Nr. 255. 20. Jahrgang.
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Bald richt' ich mich rasselnd in die Höh',
folgender Brief zeigt, den er am 19. März 1889 an diesen schrieb, als infolge eines Artikels von Mehring die Berliner VolksDaß Du Mehring nicht acceptiertest, so lange er sich nicht Beitung" dem Socialistengesetz zum Opfer fiel. Dieser Brief mit der Partei auseinandergefeßt", erscheint mir sehr pedantisch, und lautet: Mit Nachfolgendem übergebe ich ein Thatsachenmaterial der ich bedaure das, weil auf diese Weise an eine Thätigkeit Mehrings" Heute, wo ein schamloser Streich gegen Sie geführt wurde, Deffentlichkeit in dem Streite Braun- Mehring, das in der Hauptsache an der Neuen Zeit" nicht zu denken ist. Ich glaube wenigstens will ich nicht säumen, Ihnen meine aufrichtige und hohe Beden Parteigenossen noch unbekannt ist, aber zur Beurteilung der nicht, daß er sich bemüßigt finden wird, zu erklären, daß er ehrlos wunderung auszusprechen für die publizistische Genialität, mit der Vorgänge auf und nach dem Dresdener Parteitage von entscheidender gehandelt. Das allein aber könnte doch der Inhalt der Auseinander- Sie die Sache der Freiheit verteidigt haben. Auch für Sie gilt sicher Bedeutung sein dürfte. segung" sein. Denn um etwas andres handelt es sich bei seinen Freiligraths Wort: Die Stellen aus den Briefen und der Postkarte aus dem bedauerlichen Metamorphosen kaum. Ich bin der Ansicht, man Jahre 1887 find entnommen der Korrespondenz, die Dr. H. Braun tönnte sich damit zufrieden geben, daß er durch die That seine Bald kehr' ich reisiger wieder." mit Kautsky in jenem Jahre pflog. Ich hatte mir diese Korrespondenz früheren Sünden gut gemacht und wenn er worüber ich gar In gleich anerkennender Weise äußerte sich Dr. H. Braum über vom Genossen Kautsky ausgebeten, um sie in den schiedsgerichtlichen nichts weiß Neigung hätte, direkt in unsern Reihen wieder Mehring in der Wiener Arbeiter Beitnng" am 10. Oftober 1890. Verhandlungen, die anläßlich der bekannten Vorgänge auf dem mitzufämpfen, so könnten wir über eine so wertvolle Unter- Siehe Seite 7 der Mehringschen Broschüre:„ Meine Rechtfertigung". Dresdener Parteitag notwendig geworden sind, zu verwenden. stüßung uns nur freuen. Herz und Nieren zu prüfen Die Gründe, die einige Jahre später Dr. H. Braun mit Mehring Der Entrüstungsartikel, den Dr. H. Braun im Vorwärts" vom und darüber zu Gericht zu fizen, fönnten wir dem lieben Gott über- in Differenzen brachte und schließlich bei ihm zu jener fittlichen Ent25. Oftober veröffentlichte, wurde für mich die Veranlassung, mit laffen. Uebrigens betrachte ich die Sache nach Deinem Brief für rüstung und zu jenem intensiven Haß führten, wie diese in Dresden diesen Schriftstücken an die Deffentlichkeit zu treten, weil sie als ganz erledigt und ich accentuiere bloß, daß Du mich nicht überzeugt und in seinem schriftlichen Erguß wider Mehring im Vorwärts" Maßstab dienen für die verschiedenen moralischen Auffassungen des hast. Ich will übrigens nicht leugnen, daß ich bei meinem vom 25. Oktober zum Ausdruck kamen, find an andrer Stelle zu er Dr. H. Braun über Mehring in den Jahren 1887 bis 1890 und 1903. Verhältnis zu Mehring ich kenne ihn persönlich gar nicht erörtern. Aus dieser Korrespondenz zwischen Dr. H. Braun und Kautsky habe über einen gewissen unaufgelösten Rest peinlicher Empfindung nicht Ich möchte schließlich hier noch auf eine persönliche Angelegenich nur diejenigen Stellen entnommen, die sich auf Mehring be- hinauskomme, aber ich lasse mich von diesen Empfindungen nicht heit zu sprechen kommen. ziehen, diese aber wörtlich. Die gesperrt gedruckten Worte sind in beeinflussen." der Korrespondenz Brauns unterstrichen.
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Nachdem die Gattin Brauns bereits im Herbst 1886 einen Huldigungsbrief an Mehring geschrieben hatte, in dem sie sich auch auf ihren Mann berief und in dessen Namen Mehring Grüße überfandte, begann Dr. H. Braun im Februar 1887 die Korrespondenz mit Kautsky , in der er sich die größte Mühe gab, Mehring als Mit arbeiter an die Neue Zeit" zu bringen. Auch enthalten die folgenden Darlegungen Stellen, die im starken Widerspruch mit gewissen Ausführunge: Dr. H. Brauns in Dresden stehen. Derselbe schreibt an Kautsky : ( Göbenstr. 9.
Berlin W. 18, 10./II. 86.*) .. Noch Eins. Wie dächtest Du darüber, Franz Mehring von der Bolts- Zeitung", den ehemaligen giftigen Verleumder der Socialdemokratie, ich meine feinen andern, zur Mitarbeiterschaft an der„ Neue Zeit" aufzufordern. Ich halte Mehring nämlich für einen ganz außerordentlichen Schriftsteller, der durch sein jeziges Verhalten seine Jugendfünden wettgemacht hat und unsrer Partei mehr als irgend unsrer eignen Publizisten durch sein mutiges und geistvolles Auftreten in der demokratischen Presse nügt. Mehring ist jetzt, wie ich glaube, entschiedener überzeugter Marrist und seine Mitarbeiterschaft wäre in Hinsicht der Behandlung aktueller socialpolitischer Fragen für die„ Neue Zeit" von immensem Vorteil.
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„ Geehrter Herr! Bei meiner Rückkehr von Breslau fand ich gestern abend Ihren Brief nebst Einlage und Ihre Karte vor. Ich habe sofort nach London geschrieben, wo Bebel auf wenige Tage ist und denselben gebeten, mit Kautsky Rücksprache zu nehmen. Das Manuskript sende ich morgen nach Stuttgart an Dieß.
Vom Erfolg meiner Schritte werden Sie Nachricht erhalten. Mit herzlichem Gruß an Sie und Ihren Kollegen Trescher der Ihre W. Liebknecht . Bdf.( Borsdorf ), 29. 10. 87."
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Dr. H. Braun hat sich in seinem Artikel gegen Mehring im Borwärts" vom 25. d. M. darauf bezogen, daß er schon in Dresden darauf hingewiesen, wie eindringlich er mir seiner Beit gesagt, daß es dem Gefühl der Parteigenossen widerspreche, daß gerade Mehring der Herausgeber des Nachlasses von Marg und Lassalle geworden sei. Ich habe in Dresden auf diese Ausführung nicht geantwortet, so
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Von hier ab entsteht in dem Briefwechsel zwischen Dr. H. Braun und Kautsky über Mehring eine längere Bause. Im Frühjahr 1887hatte Mehring auf Veranlassung seines Kollegen Trescher bei der Berliner Bolts Beitung" einen Artikel über Robert Schweichel geschrieben, den, wie Trescher Mehring versichert hatte, der damalige verantwortliche Redakteur der Neuen Zeit", Genosse W. Blos , in die möge es hier geschehen. Neuen Zeit" aufnehmen wollte. Die Aufnahme dieses Artikels stieß Ich fann mich nicht entsinnen, daß Dr. H. Braun mir eine aber bei Stautsky aus den oben erwähnten Gründen auf Widerstand, solche Bemerkung gemacht hat, aber sie ist wahrscheinlich. Dr. H. Braun und Kautsky , der damals in London wohnte, sandte den Artikel mit hat stets versucht, für seine Wünsche durch Schmeicheln, Bohren oder einem Briefe an Mehring zurück. Als dann im Oftober 1887 Schüren bei denjenigen Vorstandsmitgliedern, die er jeweilig seinen Dr. H. Braun mit Mehring persönlich bekannt wurde, erzählte Wünschen am zugänglichsten erachtete, zu wirken; er hat aber im Mehring bei einem der Besuche Brauns seine Erlebnisse mit vorliegenden Falle vergessen zu sagen, was ich ihm antwortete. Kautsky . Darauf riet ihm Dr. H. Braun, sich an Liebknecht zu Diese Antwort fonnte keine andre als eine entschieden abwenden, ein Rat den Mehring befolgte. Die Antwort Liebknechts weisende sein. Als der Plan zur Herausgabe des Nachlasses von war folgender Brief: Lassalle und Mary auftauchte, bestand unter den an der Sache Beteiligten nicht eine Sekunde eine Meinungsverschiedenheit darüber, daß Franz Mehring der berufene Mann für diese Arbeit sei. wurde von uns allen als selbstverständlich angenommen. Und als der Parteivorstand unter Hinzuziehung der Genossen Dietz und Richard Fischer über die Herausgabe des erwähnten Nachlasses beriet, haben wir uns wohl mit der Honorarfrage und dem Ort des Verlags beschäftigt, nicht aber mit der Person des Verfaffers, die außer Frage war. Es steht auch fest, daß wir keinem Berufeneren diese Arbeit anvertrauen konnten als Mehring; denn Aus diesem Briefe Liebknechts ergiebt sich, daß ich in Dresden es ist die glänzendste historische Arbeit, die für die Partei mich im Irrtum befand, als ich anführte, daß ich die Vermittelung geleistet wurde. Diese Ansicht teilt auch Victor Adler , der seiner wegen der Aufnahme dieses Artikels in die Neue Zeit" mit Kautsky Beit in der Wiener Arbeiter Zeitung" schrieb und mit dem schriftlich führte; sie erfolgte mündlich in London mit der Wirkung, Abdruck dieser Zeilen will ich mein Thatsachenmaterial schließen: daß Kautsky seine Bedenken gegen Mehring fallen ließ und sich Wer uns den Karl Marr jener Jahre( der vierziger Jahre) zeigen bereit erklärte, den Artikel aufzunehmen. Nachdem ich dieses voraus- will, hat ein Stück Geschichtsschreibung höchster Ordnung zu leisten. geschickt, werden dem Leser gewisse Stellen klar, die in dem folgenden Franz Mehring hat diese große Leistung vollbracht Jedes Briefe Dr. H. Brauns an Kautsky enthalten sind. einzelne Stück der Sammlung ist durch eine ausführliche, weit aus" 3. 8t. I. Stadiongaffe 2. greifende Einleitung historisch auf seinen Platz gestellt und verständWien, 18. XI. 87. lich gemacht und durch Anmerkungen in allen Einzelheiten erläutert. . Was die Mitarbeiter anlangt, so rekrutiert die Neue Zeit" So ist unter seinen Händen lebendig geworden, was selbst den dieselben ausschließlich aus Parteikreisen und Du warst, wie ich Wenigen, die es kannten, zum guten Teil totes Material gewesen So weit in diesem Briefe Braun über Mehring. Es folgt eine neulich hörte, als Redakteur kleinlich genug, Franz Mehring , war. Nun wollen wir ein Geständnis machen, das wie ein höchst Bostkarte mit dem Poststempel vom 11. 2. 1887, in der er an Kautsky ehe Du feinen Schweichel- Artikel acceptiertest, die Bearbeitung irgend persönliches aussieht, aber weit davon entfernt ist, es zu sein. schreibt: eines socialen Themas zumuten zu wollen, damit er, ehe er die Schreiber dieser Zeilen bekennt sich dazu, und weiß, daß er im Die Artikel von F. M., die ich Dir gestern sandte, find weniger Ehre genießt, der Nachfolger eines May Quard oder J. Stern und Namen nicht allzu Weniger spricht, daß eine gewisse Unruhe wach geeignet, Dir von M. als socialpolitischer Schriftsteller einen Begriff der Kollege von W. Blos zu werden, ein Examen aus socialdemo- wurde, als die Nachricht kam, Franz Mehring sei ausersehen, den zu geben, als es die zahlreichen Aufsäze oft recht umfangreicher fratischer Gesinnungstüchtigkeit ablege und Besserung in seinen Nachlaß von Mary- Engels herauszugeben. Nicht als ob sich Natur wären, die er in den letzten drei Jahren in den„ Demokrati - moralischen Grundsätzen verrate. Wenn Du so mit einem der ersten der geringste Zweifel an dem umfassenden Wissen und den schen Blättern", einer Wochenschrift, veröffentlichte. Wenn Du Publizisten verfährst, so darfst Du Dich allerdings nicht wundern, außerordentlichen Fähigkeiten des Verfassers der Lessing- Legende, Interesse daran haft, werde ich Dir einzelne zu ver- daß die Zahl Deiner Mitarbeiter eine dürftige ist. Ich werde des Geschichtsschreibers der deutschen Socialdemokratie hätte schaffen suchen. So erinnere ich mich beispielsweise an einen als Redakteur bei meinen Mitarbeitern im Gegensatz zum lieben rühren können. Aber Mehring ist auch ein glänzender Tagess Aufsatz über die Arbeiterinnenbewegung, der nach Inhalt und Form Gott weniger auf das Herz als ihre wissenschaftliche Orthographie schriftsteller, ein Polemiker ersten Ranges, und unterliegt als solcher, ein Meisterstück war." sehen und jedermann sehr gern acceptieren, der fauf dem Gebiete wie wir alle, den Lastern seiner Tugenden. Davon, von dem Ueberder socialen Statistik und socialpolitischen Gesetzgebung wissenschaftlich schäumen des Temperaments, von der sich vordrängenden Kraft zu arbeiten versteht." einer nicht allen und nicht in allen Teilen sympathischen Persönlich
Wenn Du prüde bist, könnte Mehring vorerst seine Artikel anonym schreiben, obwohl selbst, wenn ich Mehring für einen noch heute charakterlosen Menschen hielte und nicht glaubte, daß es sich bei ihm um vergangene und gebüßte Sünden handelt, mir ein folch außerordentlich geistvoller Lump immer noch viel lieber wäre als der biederste, rechtschaffenste Esel. Ueberlege Dir's mal, und wenn Du willst, frage ich vertraulich bei Mehring in Deinem Namen an, об er mitarbeiten wollte. Ich glaube, nach seiner Haltung in der Volks- Zeitung" zu urteilen, thäte er es gern. Ich schicke Dir ein paar Nummern der„ VolksZeitung", die mir gerade in die Hand kommen, in denen die Leitartikel und die mit X bezeichneten Artikel von Mehring sind. Du kannst daraus seinen Stil kennen lernen."
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Wie der Inhalt des folgenden Briefes zeigt, war Kautsky nicht geneigt, auf den Vorschlag des Dr. Heinrich Braun ohne weiteres einzugehen; er verlangte, daß zivischen Mehring und der Partei erst eine Verständigung erfolge, ehe er ihn als Mitarbeiter an der Neuen Zeit" annehmen könnte. Darauf antwortete Braun:
*) Die Zahl 1886 ist offenbar, wie aus dem Zusammenhang mit dem Datum der folgenden Briefe hervorgeht, ein Schreibfehler, es muß 1887 heißen. A. B.
Ein Soldat über den Krieg.
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Der mehrfach erwähnte Artikel Mehrings über Robert Schweichel feit, die in der Wertung von Menschen und Dingen nicht nur von erschien erst im zweiten Heft des sechsten Jahrganges der„ Neuen der großen Leidenschaft des Tages, sondern auch von der kleinen Beit" im Jahre 1888. Das Honorar für diesen Artikel überwies Mehring Laune der Minute beherrscht wird, war zu befürchten, daß das ebenso dem Hasenclever- Fonds. Alsdann hörte seine Mitarbeiterschaft notwendige wie ersehnte Werk schädigende Spuren tragen werde. an der Neuen Zeit" auf, bis er dieselbe im Juni 1891 als ständiger Run wohl, wer mit uns gezweifelt und gefürchtet hat, ist aufs glückMitarbeiter wieder begann. Dr. Heinrich Braun behielt aber lichste enttäuscht worden. Franz Mehring hat in den vier Bänden während dieser Zeit seine glühende Berehrung für Mehring, wie des Nachlasses ein Werk der Selbstüberwindung, der Liebe, der Hin
dieses Jahres, welche Mitte März bekannt werden sollen, Sie nicht zum kommandierenden General in Aussicht genommen hat, auch eine anderweitige Verwendung für Sie nicht bevorsteht.
Da ich weiß, wie schwer jedem von uns, nach langjähriger Dienstzeit, der Entschluß wird, aus dem Dienste zu scheiden, so können Sie fich denken, daß es mir nicht leicht ist, Ihnen Obenstehendes mitzuteilen; indes haben Sie selbst gewünscht, nicht auf dienstlichem Wege oder durch Uebergehung durch Hinterleute zu einem Entschluß für die Zukunft gedrängt zu werden. In alter Verehrung zeichne ich als
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Am 31. März 1899 starb in Berlin der General der Infanterie Hans v. Kretschmann. Aus den Kriegsbriefen an seine Gattin, die jetzt von seiner Tochter, unsrer Parteigenossin Lily Braun , herausgegeben worden sind"), würde man den ganzen Menschen erfennen, selbst dann, wenn die Herausgeberin ihn nicht in einem biographischen Vorwort ausführlich geschildert hätte: Ein Mann, ganz in den Traditionen des preußischen Offiziersstandes aufsehr ergebener erzogen, starr im Glauben an die christliche Lehre und an das b. Hahnke. politische Dogma des Monarchismus, aber innerhalb der Sitten- Herr v. Kretschmann war in Ungnade gefallen. Am Osterbegriffe feiner Gesellschaft von starken ethischen Gefühlen erfüllt, sonntag 1899 wurde er ohne Sang und Klang begraben. vielleicht auch ein verdorbener Dichter, gewiß ein vortrefflicher Stilist, Soldat mit Leib und Seele, dabei ein wirklich beredter Be- Wie gesagt, derlei Erfahrungen Tagen noch vor ihm, als Herr wunderer der Natur, ein liebevoller Gatte und Vater, sicher ein v. Kretschmann aus den böhmischen und französischen Schlachtfeldern harter Feind moderner Geistesrichtungen und dabei doch nichts Briefe an seine Gattin schrieb. iveniger als ein blinder Sänger von dem Throne.
Er war es auch schon damals nicht, als er die Bitterkeit eines unwillkommenen Abschieds noch nicht gefühlt hatte.
Seine Biographin erzählt aus seinem Leben recht merkwürdige Einzelheiten. Im Kaisermanöver 1887 hatte er eine Armee zu führen. Sein Gegner war Prinz Wilhelm. Als guter Soldat sah er in ihm nicht den Fürsten , nicht den Thronerben, sondern nur den Gegner, den zu besiegen er allen Scharfsinn anzuftrengen hatte. Und er besiegte ihn." Bald darauf avancierte er zum Divisionstommandeur in Münster .
Es ist nun tragisch, daß diese Briefe eines für seinen Beruf begeisterten Soldaten sehr gegen seinen Willen, nur durch die starke instinktive Gewalt des Menschlichen, das in dem Briefschreiber lebte, zu einer tönenden Anklage gegen den Krieg und das Kriegshandwerk geworden sind.
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Ein paar Tage später liefert ein Beispiel dafür. Die in Met eingeschlossenen und ausgehungerten Franzosen haben versucht, sich unter furchtbaren Verlusten von den Feldern einige Kartoffeln zu holen. Dazu schreibt er:
daß die Franzosen fünf Bataillone dransezen, um ein paar Säcke Kartoffeln zu erobern, d. h. vielleicht für jedes Duzend Kartoffeln einen Toten und Verwundeten, hat uns es klingt eigentlich toll über alle Maßen gefreut, denn nun können sie sich nicht mehr lange halten.
Am 22. Oftober meldet er aus Vernéville, am 12. November aus Troyes die angedrohte oder vollzogene Niederbrennung einiger widerspenstiger Ortschaften ohne sonderliche Gemütsbewegung, tie es scheint. Aber am 15. November schreibt er aus Theil:
Ob wir morgen hier bleiben, ist noch unbestimmt. Seus, ein Drt von 11 000 Einwohnern, ist schon von den Hessen total ausgeplündert worden. Da wollen wir nicht hingehen. Und tags darauf doch aus Seus:
Diesen Drt haben die hessischen Bundesbrüder in einer unglaublichen Weise mitgenommen. Ein Civilist reitet auf der Straße, zwei Offiziere nötigen ihn vom Pferde, der eine nimmt dies, der andre den Sattel. Ein Stabsoffizier will einen Schrank öffnen, der Wirt giebt vor, keinen Schlüssel zu haben, und als sein Gast den Schrank erbrechen und er es verhindern will, da schießt ihn der Stabsoffizier tot. Solche Dinge können einem den Krieg wirklich berleiden.
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Bei derlei Dingen will der preußische Major nicht mitthun. Am und jetzt nimmt er die Sache schon mehr von der humoristischen Seite an sein Frau: Sevres ( Porzellan) und Spigen fann ich Dir nicht erobern. In unsren Reihen herrscht die Tugend. Bei den Bayern sucht er aber diese Enthaltsamkeit vergebens. 12. Dezember schreibt er aus Meung:
Wenn es der Hauptmann v. Kretschmann im Jahre 1866 fast komisch" findet, Destreicher und Sachsen als Feinde bezeichnen und behandeln zu müssen, so giebt er damit freilich nur Stimmungen Ausdruck, denen der Bruderkrieg" nicht zu selten begegnete. Aber 30. November schreibt er bald brechen tiefere Töne durch.„ Das ist die Schattenseite des Jm Jahre 1889 war wieder Kaisermanöver, jezt unter Strieges", schreibt er am 19. Juni 1866 aus Klofter Marienthal,„ daß Wilhelm II. und in Westfalen . Mein Vater sprach sich, wie ich man allerdings unter der Sanktion des Staates, so eine Art von viel später erst von andren erfuhr, äußerst scharf über mancherlei Räuber werden muß..." Und am 30. Juni schildert er den„ gräßNeuerungen, besonders über die Entfaltung großer Kavalleriemassen, lichen Zustand": Soldaten ohne Nahrung, Verwundete ohne Arzt. Am aus und fuhr einen höheren Offizier, der ihn überzeugen wollte, daß Später erklärt er feiner Tochter, daß die Schilderungen der Kriegser geschlagen sei, während er sicher war, mit dem Feuer seiner greuel, wie sie von Bertha v. Suttner in ihrem Buche Die Infanterie den Gegner in Grund und Boden geschossen zu haben, Waffen nieder!" gegeben worden sind, die gräßlicherre Wirklichkeit sehr unsanft an." Einige Monate darauf war der General nicht erreichten. v. Kretschmann a. D.! Den Feldzug gegen Frankreich machte er von den Wunden Am 10. Januar 1890 bekam der General nämlich folgendes des 66er Krieges geheilt als Major im Generalstab des dritten Briefchen aus dem geheimen Militärkabinett des Kaisers: Armeecorps mit. Am 30. August schreibt er aus Moncel: Verehrteste Ercellenz! Das Chateau( Schloß) Moncel... natürlich leer von wohnern und Möbeln; was zur Folge hatte, daß es von vorbeipassierenden Soldaten sehr vandalisch verwüstet wurde.
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Sie haben mir gelegentlich den Wunsch geäußert, Ihnen zu fagen, wenn der Moment gekommen, um aus eignem Enschluß den Abschied nehmen zu können.
Ich glaube Ihnen daher mitteilen zu sollen, daß der Kaiser heute bei seinen Dispositionen über das fortschreitende Avancement in der Armee und über die Besetzung der Armeecorps zum 1. April
*) Kriegsbriefe aus dem Jahre 1870/71 von Hans v. Kretschmann, weiland General der Infanterie. Herausgegeben von Lily Braun , geb. v. Kretschmann, Berlin . Druck und Verlag von Georg Reimer. 1903.
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Von den Bayern fannst Du Dir schwer einen Begriff machen. In Trupps zu Dreien bis Sechsen bedecken sie die Landstraße, haben die Truppen verlassen, die Gewehre zum Teil weggeworfen... plündernd ziehen sie nach Hause.... Die Dffiziere find als solche nicht mehr wiederzuerkennen. Jetzt wird die ganze Bande nach Orleans genommen, um sie ein wenig zu retablieren. Ja,„ wer Menschen kennen lernen will, der muß in den Krieg Beziehen. Wer seine Illufionen über Menschen nicht verlieren möchte, ber muß zu Hause bleiben!"( Brief vom 18. Dezember aus Meung.) Tags darauf( 19. Dezember) wird ein Kapuziner, der Samariterdienste leistet, als angeblicher Spion gefangen:
Am 22. September in Vernéville fnüpft er an Mitteilungen über den Egoismus der Feldgeistlichen, die immer nur Wünsche für sich hegten und bei deren angeblicher Freiwilligkeit das eine große Rolle spiele, diese moralische Betrachtung:
Geld
Ueberhaupt liefert der Krieg für den Grad des menschlichen Egoismus traurige Beläge. Was Erziehung, Getvohnheit, Moral und Religion uns im Lauf des gewöhnlichen täglichen Lebens als zu erfüllende Pflichten auferlegen, es schwindet hier, weil das Bublifum fehlt, das es anerkennt oder verurteilt.
Das wäre noch zu entschuldigen. Aber ihn auf die Wache bringen, den Roheiten der Soldaten aussehen, das ist ungerechtfertigt, und mich empört es geradezu. Aber Polizeiseelen( der Hauptmann v. Drygalsky, der von Kretschmann auch kurziveg unser Blutrichter" genannt wird) find immer tapfer, wenn Widerstand unmöglich ist.
Aber wenn in Le Mans den Franzosen von preußischen Soldaten die Stiefel von den Füßen auf offener Straße abgezogen