Der Etat für Kiautschou weist eigne Einnahmen in Hohe von 505 300 M.(+ 50 300 M. auf), und zwar 50000 M. (— 30 000 M.) aus Landverkäufen, 81 300 V?. s-!. ggoo M) an direkten Steuern und 374 000 an.(4- 74 000®k.) an sonstigen Abgaben, Gebühren und Verwaltungseinnähmcn, Der Reichs- z u s ch u st ist auf 12 583000 M.(+ 229 858 M�) angesetzt Die fortdauernden Ausgaben betragen 5 361 748 M. 84 290 Mark), davon für die Civilverwaltung 984 504 SR.(~ 77 340 M.), für die Mlitärverwaltung 2 340 356 M.(— 31 186 M.), an gemein» tarnen Ausgaben für Civil- und Militärverwaltung 1 973 888 M. (+ 38136«TO.). An einmaligen Ausgaben werden 7 697 000 M.(+ 227 000 M.) gefordert, und zwar 3 473 000 M. <+ 483 000 M.t zum Bau des Handelshafens sgrofeer Hafen). Der Reservefonds ist mit 29 552 M.(— 31 132 M.) ausgestattet. Der Etat für Kiautschou stellt sich also in Einnahme und Ausgabe auf 13 0S8 300 M.(+ 280158 M.).— Eine Quelle der S-ldatenmißhandlungen. Eine besondere Species der unter dem heutigen Militärshstem keidenden Proletarier im Waffenrock, so schreibt man uns. find die ..Freiwilligen". Diese jungen Leute treten oft in einem Mter in den Militärdienst, in dem sie körperlich noch nicht vollständig entlvickelt sind, ist es doch zulässig, daß junge Leute von 17 Jahren freiwillig .Soldat werden können. Bis dahin sind sie in vielen Fällen mit dem Ernst des Lebens- kampses sehr wenig oder gar nicht in Berührung gekommen, handelt es sich bei den Freiwilligen doch meistens um Sohne von Unter- beamten, kleinen Gewerbetreibenden usw., die vor ihrem freiwilligen Eintritt höchstens irgendwo in einer Schreibstube— etwa bei Rechtsanwälten, Polizeibehörden und Landratsämtern, namentlich in Klein- ftädten— mit Abschreiben oder Aktenheftcn ohne jegliche oder gegen eine nicht nennenswerte Entlohnung beschäftigt werden, um. wie die Eltern irrtümlicheriveise annehmen, ihre Schulbildung zu ergänzen. Diese schematische Beschäftigung bildet die jungen Leute aber nicht nur nicht geistig weiter aus, sondern hindert sie auch in ihrer körperlichen Entwicklung. So vorbereitet— oder unvorbereitet— kommt der junge Mensch, oft mit einer Fülle von Illusionen, als Freiwilliger in die starren Formen des Militarismus und wird hier einer Anzahl von ausgehobenen Kameraden zugeteilt. Meist kommt ein Freiwilliger in eine Rekruten-Korporalschaft oder einen Rekruten-Beritt, das sind etwa 10 Personen. Hier wird er von diesen seinen Kameraden, nachdem letztere die Annehmlichkeiten des militärischen Drills kennen gelernt haben und sich bei ihnen schon eine Portion Abneigung gegen die„Rekruten-Erzieher" aufgespeichert hat, als zukünftiger»Stell- Vertreter Gottes auf Erden" angesehen, denn jeder Freiwillige gilt bei seinen Kameraden als künftiger„Kapitulant". Und zwar mit Recht, denn die meisten Freiwilligen treten in der Absicht ein, später zu kapitulieren. Dieser Freiwillige wird dann, man kann sagen erklärlicherweise, von seinen ausgchobenen Kameraden nicht gerade liebevoll behandelt. Hinzu kommt noch, daß er infolge seiner mangelhaften, noch nicht vollendeten körperliche«, Ausbildung meistens bedeutend leistungsunfähiger als seine ausgehobenen Kameraden ist und wegen dieser seiner niederen Leistungsfähigkeit für die übrigen Leute seiner Korporalschaft dadurch ein Stein des Anstoßes wird, daß sie seinetwegen durch Nachexerzieren, Antreten zum Rapport, Wassertragen— bei der Kavallerie— und Nach putzen usw. zu leiden haben. Da ist es denn kein Wunder, lvenn es in den verschwiegenen Kasernenstuben zu Beschimpfungen und Mißhandlungen kommt, um so mehr, als es oft von dem Unteroffizier— und nicht allein von diesem— heißt, »dafür bedankt Euch bei dem Freiwilligen". Sowohl die Offiziere als auch die Unteroffiziere haben auf den Freiwilligen ein besonders scharfes„Auge", soll er doch selber zu einem Vorgesetzten„erzogen" werden. Das an und für sich äußerst klägliche Bcschwerde-„Necht " kommt für den Freiwilligen überhaupt kaum in Betracht, will er nicht auf den für ihn bestimmten Lebens- Zaus, das heißt auf Kapitulation, verzichten, was ihm äußerst schwer fällt, da ihn einmal seine Angehörigen zum Militärberuf bestimmt haben und er andrerseits selbst infolge dieses Mangels an beruflicher Ausbildung ein trostloses Dasein im Civilleben vor sich sieht. Er läßt also, wenn nicht in manchen Fällen das Bewußtsein seiner Menschen- würde die Oberhand gewinnt, alle Beschimpfungen und Mißhand- lungen, im Laufe der Zeit stumpfsinnig geworden, über sich ergehen und tröstet sich mit dem Bewußtsein, diese so er- wordene„Erziehungsmethode" ja später auch an andren erproben zu können! Er wird dann oft auch thatsächlich Unteroffizier, und wie dann von einer solchen Person, in der das Gefühl von Humanität und Menschenwürde erstickt worden ist, und der dann jahrelang in derselben Atmosphäre weiter- lebt, sein„Erzieherrecht" ausgeübt wird, läßt sich denken. So züchtet der Militarismus aus oft gesunden Individuen brutale Menschen, unter denen die Söhne deS Volkes jahrelang ohne jede? Widerstandsrecht zu leiden haben!— „Abriiswng" und Revanche. Paris , 27. November. iEig. Ber.) Die sogenannte Abrüstungs- debatte, die in Wirklichkeit eine Revanchedebatte war bezw. sich zu einer solchen gestaltete, zittert noch immer in der Presse nach. Die wahre Stellung und die wahren Motive der bürgerlichen Elemente zeigen sich dabei naturgemäß viel deutlicher als in der Kammer- debatte. Was im Palais Bourbon als eine rein chauvinistische Gefühls- explosion erscheinen mochte, wird in den Zeitungsspalten in geradezu aufdringlicher Weise mit kühlen parteipolitischen Berech- nungen vermischt. Wie von jeher, klammert sich die BonrgeoiSwelt krampfhaft an ihr beliebtestes instrumontnm rossni(RegierungS- Werkzeug), d. i. an die Entfachung chauvinistischer Leidenschaften, um diese gegen den SocialiSnmS auszunutzen. Und da diesmal den Anlaß zum parriotischen Lärm ein ministerieller Socialist, de Press ensö, Berichterstatter des Budgets des Auswärtigen, gab, so bietet sich der antiministeriellen Bourgeoispresse der willkommene Extra- Vorteil dar, auch noch ihre specielle klerikal-reaktionäre Suppe am patriotischen Feuer kochen zu können. Jetzt sieht man. so ruft sie im Thor unter dem Vorsang des „Temps", wo der wahre„Bloc" ist! Es ist der patriotische„Bloc" von rechts und links, der sich in der Stärke von 485 Mann um die Regiening scharte, wo es galt, die höchsten Interessen des Landes zu verteidigen, gegen die 61 Vaterlandsfeinde von der äußersten Linken.... Der„Temps" geht in der cynischen Ausschlachtung der Debatte noch weiter. Er läßt beiseite die nicht regierungs- fähigen Klerikal- Monarchisten und Rationalisten, die doch bei der vaterlandSretterischen Aktion mit Lunzenkraft und Stimm.- zetteln tapfer mitgeholfen haben, u,n auf den ausschließlich republikanischen Charakter des patriotischen„Blocs" hinzuweisen, des focialisten- und monarchistenreinen„BlocS", der ja gleich die Re- gierung übernehmen könnte... Hand in Hand damit geht der Jubel über den Zusammenbruch der angeblichen„Tyraimei" der ministeriellen Socialisten über den Regierui«gS„bloc". Nach dem gewaltigem Lärm allein zu urteilen, könnte man glauben, es hätte sich in der Kammerdebatte um einen socialistischen Antrag auf sofortige Abrüstung Frankreichs allein gehandelt. Die patriotische Presse giebt sich übrigens alle gewistenlose Mühe, die Debatte in diesem Sinne zu deuten. In Wirklichkeit aber war eS erstens kein soeialisiischer, sondern ein linksradikaler Antrag und zweitens lautet der Text des Antrages Hubbard höchst bescheiden und höchst harmlos wie folgt:„Die Kammer ladet die Regie- rung ein, sich mit den auswärtige» Regierungen über die B e- s ch r ä n llu n g(lirnitation) der militärischen Lasten zu verständigen". Es wurde also nicht einmal die gleichzeitige internationale Herab- setzung der Militärlasi gefordert, sondern lediglich das Aufhören des Wettrüstens— genau dasselbe, wonach der russische Zar in seinem„Friedensvorschlag" von 1899 heuchlerisch gesenfzt hatte. Hubbard bezog sich übrigens in seiner Rede ausdrücklich auf den russischen Zaren, der in einem Interview mit dem englischen Friedensmann Steäd der Mißdeutung feines Friedens- manifestes im Sinne der Abrüstung entgegentrat, da doch das Manifest bloß daS Einstellen der Wettrüstungen angeregt hätte. Am schmählichsten verhielten sich die radikalen Depu- tierten. Sie stimmten— mit wenigen Ausnahmen— mit dem patriotischen Hurrah-Bloc, ungeachtet selbst des UmstandeS, daß ihr Parteigenosie Hubbard in seinem Antrag lediglich eine Rcsokulion de§ neulichen radikalen— Parteitages wiedergegeben hat!... Der Chauviniöimls über alles I Der Antrag Hubbard hatte eben daS besondere Pech, in der- selben Sitzung emgebracht zu werden, in welcher eine halbe Stunde vorher de Press ensb einen patriotischen Zornessturm wegen der Revanche-Frage entfesselt hat. Pressensö sprach, ebenso wie später Hubbard, für daS Einstellen der Wettrüstungen und meiirte dabei, dieses wäre das beste Mittel, Frankreichs Jnteresten zu wahren: „Frankreich erkennt zwar die Verletzungen des Völkerrechts jd. h. die Aimexion Elsaß-LothringenS. Der Berichterstatter.) nicht an. aber es darf.sich nicht hypnotisieren lassen, wie daS allzulange Zeit der Fall war, durch die Aussicht auf eine Revanche, welche nieknand wünscht und niemand je gewünscht hat----*(Gittert nach dem offiziellen steno- graphischen Kammerbericht.) Weiter konnte PressensS nicht sprechen. Der Sturm ging los und tobte sich dann bei der Beratung des Antrages Hubbard, insbesondere als I a u r ö S zu einem kurzen Protest das Wort nahm, gründlich auS. Man sieht, den Patrioten aller Gattungen genügt die Nicht- anerkennung deS Frankfurter Friedens nicht. In der bloßen Ver- werfung der kriegerischen Revanche- Idee erblicken sie bereits ein Attentat ans das Vaterland— d. h. natürlich in öffentlicher Verwerfung dieser Idee. Denn im geheimen oder selbst im ver- traulichen Salongespräch wird die Revanche gang und gäbe ver- leugnet. Diese Wahrheit hat eben Pressenss offen ausgesprochen, weiter nichts. Oder hat die sakrosankte russische Alliance, die„Achse" der ganzen ftanzvsischen auswärtigen Politik, nicht gerade den Verzicht auf die Revanche zur Voraus- setzung? Niemand bestreitet das. Aber öffentlich darf über das Thema nicht gesprochen werden. Vor allem darum, weil dem Volke die Revanche-Jdee erhalten bleiben muß, die den herrschenden Klassen im gottlosen Frank- reich dieselben Dienste zu leisten hat(und bisher geleistet hat), wie in andren Ländern oder zu andren Zeiten die Religion. Immerhin giebt es noch andre Gründe, warum die Revanche- Idee unantastbar gilt. Am besten zeigt dicS die Haltung des un- zweifelhaft demokratischen Ideologen Clemenceau . Auch er ist über Pressensb hergefallen. Auch er ist entrüstet über die„Re- signation", über die PreiSgebung jeglicher kriegerischer Revanche- Hypothese, über den Gedanken, Elsaß-Lothringen nur auf fried- lichem Wege zurückzugewinnen bezw. ihm das Selbstbestimnmngs- recht zugeben. Clemenceau protestiert im Namen des Völkerrechts, im Namen deS Rechts, das ohne die Stütze der Gewalt nichts weiter ist als der Schrei des Besiegten".... Und er stellt die Berechtigung der gewaltsamen Revanche— mit der ihm eignen abstrakt- gerad- linigen Logik, die feine Stärke und seine Schwäche ist— aus die gleiche Linie mit dem Recht aus Revolution in der inneren Politik. Die Hauptsache fteilich ist. daß Clemenceau der socialistischen Gedankenwelt fernbleibt. Was soll man aber dazu sage««, wenn Millerand, Mitglied der ministeriell-socialistischen Fraktion, mit dem chauvinistischen Revanche-„Bloc" gestimmt hat? daß er, der ja auf dem Bordeaux -Kongreß versprochen hatte, gute DiSciplin zu halten, nicht einmal ebenso einlvandSftei gestimmt hat, wie eine Anzahl— Linksradikaler? Oder>vas soll man dazu sagen, wenn Gabriel Dcville sich in dieser Abstimmung bloß zur Stimmenthaltung aukgeschwungen hat?— Veutlekea Reich. I« Reichstage sind bereits verschiedene Fraktionen ein- berufen ivorden.«vie die Delitsche Reichspariei. die Nationalliberale», die socialdemokratische Fraktion. Es durste sich besonders bei den Nationalliberalen, wie eine Korrespondenz mirtcilt, um Vor- besprechungen für die P rä s i d e n te n lv a h l handeln. Die Nationalliberalen wollen Anspruch auf den Posten des zweiten Vice- Präsidenten wie in letzter Tagung, erheben und für den nicht wieder- gewählten Büsing einen andren Kandidaten, vielleicht Beck (Heidelberg ) oder Dr. Hiebcr oder den Grasen Oriola präsentieren. Die socialdemokratische Reichstagsfraktion wird am Mittwoch ihre erste Sitzung im Reichstagsgebäude abhalten. Es wird die Konstituierung der Fraktion erfolgen und es wird beraten werden, welche Initiativanträge eingebracht werden sollen.— Rcligionsmißbrauch zu CentrumSzwecken. Die Stärke des Centrums liegt nicht in der Zahl dcrjeiügen, die sich zu seinen Grundsätzen berennen. Die Anhänger der ultra- montanen Social-, Handwerker-, Gewerbe- und Agrarpolitik sind nicht so zahlreich, daß sie dem Cenirum die Kundert Reichstags- und fast ebenso viel LandtagSsitze verschaffen könnten, die es zur ausschlaggebenden und dadurch zur regierenden Partei machen. In einer großen Zahl der Ceittrumswahlkreise herrscht politisch nahezu Totenstille. Weitaus die meisten Reichstagsmandate hat das Centrum im ersten Wahlgang ohne Kampf gewonnen. Als vor mehreren Monaten die katholischen Arbeiter von Aachen -(Land)-Eupen dem bisherigen Vertreter des Wahlkreises, dem Kaplan und ZeitungS- Millionär Dasbach den Stuhl vor die Thür? setzten, da suchte sich Dasbach einen jener Kreise, wo der Centrumskandidat auf geistlichen Befehl unbesehen gewählt wird. Die Stärke des Ccntrums beruht in der nie versagenden Gewalt, die es in den ineisten seiner Wahlkreise durch die geistlichen Hirten über die willenlose Herde der Gläubigen hat. Auf dem Lande genügen der Beichtstuhl und der durch die Frau auf den Mann ausgeübte kirchliche. Einfluß, um das katholische Volk gefügig zu halten. In den Städten ist die Sache nicht so einfach. Dort verliert das Centrum immer mehr seiner Anhänger an die Socialdemokratie, und sein Emflutz ist im raschen Schwinden. Mit welchen ungeheuren Anstrengungen das Centrum seine Macht in den Städten zu erhalten sucht, daS zeigt seine Organisation im heiligen Köln . ES besitzt dort, wie Ulis berichtet wird. eil«e komplette G e- Heimorganisation, von dvr öffentlich nicht daS mindeste zu merken ist. CS wird darin über jeden Anhänger geradezu Buch geführt, und wenn er in einen andren Pfarrbezirk verzieht, so überuttttelt das Parteisekretariat seine„Personalakten" dorthin. Die ganze Stadt ist nach Pfarreien in AgitationSbezirke eingeteilt und mit einem dichten Netz von Vertrauensmännern überspannt. Di« Agitation wird durchgeführt von dem Central-Wahlkomitee und den diesem unterstellten PfarrkomiieeS. Dem Central-Wahlkomit« gehören als geborene Mitglieder u. a., wie eS in dem geheimen Organisarionsftatni heißt, an:„samtliche Pfarrer der Stadtgemeinde oder deren Stellvertreter", ferner die Präsides und eine bestimmte Anzahl andrer Mitglieder der katholischen Arbeiter« vereine, der katholischen Gesellenvereine, der katholischen kaufmännischen Vereinigungen Kölns („Kongregationen") sowie aller andren klerikalen Vereine Kölns . In dem Organisationsstatut wird«nit grenzenloser Unver- frorcnheir schriftlich niedergelegt, daß der ganze Apparat der tatholischen Kirche, daß die ganzen kirchlichen Bereinigungen die politische Agitation der Centrnmspartei machen. Tie AgitottonS- bezirke sind genau den Pfarrbezirken angepaßt. Die Geistlic.,keit in ihrer Gesamtheit ist, genau als ob sie eine politische Körperschaft wäre» wieder durch drei Vertreter in dem geschäftsführenden Ausschuß ver- treten. Der Staat, die Steuerzahler, honorieren dem Centrum durch die Geistlichen- Gehälter seine Agitatoren. Tie katholischen Gesellenvereine, die kauf- Männischen Vereine, die gesamten kirchlichen Korporationen werden durch dds Bekanntwerden des Geheimstatuts als CentrumS« organisationen entlarvt. StuliiPfsinnSzulngen. Bei den EtatSberawngcn im Reichstage soll auch des Forbacher Falls Erwähnung geschehen. Bei der Gelegen- heit soll, wie die„Nationalliberale Korresp." versichert, angeregt werden, den Offizieren, die längere Zeit in kleinen Grenzgarnisonen Dienst thun und Verzicht leisten müsten auf Vorzüge und Annehm- lichkeiten, die ihnen in größeren Garnisonen zu teil werden. Aequi- valente zu gewähren in Gestalt von Zulagen, wie sie durch die Einrichtung der Ostmarkenzulagen geschaffen sind. Ein amüsanter Vorschlag der Nationalliberalen. Man muß«nir intellektuelle und moralische Verwahrlosung zur öffentlichen Bekannt- gäbe bringen lassen, dann«vird man mit Zulagen belohnt. Die Grenzgarnisonen werden dem Lieutenant Biffe bald Ehrengeschenke überreichen. Nicht Gcldzulagen auf Kosten der Steuerzahler thun dem Osffziercorps in den Grenzgarnisonen not, sondern Zulagen an geistiger Erziehung. Und das dringende Bedürfnis beschränkt sich nicht nur auf die'Grenzgarnisonen.— Italienische Zollmaßregeln gegen Deutschland . Die„günstige Disposition" Italiens für den Absckiluß eines neuen Handelsvertrages. von der kürzlich offiziöse Blätter zu berichten wußten, äußert sich in recht seltsamer Weise. Wie vom Sekretarial des Handelsvertrags- Vereins gemeldet wird, hat die italienische Regierung eine Verfügung erlassen und schon den italienischen Handelskammern in Druck zu- gestellt, wonach mit dem 1. Januar 1904 Zollerhöhunaen für„Motor- wagen, Motorfahrräder, andre Fahrräder und Zubehörteile dieser Waren" in Kraft treten sollen. Die Erhöhungen betragen zwischen 30 und 40 Pro;, des bisherigen Zolles. Durch den geltenden Handelsvertrag werden diese Erhöhungen nicht gehindert. Da die Frist bis zum 1. Januar außerordentlich- kurz ist, sodaß die deutschen Fabrikanten wahrscheinlich nicht hinreichende Vor« kehrungen treffen können, den Bedarf der nächsten Saison noch zu decken, hat der Handelsvertragsverein sofort Gegenmaßregeln ge- troffen, um eine Zurücknahme dieser Verfügung zu bewirken._ Er wird in den nächsten Tagen eine ausführliche Eingabe an den Reichs- lanzler und das Auswärtige Amt richten.— Die Biehsperre und der russische Handelsvertrag. Bei den Handelsbertrags-VerKandlungen mit Rußland scheinen neben den Getreidczöllen auch die von der deutschen Regierung ein- geführten Absperrungsmaßnahmeil gegen die Viehcinfuhr aus Ruß- land auf eine energische Zurückweisung seitens der russischen Unter- Händler zu stoßen, wenigstens lasten die seit kurzem von der agran- scheu Presse gegen die Milderung der..seuchenpolizeilichen Vor- schriften" erhobenen Bedenken hierauf schließen, zumal gleichzeitig auch der„Russisch-Dentsche Bote" sich in einem langen Artikel. der zweifellos deutsch - offiziösen Ursprungs ist, mit der „Beterinärfrage" beschäftigt. Nach einem Hinweis auf die deutsche Viehscnchen-Gesetzgebung, heißt eS in diesem Artikel: „Es liegr auf der Hand, daß alle diese gegen die inländische Seuchengefahr gerichteten Maßregeln unwirksam bleiben müssen. wenn nicht Maßnahmen die Einschleppung der Seuchen hindern. Von Rußland droht in dieser Beziehung besondere Gefahr. Als man in Deutschland anfing, der Viehseuchen -Polizei besondere Auf- merksamkeit zuzuwenden, war in Rußland von einer planmäßigen Bekämpfung der Seuche noch keine Rede. Bei dieser Sachlage blieb nichts übrig, als die rusftsche Bieheinfuhr nach Deutschland in großem Umfange zu sperren." Dann wird unter Bezugnahme auf die einzelnen Maßnahmen hinzugefügt: „Dies ist in kurzem der gegeuivärtigc Stand der deutschen veterinärpolizeilichen Maßregeln gegenüber Rußland . Ihre Be- rcchtigling hat von feiten Rußlands selbst eine gewisse Anerkennung gefunden, indem dieses Land sich bermilaßr sah, neuerdings seine Senchengesetzgcbung neu und in detaillierter Weise zu ordnen. Dieses neue Gesetz ist aber bisher nur teilweise und in einzelnen LandeSreilen in Kraft gesetzt worden. Dazu kommt, daß eine voll- ständige Neuordnung des Beterinänvesens selbst bei den besten Ab- sichten doch nach der Natur der Sache erst nach Jahren Erfolge zeitigen, und namentlich das zur Durchführung einer wirkungsvollen Vctcrinärpolizei in einem so ausgedehnten Reiche wie Rußland er- forderliche Personal erst allmählich herangebildet werden kann. Für die deutschen Unterhändler wird es eine besonders schwierige Aufgabe sein, das Maß festzustellen, bis ,« welchem Teutschland ans Veterinär- polizeilichem Gebiete, ohne Gefährdung der heimischen Biehbestände» Rußland entgegenkommen kann." Bei oberflächlicher Betrachtung könnte es scheinen, als sei diese Auslassung dazu niedergeschrieben, um die� russischen Unterhändler zur Ausgäbe ihres Widerstandes zu veranlassen, thatsächlich dürste sie aber dazu bcsnmmt sein, die agrarische Presse zu beschwichtigen und zugleich darauf vorzliberciten. daß die deutsche Regierung nicht umhin kann, auf..veterinärpolizeilichem Gebiete" den russischen An- sprüchcn weiter entgegenzukommen, als bisher geschehen ist; wird doch ein solches Entgegenkommen in dem letzten Satz der obigen Aeußeruiig schon als selbstverständlich angenommen und nur offen gelassen, i n welchem Maßa daö« ohntz Gefährdju'ng'der veutschjen Viehbestände geschehen kaim.— Einen Wahlproiest haben unsrc O f f e n b a ch e r Parteigenossen den, Reichstage eingereicht. Es hat sich im Laufe der Zeit so viel Material über vorgekommene Wahlunregelmäßigkeiten und bürger- meisterliche Uebergrifse angehäuft, daß sich noch nachträglich da« socialdemokratische Wahlkomitee zur Einreichung eines Protestes gegen die Gültigkeit des Mandntes des nationalliberal-antisemittsch- freisinnig-ultramontanen Dr. Becker, der sich laut seiner Angaben im Kürschner„vielleicht" den Nationalliberalen als Hospitant anschließen will, entschlossen hat. Bei der Wahl war bekanntlich unser Genosse Ulrich unterlegen.— Ein Denkmal der Schande für unsrc„Patrioten" bedeutet em Rundschreiben, das die Ortsgruppe Berlin des„Verbandes deutscher KricgSveteranen" soeben zu versenden sich genötigt sieht. Darin heißt«s: „Ew. Hochwohlgeboren l Weihnachten naht und Weihnacht- lich soll es auch werden in den Herzen unsrer Kriegsveteranen. die mit der Not und Sorge des Lebens kämpfend heut nahezu mutlos, wohl gar verbittert gelvorden sind. Niemand im ganzen deutschen Volke wünscht, daß die tapferen Streiter aus ruhmreicher, herrlicher Zeit bekümmert sein sollen um Nahrung und Kleidung. Und doch ist dem leider recht oftso.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten