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der Rede des Bürgermeisters ist hervorzuheben, daß derselbe darauf hinweist, wie die Jetztzeit und die Zukunft immer größere Sinforderungen an die Stadtverwaltung stellt. Es seien größere Zlufgaben zu bewältigen, wie die Einverleibung der Vororte, die Uebernahme der WohlfahrtSpolizei und die geplante Berliner Welt- Ausstellung. In Betreff des letzteren Planes müsse hervorgehoben werden, daß die Beschlüsse der Kommunal. Verwaltung in unveränderter Fassung beständen. Es würde eine schwere Enttäuschung sein, wenn durch mächtigere Faktoren eine Vereitelung des Projektes stattfände. Dies sei aber keineswegs zu befürchten. Berlin würde mit einer Weltausstellung ebenso wenig Fiasko machen, wie mit anderen Unternehmungen, die zur Ausführung gebracht worden seien. Berlin habe schon größere Probleme gelöst. Der Bürgermeister schloß mit dem Ausdrucke der Hoffnung, daß der neugewählte Stadtrath seine ganze Kraft für das Wohl der Kommune ein­setzen werde. Es folgt die Vorlage, betreffend den vom Magistrat be- antragtcn Nachtrag von 136 000 Mark zum Kostenanschläge über den U m b a u d e r D a m m m ü h l e n. Stadtv. Celle spricht gegen den Antrag. Er müsse auf die Verhandlungen zurückgreifen, die früher in der Versammlung stattgefunden. Damals fei von dem Magistrate hervorgehoben worden, daß die Fundamente noch erhalten seien und daß auch die Architektur, die ein» Zierde für Berlin sei, erhalten bleiben müsse. Jetzt seien die Fundamente geschwunden und ebenso schwinde jetzt die Architektur. Damals fordert« der Magistrat 700 000 M., heute 3S0 000 M. Was würde die Versammlung wohl am 3. März 1891 gesagt haben, wenn sie gewußt hätte, daß der Betrag immer höher werden würde? Er meine, daß die Stadtverordneten-Versammlung das Recht habe, sich nicht be- einflussen zu lassen und deshalb sei er gegen die Borlage. Etadtbaurnth Blanken st«in entgegnet, daß unvorher- gesehene Schwierigkeiten bei der Fundamentirung die Mehrkosten bedingten. Die Sachlage sei auch ein« derartige, daß der Magistrat«ine Vorlag« nicht gut früher machen konnte. Er bitte, den Antrag des Magistrats anzunehmen und könne daran mit zienilicher Zuversicht das Versprechen knüpfen, daß weitere Mehrkosten nicht stattfinden würden. Stadtv. W 0 h l g« m u t h warnt davor, dieselbe Debatte hervorzurufen, wie vor etwa Jahresfrist. Was die Ver. sammlung einmal beschlossen habe, müsse doch bestehen bleiben. Früher habe die ästhetische Frage«ine Haupt- rolle gespielt. Niemand werde wohl behaupten wollen, daß der Anblick nach Niederlegung der Damm- Mühlen ein sehr schöner sein würde. Die Sache sei nicht so schlimm, wie der Stadtv. Celle sie hinstelle. Von den Fundamente» habe sich kaum der achte Theil als erneuernngsbedürftig erwiesen. Die Bau- dcputation habe nicht eher mit einer Vorlage kommen wollen, bis sie einen vollständigen Usberblick gewonnen hatte. Er bitte, die Borlage des Magistrats unverändert anzunehmen. Stadtv. Dr. Friedemann spricht seine Freude darüber ouS, daß eine nochmalige Nachforderung nicht zu erwarten sei. Zu bemängeln sei aber, daß der Magistrat weiter gebaut habe, ohne die Mittel zur Verfügung zu haben und deren Nachbewilligung erst nach Verlauf eines Jahres bean- tragt. Er halte das Recht der Versammlung dadurch für verletzt, und es sei deshalb angebracht, die Gründe für daS Ver­halten des Magistrats durch einen Ausschuß untersuchen zu lassen. Ferner müsse der Ausschuß sich über die fernere Ge- staltung der Dammmühlen unterrichten. Sladtbaurath B l a u k e n st e i n erklärt, daß der Magistrat nicht allwissend sei, der AnSschuß könne aber seiner Ansicht nach nicht weiter sehen, wie der Magistrat. Nachdem noch Stadtv. Meyer I für Annahme der Vorlage eingetreten, wird bei der Abstimmung der Antrag Friedemann abgelehnt, der Magistrats- antrag dagegen angenommen. Es folgt die Vorlage betreffend die im Viktoria park auszil führen den Hochbauten. Der ltintrag des Magistrats geht dahin, daß die Stadtvcrordneten-Versammlung sich mit der Ausführung deS zur Erbauung eines Gärtnerhauses, eines Maschinenhanses, eines Gerälheschuppens und der zugehörigen Nebenanlagcn im Viktoria-Parke ausgestellten Prozekies vom 13./18. Mai 1892 einverstanden erklären und die ans 90 000 M. veranlagten Kosten aus den beim Extra-Ordinarium Titel 1 der Spezialverwaltung 34 bewilligten Mitteln zur Verfügung stellen möge. Stadtv. N a m s l a u beantragt hierzu eine Resolution da- hingehend, daß die Stadtverordneten-Verfammlung den Magistrat ersuchen möge, von der Erbauung einer Brücke Abstand zu neh- men und die Fertigstellung des Viktoria-Parts möglichst zu be- schleunigen. Stadtv. Celle glaubt, noch Ersparnisse herbeiführen zu können und beantragt deshalb die Ueberweisung an einen Aus- schuß. Stadtv. Namslau begründet seinen Antrag und findet darin die Unterstützung des Stadtv. Singer, welcher das Plenum der Versammlung ober nicht für so sachverständig hält. um hier plötzlich eine Resolution über den Fortfall der Brücke zu beschließen. Eine Fahrbrücke halte er allerdings für unnöthig, aber eine in gefälliger Form hergestellte Fußgängerbrücke könnte dem Verkehr nur dienlich sein. Er bitte den Magistratsantrag anzunehmen, aber unter Vermeidung aller unnöthigen Kosten und unter Beseitigung derjenigen Umstände, wodurch der Wassersturz beeinträchtigt werden könnte. . Etadtrath M e u d r i n ck verkennt nicht, daß der Fahrverkehr den Fußgängern Belästigung bringen würde, andererseits müsse man aber erwägen, daß den Leidenden, welche auf die Benutzung von Fuhrwerken angewiesen sind, der Park geschlossen bleiben würde. Nachdem noch Stadtv. Namslau und Stadtv. Cchmeißer sich an der Debatte betheiligt haben, findet die Abstimmung statt, wobei die Magistratsvorlage nebst der Resolution des Stadtv. R a m s l a u zur Annahme gelangt. Schluß der Sitzung 7Ve Uhr. Doksles. Mit der Proletaristrnng der Massen geht«S von Jahr zu Jahr rascher vorwärts. Was heute noch als Bourgeois stolz umherwanderte, kann morgen schon im Asyl für Obdachlose Ein- laß heischen müssen. Die wirthschaftlichen Krisen kommen immer unvermittelter, sie sind von immer verheerenderer Wirkung. Am Uebelsten ist heut daS sogenanntegebildete" Proletariat daran. DaS gräfliche Muttersöhnchen ist ebenso wenig geschützt vor dem Hereinbruch der wirthschaftlichen Katastrophe, wie der Nachkomme des Professors oder der des Pastors. Der Arbeiter, der Zeit seines Lebens aus Noth und Elend nicht herausgekommen ist, der eine Verweichlichung nie gekannt hat, kann sich am Ende noch auf seine Fäuste verlassen, die ihn wenigstens knapp vor dem Verhungern schützen. Dem gebildeten Proletariat steht dieses letzte Rettungsmittel nicht zu Gebote, kann dasselbe seine geistigen Fähigkeiten nicht mehr mir Erfolg verwenden, dann ist es un- rettbar dem Hungertode verfallen. Die Löhne für geistige Arbeit find infolge des enorm starken Angebotes von Arbeitskräften denn auch so erbärmlich niedrig, daß der Arbeiter schließlich noch leben kannwie«in Gras" im Vergleich zu einem geistigen Hungerkandidaten. Dazu kommt noch, daß der Arbeiter auf seine Umgebung keinerlei Rück- ficht zu nehmen braucht, von dem geistigen Lohnsklaven aber wird zum Uederfluß noch verlangt, daß eranständig" undstandes- gemäß" austritt und auch so aussteht. Ist es erst soweit, daß seineKluft" abgerissen ist, dann kann er getrost einen Strich machen durch seine erträumte Karriere. In welch' großer Zahl das geistige Proletariat auf der Straße herumlaufen muß, kann Jeder an dem Zudrang zu den vakanten Stellen ersehen. Wird von Jemand ein Hauslehrer, ein Nachhilfslehrer, ein Vorleser, ein Bibliothekar u. s. w. ver- langt, so kann er sicher sein, daß seine Korridorglocke tagelang nicht still steht, so groß ist das Angebot. Wenn sich der Geld- protz heut für seine Dummköpfe von Nachkommen einen Haus- lehrerleisten" will, der ein halbes Dutzend fremde Sprachen beherrscht, der vom Blatt Klavier spielt und auch noch über eine gute Elimm« verfügt, so kann erso etwas" sehr billig haben. Die Brutalität deS Kapitalismus läßt Unterschiede nicht zu. Der Handarbeiter unterliegt ebenso gut der ungeheuerlichsten Ausbeutung, wie der Hauslehrer. Ein Beispiel mag genügen als Beweis dafür, daß das geistige Proletariat heut gezwungen ist, sich nach Broterwerb die Beine abzulaufen, den es schließlich auch haben könnte, ohne«ine höhere Schule besucht zu haben. In einem Hause in der N.straße war dieser Tage ein Einbruchsdiebstahl verübt worden. Die Hausbewohner hatten es infolge dessen mit der Angst gekriegt und beschlossen, einen Privatwächter zu engagiren, der monatlich mit BO Mark bezahlt werden sollte. Auf die Aufgabe eines Inserats in der Zeitung wurde vor der Hand noch verzichtet, man erkundigte sich bei den Micthern des Nebenhauses, ob sie nicht eine geeignete Persönlichkeit in Vorschlag zu bringen wüßten. Das war am ersten Pfingstfeiertag. Wie der Blitz ver- breitete sich die Kunde von der Nachlwächtcr-Vakan, im ganzen Stadtviertel, und am zweiten Festtage früh meldeten sich bereits 74 Bewerber! Unter diesen befanden sich einige verabschiedete Offiziere, eine Anzahl von Kaufleuten, ein allgemein bekannter Sportsman, der noch vor Jahresfrist mit 4 Pferden gefahren war und prächtige Rennpferde gehalten hatte. Heute hat er Nichts zu breche» und zu beißen. Für den neue« Oberbürgermeister wird schon gehörig die Reklametrommel gerührt. Bon Kunze wird vorläufig ge- schwiegen, dagegen wird von konservativer und nationaüiberaler Seite für den Charitee-Direktor S p i n 0 l a Stimmung gemacht, und der Bürgermeister Zelle, der beim Ententeich-Prozekt eine so rühmliche Rolle gespielt, läßt sich sogar vom Reporter des Lokal-Anzciger" interviewen, der ihn nicht genug zu rühmen weiß.Wie der Herr, so das Gescherr", heißt ein Sprichwort. Bei der gegenwärtigen Majorität des Rochen Hauses wird der neue Oberbürgermeister jedenfalls ihrer würdig sein. Berlin bei Charlottenburg . Trotzdem wir im Zeichen deS Verkehrs stehen und speziell der Verkehr zwischen Berlin und Charlottcnburg durch Stadt- und Pferdebahn einen ungeahnten Aufschwung erfahren hat, bewahrt sich bis zum heutigen Tage die gute Stadt Charlottenburg noch eine veraltete Eigenthüm- lichkeit auf dem Verkehrsgebiete. Die Charlottenburger Droschken erheben nämlich noch immer für eine Fahrt von Charlottenburg »ach Berlin die Landfahrtaxe, das heißt die doppelle Taxe. Die Polizeidirekiion in Charlottenburg hat sich nunmehr entschloffen, den veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen und die Aus- Hebung der Landfahrtaxe für Droschkenfahrten von Charlottcn­burg nach Berlin in Aussicht zu nehmen. Der Herr Polizei- Direktor hat sich zu diesen» Behnse mit dem Verein Charlotlen- burger Droschkcnbesitzer in Verbindung gesetzt und demselben den Vorschlag gemacht, freiwillig auf die Doppeltax« für eine Fahrt nach Berlin zu verzichten, widrigenfalls ein« Polizei- Verordnung erlassen werden müsse, durch welche der Tarif eine Aenderung im vorgedachtcn Sinne erfahren werde. Trotzdem nun kaum anzunehmen ist, daß die Charlottenburger Droschken- für Fahrten nach Berlin besonders stark in Anspruch genommen werden, sind die Charlottenburger Fuhrherrn doch durchaus nicht gewillt, auf ihr Privilegium zu verzichten. In der letzten Ver- einSversammIung stand diese epochemachende Frage zur Vcrhand- lung und hielten die Fuhrhcrrn allseitig die Abschaffung der Lanosahrltaxe als gleichbedeutend mit dem Ruin des gesammten Charlottenburger Droschken-FuhrwesenS. Als Grund wurde an- gcsührt, daß sie nach jeder Fahrt nach Berlin leer nach Char- lottenburg zurückkehren müßte», da sie sich in Berlin nirgends aufhalten dürften. Auf ihre Droschken aber die Konzession für Berlin nachzusuchen, hieße wiederum das Interesse der Char- lottcnburgcr Einwohnerschaft gefährden, da es dann sehr leicht passiren würde, daß Charlotlenburg gänzlich ohne Droschken wäre. Es wurden schließlich drei Herren vom Vorstande depu- tirt, welche dem Polizeichef die Wünsche der Charlottenburger Droschkenbesitzer unterbreiten sollen und zwar dahingehend, von der Einführung einer derartigen Neuerung, wie Aufhebung der Landsahrtaxe für Fahrte» nach Berliu, vor der Hand abzusehen. Den Begründern der Stübenzucker-Jndustrie zu Ehren sind am 3. Juni an die Fa?ade des der Akademie der Wissen- schalten gehörigen Gebäudes Dorotheenstraße 10 die Büsten M a r g g r a f s's und A ch a r d's nebst Gedenktafeln angebracht. Andreas Sigismund Ma.rggraff, 1709 in Berlin geboren und 1782 gestorben, ist der Entdecker deS Zuckers in den Runkelrüben. Im Jahre 1747 veröffentlichte er feine Entdeckung in einer größeren Abhandlung. In derselben heißt es u. A.:Der arme Landmann könnte statt des theueren Zuckers oder schlechten Syrups unseren Pslanzenzucker gebrauchen, wofern er mir Hilfe gewisser Maschinen den Saft auspreßte, ihn ernigermaßen reinigte und ihn schließlich bis zur Konfistenz eines Syrups eindickte. Dieser verdickte Sast würde sicherlich reiner als der gewöhnliche dunkel- braune Zuckersyrup sein, und vielleicht könnten auch die Rück- stände vor dem Pressen noch benutzt werden." Man sieht, der verdienstvolle Chemiker hatte noch keine Ahnung von dem Wesen der kapitalistischen Wirthschaft, die jeden lechuischen Fortschritt für sich einheimst und ihn nur zur größeren Ausbeutiiiig der Massen benutzt. A ch a r d, der Schüler und Nachfolger Marz- araff's in der Stelle eines Direktors der physikalischen Klasse der Akademie der Wiffenschaften, geboren 1753, gestorben 182l, wurde der Begründer der Rübenzucker-Jndustne. In de» Jnngfranenvereiue« ist, nach dem frommen Reichsboten", das Ledürsniß nach einer Sammlung von Ge- dichten hervorgetreten, die sich zu Deklamationen in Jungfrauen- vereinen eignen, wie solche in ihrer Art die Jünglingörcreine schon besitzen. Außerdem ist auch der Wunsch entstanden, eine Sammlung von kleinen Stücken zu Aufführungen an Festen (Weihnachten, Ostern u. s. w.) herzustellen; natürlich müßten diese Aufführungen ohne Verkleidung stattfinden können, da eine solche in Jungsrauenvereinen für ausgeschlossen gelten muß. Der Bor- ständeverband der Jungfraucnvereme in Berlin richtet daher öffentlich die Bitte mn Einsendung entsprechender Beiträge. Daß diese Jnngfrauenvereine dazu eine össentliche Aufforderung für nöthig halten, während doch in Berlin der höchste, hochchristliche Adel und die frömmsten Garde- Ofsiziers- und Hojdanien ihren Sitz haben, ist charakteristisch. Die Verhaftung Ahlwardt'S, welche bald nach Eröffnung der Voruntersuchung gegen denselben vom Staatsanwalt be- antragt war, wurde vom'Untersuchungsrichter abgelehnt. Hierauf wandle sich, wie dieStaatsbürger Zeitung" berichtet, der Staatsanwalt beschwerdeführend an die Strafkammer und ver- laugte unter Hinweis darauf, daß Fluchtverdacht vorliege und daß zu befürchte» sei, Ahlwardt werde seine Freiheit benutzen, um in seinem agilatorischen Treiben gegen Löwe fortzufahren, seine Vcrhastnng. Der hierauf ergangene ablehnende Beschluß der Slraskammer ist nun ein Schriflstück von charakteristischer Bedeutung, vorausgesetzt, daß dieStaatsbürger Zeitung" den Inhalt richtig wiedergiebt. Zunächst wird aus Ahlwardt's Schriften und Vorträgen festgestellt, daß der- selbe von der Gefahr des Judenthums für das Vaterland und dessen Bürger durchdrungen ist und daß er darum, wenn er dieser seiner Ucberzeugung Ausdruck verleiht und das ihm ge­wordene Material zusammenstellt, nicht als Verlemnder zu be­trachten ist. Wenn er von Korruption spricht, so ist zu erwägen, daß Zeichen davon in den Prozessen Hage mann. Warne- b 0 l d, M a n ch S ic. zu Tage getreten sind, und daß auch Juden dabei hervorragend die Hände im Spiel haben. Wenn Ahlwardt gegen diese Dinge ankämpft, so steht ihm der Schutz d es Z i''3 des Str.-G.-B. unbedingt zur Seite. Aus seinen Schriften und Borträgen geht hervor, daß er sich zu der Mission berufen glaubtz einen Volksstamm zu bekämpfen, der das DeutscheReich und seine Mitbürger schwerge- f ä h r d e t. Unter diesem Gesichtspunkte und vom Standpuntte des Angeschuldigten aus kann man sein Auftreten nicht als gewerbsmäßige Ehrabschneiderei betrachten, sondern muß ihm den Schutz des§ 193 des Str.-G.-B. zubilligen. Diese Zubilligung erscheint um so dringender geboten, wenn man erwägt, welche Gesetzwidrigkeiten, wie die bisherigen Untersuchungen ergeben haben, thatsächlich vorgekommen und sogar von Löwe und Kühn« theilweise zugegeben worden sind. Der Angeschuldigte hat auch wiederholt versichert, daß er die Verantwortung ganz allein und gerne tragen wolle und daß er lebhast wünsche, vor Gericht ge- stellt zu werden, weil ihm dies die Erfüllung seiner Mission erleichtere. Es liegt kein Grund vor, an dieser seiner Versicherung zu zweifeln, und jeder etwaige Zweifel muß schwinden, wenn man sein Verhalten in dem BeleidigungZprozesse des Magistrats gegen ihn in Erwägung zieht. Ahlwardt hat nicht daran gesacht, sich der Veranttvortung durch Flucht zu entziehen und wird es diesmal um so weniger thun, als er getragen ist von dem Bewußtsein, für eine hohe, ideale Sache zu kämpfen. Der Angeklagte ist ver- heirathet, Vater von fünf unerzogenen Kindern und führt ein glückliches Familienleben. Dazu kommt, daß derselbe Beamter (nämlich Rektor einer hiesigen Gemeindeschule) ist; zwar ist er gegenwärtig suspendirt und bezieht seit dem August 1390 nur die Hälsle deS Gehalts; er ist jedoch von seinem Rechte so überzeugt, daß er destiurmt glaubt, nach Erledigung des Suspensions- Verfahrens wieder in den Genuß des vollen Gehalts zu treten und die vorenthaltene Gehaltshälfle zu erhalten, die gegen- wärtig schon etwa 4000 M. beträgt. Es ist unmöglich anzunehmen, daß der Angeklagte dies Alles preisgeben werde, um sich einer Veranttvortung zu entziehen, die ihm nach seiner Meinung und nach den bisherigen Ermittelungen in der L ö w e' schen Fabrik nicht schwer werden wird. Eine Kollusionsgefahr liegt ebenfalls nicht vor. Wenn die Staatsanwaltschaft annimmt, der Angeschuldigte werde seine Freiheit benutzen, um in seinen Agitationen gegen Löwe sortzufahren, so ist dem entgegenzuhalten, daß eine solche Er- wägung niemals einen Haftgrund geben kann. Das soll nach derStaatsbürger- Zeitung" ungefähr der Inhalt jenes Schrift- stückes fein. Die Staatsanwaltschaft legte nun Beschwerde beim Kammergericht ein, und dieses beschloß am 2. d. M. die Ver- hastung Ahlwardt's. Die Motive des Beschlusses sind allerdings kürzer und lassen sich in die Worte zusammenfassen: Flucht« verdacht liegt vor. Noch an demselben Tage ließ der Ober- Staatsanwall durch telegraphische Ordre an das Polizeipräsidium diesen Beschluß zur Ausführung bringen. Ein schwerer Ungliick-Zfall hat sich gestern(Donnerstag) Vormittag in der Hollmannstraße ereignet. An einem Flaschen- bierwagen der Schuliheiß'schcn Brauerei, dessen Führer sich auf einige Zeit zum Besuche seines an der Ecke der Linden« und Schützenftraße wohnhasten Schwagers entfernt hatte, waren die Mitfahrer Lemke und Büttner mit dem Aufladen von Flaschen- kästen beschäftigt. Lemke stand auf dem Verdecke des Wagens, Büttner reichte ihm die Kästen hinauf. Plötzlich verlor Lemke das Gleichgewicht und stürzte ans das Straßenpflaster herab, in seinem Falte Kästen und Flaschen mit sich reißend. Durch die herabfallenden Kästen wurde der untenstehende B. am Kopf schwer verletzt; L. hatte bei seinem Sturz ein Bein gebrochen. Beide wurden nach dem Krankenhause Am Urban gebracht. Plötzlich verstorben ist in der Nacht zum Montag der in der Friedrichstraße wohnhafte Schuhwaareuhändler Forell. Man fand ihn Morgens früh lobt in einem Lehnsessel sitzen. Am Mittwoch sollte seine Beerdigung auf dem jüdischen Friedhos in Weißensee erfolgen, mußte aber unterbleiben, da die Staats- anwallschaft, angeblich»nfolge einer Denunziation, die Obduktion der Leiche angeordnet hat. Ei» tragische» Ende hat der aus ver Potsdamer Bahn bei dem Halteäbergang in Kohlhasenbrück bei Ncubabelsberg an- gestellte Bahnwärter Braune genommen. B., der sich seit einigen Tagen univohl fühlte, war am Sonnabend gegen Mittag im Be- griff, die nach Theerofen zu gelegene Barriere zu schließen, als ihn ein Blulsturz befiel. Der pflichigetreue Beamte schleppte sich noch nach der anderen»Seite der Bahn hinüber, schloß die Barriere, dann brach er zusammen, und wäre wohl von dem einpassirenden Zuge zermalmt worden, wenn ihn nicht ein hin- zukommender Lanvbriesträger von den Schienen heruntergezogen hätte. Der Bahnwärter aber ist vorgestern den Folgen seiner Krankheit erlege» und hinterläßt eine Frau und sieven Kinder i» dürstigen BerhäUnissen. Zeugen über einen am 27. Mai, AbendS SVe 81/» Uhr, in der Pücklecstraße stattgehabten Kraivalle werden gebeten, sich der Frau Lewi», Lübdenerstr. 27, Hof 1 Tr.. sofort zu melden. Polizeibericht. Am 7. d. M. Abends sprang ein Mädchen am Schleswiger Ufer, nahe den Berliner Mörtelwerken, aus Furcht vor Strafe tu die Spree, wurde jedoch noch lebend aus dem Wasser gezogen und nach dem Sanatorium in der Lessing- straße gebracht. Am 8. d. M. Morgens wurde in der Spree , gegenüber der Straße Am Krögel, die Leiche eines unbekannten, etwa 25jährigen Mannes angeschwemmt. In der Wohnung ihrer Eltern, Swiuemüuderstr. 1, rissen die 7 und 6 Jahre alten Brüder Banse beim Spielen eine über der Kochmaschine stehende gefüllte Petroleumkanne herab, wobei sich der Inhalt derselben über die Kochmaschine ergoß und entzündete. Die Flammen er- griffen auch die gleichfalls mit Petroleum getränkten Kleider der Kinder, und erlitten Beide so schwere Brandwunden am Ober- körpcr, daß sie nach dem Lazarus-Krankenhause gebracht werden mußten, wo der ältere bereits Nachmittags verstarb. Hinter dem Grundstück Brückenstr. 2 fiel Vormittags ein siebenjähriger Knabe beim Spielen von einer Waschbank in den Mühleuzraben und ertrank. An der Ecke der Alten Schönhauserftraße und der Schendelgasse wurde ein Lehrer von einem Hundewagen über- fahren und im Gesicht bedeutend verletzt, so daß seine Ueber- führung nach der Charitee erforderlich wurde. Nachmittags und AbendS fanden drei kleine Brände statt. Oeritfiks-ZeiNrng. Gegen de» NeichStagS-Nbgeordnctcu Grilleuberger und den früheren Redaktetir desVorwärts", Kurt Vaake, stand gestern vor der 135. Abtheilung des Schöffengerichts Termin in einer Privatbeleidigiingsklage an, welche gegen die Genannten von dein früheren Redakteur Karl Schneid t, dem Verfasser des Spottvogel", angestrengt worden war. Tie fragliche Beleidigung liegt bereits 2 Jahre zurück. Anfangs Mai 1390 wurde im Parlamente dem Abgeordneten Grillenberger der Vorwurf gemacht- daß er insofern gegen die von ihm vertretenen sozialdemokratischen Grundsätze verstoßen habe, weil von ihm die sechswöchige Arbeit eines Mitarbeiters des von ihm redigirtenFränkischen Couriers" mit nur 40 Mark bezahlt worden sei. Tag» darauf erschien imVorwärts" ein Artikel aus der Fedtt Grillenberger's, in tvclchein derselbe bedauerte, in der betreffenden Reichstags-Sitzung nicht gegenwärtig gewesen zu sein, um svljjst die wider ihn erhobene Beschuldigung entkräften zu können. letztere solle sich auf den Polizei- Anarchisten Karl Schnerdl beziehen, der ihn gequält habe, von ihm verfaßte Artikel aui!