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Dr. 257. 20. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Dienstag, 3. November 1903.

Zur Richtigstellung.

Die Ausführungen Heines im Vorwärts" vom 1. November nötigen mich zu einer Reihe von Richtigstellungen. Ich werde mich dabei möglichst kurz fassen. Richtig ist, daß, als Bernhard und Braun vom Parteivorstand die Einsetzung eines Schiedsgerichts auf Grund der bekannten Bor­gänge in und nach Dresden   verlangten, ihnen auf dem Parteibureau gesagt wurde, das sei nicht Sache des Parteivorstandes, sie möchten sich mit diesem Anliegen an ihre Wahlkreise wenden.

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gutdüntenden Orte vorschlagen und nicht bloß aus dem Wahlkreis, Fertigkeit bethätigt er seine Gegnerschaft gegen den Revisionismus in dem er wohnt, und dasselbe Recht hat der Ankläger. Darüber in wirksamſter Weise nicht bloß in wissenschaftlichen Abhandlungen, hat nie eine Meinungsverschiedenheit bestanden, sie fann auch nach sondern auch als Chefredakteur eines unsrer hervorragendsten täg­wird z. B. in dem Streitfall, der seit Jahr und Tag die Düffel- angenehm geworden und wird er von den Revisionisten besonders dem Wortlaut des§ 2 der Organisation nicht bestehen. Ja es lichen Blätter. Als solcher ist er dem Revisionismus besonders un­dorfer Genossen spaltet, geradezu zur Notwendigkeit, über die Grenzen gehaßt. des Wahlkreises hinaus Schiedsrichter zu holen. Ich sehe in diesem Hasse weder etwas, was Mehring, noch Heine ist dann auch auf den Fall mit der Genoffin Lily Braun   etwas, was den Revisionisten zur Unehre gereicht. Ich sehe darin zu sprechen gekommen. Hier lag die Sache folgendermaßen: Die nur eine Anerkennung der Bedeutung des Mannes. Wir brauchen Genannte fühlte sich schwer beleidigt durch das Urteil, das ich in doch nicht die heuchlerische Philistermoral mitzumachen, die im Haffen Dresden über die Mitarbeiter an der Zukunft" zu denen sie ge- etwas Niedriges, Gemeines sieht. Wer nicht richtig hassen kann, ist Als dann in der Vorstandssitzung vom 2. Oktober über diesen Darauf habe ich dem Sinne nach erklärt, daß über mein ürteil un- Haß des Gegners flennt. hörte gefällt hatte; fie verlangte deshalb ein Schiedsgericht. eine charakterlose Molluste, und ein Schwächling ist, wer über den Borgang berichtet wurde, ward von andrer Seite geltend gemacht, möglich ein Schiedsgericht entscheiden könne. Ich hätte auf Grund daß im vorliegenden Falle sich dieses Verfahren, wohl nicht einer bestimmt vorliegenden, von den Beteiligten gar nicht be- nisten, als wir selbst sie üben. Die Liebesfabbelei" fordern wir ebensowenig von den Revisio­empfehlen würde. Die Anschuldigungen, die gegen eine Anzahl Ge- ftrittenen Handlung ein Urteil gefällt. Dieses Urteil nossen erhoben worden seien, hingen sämtlich mit den Vorgängen tönnten die Betreffenden für zu hart oder überhaupt für ob es ihn nicht vielmehr zu einigen Erkursen über Liebe und Haß, Ich weiß nicht, ob das genügt, Bernstein   zu beruhigen, oder auf dem Parteitag in Dresden   zusammen, sie beträfen sogar ein und ungerecht halten, das sei ihr gutes Recht. dieselbe Sache und entsprängen derselben Quelle. Hiernach liege es ob mein Urteil zu hart oder Aber darüber, Klarheit und Konfusion, Theorie und Praxis, Gesinnungstreue und doch im Interesse aller Beteiligten der Beschuldigten wie der Partei gerechtfertigt sei, fönne ein Schiedsgericht nicht entscheiden. Ein Folgen haben, so würde das allerdings noch schwerer auf mir laften. oder überhaupt Ehrlosigkeit 2c. 2c. provoziert. Sollte meine Erklärung derartige - daß diese Vorgänge nicht vor verschiedenen Schiedsgerichten ver- Schiedsgericht könne nur über bestimmte Handlungen urteilen, deren als Bernsteins augenblickliche sittliche Entrüftung. handelt würden, wobei die Gefahr vorhanden sei, daß ganz wider jemand bezichtigt werde. Sollten Schiedsgerichte auch über Kritiken, sprechende Urteile gefällt würden, sondern daß es wünschenswert die über vorliegende Handlungen gefällt würden, entscheiden, so wäre, die strittigen Angelegenheiten vor ein und demselben Forum seien die Konsequenzen unabsehbare. Es könne dann jeder, der zur Verhandlung zu bringen, damit nach gleichen Gesichtspunkten und durch eine Kritik in einer Rede über eine seiner Handlungen sich be­Grundsätzen verfahren würde. Ich war es, der hierfür den Partei- leidigt fühle, ein Schiedsgericht anrufen und so könnte ein Parteitag vorstand als ein solches Forum vorschlug, wobei ich zugleich wie der letzte ungezählte Schiedsgerichte im Gefolge haben. hinzusezte, daß ich in einem folchen Fall als diesen Gründen lehnte ich es ab, mich einem Schiedsgericht zu stellen, Richter nicht mitwirken würde, da ich Antläger dem ich mich in dem andern Falle unweigerlich gestellt haben sei. Dieses zur Beruhigung von Heine und Genossen.

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würde.

zu milde

A. Bebel.

In der Leipziger Volkszeitung  "

Aus

Entgegnung.

R. Kautsky.

Dr. Seinrich Braun für Franz Mehring  , veröffentlicht Bebel   im Borwärts" vom 31. Oftober nach bekannten Mustern In einem spaltenlangen Artikel mit der Ueberschrift: Gegen diesen Vorschlag wurden dieselben Bedenken laut, wie sie Brieffeßen aus einer einer privaten und durchaus durchaus vertraulichen später Bollmar in seinem bekannten Artikel äußerte. Das Ende der Korrespondenz, die ich vor 17 Jahren mit Kautsky   führte, veil sie Beratung war, da wir uns über einen bestimmten Vorschlag nicht als Maßstab dienen für die verschiedenen moralischen Auffassungen", einigen fonnten, die Abfassung der bekannten Erflärung im die ich in den Jahren 1887 bis 1890 und 1903 über Mehring  " Vorwärts" vom 3. Oktober, die andeutete, daß der Vorstand ein werden die besinnungslosen Angriffe gegen mich fortgesetzt, Angriffe, gehabt haben soll. Bebel behauptet zugleich, daß dieses gemeinsames Forum für nötig hielt, aber vorläufig keine Form die sachlich und formell derart sind, wie sie noch vor kurzer Zeit in" Thatsachenmaterial" in der Hauptsache den Parteigenossen Safür gefunden habe. Man tam weiter überein, die Angelegenheit der Parteipresse unerhört und unmöglich gewesen wären: Die Toten noch unbekannt ist, aber zur Beurteilung der Vorgänge auf gemeinsam mit der Kontrollkommission zu beraten, sobald dieselbe reiten schnell! Da ich aber überzeugt bin, daß den Lesern des und nach dem Dresdener   Parteitage von entscheidender Bedeutung zwecks der üblichen Revision in Berlin   eingetroffen sei. Vorwärts" der ganze jämmerliche Tratsch längst zum Efel geworden sein dürfte. Die Briefe find indessen nichts als eine Bestätigung für das Diese gemeinsame Sigung fand Dienstag, den 20. Oftober statt ist, verzichte ich, auf diese wie auf alle weiteren Angriffe von jener auf dem Parteitage von mir Gesagte: daß ich im Jahre 1887 im mit dem Resultat, daß allseitiges Einverständnis darüber herrschte, daß Seite zu antworten. Ich darf darauf verzichten, weil ich dem Hinblick auf Mehrings früher wie jetzt von mir anerkanntes auf Grund des§ 2 der Parteiorganisation ein solches gemeinsames Parteivorstand die Angelegenheit unterbreitet und ihn ersucht publizistisches Talent und seine Thätigkeit in der Volks- Zeitung" Forum nicht zulässig und ein solches nur möglich habe, sich von dem Freundespaar Jaeckh und Mehring die Be- Kautsky empfohlen habe, ihn als Mitarbeiter für die Neue Zeit" sei, wenn die Beschuldigten sich damit einweise für ihre Verleumdungen vorlegen zu lassen. verstanden erklärten. Der Vorschlag, den Beschuldigten den 2. November 1903. Parteivorstand als dieses Forum vorzuschlagen, wurde mit allen gegen einige Stimmen angenommen. Zweite Instanz sollte nach § 2 der Organisation die Kontrollkommission, dritte der Partei­tag sein.

Lehnen die Beteiligten den Vorschlag ab, dann bleibt selbst­verständlich nur der Weg, den der§ 2 der Organisation vor schreibt, übrig. Vergewaltigt soll niemand werden. Dieser§ 2 schreibt aber nicht vor, wie Heine annimmt, daß nur der Wahlkreis oder die Lokalorganisation ein Schiedsgericht ernennen kann, er besagt vielmehr:

Zur Partei fann nicht gehören, wer sich eines groben Verstoßes gegen die Grundsäße des Parteiprogramms oder wer sich einer ehr­Losen Handlung schuldig gemacht hat.

Ueber die fernere Zugehörigkeit zur Partei entscheidet ein Schiedsgericht, das der Parteivorstand beruft. Die Hälfte der Beifizer wird von denjenigen bezeichnet, welche den Ausschluß beantragen, die andre Hälfte von dem durch diesen Antrag Betroffenen. Den Vor­fizenden bezeichnet der Parteivorstand.

Gegen diese Entscheidung des Schiedsgerichts steht dem Be­troffenen die Berufung an die Kontrollkommission und den Partei­tag zu." Diese Bestimmungen zeigen flar und deutlich, daß es eine grundfalsche Auffassung Heines ist, daß z. B. im Fall einer Anklage gegen ihn ausschließlich der dritte Berliner   Wahlkreis zuständig fei. Der§ 2 redet weder von Wahlkreisen noch Lokalorganisationen, sondern ganz allgemein von der Partei. Und dieses ist auch vollkommen Logisch.

Eine Handlung gegen die Ehre der Partei, die von einem Parteigenoffen begangen wurde, ist kein lokales Vergehen; sie geht nicht nur die Barteigenossen des Ortes oder Wahlkreises an, in dem der Thäter wohnt oder zu dem er gehört, sondern jeder Partei­genosse, wo immer derselbe sich befindet, hat das Recht, eine An­flage zu erheben. Es kann also z. B. ein Berliner   Parteigenosse einen in Buxtehude   wohnenden Genossen wegen einer von dem ersteren für ehrlos angesehenen Handlung wider die Partei anflagen und umgekehrt. Ebenso kann der Angeschuldigte die drei Genossen, die er ins Schiedsgericht vorzuschlagen berechtigt ist, aus jedem ihm

Ein Soldat über den Krieg.

II.

Plünderung, Verwüstung, geschlechtliche Ausschweifung, Tot­schlag, das waren nach des Majors v. Kretschmann unverdächtigem Beugnis die fittlichen Begleiterscheinungen des glorreichsten aller Kriege. Aber damit in der Liste aller Menschlichkeiten, die der Krieg entfeffelt, teine fehle, stellt sich auch die schmierige Korruption ein. Alles, was der Soldat erhält, wird ihm mit dem honigbestrichenen Scheffel zugemeffen. Von 4000 Jacken, die man dem dritten Armee­corps als Liebesgabe schickt, kommen 286 an, von 30 Fässern Num 2. Der Rest ist gestohlen, aber nicht von den Fran­zosen! Aus Guben   meldet die Polizei, daß ein unbemittelter Lazarettinspektor seiner Frau täglich 50-100 Thaler schicke. In demselben Brief, der diese Thatsachen mitteilt, heißt es weiter:

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Wenn ich heute befehle, dem Lazarett so und so viele Flaschen Wein, Wurst, Cigarren zu schicken und ich gehe morgen in das Lazarett, dann haben diese nichts bekommen.

Am 20. Dezember flagt er wieder über die heillosen Be­trügereien der Unterbeamten". Von 25 Cigarren pro Mann, die als Liebesgabe den Soldaten zugedacht sind, bleiben zweiundzwanzig fleben, und der Soldat bekommt bloß drei. Welch' eine fröhliche Teilerei!

Am 24. Dezember schreibt er aus Méung von großen Be­trügereien, die von jüdischen Agenten verübt würden. Diese requirieren durch gefälschte Dokumente Vieh, Getreide, Mehl, zahlen keinen Pfennig und verkaufen ihre Beute dem Oberkommando zu hohen Preisen: Läßt mich Gott aus diesem Feldzuge heil nach Hause tommen, so mache ich es mir zur Aufgabe, diesem Krebsschaden ein Ende zu machen, diese Juden sind wahre Schlachtenräuber, fie vernichten den Ruf des Heeres."

Am 15. April 1871 aus Troyes  :

Einem Konsortium hat man die Verpflegung übergeben; um Dir einen Begriff zu machen, was die verdienen, nur dies: Täg­lich 650 000 Portionen Fleisch, ihm bezahlt mit 7 Sgr., sie kosten ihm 6, macht täglich 650 000 Sgr. 21 000 Thaler täglich. Nun liefert dasselbe Konsortium alles: Reis, Kaffee, Hafer 2c. Das allein ist eine heillose Gaunerei, hinter der recht viel Leute stecken. Wenn die fiegreichen Soldaten gleich nach Beendigung des Krieges in ihren festen Quartieren faktisch Hunger leiden mußten, so trugen daran allerdings noch ganz andre Umstände Schuld als jenes Wucherkonsortium und seine dunklen Hintermänner. Der Siegestaumel hatte alle Bande der Ordnung gelöst und jeder sah, wie er zu feinen eignen vergoldeten und unvergoldeten Lorbeeren fam. Am 31. März schreibt Herr v. Kretschmann aus Troyes  :

Erklärung.

Kurt Eisner  .

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zu gewinnen. Zugleich sind sie ein drastischer Beleg für die That­sache, daß ich vom 10. Februar 1887, wo ich die bezügliche Korrespondenz mit Kautsky   begann, bis zum 14. September 1903, wo ich auf dem Parteitag über Mehring sprach, sowohl über dessen Charakter wie über die Motivendigkeit einer festen Begrenzung seiner Thätigkeit immer die selben Ansichten und niemals verschiedene moralische Man wird mir das Zeugnis nicht verweigern können, daß ich in Anschauungen" geäußert habe. Wobei zuzugestehen ist, daß, wenn ich der Aera der Erklärungen mit Erklärungen sehr sparsam gewesen schon vor 17 Jahren die Vergangenheit Wehrings vollständig gekannt bin, trotzdem ich dutzendemal Veranlassung, und sehr triftige, zu hätte, ich zu seiner Rehabilitierung die Hand nicht geboten hätte. solchen gehabt hätte. Nun aber plöglich feszt mir Bernstein   die Auch ist es auf Grund der erweiterten Kenntnis begreiflich, daß ich Pistole seiner sittlichen Entrüstung auf die Brust, um mir eine Er- jezt noch bestimmter wie vor 17 Jahren und in der Folge die Forderung flärung zu erpressen, da er wieder einmal das Bedürfnis hat, sich vertrete, daß Mehring über eine gewisse Grenze hinaus nicht gehen von mir herabgewürdigt, vergewaltigt, des Mangels an Gesinnungs  - dürfe, und zum Prediger der Parteimoral und Hüter der Reinheit der treue, Urteilskraft, Charakterfestigkeit, Ehrgefühl und wer weiß was Lehre nicht berufen sei. noch, angeklagt zu fühlen.

Genossen, die gefühllos genug find, für derartige Schmerzen kein Verständnis zu haben, brauchen auch nicht die Zeit mit dem Lesen der folgenden Zeilen zu vergeuden, die mir dem Zweck dienen, den aufgeregten Bernstein   zu beruhigen.

Es ist der Schluß meines Artikels über Mehring, der ihn so sehr aus dem Häuschen gebracht hat. Ich hatte geschrieben: Unter den jenigen, die theoretische Klarheit und Kenntnis der Parteilitteratur mit journalistischer Fertigkeit verbinden, steht in Deutschland Mehring wohl in erster Linie. Deswegen der wütende Haß des Revisionismus gegen ihn. Der Revisionismus kann nur gedeihen auf dem Grabe Der Theorie."

Vergeblich frage ich mich, wo ich den Revisionisten Gesinnungs­treue, Charakterfestigkeit 2c. abgesprochen habe. Aber um den Gedankengang, den ich da verfolgt, auch dem beschränktesten Kopfe völlig klar zu machen, seien hier alle Zwischenglieder eingefügt, von denen ich annahm, der denkende und sachkundige Leser kann sie selbst ergänzen:

Der Revisionismus kann nur gedeihen auf dem Grabe der Theorie. Die Theoretiker, die den Revisionismus propagieren, find Konfusionsräte, die die Theorie kompromittieren. Die flaren Köpfe, die ihn praktizieren, find Verächter der Theorie. Sie haben nur Sinn für das Nächstliegende.

As theoretisch flarer Kopf und Kenner der Parteilitteratur ist Mehring Gegner des Revisionismus. Dank seiner journalistischen

Lebten wir nicht in einer Zeit der Verwirrung aller Begriffe, so müßte man annehmen, Bebel   habe jene Veröffentlichung unter­nommen, um meine fonsequente Haltung gegenüber Mehring ins Licht zu rücken. Statt dessen aber will seine Darstellung offenbar den Eindruck hervorrufen, er habe etwas Neues und für mich Gravierendes entdeckt. Das wird noch verstärkt, weil er zwar meine Briefe an Kautsky   veröffentlicht, die Mehring empfehlen, dagegen die Briefe und mündlichen Aeußerungen, in denen ich noch viel öfter Kautsky   auf die Gefahren hin­mies, die es für die Parei haben müsse, wenn er feinen pflicht­mäßigen redaktionellen Einfluß gegen das terroristische, die Bartei berhezende Treiben Mehrings nicht geltend macht, auch mit feinem Sterbenswörtchen erwähnt.

In Wirklichkeit ist neu an der Veröffentlichung Bebels nur die verschiedene moralische Auffassung", die er bethätigt. Während er auf dem Kölner   Parteitag fagte:

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Ich verwahre mich überhaupt dagegen, daß ich für brieflich oder privatim gethane Aeuße rungen hier öffentlich Rede stehen foll", operiert er, als wäre dieser ellatante Widerspruch das Selbstverständ­lichste, gegen mich mit brieflichen und privaten Aeußerungen.

Ich gehe über geringfügige Details und auch die geheimniss vollen Andeutungen, daß ich den persönlich mir immer gleich­gültig gewesenen Mehring mit intensivem Haß" verfolge, hinweg, und werde nur noch auf eine Bemerkung Bebels antworten.

Oft ist's mir, als könnte ich diese Existenz nicht einen Tag Ueber Werder   spottet v. Kretschmann, jetzt habe er schon alle mehr aushalten, und wer weiß, wie lange es noch dauern möglichen Ehrenwaffen bekommen, nun werde man wohl zu Ehren­wird. Es iſt, als ob alle Führung der Armee aufgehört hätte, gabeln und Ehrenmessern greifen müssen. Aehnlich über Blumen­jeder sich mit Orden behängen und beweihräuchern ließe, aber nur that. Besonders empört aber ist Kretschmann über das Konsortium nicht an die Truppen denken möchte, die ein Recht haben, zu auf Gegenseitigkeit", das sich im Militärkabinett des Königs, wissen, woran sie sind. Ich glaube, man wird schließlich noch etabliert hat: Rekruten zu einem Einzuge in Berlin   dressieren, damit alle Feste abgehalten werden können ohne die Armee, die es gemacht hat. Spräche man aus, die oder jene Truppen bleiben, andre gehen, min gut, dann weiß man, was man zu erwarten hat und richtet sich ein. Es ist eine Frivolität ohnegleichen, in Berlin  Iuftig und guter Dinge zu sein und die Armee mit mangelhafter Verpflegung vergessen zu lassen, daß sie eine fiegreiche ist. Die Prinzen gehören zu ihren Truppen und nicht nach Berlin  , wo sie nicht ermessen können, wie es bei der Armee aussieht. Wenn heute Alvensleben der Vergnügen wegen Urlaub haben wollte, so würde man dies für eine Pflicht­vergessenheit halten. Die Prinzen find in derselben Lage, und man nimmt es ihnen in der Armee sehr übel, daß sie sporn­streichs nach Hause liefen und unbestimmten Urlaub bekamen, um nur ja nicht wiederzukommen.

Mir geht die Galle über; denn bei etwas mehr Pflichtgefühl oben könnten wir alle zufrieden sein.

Ueber diese Zustände, die nach dem Siege eingetreten waren, hatte er schon am 15. März geschrieben:

Beide Tonangeber im Militärkabinett, Albedy II wie Podbielski, Kavalleristen mit prononcierter Tendenz, erklären es für einen groben Irrtum, daß die Welt sich einbildet, Ins fanterie und Artillerie hätten die Sache gemacht; beide sind ge­neigt, alle höheren Stellen mit ihren Waffen zu besetzen, in den Generalstab, die höhere Adjutantur nur Stavalleriften zu bringen. Dein Sohn, mein Sohn und sein Sohn kommt dabei ja ganz gut weg. Ein gewerbsmäßiger Spieler, der seinen eignen Offizieren das Geld abnahm und nicht drei Mann über einen Rinnstein führen kann, wurde eben Brigadegeneral. Bei uns würde er nicht einen Moment haben im Dienst bleiben können. Glaub mir, hierin frevelt man geradezu; es ist ein Hohn, daß. junge Laffen von der Kavallerie, die gut Seft trinken können, standalöse Geschichten erzählen, über die Leichen der Hunderte erschossenen Infanterie- Offiziere hintveg in angenehme Stellungen galoppieren.

Das Salonfoldatentum, die Settbrüderschaft sind also die eigent­lichen Nuznießer von Sedan geworden. Schon auf dem Schlacht­feld melden sich die ersten Zeichen jener neumodischen Entwicklung, die heute so völlig triumphiert: Die Schlachtenreiterei auf nivelliertem Terrain, bei schweigenden Kanonen.

Wenn es Dir ebenso geht wie mir, dann bekommst Du gar feine Briefe. Mit einer Frivolität sondergleichen verfährt das Oberkommando seit dem Frieden. Seit das Corps auf dem Marsche ist, also seit dem 6., bekümmert es sich nicht um die Ver­pflegung der Leute. Es ist eine Ironie, daß eine siegreiche Wo immer man das kunstvolle Gewebe der Kriegslegende durch Armee effektiv hungern muß. Das Oberkommando reitet in das Glas der Kretschmann- Briefe betrachtet, überall sieht man den Fontainebleau   Jagd, spielt aber Dienst thut es nicht. So schlechten Faden hinter der glänzenden Appretur. Ein besonderes find die Telegraphen, die Post- Relais abgebrochen, feht wie Stapitel in ihnen bilden die ständigen Klagen über die Versuche der Ihr durchkommt, wenns uns nur gut geht." Das ist die Barole Geschichtsflitterung, die schon jetzt anheben, über das Herausstreichen dieser Leute. Ein junger Husarenoffizier, der sechs Flaschen der hohen Herren, die gefliffentliche Vernachlässigung jener Corps, Champagner trinken fann, ohne unter den Tisch zu fallen, ist mehr denen der Briefschreiber angehört. Dafür nun ein Beispiel. Am wert, als ein andrer, der sechs Stunden am Arbeitstisch sitt, ohne 30. Januar 1871 schreibt Kretschmann aus Courbeille: die Laume zu verlieren. E

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Unfre Leute sind in der übelsten Lage. Ihre Löhnung reicht nicht aus, sich etwas zu kaufen, da die Franzosen   uns dreifache Preise machen. Erbswurst und wieder Erbswurst, das ist geradezu unverantwortlich, Leuten anzubieten, die am Ende eines solchen Krieges stehen.

Der Telegraph, die Post ist abgebrochen. Nachrichten erreichen das Oberkommando nicht.

Wenn ich denke, daß diese Vereinigung von Menschen einst in der Weltgeschichte angestaunt werden wird, dann möchte ich jedem dringend raten, die Geschichte zu lernen; sie muß meist auf ebenso falscher Basis beruhen.

" Ich nahm mit dem 3. und 10. Corps Le Mans." Nie wurde eine größere Lüge in die Welt gesandt. Der Prinz ( Friedrich Karl  ) saß drei bis vier Meilen davon und lng schon im Bette, als ihn unsre Meldung überraschte. Doch so wenig man einem Mohren einen Vorwurf machen kann, daß er ein Mohr ist, so wenig kann man dem Oberkommando eine Maßregel boriverfen: es tann eben nicht anders. Bloß ein Beispiel: Gestern

*) Später ist der General v. Kretschmann ein Vertrauter des Prinzen geworden, der sich mit ihm über die intimen Angelegenheiten der Hohenzollern  - Familie brieflich unterhielt.