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Jedoch stehe ich keinen Augenblid an, zu erklären, daß ich den Herrn zur Veröffentlichung meiner, in den Jahren 1891 und 1892 an ihn gerichteten Briefe ermächtige, vorausgesetzt erstens, daß die Briefe in ihrem vollen Wortlaut und in ihrem richtigen Zusammen­hange veröffentlicht werden und zweitens, daß er mich ermächtigt, auch seine, in jenen Jahren an mich gerichteten Briefe unter der gleichen Voraussetzung zu veröffentlichen. Sollten dadurch dritte Personen verlegt werden, so werde ich für mein Teil mich mit ihnen abzufinden wissen; daß der Briefwechsel selbst, wenn er vollständig vorliegt, mir nur zur Ehre gereichen wird, weiß ich. Sollte jedoch Harden fortfahren, mit vagen Andeutungen über den Inhalt dieser Briefe mir zu drohen, oder durch einzelne, aus dem Zusammenhange gerissene Bruchstücke mich zu verdächtigen, so will ich von vornherein erklärt haben, daß er das Gewerbe der Revolverpresse treibt, indem er Waffen, mit denen ich ihm einst geholfen habe, heimtückisch ver­giftet, um sie in verleumderischer Absicht gegen den einstigen Helfer zu fehren. So viel im allgemeinen! Und nun zu den Waffen dieses Kalibers, die Harden dem gegen mich geschmiedeten und auf dem Dresdener Parteitage explodierten Komplott geliefert hat.

Der Fall Schoenlant.

Es sind ihrer zwei. Am 15. September erzählte der mehr­erwähnte Bernhard dem Parteitage: Mehring ist gar nicht berechtigt, gerade über die Frage der Mitarbeit an bürgerlichen Blättern zu schreiben, da er noch im Sommer 1891 an Harden einen Brief schrieb, in dem er ihn bat, Schoenlant Mitarbeit an bürgerlichen Blättern zu verschaffen, weil die socialdemokratische Presse so schlecht bezahle.( Hört! hört!) Gerade Mehring darf meines Erachtens nicht gegen mich schreiben, weil der Charakter dieses Mannes, wie er in allen seinen Artikeln hervortritt, sich stets gleich geblieben ist. Am 11. September 1892 Hat Mehring an Harden eine Starte gerichtet, deren Original ich gefehen habe. Auf dieser Karte heißt es:" Sollten Sie einmal eine besondere Abrechnung mit Schoenlant für angemessen oder notwendig halten, so wenden Sie sich vertrauensvoll nur an mich. Ich weiß diesen Lümmel schon zahm zu machen."( Hört! hört! Lebhafte Bewegung. Zurufe: Wo haben Sie das her?), wo ich das herhabe, fann Ihnen egal sein.

über.

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- und nach meiner Ansicht auch mit Recht zu scheußlich ber rufen, als daß Sie diese bequeme Handhabe des Lindau - Ringes nicht absägen müßten. Sollten Sie einmal eine besondere Ab­rechnung mit Schlt. für angemessen und notwendig halten, wenden Sie sich nur vertrauensvoll an mich. Ich weiß diesen Lümmel zahm zu machen. Besten Gruß

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Mehring.*)

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stürmt, bevorzugter Mitarbeiter des Blattes zu fverden: wir seien ja in allem wesentlichen einig, seine künstlerische Bewunderung Bis­marcks bilde doch kein Hindernis politischen Zusammenwirkens. Darauf hätte ich gemeint: Bismarck ist kein Künstler, sondern ein Politiker; Sie können nicht seine Person bewundern und seine Politik angreifen; wenn wir an einem Strange ziehen sollen, so studieren Sie einmal erst Mary und Lassalle( von denen Harden außer, Schon der Wortlaut dieser Karte zeigt, daß sie aus dem Kampfe Lassalles Broschüre gegen die liberale Presse nichts kannte), dann gegen den Lindauring heraus geschrieben ist. Sie ist nicht an einen wollen wir uns wieder sprechen; so lange Sie für Bismarck und Parteigegner gerichtet, denn sie berichtet gerade über meinen, auf Nietzsche schwärmen, können wir persönliche Freunde bleiben, aber Hardens Wunsch unternommenen Versuch, Bebel und Liebknecht von nicht politische Zeltgenossen werden. Ich fahre dann fort: Von der Unbescholtenheit der Zukunft" zu überzeugen. Ebensowenig diesem Standpunkt persönlicher Freundschaft aus habe ich ihm einige richtet sich die Schlußbemerkung gegen Schoenlant als einen Partei-, geringfügige Gefälligkeiten bei Gründung der Zukunft" erwiesen; sondern vielmehr als einen Bundesgenossen der Lindauclique, den ich die wesentlichste war, daß ich das Blatt taufte; ich sagte im Scherz: damals in ihm sah. Ich sprach zu einem Manne, der in dem Lindau - da Sie bisher bei der Gegenwart gewesen sind, so nennen Sie des kriege treu geblieben war, gegen einen Mann, der uns in diesem Blatt doch Zukunft", und es war auch ein wenig Ernst dabei, wenn Striege verlassen hatte. Dies war die Situation, aus der heraus ich ich hinzufügte: der Titel ist ja auch ganz passend, da Sie doch zur die Karte geschrieben habe. Im übrigen lag ihr Schwergewicht nicht Socialdemokratie kommen werden. Sonst habe ich noch einen oder in der Schlußbemerkung, sondern in dem Saze, den ich durch ge- zwei Briefe nach auswärts geschrieben, um auf das Erscheinen des sperrten Druck hervorgehoben habe, was, wie sich gleich zeigen wird, Blattes aufmerksam zu machen. Meine Mitarbeit habe ich übrigens niemand besser verstanden hat, als Harden selbst. auch nicht in irgend einer katonischen Weise abgelehnt; daß ich kein eifriger Mitarbeiter" geworden wäre, ergab sich schon aus meinem Verhältnis zur Neuen Zeit", die mir in bedrängten Tagen einen mich vollauf befriedigenden Wirkungskreis geöffnet hatte. Jedoch den einen oder den andren Artikel hätte ich wohl geschrieben, um etwa Herrn Harden über die Schwierigkeiten des Anfangs fortzu­helfen, wenn nichts dazwischen gekommen wäre." So meine Dar: stellung in Hardens Fabeln, an der Harden in seiner Replik auch nicht ein Titelchen hat verrücken können.

Mit Schoenlant selbst habe ich mich über die Sache auseinander­gesetzt, als er sich im Jahre 1895 an mich um meine Mitarbeit an der Leipziger Volkszeitung" wandte. Ich war mit andren Arbeiten überhäuft und schlug ihm eine mündliche Rücksprache vor, die dann auch stattfand, als er zum Reichstage nach Berlin kam. Da haben wir die alten Geschichten durchgesprochen, beide froh, sie hinter uns zu haben, er in dem Wirkungskreise, den ihm die Leipziger Genossen eröffnet hatten, ich in der Arbeit an meiner Parteigeschichte. In der Parteiangelegenheit, die den tiefsten Grund unfres Zerwürfnisses gebildet hatte, gab er mir recht und erklärte sein Verhalten durch feinen frankhaft überreizten Zustand; daß er in seiner Berliner Zeit schwer zu leiden hatte, habe ich schon in dem Nekrolog hervorgehoben, den ich ihm in der Leipziger Volkszeitung" schrieb. Dagegen meinte er, ich hätte unrecht gehabt, ihm in dem Lindautriege eine Ueber­läuferei vorzuwerfen; sein Zusammentreffen mit unfren Gegnern sei ganz zufällig geschehen, veranlaßt durch den Besuch eines Studien­freundes; zu sprachlosem Entsetzen" sei gar kein Anlaß gewesen; Harden habe die Sache aufgebauscht, und ich hätte ihn, Schoenlank, gleich so schroff zur Rede gestellt, daß er auch schroff hätte antworten müssen; seine Wike über die Zukunft" seien doch berechtigter ge­wesen, als mein harmloses Gottvertrauen in die angehende Partei­zugehörigkeit Hardens. Alles das gab ich ihm gern zu und verhehlte ihm auch nicht, daß ich mich zu Harden heftig über ihn ausgelassen hätte, wovon er schon anderweit gehört hatte. Ich fragte nur, ob er etwa in diesem Punft ein reines Gewissen hätte, worauf er lachend meinte, wir wollten den alten Quart begraben.

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Schoenlant siedelte im Herbst 1890 von Nürnberg nach Berlin Er war in den letzten Jahren des Socialistengesetzes Mit­arbeiter der Berliner Volkszeitung" gewesen, und in der Aussicht, es zu bleiben, neben seiner Thätigkeit für den Vorwärts", hatte er feine Ueberfiedelung bewerkstelligt. Kaum war er einige Wochen in Berlin , als ich von der Volkszeitung" geboykottet wurde, womit auch Schoenlants Mitarbeit zerfiel. Eine erweiterte Thätigkeit am Vorwärts" fonnte ihm nicht gewährt werden; ich habe selbst der Unterredung beigewohnt, in der Liebknecht ihm diesen Wunsch ab= schlug oder abschlagen mußte. So wünschte Schoenlank eine wissen­schaftliche Arbeit über Kartelle, die ihm sehr große Mühe gemacht hatte, in irgend einer bürgerlichen Wochenschrift unterzubringen. Harden war ständiger Mitarbeiter an der Nation" und ich fragte bei ihm an, ob er die Aufnahme von Schoenlants Arbeit in die Nation" vermitteln könne. Er that auch irgend welche Schritte in dieser Richtung, kam aber mit der Kunde zurück: Es wird nicht gut gehen; Schoenlank hat in der Volkszeitung" einmal Schrader sehr scharf kritisiert. Das ist durch Heinrich Braun herumgeklatscht worden: Sie wissen ja, wie empfindlich diese Leute sind. Daß ich bei diesem Anlaß auch von der schlechten Bezahlung der socialdemo­fratischen Presse gesprochen oder geschrieben haben soll, ist sehr wohl möglich; auf keinen Fall ist es in dem hämisch entstellenden Sinne geschehen, wie Bernhard die Sache in Dresden vortrug. Es wirft weder auf Schoenlant noch auf mich einen Schatten, wenn er wünschte und ich ihm dabei behilflich war, für eine wochen- oder gar monate­Tange, aber wenig umfangreiche Arbeit auf etwas höheres Honorar bedacht zu sein, als die socialdemokratische Presse zahlen kann. Ein wissenschaftlicher Aufsatz Schoenlants war von andrem Kaliber als die Artikelchen, die von den Bernhard und Göhre in die Berliner Morgenpost " oder die Zukunft" gestiftet werden. Die Veröffent lichung eines wissenschaftlichen Auffahes über Kartelle in der Nation" wäre übrigens auch nach dem Dresdener Beschluß erlaubt: zur Vor­sicht will ich jedoch hinzufügen, daß ich nie, seitdem ich für die Partei­presse thätig bin, für bürgerliche Blätter auch nur eine Zeile ge- ziger Volkszeitung" mit andren Komplimenten erwiderte, durch deren schrieben habe.

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Dann die Postkarte vom 11. September 1892! Schoenlant hatte den Krieg, den Harden und ich führten, von Anfang an mit­gemacht, Feuer und Flamme, wie er bei solchen Sachen zu fein pflegte. Eine Reihe von Auffäßen, die er bis in den Sommer 1891 hinein im Feuilleton des Vorwärts" veröffentlichte, liefert dafür den Beweis. Als Harden im September d. J. mich um meine Hilfe anging, be­suchte mich Schoenlant auch zufällig und erklärte sich wiederum zur Unterstützung bereit. Gleich darauf wurde er aber von Heinrich Braun als Mitredakteur des Socialpolitischen Centralblattes" engagiert, wonach eine Erkaltung unsrer Beziehungen eintrat. Dazu trat eine Differenz in Parteiangelegenheiten, über die ich mich nicht verbreiten will, da sie in diesen Zusammenhang eben nur soweit gehört, als sie uns noch weiter auseinander brachte. Dann kam der letzte Stoß dadurch, daß Harden mir im November 1891 schrieb, er habe Schoenlant in einem Restaurant der Leipziger Straße zu feinem sprachlosen Entsetzen" mit unfren intimsten Feinden vom Lindauringe an demselben Kneiptische siten sehen; er, Harden, sei so bestürzt gewesen, daß er sofort das Lokal verlassen habe, aber Schoenlant, der ihn wohl erkannt habe, sei offenbar auch betroffen gewesen. Nun fragte ich bei Schoenlant an, was daran wahr sei, und erhielt die furze Antwort, er verbäte sich jede Kontrolle seines Abendschoppens.

Dann habe ich für die Leipziger Volkszeitung" gearbeitet, an fangs sporadisch, später, nach Abschluß meiner Parteigeschichte, ziemlich fleißig.. Als Harden mich in den Prozeß mit Delbrück verstrickte, sprach ich mich sofort zu Schoenlant dahin aus, Harden würde, wenn ich mit ihm zusammenstieße, Schoenlants und meinen alten Streit auftvärmen. Schoenlant glaubte es nicht annehmen zu sollen, doch erwies sich, daß ich meinen Pappenheimer besser kannte. In seiner Replit auf die erste Auflage meiner Fabeln rückte Harden mit einer faustdicken Anspielung auf die oben gedruckte Karte vor; in der zweiten Auflage habe ich ihm darauf offen geantwortet, habe gesagt, daß es sich um eine lange ausgeglichene Differenz zwischen Schoenlant und mir handle, wie Schoenlant das gleiche zu Leipziger Genossen gesagt hat, die ihn darum befragten. Damals schwieg Harden auf meine Abfertigung, obgleich Schoenlank noch lebte und die Sache hätte aufklären können, wenn ich Univahres behauptet hätte. Heute, ivo Schoenlant tot ist, droht Harden mit Briefen Schoenlants, die an ihn gerichtet seien und mich iompromittieren sollen; feine jungen Leute haben schon auf dem Parteitage herumgeklatscht, daß Schoen­lant meine Broschüre gegen Harden in einem Briefe an diesen gemiß­billigt haben soll.

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Davon weiß ich nichts, und es geht mich auch nichts an. Mir hat Schoenlank niemals gesagt, daß er mit Harden in brieflichem oder persönlichem Verkehr stände, obgleich ich las, daß Schoenlank die überladenen Komplimente, die ihm Harden soweit ich sie bemerkt habe seit dem Herbst 1898 in der Zukunft" machte, in der Leip­rückhaltlose Mißbilligung ich Schoenlants Verdruß erweckte, so daß wir uns zwar nicht wieder persönlich verfeindeten, aber doch unsre gemeinsame Arbeit im Jahre 1899 aufgaben. Mir hat Schoenlank geschrieben, als mein Streit mit Harden begann, er werde sich voll­kommen neutral verhalten, was ich nach Lage der Dinge für richtig hielt und was Schoenlant in der Leipziger Volkszeitung" auch aus­geführt hat. Seine etwaigen Korrespondenzen mit Harden sind mir unbekannt, und ich muß diesem Herrn überlassen, seine Kriegstänze auf einem Grabe aufzuführen, wenn ihn anders nach den grab­schänderischen Lorbeeren des Heinrich Braun gelüftet. Mir genügt es, daß ich bereit war, ihm wegen jener Karte Rede und Antwort zu stehen, als Schoenlank lebte.

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Erst nach Schoenlanks Tode, da er selbst nicht mehr zeugen kann und mich die Rücksicht auf einen Toten an einer ganz erschöpfenden Aufklärung hindert, ist die Karte vom 11. September 1892 aus­gegraben, aus ihrem Zusammengehange geriffen, bis auf den letzten Sab verstümmelt worden, um aus einem flüchtigen Worte heftigen Unmuts eine berechnete Perfidie zurechtzufälschen. So wie die Sache in den Parteitag geworfen wurde, mußte sie ihn gegen mich ein­nehmen, aber durch die Form, in der sie ihm vorgeworfen wurde, ist der Parteitag getäuscht worden.

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Meine Mitarbeit an Hardens Zukunft". Nicht minder raffiniert wurde der Parteitag durch andre Bruch­stüde aus meinen Briefen an Harden getäuscht. Bernhard erzählte: Mehring stellt es so dar, als habe er Harden von vornherein ,, richtig eingeschäzt" und die Mitarbeit an der Zukunft" ab­Artikel gelehnt. Schon der von Mehring nicht widerlegte der Zukunft" vom 4. März 1899 ergiebt, daß das falsch ist. Darnach hat zum Beispiel Mehring im September 1892 an Harden geschrieben: Das Bedenken, das ich gegen eine Mitarbeit habe, habe ich Ihnen ganz offen angegeben: es war mein böser Ruf in der bürgerlichen Welt, an die sich die Zukunft" doch wendet. Ab­gesehen von diesem Bedenken war ich bereit, und gern bereit. Sie brachen aber, ebenso wie im Frühjahr, aus mir völlig unbekannten Gründen den persönlichen Verkehr ab."( Hört! hört!) Dann weiter: Was meine Mitarbeit an der Zukunft" betrifft, so war ich mir bisher nicht klar, ob Ihre Aufforderung von persönlicher Freundschaft und Höflichkeit oder von einem redaktionellen Be­dürfnis diktiert war. Da Sie wochenlang nicht einmal eine halbe Stunde für mich übrig hatten, um eventuell über Thema, Um­fang usw. eines von mir zu liefernden Beitrages zu sprechen, so neigt sich meine Vermutung zu dem ersten Teil jener Alternative, und Ihre freundlichen Zeilen von gestern haben mich darin nur bestärkt. Ich wünsche Ihnen herzlich den besten Erfolg, danke Ihnen für Ihre freundliche Aufforderung und hoffe im übrigen, daß Sie sich endlich einmal von meiner Freundschaft für Sie über­zeugen mögen.'( Hört! hört!)

Das war denn nun der Krieg, und es wurde hinüber- und herübergeschossen. Namentlich als Hardens Plan, eine neue Zeit­schrift herauszugeben, ruchbar zu werden begann, gab feine Bismard schwärmerei zu mehr oder minder boshaften Neckereien auf mein Konto die willkommene Gelegenheit. Nicht am wenigsten flink war dabei Schoenlant, der inzwischen in die Redaktion des Vorwärts" eingetreten ivar. Ich habe damals einen ehrlichen Zorn auf ihn ge­habt, und noch viel erboster war Harden. Der gab sich immer noch als angehender Socialdemokrat, ivollte mich erst zum Mitheraus­geber, dann zum bevorzugten Mitarbeiter seiner neuen Zeitschrift haben, lag mir stets in den Ohren, ich möchte doch Bebel und Lied­knecht, auf deren Mitarbeit er den höchsten Wert legte, über die Reinheit seiner Absichten aufklären. Dazu bot sich mir eine Gelegen­heit, als im September 1892 irgend jemand von London mit Grüßen von Engels fam und eine größere Zusammenkunft im Hofbräu in der Leipziger Straße stattfand. Die Cirkulare der Zukunft" waren chen versandt worden, und ich wurde weidlich damit aufgezogen, habe mich aber tapfer für Herrn Hardens Edelmut, namentlich auch gegen Bebel und Liebknecht, die beide anwesend waren, ins Zeug gelegt, während Schoenlauf, der am entgegengesetzten Ende der langen Tafel saß, unerschöpflich in Scherzen über die neue publizistische Gründung Ganz ohne Wirkung waren die kritischen Bemerkungen über Herrn Hardens zwiespältige Natur auch nicht an mir vorüber­gegangen; aus diesen widerstreitenden Stimmungen heraus schrieb ich dann am übernächsten Tage die Karte an Harden. Sie hat folgenden Wortlaut: Berlin , den 11. Septbr. 92. Lieber Kollege! Mit B. und 2. habe ich vorgestern gesprochen, doch fand ich sie schon durch Schlt. mit dem Gift der Lindauclique inficiert. Unbekannt, woher die Fonds, Bismarckidolatrie usw. Von andrer Seite hörte ich den neuesten Wig" des Herrn Brahm: Die Zukunft" hätte nur drei Mitarbeiter, Sie, mich und Bismarck . Ich ließ Brahm erwidern, die Hiebe für diesen Wiz" würde er zur rechten Zeit am rechten Ort mit derjenigen Regelmäßigkeit erhalten, durch die ich ihm stets meine besondere Verehrung bezeugte. B. und 2. habe ich natürlich aufgeklärt. Ich teile Ihnen dies mit, obwohl ich sehr wohl weiß, daß Sie augenblicklich dergleichen nervöse Anregungen*) Jch drucke diese Karte so ab, wie sie von Bernhard in einem nicht gebrauchen können, doch halte ich es für Inserat der Sächsischen Arbeiterzeitung" veröffentlicht worden ist. notwendig, daß Sie im 1. Heft der 3utunft" Tie Wahrheitsliebe dieses Gentleman tritt glänzend hervor in den sich über das Quis? Quid? Ubi? Quibus Worten, die er dem Abdrucke hinzufügt:" Mehring verdächtigt vor auxiliis? mit möglichster Deutlich feit aus dem Parteigegner Harden nicht nur Schoenlant, sondern auch Bebel lassen. Der Name B.3( Bismards) ist in diefer Beziehung und Liebknecht der Korruption."

ivar.

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Es ist zunächst eine Lüge des Bernhard, daß ich den Artikel der Zukunft" vom 4. März 1899 nicht widerlegt haben soll; diese Widerlegung findet sich in der Nachschrift zur zweiten Auflage der Fabeln, die dem Bernhard bekannt ist, wie er in dem Inserat der Sächsischen Arbeiterzeitung" zugegeben hat.

In dieser Schrift lasse ich mich auch über meine Mitarbeit an der Zukunft" aus. Ich sage da, die Vorbereitungen über die Herausgabe dieses Blattes feien in die Zeit gefallen, wo Harden mich versichert habe, er stehe mir politisch ganz nahe und ziehe mit dem Vorwärts" an einem Strange. Harden habe mich unausgesetzt be­

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Was nun aber dazwischen kam, das muß ich hier ausführlicher schildern, als in meiner früheren Schrift, um die Lüge zu wider­legen, als hätte ich gelogen, die Mitarbeit an der Zukunft"" bon vornherein" abgelehnt zu haben. Ich werde die Briefe hier abdrucken, die mir zuerst die Augen über Harden geöffnet haben, und zwar werde ich nicht mit Bruchstücken aus diesen Briefen Taschenspielerkunststücke à la Harden machen, sondern die Briefe vollständig mitteilen, mit Auslassung einzig der Worte und Sazbruchstücke, die wegen ihrer rüpelhaften Form schwer druckbar sind. Es ist nämlich eine Eigen­tümlichkeit desselben Herrn Harden, der mit einzelnen heftigen und schroffen Worten aus meinen Briefen hausiert, sich selbst in seinen vertraulichen Briefen in der zügellofesten Weise gehen zu lassen. So gern ich also bereit bin, unter den von mir schon angegebenen Be­dingungen seine an mich gerichteten Briefe auch wörtlich abzudrucken, so will ich die hier wiederzugebenden Briefe vorerst nur mit den formellen, den Sinn nicht berührenden Auslassungen abdrucken, die durch die gute Sitte geboten sind.

Auf meine Postkarte vom 11. September 1892 antwortete Harden wie folgt: W. 9. Köthenerstraße 27. 18. September 92.

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Verehrter und lieber Herr Doktor! Für Ihre freundliche Bemühung und für die gütigen Zeilen sage ich ehrlichen Dank, der durch eine fünftägige Reise verspätet ist. Bebel, Liebknecht , Cronheim , Schoenlant hatte ich zur Mit­arbeit aufgefordert, keiner hat geantwortet die Höflichkeit rc= volutionärer Parteibonzen. Wohl aber haben Vollmar und Wille, die ich beide wiederholt angegriffen habe, sofort in liebens­würdigster Weise zugesagt. Sabor: Das läßt tief blicken. ist mir neu, daß man verpflichtet ist, Fremden die Herkunft der Fonds anzugeben, aus denen ein Unternehmen begründet wird; jedenfalls denke ich nicht daran, das zu thun. Sie verehre und liebe ich, und Ihnen sage ich deshalb: meine Brüder Witting, London 49 Canonstreet, geben mir auf Lebensversicherungs­Sicherheit 20 000 Mark. Die erste Rate ist eben eingetroffen, und ich kann Ihnen die Provenienz jeden roten Hellers aften­mäßig mit Postquittung und Brief beweisen. Dadurch bin ich im stande, mit Stilfe Halbpart zu machen. Der Einfall, mich als Reptil zu betrachten, ist doch gar zu läppisch. Ich kann ohne die äußerste Unabhängigkeit überhaupt nicht leben, ich habe für diese Unabhängigkeit gehungert und werde das jederzeit gern wieder thun, wenn es sein muß. Dächte und vermöchte ich anders, dann säße ich heute im warmen Nest bei Mosse oder Lessing , die sich beide dringlichst um mich bewarben. Es giebt auch Soldschreiber des Proletariats; und kommt so ein Schoenlant,

und will mich verdächtigen, der ich weiß Gott meine Existenz ganz einsam und ärmlich drangesetzt habe, dann fant mich das nur erheitern. Ich werde auch im nächsten Jahr äußerst eingeschränkt leben müssen, und ich kann sagen, wenn ich Erfolge habe, so danke ich sie nur mir. Bismard als Geldgeber ist ent­schieden eine neue gloriose Jdee. Aber diese Menschlein fönnen sich nicht vorstellen, daß man uneigennüßig und überzeugt handeln kann. Ich halte Bismarck für einen ganz wundervollen und groß­artigen sterblichen Menschen, den die Knotigkeit, Erbärmlichkeit und Kellnerhaftigkeit der deutschen Nation vielfach verdorben hat, dem wir aber, und besonders auch das Proletariat, unendlich viel verdanken. Ohne 64, 66, 70 gab es keine Möglichkeit der prole= tarischen Emanzipationsbewegung, der mein Herz gehört, wenn ich auch die Möglichkeit des Maryschen Allheilmittels schmerzlich verneinen muß. Das alles ist nicht auf vier Seiten zu erschöpfen. Aber ich werde fortfahren, gegen die meines Erachtens bliz­dumme Bismarck- Legende zu kämpfen. Wer die jetzigen Ver= hältnisse erhalten wünscht, konnte nur wie er handeln. Ohne ihn werden wir Krieg und neues Socialistengeset erhalten, ohne ihn ist unsre politische und wirtschaftliche Festigkeit schon jetzt ers schüttert. Daß ich nicht blind für ihn bin, habe ich bewiesen; daß ich nie auch nur einen Schatten von Abhängigkeit ertragen werde, weiß niemand besser als er. Wir sind aber drei Tage lang durch die Wälder von Varzin gestreift und haben uns gründ­lichst ausgesprochen. Bebel hätte mich nicht eingeladen, nachdem ich so rücksichtslos über ihn geschrieben, wie ich im zweiten Apostata über Bismard. Was ich will und wofür ich kämpfe, namentlich aber wogegen, das wissen Sie. Ich halte den Kampf gegen die Allmächtigen Richter, Rickert, Mosse , Ronacher oder wie sie sonst heißen, heute für wichtiger, als das Gezeter gegen den machtlosen Bismarck . Hoffentlich lerne ich noch recht viel and kann noch manchen Gesinnungswechsel" erleben. Wenn die Herren So­cialistenführer, denen zum erstenmal in einem von bürgerlichen Klassen gelesenen Blatte absolute Freiheit geboten wird, darauf nur mit Verdächtigungen antworten: mir ist's recht. Ver­mutlich halten sie es für billiger, die schon Ueberzeugten täglich vor dieselbe Sterbe zu führen, als publizistisch zu werben und zu gewinnen. Habeant sibi. Daß es aber schändlich ist, mit Bismard jetzt freundschaftlich zu verkehren, sollten wenigstens die Freunde des nicht behaupten. Ich wünschte, ich hätte Sie und Bismard zu Mitarbeitern, dann brauchte ich kaum noch andre, denn drei Weltanschauungen wären durch drei stärkste Persönlichkeiten vertreten. Aber es scheint fast, als müßte ich aufhören, auf Ihre Hilfe zu rechnen; und das wäre mir so un­gefähr das Bedauerlichste. Wenn Schoenlant es noch drei Monate so weiter treibt, wird kein Mensch von einigem Geschmack den Vorwärts" mehr anrühren können. Aber die Herren sind blind und taub; ich bin überzeugt, im tiefsten Herzen sind sie auch Ihnen alle neidisch. Liebknecht

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Herzlichen Gruß. Sie werden mich niemals auf moorigem Boden finden, niemals anderswo als bei ehrlicher, wenn auch vielleicht irrender Ueberzeugung.

feiner

Immer Ihr getreuer Verehrer Harden. Auf diesen Brief Hardens habe ich am 19. September, nach Angabe im Vorwärts" vom 6. Oktober 1903, geantwortet:

Lieber Kollege!

Sie sind wirklich, was Carlyle ein dünnhäutiges Individuun nennt. Ich habe doch wahrhaftig noch nie in meinem Leben den geringsten Zweifel an Ihrer Integrität geäußert und gehabt; ivozu also gegen mich diese empfindlichen Versicherungen? Was meine Mitarbeit an der Zukunft" betrifft, so war ich mir bisher nicht flar, ob Ihre Aufforderung von persönlicher Freund­schaft und Höflichkeit oder von einem redaktionellen Bedürfnis diftiert war. Da Sie wochenlang nicht einmal eine arme halbe