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Nr. 129.

Erscheint täglich außer Montag Prets pränumerando: Viertels jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. fret n's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuzs band: Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins: und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fern( pred- Anschluk: Amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Rothschild's Millionen- Jäger.

Sonnabend, den 4. Juni 1892.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

seiner Verwandten erhitzt hat an dem gleißenden Glanz des in das Frankfurter   Gefängniß eingeliefert werden. Wäh­Rothschild'schen Goldes, von dem der nachmalige Betrüger rend er aber noch auf dem Schiffe schwimmt, das ihn von tagtäglich erzählen konnte. Und von diesen aufgeregten Alexandrien   nach Triest   bringt, veröffentlicht die Lokalpresse Betrachtungen bürgerlicher" Eristenzen, die auch reich der guten Stadt Frankfurt   a. M. folgende Notiz: Gierig und grauenhaft schnell frißt der kapitalistische werden wollten, nur so reich, als es der Besitz des Eiter unter der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft fort. tausendsten Theiles der Rothschild'schen Reichthümer er­Bricht er einmal zufällig an einer Stelle durch, so zeigt laubte, war nur noch ein Schritt zum Verbrechen, das dem fich, daß bereits die ganze Umgebung dieser Stelle zerfressen Thäter ja so verzeihlich erschien bei der schreienden Ungerechtig und verseucht ist. Die Millionenbetrügerei des Kassirers feit der Lage, in welcher er sich befand. Der Wunsch Jäger im alten Stammhause" der Rothschilde zu Frank- ward zur That, der Kapitalismus  , in Rothschild   verkörpert, furt a. M. bestätigt jene allgemeine Beobachtung einmal forrumpirte Jäger und seine ganze Familie. Jetzt, da die wieder in krasser Deutlichkeit. Voruntersuchung mit allem Eifer, der sich dem geschädigten

Vom Freifräulein von Rothschild  . Aus dem Leben des unlängst verstorbenen Freifräuleins von Rothschild( einer in Frankfurt   lebenden Verwandten des Bankhauschefs. Redaktion.) theilt ein Berichterstatter Folgendes mit: Es war im vers gangenen Winter, als Fräulein von Rothschild der durch die strenge Kälte Noth leidenden Thiere gedachte. Sofort sandte die wohlthätige Dame zu Herrn Lohnkutsch er Roth, Große Eschenheimerstraße, und ließ den Herrn um Aus­funft bitten, welche Pferde der städtischen Droschkentuts her Das Rothschild  'sche Stammhaus hatte den ungetreuen Rothschild gegenüber gehört, von den Behörden durchgeführt beffere Decken nothwendig hätten. Herr Roth setzte sich in einen Kassirer, in dessen Verwahrung sich fortlaufend ungefähr wird, jetzt ist die Eiterbeule aufgerissen und in einem Um- Wagen, fuhr nach allen Droschtenhaltestellen, und noch an demfelben Tage erhielten die betreffenden Kutscher für 13 unverzinslich, in baarem Gelde daliegende Millionen fange aufgedeckt, der wahrscheinlich immer noch weit hinter ihre Thiere neue Decken. Unter Mitwirkung einiger befanden, anfänglich mit 3600 Mark mit 3600 Mart, später mit der Wirklichkeit zurückbleibt. Jäger selbst fügt zum Mitglieder des hiesigen Thierschutzvereins ließ ferner bie 4500 Mart Gehalt angestellt. Selbst den Börsenblättern, Eigenthumsverbrechen" die eheliche Untreue und geht mit Verstorbene eine Hundefuhrwerthalle entwerfen, welche Rothschild   nahe stehen, ging diese schäbige Art der einer Hure durch, um halberwachsene Kinder und seine welche in in der Börnestraße erbaut werden follte. Bezahlung, als sie bekannt wurde, über den Spaß. Sie Frau mit jedem Makel in den Augen der bürger- Dreißigtausend Mart hatte Fräulein v. Rothschild zu sprachen, um die Sache nicht zu blamabel erscheinen zu lichen Gesellschaft" behaftet zurückzulassen. Ein eben- diesem Zwecke zugesagt. Alle zum Markt kommenden Hunde laffen, deshalb gleich von rund 5000 M." Gehalt, obgleich falls im Rothschild  'schen Geschäft angestellter Vetter fuhrwerte sollten daselbst untergebracht werden; die Hunde die oben von uns mitgetheilte Zahl bis auf die Mark ver- wird verhaftet, weil er der Frau des Defraudanten follten dafelbst auch gratis Futter erhalten. bürgt ist und in Frankfurt am Main Jedermann weiß, daß verdächtige Werthpackete zustellt. Man Die Stifterin wollte durch den Bau der Halle die armen gelangt Thiere vor Nässe, Kälte und Size schüßen. Es bie Rothschild  'schen Angestellten durch die Bank schauderhaft dazu, auch die weiblichen Angehörigen des Jäger'schen ift fraglich, ob nunmehr der Plan zur Ausführung fommt." bezahlt werden. Es giebt in diesem ersten Finanz- Betters zu beobachten. Es ist eine alte Dame und deren haufe der alten Welt" Kommis mit Salären, wie Tochter; die Letztere schlug sich und ihre Mutter mit Zu dieser Perfiflage der Millionenjäger- Affäre, wie fie fie in Krämerläden üblich sind, und eine Reihe Klavierunterricht durch's Leben. Sie verliert ihre Stunden die bürgerliche Welt und die bürgerliche Presse selbst liefert, von Angestellten muß Nebengeschäfte treiben, um durch Jäger's   Verbrechen, denn die honorable Gesellschaft" brauchen wir kein Wort hinzuzufügen. Futter und Dach in dem theuren Frankfurt   mit Familie auskommen muß sich doch von ihr zurückziehen." Aber die Damen leben für die Thiere, Versuchung und schlechte Bezahlung für die Nebenbei sei hier bemerkt, daß die einstweilen ruhig weiter, bis man auch bei ihnen haussucht Angestellten die Rothschild'sche Familie liefert beide antisemitischen Blätter den Fall Jäger selbstverständlich zur und ganze Borräthe von Tausendmartscheinen versteckt Muster für den Geschichtsschreiber dieser kapitalistischen  Aufwärmung einer Anzahl mehr oder weniger verbürgter findet. Sie wandern ebenfalls in's Gefängniß, in dem Epoche, deren Tage gezählt find!

zu können.

Anekdoten über die sprichwörtliche Filzigkeit des alten Roth­schild benutzt haben. Unseretwegen mag sich der alte Roth­fchild am Munde absparen, was er tann; das ist seine Sache. Nur die Ausbeutung seiner Angestellten und die jenige des Publikums, die er im Großen betreibt, hat öffentliches Intereffe. Um die soziale Seite der Sache drücken sich aber die antisemitischen Blätter möglichst vor sichtig herum.

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Politische Lebersicht.

außerdem bereits zwei andere Freunde" Jäger's fizen, ein kaiserlicher Telegraphenbeamter und ein wohlhabender Bour­geois, Eierhändler seines Zeichens. Die Polizei wühlt im Auftrage Rothschild's   das ganze Kloset und den Kanal von der Wohnung der verhafteten Frauen aus nach Banknoten durch. Und die Spießbürger lesen alle diese Nachrichten Berlin  , den 3. Juni. mit Gier in der Lokalpresse. Sie rechnen nach, was nun Wohlthätigkeit und Pflicht. Voriges Jahr und an dem Gestohlenen noch fehlen muß, fie schimpfen auf den auch schon in früheren Jahren wurden wir, weil der Vor. Die Verbitterung der Angestellten des Millionenhauses Defraudanten, da er ein Dummkopf erster Klasse" war, weil wärts" die Bewegung zu Gunsten von Ferienkolonien für mußte nun natürlich nach dem Grade verschieden sein, nach er so viele Mitwisser einweihte und sie verstehen nicht, wie Schulkinder mit kritischen Augen betrachtete, von Bourgeois­welchem sie Einblick in den kolossalen Reichthum ihres die Mitwissenschaft durch die Ansteckungskraft des tapita- blättern mit dem Vorwurf regalirt, wir hätten kein Herz Arbeitgebers hatten. Der Defraudant Jäger übersah täglich liſtiſchen Giters so ausgebreitet sein mußte. Bei jeder für die armen kränklichen Kinder, denen ein Aufenthalt in die dreizehn baaren Millionen, die er in der Kasse ver- falschen Nachricht, daß der Millionen Jäger aus frischer Landluft so wohl thue. Wir antworteten: Die wahrte, und sein bürgerliches und kaufmännisches Gemüth Egypten in handfester Begleitung um die und die Schulkinder sollten überhaupt nicht in so ungesunde Lebens­mußte allmälig in Wallung gerathen, wenn er sich sagte, Stunde mit der Bahn ankomme, stürzen sie zu bedingungen gebracht werden, daß sie einer jährlichen Kur bes daß er mit seiner Familie föniglich leben könne allein von Hunderten auf den Bahnhof, selbst schon angefressen dürfen, man solle für genügende Schulräume und aus­den verloren gehenden" Zinsen einer einzigen der Millionen, von der kapitalistischen   Sensation, um den" Dummkopf" zu reichende Spielplätze sorgen, und soweit Ferienkolonien noth­die er in Verwahrung hatte. Man ahnt, welche sehen, wie er eingeliefert wird. Ihre Presse aber, der treue wendig seien, den Betrag für diese nicht durch Bettelei, erbitterten Worte wohl oft und öfters in der Ausdruck ihrer Verderbtheit, beschwert sich tagtäglich darüber, sondern durch gesetzliche Steuern aufbringen. Wer Familie des jetzigen Defraudanten gefallen find daß die Behörde nicht weitere Einzelheiten" mittheilt; wie etwas Extraes geben wolle und könne, dem bleibe es ja über das grauenhafte Mißverhältniß zwischen der Be- gern reizte sie den torrumpirten Rizel weiter! unbenommen. Mit der sogenannten Privatmildthätigkeit zahlung und den Pflichten des Kassirers im Millionen- Nun in wenigen Tagen wird das Opfer des Kapita- weiche man blos einer gesellschaftlichen Pflicht aus und hause; wie sich die bürgerliche Einbildung Jäger's   und lismus, der Defraudant Jäger wirklich zu den Uebrigen schaffe nur Unzulängliches.

Feuillefont.

Macbrud verboten.)

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Am Webstuhl der Zeit. Zeitgenössischer Roman in 3 Büchern von A. Otto Walster  .

Ah, Herr Frank; sehr bekannt," meinte der Erst­genannte; freue mich, Sie auf freien Füßen zu wissen." Das würden Exzellenz schwerlich sagen, wenn Sie noch Ministerpräsident wären."

Schwerlich; aber Sie wären wahrscheinlich auch nicht so leicht in Arrest gekommen."

Möglicherweise nicht", meinte Frank lächelnd, und ber Staatsmann verabschiedete sich nunmehr von seinen Begleitern, während diese, jetzt wirklich Flüchtlinge, im Schuhe der Nacht ohne Hindernisse das Freie gewannen.

Zwölftes Kapitel. Rüstungen.

In Bleichungen sowohl, wie in Hasselbach waren für diesen Sonntag Arbeiter- Sommerfeste angekündigt worden, bei denen Vogelschießen den Hauptpunkt des Vergnügens zu bilden bestimmt waren.

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Herr Friedrich Frank, wenn ich bitten darf." Sie sind heute Nacht aus dem Stadtgefängniß aus gebrochen?"

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ihnen herum, aber man bedeutete sie, daß ihrer ein herbes Schicksal harre, wenn sie bei einbrechender Dunkelheit noch immer an diesem Orte oder seiner nächsten Umgebung betroffen würden. Die Folge ihrer Ausweisung war aber," Ausgebrochen worden, das ist der richtige Ausdruck, daß nach einiger Zeit berittene Gendarmen erschienen, mein Freund, ausgebrochen worden." unter deren Schutze die Spione von Neuem sowohl den Und ich habe Befehl, Sie nach dort zurück zu entflohenen Frank, wie den steckbrieflich verfolgten Schrift bringen." steller ausfindig zu machen versuchten.

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Ein schwieriger Auftrag das, wenn es Ihnen nur auch gelingen wird."

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Sie werden doch hoffentlich keinen Widerstand ver­

Die Gesuchten wurden denn auch ohne viel Mühe ge­funden und den Gendarmen kenntlich gemacht. Frank erhielt den Besuch, als er eben die Armbrust suchen?" anlegte, um, wie er betheuert hatte, seiner erwartungsvollen Braut ein Kleinod" herunter zu schießen.

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Mein Herr, ich verhafte Sie im Namen des Königs," ertönte da störend die tiefe Baßstimme des Wachtmeisters, als meine Gegner bereits gegen meine Person be hinter welchem sich ein zweiter Gendarm aufpflanzte.

Warten Sie einen Augenblick, mein Freund," entgegnete Frank, langsam den Kopf umdrehend, ich will erst das Szepter herunterschießen."

Und ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er das Ge­ficht wieder dem hoch in der Luft thronenden Vogel zu. " Hat ihn, hat ihn!" riefen gleich darauf hundert jubelnde Stimmen wie in einem Athem.

Der die Späne zusammensuchende Knabe überreichte dem glücklichen Schüßen das Szepter, welches derselbe galant der tödtlich erschrockenen Braut überreichte, wobei er bemerkte: Du bist ja doch meine Königin, nimm also nun auch Ueber alle Maßen und Erwartungen zahlreich war der das Szepter." Besuch ausgefallen; nichtsdestoweniger wurden die Polizei- Sodann die Armbrust seinem Nachfolger übergebend Spione, welche im Gedränge glaubten, unerkannt herum und sich nach dem Gendarmen umwendend, meinte er: streifen zu fönnen, überall bemerkt und schleunigst zum Berlassen des Festes gezwungen. Man schlug sich nicht mit

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Sie wollen mich also verhaften?"

" Sie sind Friedrich Frank?"

" Und warum sollte ich nicht, Herr Wachtmeister?" " Weil Ihnen das sehr schlimm bekommen könnte." " So? Meinen Sie? Nun wissen Sie etwas Schlimmeres, absichtigen, kann mir vorläufig nicht mehr geschehen, und somit kommt es mir auf ein wenig mehr oder weniger nicht an."

Sie weigern sich also in der That, dem Verhaftungs­befehle Folge zu leisten?"

Ganz unbedingt."

" Nun, dann haben Sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn wir unsererseits zur Gewalt greifen. Ziehen Sie blant, Greiner, der Arrestandus weigert sich, der Arretur Folge zu leisten."

Bei diesen Worten hatte der Wachtmeister selbst die Hand auf den Säbelgriff gelegt. Aber weder ihm, noch seinem Untergebenen gelang es, die Waffe zu ziehen, da der Erstere durch den zu Verhaftenden selbst, der Andere aber durch zwei Arbeiter, welche ihn rechts und links am Arme ergriffen, gehindert wurde."

Meine Herren!" rief der Wachtmeister, im Namen des Königs fordere ich Sie auf, mich bei der Ausübung