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Hr. 259. 20. Jahrgang. 2. Kcilm des Jmiiiirls" jittlinn BoMliift Donnerstag, 5. November 1908. Der Kampf ums Majorat. Achter Tag. Vorsitzender Landgerichts- Direktor Leuschner eröffnet die Sitzung mit dem Aufruf der Zeugen, wobei es sich zeigt, daß noch immer eine ungeheuer große Zahl von Zeugen zu vernehmen ist. Justizrat W r o n k e r stellt noch zwei Beweisanträge. Er bean- tragt die Vorladung des Baumeisters T. Ankiewicz in Warschau  . Dieser soll bekunden: In der letzten Zeit habe er zufällig im Zuge von Posen nach Krakau   den Zeugen Hechelski getroffen. Letzterer habe dabei erzählt, daß er nur noch für den Grafen Kwilecki Reisen mache. Jede Reise bringe ihm ein schönes Stück Geld, gelänge ihm aber die Sache, so würde er noch viel mehr erhalten. Auch soll der Zeuge Ankiewicz in der Lage sein, im allgemeinen über den Leu- mund des Hechelski und seine Geschäftsgepflogenheiten Auskunft zu geben. Ferner beantragt Justizrat W r o n k e r die Vorladung des Grundstücksagenten S. Kozlicki in Wronke  , der über den Leumund der Angeklagten Ossowska sich äußern soll. Er soll bekunden, daß diese überall einen schlechten Leumund hat, sowohl nach der gcschäst lichen als nach der menschlichen Seite, und daß sie sich sogar straf- rechtlich zu verantworten haben werde. Diese Zeugen sollen geladen werden. Rechtsanwalt Chodziesner: Graf Hector Kwilecki habe hier behauptet, daß die Uebernahme des Majorats für ihn kein Geschäft sei. Demgegenüber behaupte die Verteidigung, daß es ein glänzendes Geschäft wäre, und um dies zu beweisen, bedürfe es der Grundakten von Wroblewo. Der Gerichtshof beschließt, diese ein- zufordern. Als erste Zeugin wird heute Frau Valentine Andruszewska, die Schwägerin der Hedwig, vernommen. Ihr verstorbener Mann war Möbclhändler. Vor zwei Jahren im Sommer habe die Hedwig in Briefen wiederholt über die schlechte Behandlung geklagt, die ihr in Wroblewo zu teil wurde, und um Hilfe dagegen gebeten. Sie hat dann auch von dem Geheimnis erzählt, genau so, wie eS später zu Papier gebracht worden ist. Darauf habe die Zeugin an die Gräfin geschrieben, man wisse von dem Geheimnis und sie solle doch die Hedwig besser behandeln. Die Gräfin habe diesen Brief nicht angenommen, dann habe sie den Brief anders adressieren lassen und nun sei er angenommen worden. Die Zeugin ist dann auch mal selbst nach Wroblewo gefahren, um die Hedwig zu sprechen und der Gräfin Vorhaltungen zu machen. Sie sei dabei auffallend gut aufgenommen worden und es sei ihr gar nicht angenehm gewesen, daß sie da zur Tafel gezogen wurde, gut zu essen und zu trinken bekam und zwischen dem gräflichen Ehepaar sitzen mutzte. Sie habe dadurch keine rechte Gelegenheit gehabt, mit der Hedwig ausführlich zu sprechen. Sie habe das ganze für eine Komödie gehalten. Aus weiteres Befragen erklärt die Zeugin: Ihr eigner Ehemann habe schon die Sache in die Hand nehmen wollen und auch schon einmal nach Krakau   geschrieben. Später habe der Bruder die Angelegenheit aufgenommen. Richtig sei es, daß nach dem Tode ihres Mannes ein Erbschaftsstreit unter den Angehörigen entbrannt sei, ihr Bruder Max habe schließlich behauptet, daß sie einen falschen Offenbarungseid geleistet habe, und es sei eine Denunziation wegen Meineids gegen sie ergangen. Das Verfahren sei aber eingestellt worden und die Verwandten haben sich wieder friedlich vertragen. Hedwig habe sich auch einmal i13 M. von ihnen geborgt und das Geld sei, als die Hedwig auf das Vorwerk geschickt wurde, ihnen durch Frl. FalkowSka im Auftrage des Grafen zurückgezahlt worden. Präs.: Haben Sie denn nun die Erzählung der Hedwig über das Geheimnis geglaubt? Zeugin: Zuerst wollten wir es nicht glauben, aber sie erzählte immer dasselbe und so haben wir es dann geglaubt. Präs.: Was halten Sie denn von der Hedwig? Schwatzte sie denn so etwas in den Wind hinein? Zeugin: Sie war etwas nervös, aber sonst war sie ganz umgänglich. Weiter bekundet die Zeugin auf Borhalt des Vorsitzenden, daß die Gräfin einmal einer dritten Person gesagt habe, sie werde die Hedwig wegen Beleidigung vor- klagen. Bei dieser Gelegenheit soll die Gräfin gesagt haben:Ein Junge ist ja hergeholt worden für den Fall, daß das zu erwartende Kind ein Mädchen iverden sollte; nun ist es aber ein Knabe ge- worden und deshalb ist der Knabe zurückgeschickt worden. Auf Wunsch des Ersten Staatsanwalts Stein brecht muß die Zeugin die Art und Weise, wie die Hedwig zum erstenmal Mitteilung von dem Geheimnis gemacht hat, ganz genau schildern. Danach' hat sie, als sie sich aufgeregt über die Behandlung durch die Gräfin beklagte, auch gesagt: die Gräfin sollte sie doch eigentlich besser behandeln, denn sie sei Mitwisserin eines Geheimnisses. Der verstorbene Bruder habe darauf geantwortet:Ach, was bist Du gegen die Gräfin!" Die Hedwig habe dann aber gesagt, sie wisse etwas von dem Knaben; das sei gar nicht das Kind der Gräfin, sie habe es vielmehr von außerhalb kommen lassen. Dann habe sie immer und immer wieder das erzählt, was sie nachher zu Papier hat bringen lassen, und dabei gesagt, daß die alte Mutter ihr da« Versprechen abgenommen habe, erst nach ihrem Tode von dem Geheimnis andren Personen Mitteilung zu machen. Die nächste Zeugin ist eine andre Schwägerin der Hedwig, die Konditorftau Stephanie Andruszewska. Sie bekundet, daß sie von ihrer Schwiegermutter aus Wroblewo den Austrag erhalten hatte, etwaige für sie selbst bestimmte Briefe, die an ihre(der Zeugin) Adresse ankommen würden, anzunehmen und dann unter andrem Couvert an sie zu schicken. Da sei einmal ein Brief angekommen, den sie irrtümlich geöffnet habe, weil sie glaubte, er wäre für sie bestimmt. Erst als sie ihn geöffnet, habe sie gesehen, daß dieser aus Krakau   gekommene Brief für die Schwicgcrnmtter bestimmt war. Der Brief, von dem sie nur die erste Seite gelesen, habe sie sehr erschreckt. Der Inhalt war etwa folgender:Da eine Zeitlang vergangen ist und Sie haben nichts lassen von sich hören, so muß ich an Sie schreiben und Sie fragen, ob Sie mich nun wollen belohnen für meine Mühe, denn Sie werden doch nicht wollen, daß ich meine Mühe umsonst geleistet habe. Dann inuß ich Ihnen noch sagen, daß Sie mir mit- teilen, wo das Kind ist, der Vater will es nämlich wissen, da er das Mädchen heiraten will. Machen Sie die Sache bald richtig, denn sonst werden wir noch vor Gericht kommen und Sie werden doch nicht wollen, daß ich mit meinen weißen Haaren noch aufs Gericht muß." Sie sei sehr erschrocken gewesen und sofort zu ihrem Manne nach der Backstube herunter gegangen und habe ihm von dem Briefe Mitteilung gemacht, der ihr gesagt, sie solle den Brief sofort zur Schwiegermutter hinschicken. Sie habe aber zunächst der Schwieger- mutier geschrieben, und diese habe geantwortet, sie solle den Brief nur behalten, denn sie wolle selbst nach Posen kommen. Das geschah denn auch. Ms die Schwiegermutter in Posen war, habe sie nach der Bedeutung des sehr verdächtigen Briefes gefragt und ihr gesagt, daß der Inhalt sehr beunruhigend sei. Die Schwiegermutter habe darauf geantwortet:Ach, Dummheit, der ganze Brief hat gar keinen Wert, es handelt sich um eine sehr wenig wichtige Sache." Die Zeugin habe sich aber nicht beruhigt und nähere Auftlärung verlangt und darauf habe die Schwiegermutter erwidert:Der Brief betreffe ein Dienstmädchen vom Lande und gebe gar keine Ursache zu Bedenken." Die Zeugm ließ sich aber noch nicht beruhigen und fragte, ob es sich etwa um die Gräfin Kwilecka handele. Daraus habe die Schwieger- mutier gesagt:Solche Sachen darfft Du nicht denken; ich werde Dich nicht belügen!" Darauf habe die Schwiegermutter ihr die Hand gegeben und gesagt:Nein, die Gräfin kommt dabei gar nicht in Betracht, ich gebe Dir darauf mein Wort." Der Ehemann Konditor Boleslaus Andruszewski schließt sich der Aussage seiner Ehefrau an und bekundet auf Beftagen des Kreisarztes Dr. Panienski, daß er seine Schwester Hedwig keineswegs für dumm oder schwachsinnig halte. Längere Zeit beanspruchte die Vernehmung des Droschkenkutschers Adolf Wilkc. Er bekundet: Eines Tages im vorigen Jahre hielt ich mit meinem Taxameter an einer Haltestelle in der Kochstraße. Ein Kollege hatte ein Zeitungsblatt in der Hand und las eine Bekannt- machung der Polizei vor, wonach ein Droschkenkutscher gesucht wurde, der im Jahre 1897 zwei polnisch sprechende Damen nach dem Schle- fischen Bahnhof und von dort nach der Kaiserin Augustastraße ge- fahren habe. Ich sagte zu meinem Kollegen: Lassen Sie mir mal lesen! Ich lese also die Annoncen durch und sage: Willst Du mir das Blatt schenken? Der Kollege sagte darauf: Na ja, nimm es Dir man. Ich gehe also nach Hause und sage: Mutter, seh' Dir mal die Annonce an! Meine Frau las das Dings durch und meinte dann: Herr Gott  , das bist Du wohl? Du hast ja mal erzählt, daß Du mit zwei polnischen Damen eine Fahrt gemacht hast und außer dem Fahrgeld von 6 M. noch 1 M. Trinkgeld bekommen hast. Ich sagte: Mutter, det kann am Ende sind I, wodrauf meine Frau sagte: Denn jeh' man hin und melde Dir. Ich habe mich denn auch gemeldet. Wie ich auf der Polizei meine Aussage gemacht hatte, da stimmte die Personenbeschreibuitg und die Fahrt mit die Vornkten ganz überein. Präs.: Nun erzählen Sie mal, was Sie von Ihrer im Jahre 1897 gemachten Fahrt noch in Erinnerung haben. Zeuge: Am 25. oder 26. Januar 1897, jedenfalls kurz vor Kaisers Geburtstag, habe ich an der Ecke der Kaiserin Augustastraße und v. d. Heydtstratze als Dritter mit meinem Taxameter gehalten. Ich saß auf meinem Bock und schnitzte mir etwas zurecht, als gegen 2 Uhr nachmittags Plötz« lich zwei Damen, die verschleiert waren, in meine Droschke stiegen. Die eine hatte einen Koffer bei sich, die andre trug etwas unter dem Mantel. Darauf sagte die eine der gut angezogenen Damen zu mir:Kutscher  , fahren Sie Bahnhof Friedrichstraße  ". Das sagte sie in einem gebrochenen polnffchen Deutsch. Ich nehme also meine Decke von dem Pferd, deckte noch zu und bin losgefahren. Unter- Wegs, am Kemperplatz, hat die eine Dame mir zugerufen: Kutscher  , fahren Sie nach Jannowitzbrücke!' Wie wir auf die Waisenbrücke kommen, geht gerade ein Fernzug aus der Stadtbahn vorüber, die Damen sprachen auf polnisch etwas mit einander und die eine gab mir die Weisung: Fahren Sie nach dem Schlesischen Bahnhof  ! Fahren Sie gut, wenn Zug ist weg, ist sich alles verloren I" Ich fahre also auch zu, denn die Damen hatten mir ein gutes Trinkgeld versprochen. Wie wir am Schlesischen Bahnhof   ankamen, sagte die eine Dame: Kutscher  , haben Sie Zeit zum Warten?" worauf ich natürlich sagte:Na, gewiß doch l"(Heiterkeit.) Die Damen stiegen also aus und die eine nahm den Koffer mit. Na, es verging dann eine Viertelstunde, eine Halbestunde, es wurden drei Viertelstunden und da fing mir an zu stieren, ich bin'rüber gegangen in die Kneipe und habe mir ein bißchen nffgewärmt. iHeiterkeit.) Ja na, es lvar kalt; wir hatten 13 Grad Kälte. Wie ich rauskam, kamen auch die Damen wieder an; die eine hatte noch immer etwas unter dem Mantel verborgen, sie sah sogar etwas dicker aus wie vorher, aber der Koffer war nicht mehr da. Die andre Dame hat mir dann einen Zettel gegeben, auf welchem zwei Straßen und Nummern angegeben waren; zu oberst stand Charlotten- straße 56. Ich fuhr erst dahin, die eine Dame stieg aus, kam aber nach 5 Minuten wieder. Dann rief die Dame: Kuffcher, fahren Sie nach Kaiserin Augustastraße!" Als ich die Hohenzollernstraße bereits durch war und nur noch drei Häuser von der Kaiserin Augusta- straße ab lvar, hieß es plötzlich:Kutscher  , halten I" Ich hielt an und die Dame zahlte mir die Fahrt und das Warten mit 6 Wkark, wobei sie das Geld schon abgezählt in der Hand hatte. Natürlich hat sie mir auch noch 1 Mark Trinkgeld gegeben. Dann entfernten sich die Damen nach der Kaiserin Augustastraße zu. Ich habe nachher meiner Frau erzählt, daß ich einen guten Tag gehabt habe, da mir zwei polnische Frauen eine Mark Trinkgeld gegeben haben; wenn ich am Kaisergeburtstage auch noch ein solches Glück hätte, dann wäre ich zufticden. Meiner Frau habe ich die ganze Geschichte erzählt und die Frau hat gesagt: Herrjeh, vielleicht haben die Frauen ein Kind tot gemacht, vielleicht war in dem Koffer noch das Skelett des toten Kindes vorhanden und sie haben es beiseite gebracht. Präs.: Sind Ihnen nicht auf dem Gerichte einige Frauen vorgestellt worden? Zeuge: Ja, vier Stück. Ich habe aber keine als meine Fahrgäste heraus- finden können. Auf Anordnung des Vorsitzenden müssen die An- geklagten Frau Chwiatkowska und K n o s k a heraustreten. Der Zeuge, der vorher gesagt hatte, daß die beiden Damen 25 bis 35 Jahre alt und 1,66 1,75 Meter groß gewesen seien, sieht beide Angeklagte längere Zeit prüfend an und meint: die Aeltere scheide ganz aus, dagegen konnte die Chwiatkowska vielleicht eine der Damen gewesen sein. Der Zeuge wünscht, die Zeugin mal sprechen zu hören, und sagt ihr vor:Kutscher  , fahren Sie Bahnhof Friedrichstraße  ." Die Chwiatkowska sagt die Worte nach, worauf der Zeuge meint:Der Dialekt stimmt!"(Große Heiterkeit, die der Präsident ernstlich rügt.) Ein Geschworener wünscht von dem Zeugen Wilke zu erfahren, wie er dazu gekommen sei, die beiden Damen ohne Bezahlung aus- steigen zu lassen und eine Stunde auf sie zu warten. Der Zeuge giebt hierauf zur Antwort:Nun, man denkt doch, die Herrschaften kommen wieder." Auf weiteres Befragen erklärt der Zeuge, daß er sich in betreff des Jahres 1897 nicht irren könne. Die folgende Zeugin, Frau Wilke, giebt an, daß ihr Mann einen Tag oder zwei Tage vor Kaisers Geburtstag im Jahre 1897 gegen Abend nach Hause gekommen sei und sofort erzählt habe, daß cr'zwei Damen nach dem Schlesischen Bahnhofe und zurück gefahren habe, wofür sie ihm 7 Mark bezahlt hätten. Die eine Dame habe ein Paket vorsichtig auf beiden Annen unter ihrem Ilmschlagetuch verborgen, getragen. Er habe gesagt:Das ist gewiß ein Kind gewesen", worauf sie erwidert habe:Das kann wohl möglich sein." Als ihnen dann die Zeitungsannonce zu Gesicht gekommen fei, sei ihnen das Vorkommnis wieder ins Gedächtnis zurückgerufen worden, worauf ihr Ehemann sich gemeldet habe. Auf Befragen des Staats- anwalts Müller erklärt die Zeugin, daß von keiner Seite auf sie eingewirkt worden sei. Amtsgerichtsrat Weißleder aus Posen bekundet, daß er vor etwa einem Jahre die Hedwig Andruszewski längere Zeit vernommen und den Eindruck gewonnen habe, daß sie zwar eine etwas nervöse Person, aber sonst geistesgesund sei. Die folgende Zeirgin ist eine Arbeiterfrau ObelSka aus Wroblewo, welche verfängliche Aeußenmgen aus dem Mimde der Hedwig Andruszewska über den Zustand der Gräfin gehört haben soll. Die Zeugin erzählt, daß Hedwig vor etwa zwei Jahren eine Zeitlang bei ihr gewohnt habe, gelegentlich einer Unterhaltung habe Hedwig gesagt:Die Leute jagen, es sei gar nicht das Kind der Gräfin, aber das ist nicht wahr, das Kind sieht der Gräfin ähnlich ivie ein Ei dem andren, und auch der Kam- tesse Marie sieht es ähnlich." Die Zeugin behauptet ferner, daß Hedwig A. sich wiederholt in ungünjtigem Sinne über die Gräfin geäußert habe. Sie sei nicht zu bewegen gelvesen, regelmäßig zur Beichte zu gehen, und habe auch selten die Kirche besucht. Die Zeugin Hedwig bestreitet, die erwähnte Aeußerung gethan zu haben. Auch sei sie w.ederholt zur Beichte gegangen, aber nach einer andren Parochie. In ähnlichem Sinne wie die Vorzeugin äußert sich die Arbeiter- ehefrau K r o m p über Hedwig Andruszewska. Die letztere habe sich darüber beklagt, daß sie von ihrer Herrschaft schlecht behandelt werde, obgleich ihr versprochen worden sei. sie solle es gut haben, denn sie sei im Besitze eines Geheimnisses der Gräfin. Hedwig habe häufig unanständige Worte gebraucht und sich in lvcgwerfendem Tone über Religion und Kirche ausgesprochen. Als die Zeugin Kromp ihre Anssage der Hedwig Andruszewska ins Gesicht wiederholen muß, bestreitet diese, daß sie die Aeußerung gethan habe. Kriminalkommissar Schulz aus Posen: Die Hedwig habe bei ihrer Vernehmung anfänglich einen befangenen Eindruck gemacht, sie sei dann aber in ihren Aussagen ganz klar und bestimmt gewesen. Ihr Bruder Max habe ihm einmal gesagt:Sie wollen sie verrückt machen, aber sie ist vollständig klar." Juftizrat Wronker: Hat der Max mit demsie" irgendwie bestimmte Personen bezeichnet? Zeuge: Nein. Staatsanwalt Dr. Müller: Ist dem Zeugen bekannt, daß der Max Andruszewski für die jetzigen Angeklagten thätig war? Zeuge: Ja, er hat mir selbst einmal erzählt, daß er auf Aufforderung des Justizrats Lewinski-Posen Ermittelungen in der Kwileckischen Sache angestellt habe. Hierauf wurde der Hauptzruge für den Staatsanwalt Kaufmann Hechelski aus Posen vernommen, der im Auftrage deS Grafen Hektar Kwilecki öfters Reisen nach Krakau   unternommen hat. Durch eine alte Dienerin Namens Thekla Dembska habe er dort er- fahren, daß das angebliche Kind der Gräfin in Begleitung einer Frau und einer gewissen Anna RadwanSka nach Berlin   gebracht worden sei. Er habe die Wohnung der letzteren erfahren, und die Radwanska, die dem Kinde als Amme auf der Reise nach Berlin   gedient haben sollte, habe die ganze Geschichte von dem Wegbringen des Kindes erzählt und gesagt, sie habe 50 Gulden und freie Reise erhalten. Auf sein Ersuchen habe die Radwanska die betreffende Hebamme in ihre Wohnung gebeten. Dort habe er dann die Hebamme Rademacher, jetzt verehelichte Moll getroffen, welche die ganze Sache bestätigte und die damals unverehelichte Cäcilie Pärczä, jetzige Frau Weichensteller Meyer als die Mitter des Kindes bezeichnet. Alle diese Ermittelungen habe er dem Grafen Hektar Kwilecki mitgeteilt, dieser sei nach Krakau  gekommen und habe gesagt, die Sache sei eine Staatsanwaltssache. Man habe sich infolge dessen auf die Polizei begeben und die Polizeidirektton habe die beteiligten Personen protokollarisch der- nommen. Er sei selbst in Krakau   geblieben, um die Mutter des Kindes ausfindig zu machen. Im Juli v. I. habe er auch den Auf- enthalt des Meyerschen Ehepaares ermittelt. Der Zeuge wird dann in ein Kreuzverhör genommen und er» klärt, daß er von dem Grafen Hektor für seine fünfundvierzigtägige Reise nach Krakau   4000 M. erhalten habe und für weitere Dienjte noch mehr. Er hätte kein persönliches Interesse an der Sache. Hierauf wird die Sitzung um 3 Uhr vertagt. lokales. Der Vater alsZeuge". Der Prozeß Kwilecki, der gegenwärtig vor dem Schwurgericht verhandelt wird, hat manche Wunde am Körper der heutigen Ge» sellschaft aufgedeckt und von einer schlimmen Verlotterung Kunde gegeben. Auch das Schicksal der unehelichen Kinder erhebt sich in diesem Drama, um von neuem gegen die Urheber von Elend und Verbrechen zur Anklage zu schreiten. Wir glauben im Sinne unsrer Leser und Leserinnen zu handeln, wenn wir einem Beitrage Raum geben, der auf die Leichtferttgkeit und Gewissenlosigkeit hinweist, mit der gar oft dieHerren der Schöpfung" und nicht allein die aus den höheren Gesellschasts- schichten sich von ihrem eignen Fleisch und Blut abwenden. Eine Dame schildert den Eindruck, den sie von der Aussage des angeblichen Vaters der zwei als Zeugen in Frage kommenden Kinder, des östteichischen Hauptmanns v. Ziegler, empfangen, in folgender Skizze: Hauptmann v. Ziegler, zu seinem Urteil aufgefordert, erklärt. daß er sich gar nicht äußern könne, da er beide Kinder bis jetzt noch nicht gesehen habe." Die Mutter, die ihr Kind umbringt, wandert ins Zuchthaus; der Vater, der beinahe ebenso Schlimmes thut, indem er sein Kind führerlos den Gefahren des Lebens preisgiebt, gehört zu denbestell" Kreisen der Gesellschaft! Wahrlich l Ein Tier sieht nach seinem Jungen. Dergebildete" Mann hat keine Empfindung für die hilflosen Wesen, welche er in die Welt gesetzt hat. Wird noch lange über die Umwertung der Werte gelacht werden können? Erfaßt denn nicht jedermann Entsetzen im FallZiegler, der sich nicht äußern könne, da er beide Kinder bis jetzt noch nie gesehen habe"? Knaben von sechs und sieben Jahren sind den: Zeugen" gegenüber gestellt.-- Nie hat der Mann Verlangen ge- habt, seine Kinder zu sehen. Nie! Kleineerotische" Abenteuer fallen bei der Wertschätzung des Mannes nicht in Bettacht. Mag die Frau an den Folgen zu Grunde gehen, weshalbfiel" sie? Handelt es sich um ein Verbrechen, welches zwei Menschen ge- meinsam begehen, so erhalten beide bei gleicher Schuld gleiche Strafe. Das Verbrechen, Leben zu geben, ttägt nur dem einen der Erzeuger lebenslängliche Knechtung ein. Die unehelich gebärende Mutter der höheren Stände leidet in ganz andrer Weise, als der Dienstbote oder die Arbeiterin. Das kleine Geschöpf hindert die letzteren vollkommen in ihrer weiteren Bewegungsfreiheit.Ich heiße nach Muttern", kann gar manches Kind sagen, das allmählich auf die weite Straße des Verbrechens geschoben wird. Hunger macht mürbe. All diese Verhältnisse sind mehr als bekannt. Hin und wieder treten sie in ihrer ganzen Schwere vor uns hin. Elisabeth Browning hat das Wort geprägt: Die Nationen werden, was sie wollen". Sicher hat sie dabei nicht zum mindesten die Jugend ins Auge gefaßt. Seitdem ist dasJahrhundert des Kindes" gekommen. Mutig Denkende fahren wie Sturmwind auf bisher unangetastete Gebiete im Reiche der Mütter.   Mag man sie leicht lächerlich machen können, diese Männer und Frauen, die das Verhältnis der Geschlechter zu einander glaube» umformen zu dürfen; diese Leute mit denmerkwürdigen" An- sichten; diese, die sich den stolzen Glauben nicht rauben lassen, daß es besser werden kann. Schwerer zu verlachen ist das Kind als seine Mutter. Dieses hilflos im Morast stecken zu lassen, ist nicht jeder-. manns Sache. DerVater" Ziegler als Zeuge könnte zum Markstein werden. Nicht vonneuen" Menschen ist hier die Rede, von wahren". Lange genug hat man Unschuldige ftir die bestehende Gesellschaftsordnung büßen lassen. Rettet das Kind l I Wie e i n Schrei sollte es durch alle Kreise gehen. Jedermann kann zur Macht werden. Jeder kann Qual und Jammer verringern, indem er das Gefiihl der Scham in sich wach hält denen gegenüber,die sich nicht äußern können, weil sie ihre Kinder nie gesehen"._ Daß die vom städtische» Ausschuß angeregte Billetsteuer nicht allein kulttirwidrig, sondern auch wenig einträglich ist, lehrt eine vom Berliner Tageblatt" gebrachte Zusammenstellung. Danach würde der Ertrag nicht mehr als 3400 000 M. sein. Die für Berlin  geplante Lustbarkeitssteuer ist übrigens in andren Städten bereits in