig beschlossen, überall dort, wo die socialdemokratischen Wahlmänner ausschlaggebend sind und trotz dem kein Entgegenkommen seitens der Liberalen finden, diese un barmherzig durchfallen zu lassen, auf die Gefahr hin, daß dadurch die Liberalen völlig zusammenschmelzen und die Konser vativen die absolute Majorität im Abgeordnetenhaus erhalten, somit auch äußerlich die Machtstellung einnehmen, die sie bei der Haltung des Centrums thatsächlich so wie so haben.

gesund, allein der Patient befinde sich bereits auf dem Wege der Befferung. Die Hauptsache sei, sich vor einer zu raschen Vermehrung der Staatsschulden und vor einer Mehrbelastung durch die finanziellen Leistungen an das Reich zu hüten. Der Finanzminister erörterte sodann eingehend die Notwendigkeit einer befriedigenden Ordnung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten. Eine vollkommen erschöpfende Reichs­Finanzreform wird vor der definitiven Gestaltung unsrer Zollverhältnisse nicht wohl möglich sein, aber eine Anbahnung dazu sollte nicht verzögert werden. Nach meiner Meinung wird es sich nicht umgehen lassen, für das Reich schon in nächster Zeit die eine oder andre neue Einnahme zu schaffen. Der Minister erinnerte sodann daran, daß er selbst Volksprotest gegen das Heidelberger Schreckensurteil. auf eine Reichs- Finanzreform hingewirkt Einen Vorgeschmack von der Aufnahme, die das furchtbare schon vor Jahren welche geeignet gewesen wäre, Bayern  gegen alle Heidelberger Kriegsgerichts- Urteil im Volte finden wird, gab das habe, Eventualitäten möglichst zu schützen, und spricht die Erwartung Verhalten des Auditoriums, das der Verhandlung beigewohnt hatte. Die freisinnige Neue Badische Landeszeitung" be aus, daß es gelingen werde, im nächsten Reichs- Etat die Matrikular­beiträge in der gleichen Höhe wie die Ueberweisungen zu halten.

Diese Ausführungen wurden von den zahlreich erschienenen Ge­nossen mit stürmischer Zustimmung aufgenommen.

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Der verhinderte Mittelland- Kanal.

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Der Minister besprach dann die Gestaltung der Einzel- Etats, Als der Ankläger in juristisch fühler Deduktion gegen den, übrigens nur durch erdrückende Indizien belasteten, Keinarth die unter denen der Etat des Staatsministeriums für Verkehrsange­furchtbare Strafe beantragte, da ging ein hundertfaches Gemurmel legenheiten, der am 1. Januar 1904 ins Leben tritt, zum erstenmal des Entsetzens durch den dichtgefüllten Raum, und der erscheint. Für die Aufbesserung der Gehälter der Verhandlungsleiter drohte den Saal räumen zu Staatsbeamten und Bediensteten habe bisher keine Tassen. Nachdem der Gerichtshof sich zur Beratung zurück- Forderung ins Budget eingesetzt werden können. Der Minister hofft gezogen, ergab sich die Notwendigkeit, die Gefangenen austreten zu jedoch, daß noch in dieser Session etwas geschehen könne, wenn die Lassen, und damit diese nicht etwa in der dichtgedrängten Zuhörerschar Befferung der Eisenbahnerträgnisse anhalte und überall sonst entschlüpften, wollte der Aufsicht führende Offizier, ein junger Lieutenant, den Saal räumen lassen, er gebrauchte indes Sparsamkeit geübt werde.- fofort so wenig glimpfliche Redewendungen den Journalisten schleuderte er ein Scheren Sie sich raus! entgegen!!, daß er seinen Zweck nicht erreichte und unter dem In unsren Betrachtungen über die lehrreiche Geschichte der Gejohle der Menge davonging, Polizei zu requirieren, die Junterrevolte gegen den Mittelland Kanal   haben indes nichts mehr zu thun fand. Das Publikum füllte allmählich wir wiederholt darauf hingewiesen, wie die Regierung sich so tief den Saal wieder und harrte 11 Stunden, die Dämmerung brach unter das Junkerjoch duckte, daß sie es peinlich vermied, den Kanal an herein da die Gaskrahnen abgeschraubt waren, war keine Mög­lichkeit der Beleuchtung es wurde düster im Saal, und immer düsterer wurde die Stimmung des Publikums, das es nicht begreifen fonnte, daß ein toller Manöverstreich wie die Leute es auffaßten fo furchtbare Sühne heische, und der Groll machte sich in furzen Ausrufen Luft, die wahrlich kein obfied waren auf die allzu bekannten legten Sprüche unsrer Militärsustiz. Kurz nach 7 Uhr wurde plöglich befannt gegeben, daß die Verhandlung, da es unmöglich sei, diesen Saal zu beleuchten, in einem andren Raume weitergeführt werde und daß dieser zu verlassen sei. Wo? wurde nicht gesagt! Entrüstete Stimmen riefen nach Deffentlichkeit des Verfahrens. Der Polizei hielt es schwer, die Leerung des Saales zu erzwingen. Nur wenige erfuhren den Drt der Weiterverhandlung- die nahe Kaserne und erhielten,

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Ein um so unerfreulicheres Bild gewähre eine andre Auss stellung, die in letzter Woche in Dresden   stattgefunden habe, eine Ausstellung von Gedanken und Bestrebungen, die der social­demokratische Parteitag in der sächsischen Residenz ins Leben ge rufen hat. Mit erhobener Stimme, der man aufs deutlichste die innere Erregtheit des Redners anmerkte, wandte sich der Minister unter lautloser Stille der Versammlung gegen die revolu tionäre Denkungsweise der Socialdemokratie, die lediglich das Ziel verfolge, Klassenhaß zu säen und eine radikale Umwälzung der jezigen Gesellschaftsordnung herbeizuführen. Während glücklicherweise bei uns die verschiedenen Gesellschafte= flassen und Berufsgruppen noch, vom Gefühle gemeinsamer Interessen durchdrungen, friedlich zusammenwirkten, wollen die Führer jener Bewegung alle wenig Besigenden und von der Hände Arbeit Lebenden zu einer von der übrigen Gesellschaft gesonderten Klasse vereinigen, und als Ziel des von dieser Klasse zu führenden Kampfes werde das Traumbild eines para diesischen, von Freiheit getränkten Lebens vorgeführt, während in Wirklichkeit der eingeschlagene Weg nur einem Sumpf mit 3wangsarbeit und, wie die Ver­handlungen des Parteitages bewiesen haben, zur Unterdrückung jeder, auch der harmlosesten Regung geistiger Freiheit führen müsse. Durch die Reden der socialdemokratischen Führer sei die Maske gelüftet und jedermann könne dieses ins Verderben führende Ziel der revolutionären Partei erkennen. Die Gedankenausstellung in Dresden   habe ferner auch gezeigt, daß die Bewegung gegen die geschichtlich gewordenen, in der Verfassung voranstehenden Träger der staatlichen Gewalt im Reich und Staat, das Reichsoberhaupt und die Landesherren, gerichtet sei; schon daß aus der Thatsache, man diesen nicht einmal die selbstverständliche Bezeugung der Höflichkeit zukommen lassen wolle, trete die gegen die Monarchie gerichtete Spige der socialdemokratischen Bewegung hervor, und leichtfertig sei erklärt worden, man schwöre zwar dem Staatsoberhaupt den Eid der Treue, brauche ihn aber darum nicht zu halten. Dies stehe im schroffsten Widerspruch nicht allein mit der Mor al und Verfassung, sondern auch mit der Gesinnung unsrer landwirtschaftlichen Bevölkerung, die sich gegenüber dem Landes­herrn, der selbst und dessen Familie seit Jahrhunderten treu und sorgsam über dem Lande gewaltet, durch den geschworenen Eid zur Treue verpflichtet fühle. Schließlich hat der socialdemokratische Parteitag aufs neue gezeigt, wie diese Bewegung besonders darauf ausgeht, durch gleißnerische Schlagworte und unerfüllbare Versprechungen Mißtrauen gegen alle Organe zu säen, die zur Führung im Staat, im Kommunalleben, in der Gesell­schaft berufen sind. Namentlich werde dabei mit dem Worte ,, Reaktion" ein recht tüchtiger Mißbrauch getrieben. Der Redner wies darauf hin, daß zu einem solchen Mißtrauen gerade gegen die badische Regierung feinerlei Anlaß vorliege. Wie wenig die badische Regierung eine Reaktion wolle, wie sehr sie einer fort­schreitenden freiheitlichen Entwicklung zugethan sei, die Bahn ver­folgend, die Großherzog Friedrich vor 51 Jahren beschritten und feither eingehalten habe, das ergebe sich daraus, daß sie auf dem vorigen Landtag ein Gefeß über die Einführung der direkten Wahl der Gemeinderäte und Bürgermeister in allen Gemeinden von nicht mehr als 2000 Einwohnern durchgebracht, daß sie die Bildung einer Landwirtschaftskammer, die auf der direkten Wahl aller selbständigen Berufslandwirte beruhen sollte, vorgeschlagen habe, und daß sie auf dem bevorstehenden Landtag einen Gesetzentivurf einbringen werde, der die Wahl der zweiten Kammer auf den Boden der gleichen, diretten, allgemeinen Wahlen stelle. In Dresden   sei der bisherige Schleier über die revolutionären Ziele der Socialdemokratie gefallen; es sei zu hoffen, daß in der ge­täuschten Menge mun bald eine Reaktion sichtbar werde, eine innere Reaktion mit der Umkehr zu der alten Fahrt des vernünftigen Fortschritts, der freiheitlichen Entwicklung im wirtschaftlichen und geistigen Leben."

Der seltsame Herr Minister des Innern von Baden sieht nun also endlich die revolutionären Ziele der Socialdemokratie ent­schleiert"! In Wahrheit hat er wie andre unsrer Gegner schon vor­her oft genug sich über diefelben erschrecklichen Ziele der Social­demokratie entrüstet und dasselbe verständnislose Geschmäh gegen die Bestrebungen der Socialdemokratie losgelassen. Es bedurfte zu dem neuen Erguß nicht erst des Dresdener Parteitages. Daß die Socialdemokratie eine radikale Umwälzung der jetzigen Gesellschaftsordnung" herbeiführen will, davon dürften selbst die badischen Landbefizer, vor denen Dr. Schenkel seine entrüstete Weisheit ausschüttete, Kenntnis gewonnen haben, vielleicht weiß diese Hörerschaft des Ministers sogar, daß gerade diese Absicht der Socialdemokratie, eine in ihrem tiefsten Wesen ungerechte Gesellschaftsordnung zu bes feitigen, auch unter der Bevölkerung Badens die Anhängerzahl der Socialdemokratie fortdauernd gesteigert hat, wovon noch die letzten Und es ist ein Reichstagswahlen glänzendes Zeugnis ablegen. gänzlich aussichtsloses Unternehmen des Herrn Ministers, wenn er Als im Jahre 1899 der Kanal abgelehnt wurde, traten die glaubt, die Vorkommnisse in Dresden   zu einer Beschönigung der Kanalinteressenten zusammen und sagten sich, wir müssen einfach kapitalistischen Ausbeutungszustände ausnutzen zu können. In den den Kanal felbst bauen, wenn die Regierung die Konzeffion er politischen und wirtschaftlichen Forderungen, welche die Socials teilt. Wir tamen nach Aufstellung einer Rentabilitätsberechnung demokratie im Interesse der Unbemittelten und Arbeitenden gegen zu dem Resultat, daß der Kanal aus Privatmitteln zu bauen ist. die Kapitalisten- und Grundbesizerklasse vertritt, liegt die Nots Ober- Baudirektor Franzius- Bremen und Generaldirektor Belling- wendigkeit des socialdemokratischen Vorwärtsmarsches. Wenn einzelne rath- Dresden   gingen über unsre Rentabilitätsberechnung sogar Personen, die in diesem Kampfe stehen, Schwächen und Fehler zeigen, noch hinaus. Es ist mir damals gelungen, von den Inter  - so mindert das nicht im geringsten die großen Ideale des essenten Millionen die übrigen aufzubringen, die 200 Befreiungskampfes der unterdrückten Klassen. Die herrschende Klasse war der Siemens verstorbene Herr v. zu übernehmen aber, für welche der badische Minister spricht, dürfte sich

der Stelle durchzusehen, wo sie ihn erlangen konnte: im Reichstage. Jetzt erfahren wir, daß in der That die Regierung jedes Mittel angewandt hat, um ihr eignes Werk zu verhindern. Auf dem nationalliberalen Delegiertentag erzählte der Abgeordnete Wallbrecht:

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