Paris , 31. Oftober. In den Wandelgängen der Deputierten fammer war gestern abend das Gerücht verbreitet, Bolizeipräfekt Lépine habe seine Entlassung gegeben infolge der Mißbilligung, die Der Ministerpräsident wegen des Eindringens der Schuyleute in die Arbeitsbörse in der gestrigen Kammerfitung ausgesprochen hatte. Es ging sogar das Gerücht, Lépine sei abgesetzt worden, doch ist keines dieser beiden Gerichte bestätigt worden. Von mehreren Seiten wird zwar behauptet, daß der Ministerpräsident geneigt fei, den Präfekten Lépine zu opfern, daß aber mehrere Mitglieder des Kabinetts entschieden gegen eine derartige Maßregelung seien.
Nach der Richtigstellung der Zahlen ist die von der Kammer bewilligte einfache Tagesordnung mit 357 Stimmen gegen 186 Stimmen angenommen worden. Für die Regierung stimmten diesmal auch 74 gemäßigte Republikaner, gegen die Regierung 46 Socialisten und socialistische Radikale. -
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Auf die Darstellung des Falles Simon die Maßregelung des Gerichtsassessors Simon in Militfd) bersucht heute die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" den Justizminister wie folgt zu entlasten:
Socialdemokratische Blätter erzählen und andre Zeitungen drucken es ihnen gläubig nach, daß ein bei dem Amtsgericht in Militsch mit der Verwaltung einer Richterstelle beauftragter Gerichtsassessor auf Anordnung des Justizministers von seinem Kommissorium deshalb entbunden sei, weil er als Schöffengerichts- Vorsitzender in einer wegen Verbreitung focialdemokratischer Flugblätter verhandelten Strafsache die socialdemokratische Partei als den andren politischen Parteien gleichberechtigt erklärt habe. Ueber die mit einer Freisprechung endende Verhandlung habe ein Gendarm dem Landrat berichtet, der für die Weitergabe des Berichts an die höheren Justanzen Sorge getragen habe.
Von dieser Geschichte ist, soweit sie das Justizministerium betrifft, nur das eine wahr, daß dasselbe auf den Antrag des Oberlandesgerichtspräsidenten die Abberufung des Gerichtsaffessors verfügt hat, und zwar weil er mit dem Amtsrichter in Militsch in folche persönliche Gegensätze geraten war, daß das weitere Zusammenwirken der beiden richterlichen Beamten an demselben Gericht unthunlich erschien. Zugleich ist bei der Abberufung angeordnet worden, daß der Gerichtsaffessor für anderweitige Kommisorien zunächst nicht in Aussicht genommen werden solle. Von den übrigen in der socialdemofratischen Presse mitgeteilten Vorkommnissen ist im Justizministerium nicht das mindeste bekannt. Damit entfallen die daran geknüpften Folgerungen."
Die„ Norddeutsche Allgemeine Beitung" bestätigt also die beiden behaupteten Thatsachen: die Abberufung des Gerichtsassessors und die Verfügung, daß er auch weiterhin teine Kommissorien übertragen erhalten sollte. Nur die von der Breslauer, Volkswacht" angegebenen Gründe will der Justizminister nicht kennen.
Der Justizminister treibt persönlich eine Justiz, die ebenso merkwürdig ist, wie die heutige Gerichtspragis selbst. Der Oberlandesgerichtspräsident teilt ihm mit, daß sich zwei Richter nicht vertragen; er hält es infolgedessen für unthunlich, daß sie an demselben Gericht arbeiten. Er trennt also die beiden persönlichen Widersacher. Das könnte man zur Not noch verstehen. Aber der Justizminister thut ein Weiteres. Er überträgt dem einen kein nenes Amt! Ja, in aller Welt, wie konnte der Justizminister einem Richter die weitere Karriere unmöglich machen, weil er sich mit irgend einem Kollegen nicht gut stand? Das geht noch über chinesische Justiz!
dann den Weg der Denunziation zu beschreiten. Beweise dafür, I wurde, wie bei dieser Gelegenheit wieder die Verbandsleitung als daß Unteroffiziere und Offiziere, beispielsweise namentlich im die Friedensstörer und Aufhezer gebrandmarkt wurden? Königreich Sachsen, wo die Socialdemokratie am gewissenlosesten leber die Werftarbeiter- Aussperrung in Bremen im Frühjahr d. J. wühlt, von Agenten der letteren im Rocke des Königs absichtlich ließ sich die Bossische Zeitung" unterm 10. Mai u. a. berichten: gereizt werden, liegen in nicht geringer 3ahl vor. Diese Versuche mindestens ebenso hart zu bestrafen, wie die Ueberschreitungen der Dienstgewalt, ist unbedingt geboteit." Was sind denn das für Redakteure in der„ Nationalliberalent Korrespondenz", die sich solchen tollen Unsinn aufschwaben lassen? Wenn man erwartungsvoll sein mag, welche Verstärlung der Bürgschaften zur Verhinderung von Soldatenmißhandlungen getroffen worden ist, so braucht man ganz und gar nicht neugierig auf die Enthüllungen über socialdemokratische Agenten in der Armee zu sein, welche Vorgesetzte zu Vergehen anreizen, um sie denunzieren zu können. Solche Fälle giebt es nicht und kann es nicht geben, weil jeder Soldat froh ist, wenn er nicht gemißhandelt wird.
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Aus dem Mittelalter. In der Generalsynode ging am Sonnabend der Streit um die Theologie- Professoren weiter. Die Hochedlen Grafen Hohenthal und Wartensleben lieferten mit folgendem Zusagantrag ein weiteres Kulturdokument: Für den Fall der Annahme des Antrags v. Manteuffel diesem folgende Zusätze zu geben:
Denn sie ist überzeugt, daß die für die Theologie der daß die Gegenwart bestehenden Schwierigkeiten in der Behauptung und Verteidigung des biblischen Christentums nur überwunden werden können, wenn die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung mit der Gebundenheit an die Thatsachen des Heils in Einklang steht.
aus.
Sie spricht allen Theologen, die durch ihre Arbeit den evangelischen Glauben befräftigen und verteidigen helfen, ihren Dant Aber sie erklärt, daß die Kirche es nicht vertragen kann, wenn der Grundsatz der Gleichberechtigung der Richtungen sogar auf dem Gegensatz der naturalistischen und der christlichen Welt anschauung ausgedehnt wird.
Ein Vermittelungsantrag v. d. Gol begnügt sich mit einem orthodoyen Bekenntnis: Zunächst wird mit Befriedigung die Anregung begrüßt, wissenschaftlich stüchtigen Geistlichen die Erprobung im akademischen Lehramt zu erleichtern. Dann heißt es:
„ Es waren zwar Arbeitswillige da, aber diese konnten gegen die„ Genoffen" nicht aufkommen, die unter der Fuchtel der Berbandsleiter standen. Letztere erklärten die Sperre über die beiden Werften, und darauf antworteten diese nicht mit Entlassung der den Accordtarif ablehnenden, sondern ihrer ganzen Arbeiterschaften, 4000 bis 5000 Mann. Die allgemeine Ursache ist die stets zunehmende Wühlarbeit der Socialdemokratie, die eine Stimmung in der Arbeiterschaft erzeugt hat, die dem friedlichen Zusammenwirken mit den Unternehmern gänzlich abhold ist. Während in hiesiger Gegend bisher überwiegend ein gutes Verhältnis herrschte, ist jetzt das Gegenteil eingetreten; es giebt Streitigkeiten um vollständige Nichtigkeiten. Wie der jetzige Kampf ausfallen mag, muß abgewartet werden. 4000-4500 Arbeiter sind bei der jetzigen Lage des Arbeitsmarktes schwer über die Zeit der Arbeitslosigkeit hinwegzubringen. Die Löhne sind höher als selbst in Rheinland- Westfalen , und die besonnenen Arbeiter sind auch noch vorhanden und wirken im Sinne des Friedens. Ja, nach manchen Anzeichen ist ein großer Teil der Arbeiter durchaus damit zufrieden, daß der Terrorismus der Verbandsleiter und socialdemokratischen Führer gebrochen wird.
Derartige Betveise des Wohlwollens" für die Arbeiterverbände ließen sich aus den früheren Jahrgängen der„ Voffischen Zeitung" noch in großer Zahl erbringen.
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Aber es ist ja auch ohnedies längst bekannt, wie gerade die Boffische Zeitung" es ist, die bei allen Lohnlämpfen den Grundsatz vertritt, daß der Unternehmer Herr im eignen Hause" sei und fich von Draußenstehenden", d. H. den Verbänden, nichts dreinreden zu lassen brauche.
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Der Vorgang beweist, was die Gelben" von dem Wohlwollen Indem sie die vorgekommenen ergernisse beklagt, welche die der liberalen Presse im Ernst fall zu erwarten haben. Man umgläubige Gemeinde verwirren, giebt sie der Gewißheit Ausdruck, demokratie zu schwächen, gehen sie aber daran, ihre Forderungen in schmeichelt die antisocialdemokratischen Gewerkschaften, um die Socialdaß auch die gegenwärtigen Kämpfe innerhalb der theologischen die Wirklichkeit umzusehen, so wird man sie behandeln, als wären Wissenschaft schließlich zur neuen Begründung und Vertiefung sie genau so schlimme Ümstürzler wie die Roten. der unveränderlichen Wahrheit des Evangeliums führen werden. Sie erkennt es dankbar an, daß der Evangelische Oberkirchenrat Der Präsident der Reichsbank Dr. Koch begeht am Montag, den zugefagt hat, in Gemeinschaft mit dem Herrn Kultusminister ge- 2. November, sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum und neben allerlei eignete Geistliche bei dem Ergreifen des akademischen Berufes wirk- offiziellen Ehrungen, die für den damit schon reichlich überschütteten sam zu fördern, und hält es für erwünscht, wenn akademische Lehrer Mann vorbereitet werden, feiert ihn die bürgerliche Presse schon zuvor in einem Pfarramt der Kirche gedient haben. in allen Tonarten, aber doch nicht einmütig, denn Herr Koch hat es An dem Wunsche einer Mitwirkung des Generalfynodal seit langen im besonderen mit den Agrariern verdorben. Vorstandes bei der Begutachtung der zu berufenden Docenten hält mehr bejubelt ihn die liberale Presse. Für einen objektiven die Generalfynode fest." Beobachter wird sich lediglich feststellen lassen, daß hier ein Mann in arbeitsreichem Leben eines der kompliziertesten Finanzinstitute mit umsicht geleitet und durch mancherlei Fährnisse glatt hindurchgesteuert hat. Der zwiespältige Charakter der Reichsbank als eine eigenartige Mischung von Staatsbetrieb und privatkapitalistischer Gegenüber der vorhandenen Sorgen, daß der der Kirche Unternehmung erhöht das Verdienst dieser erfolgreichen Arbeit noch. unentbehrliche innere Zusammenhang der zu freier Arbeit berufenen Es war feine kleine Aufgabe, die Interessen des Privatkapitals, mit theologischen Wissenschaft mit dem auf Gottes Wort gegründeten dem die Reichsbank arbeitet, noch immer so zu verwalten, daß es Glauben der Kirche gefährdet sei, bekennt die General- sich nicht zurückzog, und doch dem Staat, der die gesamte Ver= synode sich einmütig zu Christo Jeju, dem eingeborenen waltung stellt und dem das Institut voll verantwortlich ist, Sohn Gottes, dem für uns Gekreuzigten und Auferstandenen, dem nicht dadurch wehe zu thun. Koch gehört der Verwaltung einigen Mittler unfres Heils. Sie vertraut, daß zu Professoren der Reichsbank seit ihrem Entstehen im Jahre 1876 der Theologie nur Männer ernannt werden, welche in dem Glauben und steht seit 13 Jahren an der Spize ihres Direttoriums. Die und Bekenntnis des Sohnes Gottes stehen." großen wirtschaftlichen Umwälzungen, die gerade seit Bestehen der In der Debatte forderten auch einige Professoren die Ent- Reichsbank und wieder besonders start in den letzten Jahrzehnten mündigung der Vernunft und Forschung, so erklärte Professor vor sich gegangen sind, haben die Bedeutung der Reichsbaut und v. Nathusius Greifswald: Gegen das Eindringen der„ natura- ihren Wirkungsfreis weit über alles Erwarten bei ihrer Gründung liftischen" Weltanschauung und der Feinde der Offenbarung in die erhöht. Die ihr in§ 12 des Bankgesetzes gestellte wirtschaftliche Kirche müsse man mit aller Schärfe gemeinsam vorgehen. Aufgabe: den Geldumlauf zu regeln, die Zahlungsausgleichungen Schließlich wurden die etwas veränderten Anträge v. Manteuffel zu erleichtern und für die Nutzbarmachung verfügbaren Kapitals zu und v. d. Golz mit Zufäßen aus den Anträgen der Grafen v. Wartens- forgen, hat ihr dadurch immer erhöhtere und schwierigere Aufgaben leben und Hohenthal mit 127 gegen 57 Stimmen angenommen. gestellt. In welchem Maße dies geschah, geht am besten aus der Die Ablehnenden sind zumeist Professoren, darunter auch der Ober- Zunahme der Geschäfte hervor, die Koch die Koch selbst in einer hofprediger Dryander. Der Justizminister hat zunächst die Pflicht, zu erklären, welcher Pfaff und Junker haben also einen glänzenden Sieg über die 2. Januar 1901 zusammengestellt hat und Rede zur Feier des 25jährigen Bestehens der Reichsbank am Art die persönlichen Differenzen gewesen seien. Erst dann wird man Profefforenwissenschaft errungen. aus denen die Trotz der assyrischen" Lieb- Bossische Zeitung" jetzt einiges wiedergiebt. entscheiden können, ob der Minister ohne jeden Grund auf habereien ist die Orthodoxie allmächtig. Freilich dürfen sich die umsätze der Reichsbank, die ihre Thätigkeit mit Die Gesamt201 Anteine bloße Anzeige hin einen Richter gemaßregelt hat oder ob er Theologie- Professoren nicht beflagen. Die volle, uneingeschränkte stalten eröffnete und am Ende 1900 über 830 Anstalten verfügte, beeinen sehr triftigen Grund gehabt hat, nämlich die in der Freiheit der Forschung wagen auch sie nicht zu fordern, auch sie zifferten sich danach 1876 auf 36,7 Milliarden Mark, im Jahre 1899 socialdemokratischen Presse behauptete Anflehnung des Affeffors gegen halten. Die Orthodorie hat wenigstens den Mut und die Kraft der Banknoten- Umlauf betrug 1876 durchschnittlich 684 Millionen, 1899 wollen die Vernunft nur an ein wenig geloderten Bügeln auf 179,6 Milliarden Mart, also auf nahezu das Fünffache. Der den Rechtsgrundsatz des Justizministers, daß es nicht dasselbe sei, Konsequenz. Entweder gar keine Freiheit oder schrankenlose Freiheit 1142 Millionen. Die Wechselantäufe bezifferten fich 1876 auf 4140 wenn zwei dasselbe thun! ein Drittes giebt's nicht. Die sanften Halben sind seit jeher zur millionen, 1899 auf 8306 Millionen; die Lombarddarlehne sind von Ohnmacht verurteilt. 467 Millionen quf 1479 Millionen gestiegen. Die planmäßig durchgeführte Organisation des Giroverkehrs, an dem jetzt auch die nehmen, ermöglichte es, die Giro- Umfäge von 16,7 Milliarden im Reichs- und bundesstaatlichen Kassen in großem Umfange teils Jahre 1876 auf 181,5 Millarden im Jahre 1899( 164 Milliarden in 1900!) zu steigern. Die Krönung des Systems erfolgte mit dem Sinzutritt der in der ersten Hälfte der achtziger Jahre errichteten 1884 auf über 30 Milliarden im Jahre 1899 gewachsen find. Abrechnungsstellen, deren Umsätze von ca. 12 Milliarden im Jahre
Oder hatte der Justizminister vielleicht Grund anzunehmen, daß
der Herr Simon sich mit einem preußischen Richter vertragen könnte, weil der unglückliche Assessor auf den preußischen Verfassungsgrundsatz der Rechtsgleichheit versessen war?
Die Reichs- Einnahmen vom 1. April bis 1. Oftober 1903. Nach den„ Berliner Politischen Nachrichten" hat die Jst- Einnahme an Zöllen und Verbrauchssteuern in der ersten Hälfte des laufenden Etatsjahres 388,3 millionen Mark oder 15,2 Millionen Mart mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres betragen. Für die Beurteilung des Ergebnisses der Einnahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern kommt jedoch nicht sowohl ein Vergleich mit dem Ertrage des gleichen Zeitraums des Vorjahres als mit dem Etatsanfchlage in Betracht. Zölle und Verbrauchssteuern sind im Etat für 1903 mit insgesamt 795,3 Millionen Mark zum Ansatz gebracht. In Wirklichkeit würde, wenn das zweite Semester dem ersten gleichen würde, sich ein weniger gegenüber dem Etat von 18,7 millionen Mart herausstellen. Dabei ist noch zu erwägen, daß aus der Zuckersteuer, die ja vom 1. September ab ermäßigt ist, in den nächsten Monaten geringere Erträge als in den ersten des Finanzjahres zu erwarten find. Ob sich demgegenüber die Einnahmien aus andren Quellen besser als im ersten Semester gestalten werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sind die Zölle hinter dem natürlichen Etatsanschlage im ersten Semester auch noch um 2,5 Millionen zurückgeblieben.
Was die anderen Einnahmezweige betrifft, für die der Ausweis über das erste Semester vorliegt, so haben die Reichsstempelabgaben im ersten Halbjahre 29,7 Millionen Mart erbracht. Auf das Volljahr gerechnet, würde diese Einnahme un nicht weniger als 19,1 millionen Mark hinter dem Etat zurüd bleiben. Die Börsenstener würde an dem Fehlbetrage mit nicht weniger als nahezu neun Millionen Mark beteiligt sein. Die Post und Telegraphenverwaltung hat zwar auch gegenüber dem gleichen Zeitraume des Vorjahres ein günstiges Ergebnis gehabt, bleibt aber hinter dem Etatsanschlage immer noch zurück; nur bei der Reichs- Eisenbahnverwaltung ist auch der Etatsvoranschlag durch die bisherigen Ergebnisse überschritten.
Das Kanalkompromiß. Die„ Deutsche Tageszeitung" giebt jezt zu, daß Kompromißgedanten in der Kanalfrage schon seit geraumer Zeit gehegt seien. Sie bestreitet mur den thatsächlichen Abschluß des Kompromisses und fordert ihrerseits, daß dem Landtag zunächst nur und zwar sofort die Hochwasser- Borlage vorgelegt werde ohne jede Verquickung mit sonstigen wasserwirtschaftlichen Plänen, wie sie das Kompromiß enthalten soll.
Nach weiterer Blättermeldung wird auf Grund eines Vortrages des Ministers Budde beim Kaiser die Kanalvorlage einer neuen Umarbeitung unterzogen; wir nehmen an, daß zunächst die Verbindung des Dortmund- Ems- Kanals mit der Weser hergestellt werden soll. Der völlige Rückzug der Regierung vor dem fanalfeindlichen Junkertum ist ganz außer Zweifel und kann durch ein Kompromiß nicht verschleiert werden, das die Aufgabe des eigentlichen MittellandKanalbaues bedeutet.
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Die Bossische Zeitung" als Arbeiterfreundin. Gelegentlich des Frankfurter Kongresses der Gutgesinnten hat selbst die brave Vossin ihr arbeiterfreundliches Herz entdeckt. Zwar prophezeit sie dem Frankfurter Verbande, falls dieser durch einseitige Klassenpolitik die Harmonie der bürgerlichen Geſellſchaft stören jollte. entschiedene Gegnerschaft. Wenn der Frankfurter Verband die Wege der Socialdemokratie betreten wollte, müßten wir ihn in der gleichen Weise bekämpfen", heißt es in dem Leitartikel der Nr. 507. Aber gleich darauf geht es weiter:
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Aus diesen Zahlen ist ohne weiteres der gewaltige Einfluß zu Die Freiheit, zur Erreichung gemeinsamer Ziele sich zu verden ganzen deutschen Kapitalmarkt ausüben muß. erkennen und zu folgern, den die Reichsbank und ihre Politik auf binden, ist ein Interesse jeder Klasse der Gesellschaft. Jede macht Einflusses geht das Sehnen der Agrarier bekanntlich lange dahin, Infolge dieses von dieser Freiheit Gebrauch, soweit sie sie besigt. Der Bund die Reichsbank durch Verstaatlichung in ein reines Regierungsinstitut der Landwirte, der Centralverband der Industriellen, viele
Hunderte von Ringen, Kartellen und Syndikaten liefern dafür zu verwandeln, das dann völlig den agrarisch- junkerlichen Einflüssen beredtes Zeugnis. Wir wünschen und halten es für ein Erfordernis unterſtünde. Die Regierung hat sich 1898/99, wo zum letztenmal des öffentlichen Wohles, daß der Arbeiterklasse diese Freiheit in diesen Wunsch der Agrarier gewehrt und auch seine Ablehnung im über die weitere Form der Reichsbank zu entscheiden war, gegen demselben Maße zu teil werde wie jeder andren. Unterstüßung unsrer Frattion, weil eben bei dem gegenwärtigen Reichstage durchgesetzt. Die Regierung fand hierbei durchaus die war, daß bei einer Verstaatlichung der Reichsbant ihre Bankpolitik starten Einfluß der Agrarier auf die Reichsverwaltung zu befürchten Teilen der ganzen Volkswirtschaft dienen würde, sondern der Pflege nicht dem Interesse von Handel und Verkehr und damit in diesen
Man hört in unsren Tagen oft das Wort sprechen, es sei die Aufgabe des Staates, dem Schwachen zu helfen. Wir können diesem Worte nur mit großen Einschränkungen zu stimmen. Dem Schwachen soll mant nie dazu verhelfen, daß er schwach bleibe, sondern nur dazu, daß er stark werde, Und das wirksamste Mittel, den Schwachen start zu machen, ist, daß man ihm gestattet. sich mit andren zu verbünden. Der ein speciell agrarischer Interessen. Der Präsident der Reichszelne Arbeiter fann mit dem Arbeitgeber nie auf gleichem Fuße handlungen naturgemäß lebhaften Anteil nahm, trat ebenfalls bank, der damals als Regierungskommissar an den Ververhandeln; eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Arbeiterschaft fann es. Der gewiesene Weg, auf dem der Staat dem schwachen den Haß der Agrarier zu, die jetzt in ihm überhaupt beinahe so energisch gegen die Verstaatlichung auf, und zog sich dadurch erneut Arbeiter helfen kann, besteht darin, daß er es ihm ermöglicht, in einen halben Börsenjobber sehen. Denn nicht nur gegen die Vereine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Arbeiterschaft einzutreten. Wir fühlen uns frei von jeder Feindseligkeit gegen das staatlichung der Reichsbank ist noch aufgetreten, auch gegen alle Unternehmertum. Es giebt wohlwollende Unternehmer, und wir lebergriffe der sogenannten„ Börsenreform" im agrarischen Sinne. möchten zur Ehre des Vaterlandes hoffen, daß die Zahl der Nicht minder ist er dem Bimetallismus scharf entgegengetreten und Unternehmer, die ihren Arbeitern mit Wohlwollen begegnen, die Goldwährung hat in ihm einen offenen und thatkräftigen Freund. größer ist als die Zahl derjenigen, die ihren Arbeitern engherzig erneut die Liberalen so bejubeln wie die Agrarier ihn Kein Wunder also, daß ihn bei seinem jezigen Jubiläumt und eigennützig gegenübertreten. Aber gerade unter den wohlwollenden Unternehmern sind viele, die mit uns den Wunsch herunterreißen. Man braucht weder das eine noch das andere, aber teilen, daß den Arbeiterverbänden dieselben Rechte und Freiheiten Zwecke erfüllt und damit dem Kapitalismus zur schnelleren Entman fann ruhig sagen, daß solange die Reichsbant ihre eigentlichen eingeräumt werden, deren sich die Unternehmerverbände erfreuen. wicklung verhilft, hier der rechte Mann am rechten Orte steht, so Arbeiter aller Richtungen, socialdemokratische, Gewerkvereinler,
christliche aller Konfeffionen begegnen sich in der einen Forderung, lange die Regierung nun einmal so wie heute aussieht.
den Arbeiter Gewähr dafür zu leisten, daß ihre Vereine und Verbände sich derselben Freiheit erfreuen, die man andren Klassen nicht entziehen kann. Wir halten diese Forderung für eine gerechte, für eine solche, die nicht im Klasseninteresse, sondern im Interesse der bürgerlichen Gesellschaft liegt, und wir sind überzeugt, daß die Regierung sich der Anerkennung der Gerechtigkeit diefer Forderung auf die Dauer nicht wird entziehen können.
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Wahlen im Saarrevier. Aus Saarbrüden wird vom Freitag berichtet: Vor der hiesigen Straffammer begann heute der Prozeß gegen den Redakteur Lehnen von der„ Neunkirchener Zeitung" wegen Beleidigung der königlichen Bergwertsdirektion und deren Beamten, welchen in einem Artikel der„ NeunEinen unsinnigen Schwaz über Socialdemokratie und Soldaten- Der Leitartikelschreiber scheint ein recht schwaches Gedächtnis zu firchener Zeitung" vom 8. Juli vorgeworfen war, daß die staat mighandlungen vollbringt die Nationalliberale Korrespondenz": befizen und das gleiche auch bei seinen Lesern vorauszusetzen. lichen Grubenbeamten von ihrer vorgesezten Behörde, der fönigWie wir hören, wird bei den zu erwartenden Verhandlungen Es ist doch noch gar nicht so lange her, daß die Vossische lichen Bergwerksdirektion, veranlaßt, Arbeiter von einer Betriebsstelle im Reichstage über dieses Thema Witteilung darüber gemacht Zeitung" den um eine menschenwürdige Eristenz ringenden Omnibus zur andern verlegen, oder daß Arbeiter gar entlassen werden, um werden, in welcher Weise die Bürgschaften für eine möglichste Ber - angestellten ihre Zugehörigkeit zum Transportarbeiter Verbande sie für ihre politische Haltung und die vermutete Abstimmung bei den hinderung solcher Mißgriffe eine Verstärkung erfahren haben. Gleich vorwarf und ihre nur allzu bescheidenen Forderungen brutal zurück- Wahlen zu bestrafen, wenigstens ihnen Nachteil zu bereiten." zeitig aber wird seitens der Heeresverwaltung darauf hingewiesen wies mit der Begründung, daß sie ihnen von ihrer Gewerkschaft Der Angeflagte Lehnen bemerkte, wie die„ Triersche Landeswerden, in welchem Maße die Neigung in den Reihen der dittiert seien. zeitung" meldet, bei seinem Verhör: Defters sind dieselben BehaupMannschaften, die von socialdemokratischen Und hat der Artikelschreiber ferner vergessen, mit welcher tungen, wie die, welche zur Auflage geführt haben, in den WahlEinflüssen angestedt find, wächst, einmal die Bor - bornierten Einseitigkeit noch in allerjüngster Zeit in der Vossischen protesten aufgestellt; ein Prozeß ist nicht erfolgt, obgleich doch gerade gesetzten zum Mißbrauch der Dienstgewalt förmlich zu reizen und Zeitung" der Lohukampf der Berliner Metallarbeiter behandelt eine öffentliche Verhandlung Klarheit geschafft hätte. Nach der Wahl
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