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�graben, ad« noch«chtzeitig wird« an daS Tageslicht gezogen. daß er. wenn auch innerlich anscheinend schw« verletzt, nach sein« m dem Haus« Prinzenstr. 16 belegenen Wohnung gebracht werden konnte. Seine beiden Genossen«litten nur leichte Quetsch- wunden, so daß sie gegen MUtag ihre Arbeit wieder auszunehmen vermochten. Zur Verhaftung der beide» Mörder Wagenschütz und vteukamp gehen uns noch die folgenden Mittheilungen zu: Die Wagenschütz hat Sonnabend Mittag gegen 2 Uhr den Versuch gemacht, sich das Leben zu nehmen. Die Frau hatte «st am Sonnabend früh«fahren, daß ihr Sohn wegen Dieb- Pähls verhaftet worden sei; Mittags nun hörte die in demselben Hause Swinemünderstraße 125 wohnende Frau St., daß Otto Wagenschütz des Mordes wegen verhaftet fei und begab sich so- fort zu der Nachbarin, der Mutter des Mörders, um diese zu trösten. Frau Wagenschütz Nagte der St. ihr Leid und als diese darauf erwiderte:Ja, wer hätte auch gedacht, daß Otto dies thun würde, die Munzel war doch immer so freundlich zu ihm*, da rief Frau W. ganz erschrocken:Was hat Otto mit der Llna?»Ja. wissen Sie denn nicht, daß Ihr Sohn des Mordes wegen verhaftet ist?* Wie geistesabwesend starrte die Mutter die Nachbarin an und dann stürzte sie mit den Worten: Mein Otto der Mörder der Lina!* an daS Küchenfenster, riß dasselbe aus und versuchte sich binauSzusttirzen. Glücklicherweise hatte Frau K. soviel Besinnung, hinzuzuspringen und die Wagen- schütz, welch« immer wieder dem Fenster zueilen wollte, ins Zimm« zurückzuziehen. Dann verfiel Frau Wagenschütz in Starrkrampf, der längere Zeit anhielt. Auch der ältere Bruder. sowie die Schwester des Mörders wurden, als sie die HiobSpost erhielten, von kkrämpfen befallen. Ueb« das Leben des Otto W. in der elterlichen Wohnung wird uns noch mitgetheilt, daß der Bursche von höchst verschlossenem Charakter war, fast gar nicht sprach und nach beendetem Essen bis zur späten Nachtstunde den Seinigen fern blieb. Schon vor Jahresfrist hatte W. sich an Seiner Mutter»«griffen und seine Hierselbst verheirathete Schwester iatte vor dem Burschen solche Angst, daß sie in der Wohnung eine Eichnheitskette an der Thür anbrachte, um, falls Otto sie besuchen wollte, ihn nicht hineinzulassen. Die Behörde nimmt übrigens an, daß an der Mordthat noch ein Dritter bethciligt ist. und infolge dessen sind vorgestern Abend drei jugendliche Strolche, mit denen der Mörder intim verlehrte, nach dem Polizei« Präsidium sistirt worden. Polizeiberkcht. Am 1l. d. M. früh wurde ein Unter- suchungsgesangener im UntersuchungSgefängniß in Alt-Moabit in sein«j Zelle und Nachmittags ein Seifensieder in seiner Wohnung, m d« Kreuzbergstraße, erhängt vorgesunden. Abends sprang eine unbekannte, etwa 13 Jahre alte Frauensperson in dn Nähe der Lützowbrücke in selbstmörderischer Absicht in den Landwehrkanal. Sie wurde noch lebend aus dem Wasser ge- zogen und nach der Charite« gebracht. Am 12. d. M. Bor, mittags wurde auf dem Flur des Hauses Weinbergsweg 14 die Leiche eines neugeborenen Kindes aufgefunden. An der Ecke der Rosenthalerstraße und des Hackeschen   Marktes wurde Nach- mittags ein SjährigeZ Mädchen von einer Kutsche überfahren und an beiden Beinen bedeutend verletzt. Als in der Nacht »um 13. d. M. der Schisssknecht Herrmann einen obdachlosen Schiff«, der aus dem am Jnselspeich«, Fischerbrücke 25/26, liegenden Kahne zu nächttaen beabsichtigte, von dem Kahne ent« fernen wollte, eilt» der Sohn deS Schiffseigners mit einem ge- ladenen Revolver zu feiner Hilfe herbei. Durch Zufall entlud sich die Schußwaffe, und drang die Kugel dem:c. Herrmann in den Oberschenkel, so daß er nach der Universitätsklinik gebracht m«den mußte. Am 12. d. M. und am dar. nffolgenden Morgen fanden drei Brände statt. Gerickks-F!eikurrg. Der sozialdemokratisch« NeichStagS» Abgeordnete Redakteur Max Schippe! hatte sich gest-rn wegen eines vor Jahren begangener Vergehens gegen das Preßgesetz zu verantworten. Der Angeklagte war im Februar 1826 Redakteur der hier«scheinendenVolks- Tribüne*. Am l. Februar des genannten Jahres«schien in derVolks- Tribüne* ein Leitartikel mit der Ueberfchrist:Die Sozial- demokratte. daS Kartell und die Opposition". Dies« Artikel war dem in London  «scheinendenSozialdemokrat" entnommen, einem Blatte. welches in Deutschland   verboten ist. Der Angeklagte gab dm Abdruck zu. ließ aber durch Verlesung des frag- liehen Artikels feststellen, daß er in d« Wiedergabe alle, die deutsche Regierung angreifenden Stellm fortgelassen hatte. Er wollt« sich aus diesem Grunde für berechtigt gehalten haben, «inen rein sachlichen Artikel aus dem verbotenen Blatte zum Ab- druck zu bringen, wie ja auch alle Blätt« über das Kassmwesm d« Sozialdemokratie unbeanstandet Nachrichten brächten, die demSozialdemokrat* mtnommm ieim. Der Staatsanwalt hielt diesen Grund nicht sür stichhaltig, sondern beantragt« ein« Geld­strafe von 50 Mark. Jetzt machte der Angeklagte mit Erfolg den Einwand der Verjährung geltend. ES stellte sich heraus, daß seit der letztm richterlichen Handlung in dies« Sache acht Monate verstrichen waren und da die Verjährung nach 6 Monaten eintritt, mußte daS verfahren gegen den Angeklagten eingestellt werden. Einer schweren Ausschreitung im Amte war der Kriminalschutzmann Hermann Ganzert beschuldigt, der ßssiern vor der ersten Straskamm« des Landgerichts I   stand. Ganzert«hielt eines Tages den Austrag, in einer Diebstahlssache Ermittelungm anzustellen. Es handelte sich um ein gestohlenes Zehnmarkstuck. Ter That v«dächtig war ein IS jährig« Bursche. welcher in der betreffenden Wohnung eine Schlafstelle inne hatte. Der Beamte unterwarf den Verdächtigen in Gegenwart d« Be- ftohlenm einem Verhör und«zielt« auch sofort ein unumwundenes Geständniß. In diesem Augenblick« erschien die Mutter deS jungen Burschen, welche«fuhr, um was es sich handelte und dann wiederholt betheuerte, ihr Sohn könne der Thäter nicht sein.« sei kein Dieb. Ihr Sohn wurde hierdurch bewogen. sein soeben abgelegtes Geständniß zu widerruseu. Dies reizte den Zorn des Beamten dermaßen, daß er mit seinem fingerdickm Stock auf den Verdächtigen einschlug und zwar dermaßen, daß derselbe erhebliche Verletzungen erlitt und ärztliche Hilfe in An- spruch nehmen mußte. Der Diebstahl deS Zehnmarkstücks ist immer noch nicht aufgeklärt. D« Angeklagte gab zu. daß er sich vergessen hatte, der bereits einmal wegen Diebstahls vorbestrafte Bursche habe ihn ab« mehr durch trotzig« und ungehörige Redensarten wie durch den Widnruf feines Geständnisses gereizt. Der Vorsitzende bemerkte, daß eventuell auch der z 843 des Straf- Gesetzbuches gegen den An- geklagten zur Anwendung gelangen könnte. Dieser Paragraph lautet:Ein Beamt«, welch« in ein« Untersuchuugs- fache Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um Geständ- wffe ob« Aussagen zu«preffen, wird mit Zuchthaus bis zu st'mf Jahren bestraft. J Der Staatsanwalt nahm zu Gunsten deS Angenagten an, daß derselbe nicht ein Geständniß habe«preffen wollen, die ,m Amte begangene Mißhandlung sei ab« ein» so grobe, daß« immerhin eine Gesängnißstrase von neun Monaten beantrage. Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Wronker, plädirte unter HiniveiS auf die bisher tadellose Führung de» Angeklagten auf eine Geldstrafe, der Gerichtshof folgte ab« den Ausfuhrungen des Staatsanwalts und erkannte auch nach dessem Antrag«. Um Durchstechereien zum Nachthette de» PostfiSkuS zandelte es sich in einem Prozesse, der am Eonnabend dre zweit« �fcgftuinMic des Landgerichts I   bis zum Abend beschästigt«. Aus der Anklagebank befanden sich der Schreiber Heinrich Buder, der Kaufmann Ernst Voigt und der Dachdecker- meist« David Homuth, der Erster« wegen wiederholter Urkundenfälschung, die Letzteren wegen wiederholten gemeinschaft- lichen Betruges. Die außerordentlich« Zunahme des Fernsprech- Betriebes hat eine besondere Eintheilung nöthig gemacht, um fortlaufend die verlangten neuen Anschlüsse zu bewirken. Die Stadt Berlin   ist in fünf Bezirke getheilt, welche unter der Leitung je eines TelegrapbensekrelärS stehen. Im vierten Bezirk war der Telegraphensekretär Freitag als Leiter angestellt, der Angeklagte Buder war ihm als Hilfs- schreib« beigegeben.'Die Angeklagten Voigt und Homuth haben unter der Firma G. A. Wernecke ein Lieferungsgeschäft sür sämmtliche zum Fernsprechbetriebe gehörigen Materialien ge- gründet. Sie hatten die Lieferung für den vierten Bezirk. Nach der getroffenen Vereinbarung hatten die Angeklagten im Dienst- gebäude ein Lager zu unterhalten. Wurden Materialien ge- braucht, so erhielten die Lieferanten einen Bestellzettel und nach erfolgt« Verabfolgung einen Lieferschein, der später bei der Rechnungslegung als Unterlage diente. Die Angeklagten Voigt und Homuth sollen sich nun mit dem An- geklagten Buder in Verbindung gesetzt haben, um den Fiskus zu ubervortheilen. Buder soll die Posten aus den Lieferscheinen vergrößert zhaben, nachdem der Telegraphen-Sckretär Freitag dieselben bereits mit seinem Revisionsvermerk versehen hatte. Die angeklagten Lieferanten sollen auch mit den Leitungs- Revisoren Durchstechereien betrieben haben. Wenn die Beamten für irgend welche Gegenstände, die sie selbst angekauft hatten, weil sie nicht sofort aus dem Depot beschafft werden konnten, Auslagen gemacht hatten, so erstatteten die Angeklagten Voigt und Homuth ihnen das Geld wieder und stellten die Sachen nachträglich in Rechnung, wobei der An- geklagte Buder wiederum die bereits revidirten Lieferscheine so umänderte, daß die Firma Wernecke keinen Schaden erlitt. Auf Grund der umfangreichen Beweisanfnahme gelangte der Gerichts- Hof zwar zu der Ansicht, daß sowohl die Angeklagten V. und H., wie auch die Leitungsrevisoren nicht korrekt gehandelt hatten, als ein Betrug könne das Verfahren nicht angesehen werden. Voigt und Homuth wurden deshalb freigesprochen. Dagegen wurde der Angeklagte Buder wegen Urkundenfälschung zu einer Gesängniß- strafe von sechs Monaten vernrtheilt. Der gerichtlichen Verhandlung gegen den Genossen Stadthagen  , deren Ausfall wir bereits kurz berichtet haben, lag folgender Vorfall zu Grunde. Am 9. Februar 1890 fand in Liebenwalde  , Kreis Nieder-Barnim  , eine von dem Komitee der konservativen und gemäßigt-liberalen Partei* angezeigte Ber- sammlung statt, in welcher ber frühere Abgeordnete des Kreises, Lohren. im Anschluß an ein an demselben Tage verbotenes sozialdemokratisches Flugblatt eine Ansprache hielt. In dieser Versammlung war auch d« Angeklagte«schienen, wie- wohl ihn verschiedene Genossen darauf aufmerksam ge- macht hatten. daß in Liebenwalde   bis dahin noch kein« sozialdemokratische Stimme abgegeben sei und daß die Zelte'vertheiler noch bei der Wahl von 1837 Brutalitäten ausgesetzt gewesen seien. Erinnert werden mag daran, daß die Wahl von 1390 daS sür unmöglich gehaltene Resultat«gab, daß weit über ein Drittel aller Stimmen für Stadthagen   in Liebenwalde  «intraten. Den Vorsitz in der Versammlung führt« der AmtS- Vorsteher Schulze auS Französisch- Buchholz. Auf dem Podium befanden sich eine Anzahl oberster Polizeibehörden aus den verschiedensten Ortschaften Nieder-Barniins und der Bürger- meist« Wagner auS Liebeuwalde. Zu Beginn der Debatte er- klärte der Vorsitzende, daß nachher Jeder zu Wort kommen würde. Als Lohren u. A. ausführte,nach Einführung des JnvaliditätSgesetzes werde keine Klasse von Staatsbürgern behaglicher leben als die Klasse der Arbeiter" und bei ähnlichen Redewendungen erhob sich vielseitiger Tumult. Auf einen Zuruf«klärte der Vorsitzende dem Angeklagten, er werde nachher das Wort er- halten. Als nnu aber nach Eintritt in die Debatte sich Stadl- Hagen zum Wort meldete, erklärte der Vorsitzende:Ihnen, terr Rechtsanwalt ertheil« ich das Wort nicht, ie sind Sozialdemokrat." Stadthagen   protestirte gegen diese Wortabschneidung und bemerkte höhnisch, die konservative Partei konnte ja allerdings Redefreiheit nicht gewähren, denn Wahrheit könnte sie nicht vertragen. Er wandte sich dann um, um hinauszugehen und seine Genossen aus- zufordern, den Saal zu verlassen. Es entstand aber«in großer Tumult dadurch, daß eine große Anzahl Liebenwalder ihn zum Podium der Rednertribüne zuschoben und riefen:Hei fall redden* und dergleichen, während ein Theil der konservativen Schutzgarde laut brüllte. Während dieses Tumultes will der Vor- sitzende den Angeklagten wiederholt vergeblich zum Verlassen des Lokales aufgeforoert haben. Der nicht in Uniform befindliche Bürger- meister Wagner sprang vom Podium herab und beauftragte einen der beiden uniformirten Polizeibeamten, den Angeklagten gemalt- sam aus dem Lokal zu ents«nen. Der Gendarm Häseler faßte den Angeklagten hierauf an. Dieser schlug den Arm des Gendarmen zurück und fragte ihn, waS ihm ein­falle. AlS der Gendarm ihm dann mittheilte, daß der Bürgermeister ihm befohlen habe. ihn zu entfernen, erwiderte Stadthagen  : Wenn Sie beaustragt sind, müssen Sie Ihren Austrag ausführen. Anfassen verbitte ich mir aber. schaffen Sie mir Platz. Sie sehen doch. daß ich nicht durchkommen kann. Dann entfernte sich Stadthagen   auL dem Saal. Hierin erblickte die Anklag« das Vorliegen eineZ HaussriedensbruchS. Dem An. geklagten folgten etwa 100 Versanunlungsbesucher und baten ihn. wieder hereinzukommen, sie würdendie Kerls da innen alle tausammen hauen". Sie wollten ihn reden hören. Stadthagen   beruhigte die ihn Umstehendeu, verlangte aber die Sistirung des Bürgermeisters wegen Mißbrauchs der Amts- gemalt. Der Gendarm lehnte die Sistirung zunächst ab, begab sich aber, als Stadthagen  «klärte, daß er dann selbst den Bürger- meister auf Grund des s 127 der Straf-Prozeßordnung sistiren würde, in den Saal und kehrte nach längerer Zeit mit der Mit- theilnng zurück, der Bürgermeister ließe sagen, er habe jetzt keine Zeit. Stadthagen   betonte darauf, daß« den Bürgermeister denunziren werde. In dieser Aeußerung «blickte die Anklagebehörde eine Beleidigung. Stadthagen   setzte später im Rathskeller etwa 200 Liebemvaldern die sozialdemv- kretischen Forderungen auseinander. Wenige Tage später, am 4. Februar,«bat Stadthagen   in einer freisinnigen Versammlung das Wort. In der Diskussion rief er einigen. mit dicken Knütteln erschienenen Stützen der konservativen Partei aus Lieben- walde, insbesondere einem Konsulenten, der mit Redensarten wie:Wir bringen Sie wieder raus' ihn am Sprechen zu verhindern versuchte, die Worte zu:Ich warne Sie. so unüberlegt vorzugehen, sonst wird's Ihnen so gehen, wie Ihrem Bürgermeister, den ich bereits denunzirt habe." In dieser Aeußerung erblickte die Anklagebehörde eine zweite Be- leidigung des Bürgermeisters. Im Termin vertheidigte Stadt- Hagen sich selbst. Er führte aus. von einem Hausfriedensbruch könne ganz und gar keine Rede sein. Abgesehen davon, daß er an dem Hinausgehen gehindert sei, habe er auch nicht gehört, daß er aufgefordert sei, den Saal zu verlassen. Ueberdies sei aber so wenig d« AmtSvorsteh« Schulze, wie der Bürgermeister Wagner, oder irgend einer der anderen, zahlreich versammelten Polizeimannschaften b«echtigt gewesen, ihn hinauszuweisen. Lebhaft bezweifeln müsse«, daß die damalige Versammlung ord- nungsmäßig angemeldet gewesen sei. Ganz zweifellos sei es, daß der Bürgermeister infolge der stritten Bestimmung deS Bereins- gisrhes gar kein Recht gehabt Hab«, im Saale   in Gegenwart von zwei anderen Polizeidtenern zu fungiren. Er habe den Bürger- meist« nicht gekan..r. Wie ihm nachträglich mitgetheilt sei, war dies der dicke Herr, der, bevor er den Gendarmen holte, neben ihm vorbeiging, ohne ihn auch nur aufzufordern, den Saal zu verlassen. Er könne nicht anders, als es geradezu als Folge des Wahlsieges sein« Partei zu bezeichnen, wenn jetzt zu Gunsten der wirklichen Gesetzesverletzer und Friedensbrech« ihm der Prozeß gemacht werde. Was die angeblichen Beleidigungen anlange, so sei ihm als Juristen nicht unklar, daß aus drei noch so harm- losen Worten im Wege der ja leider in der Revisionsin stanz unanfechtbaren Jnterpre- tation herausgelesen werden könne, was niemals der Redner hineingelegt wissen wollte. Uebrigens habe« ja die Denunziation thatsächlich eingereicht. Wenn die Staats- anwaltschaft auf die seit über zwei Jahren ein- gereichte Denunziation noch nicht geant- w ortet habe, so liege es wohl daran. daß bis jetzt noch kein Grund gesunden sei, aus dem heraus der Amtsvorsteh«, der sich eines schweren Amtsmißbrauchs durch seinen völlig unberechtigten und in beleidigender Form ausgeführlen Eingriff schuldig gemacht habe, straflos gemacht werden könne. Ob der Bürgenneist« bestrast würde oder nicht, sei ihm ia an sich ganz gleichgiltig.; Nicht zu bestrasen wäre der Bürgermeister und daS habe er schon in der Versammlung«klärt, wenn ihm das strafrechtliche Bewußtsein fehle, wenn er also nicht das volle Bewußtsein dessen besitze, was«> thue. Wenn er vielleicht in der Redewendung darin gefehlt, daß er einen derartigen Defekt bei ihm nicht vermuthet habe, so möge darin eine Be- leidigung liegen. Dann müßte aber bekanntlich nach Z 191 Str.-G.-B. mit dem Verfahren gegen ihn innegehalten werden, bis der Bürgermeister bestrast oder freigesprochen sei. Die sehr ausgedehnte Beweisaufnahme gab zu einigen lebhaften Szenen zwischen den Polizei-Organen und dem Angeklagten Vn- anlassung. Widersprüchen der Zeugen untereinander irnd der Darstellung des Sachverhalts mit der Darlegung einiger Zeugen' begegnete der Angeklagte dadurch, daß er ein« Anzahl von Zeuge», die sich in seiner unmittelbaren Näh« be- sunden hatten, namhaft machte und deren Ladung beantragte, falls der Gerichtshof nicht ohne Weiteres annehme, daß seine Schilderung in allen Punkten der Wahr- heit entspreche. Der Gerichtshof beschloß, den BeweiSantrag abzulehnen, weil er annehme, daß der Vorfall sich g e n a u so zugetragen habe, wie der Äl n g e k l a g t e ihn zugegeben hatte. Aus der Beweisaufnahme dürfte noch hervor- zuHeben sein, daß der Bürgermeister von Liebeuwalde auf den Vorhalt des Borsitzende», er hätte doch wissen müssen, daß nach dem Vereinsgesetz nicht mehr als zwei Polizeibeamte in einer Versammlung sich aushallen dürften, darüber ganz«staunt war. Ferner gab der Bürgermeister zu, daß er den An- geklagten nicht aufgefordert hatte, sich zu entfernen, und daß e r den Saal bestellt hatte. Der Staatsanwalt hielt die Anklage im vollen Umfang« aufrecht und beantragte wegen des Hausfriedensbruchs 4 Wochen, wegen jeder Beleidigung je 2 Wochen Gesängniß. Stadthagen  geißelte in längerer Rede die von den konservativen Führern bekundeten Thatsachen, daß sie unter sich abgemacht hätten. der Amtsvorsteh« leite die Versammlung, der Bürger- meister übernehme die sogenannte polizeiliche Aufsicht, und daß sie fern« versucht hätten zu behaupten. es sei selbstverständlich, daß in«ine von Konservativen«in- berufene Wählerversammlung nur Konservative kämen. Er freue sich, dadurch von den konservativen Stützen eidlich bekundet zu hören, daß ihr« Partei Gegner nicht zu überzeugen vermöge, sondern nur an solche sich wenden könne, die bereits konservativ ei»geschworen seien. Dieses Be- kenntniß des nothwendigen Unterganges der konservative» Partei mache deren Führern im Niederbarnimer Kreise alle Ehre. Wenn eS allerdings ganz und gar keinem Zweifel seiner Ansicht nach unterliegen könne, daß der Amisvorsteher den objektiven Thatbestand der§§ 839 bis 341 Str.-G.-B. erfüllt habe, so müsse er, nachdem er diese Herren als Zeugen gehört habe, allerdings sagen, daß auch in ihm Zwei;cl aufgestiegen seien, ob die Herren das volle Bewußtsein dessen, was sie thun, in dem Maße haben, daß sie dafür straf- rechtlich verantwortlich gemacht werden können. Den Bürger-' meister der Staatsanwaltschaft zu übergeben, sei sein Recht, daZ er ausgeübt habe. Nach lang« Bevathung verkündete der Gerichtshof das bereits miigetheilte Urtheil. Es sei dem An- geklagten darin beizutreten, daß an sich dem Gesetzzu- wider drei Polizeibeamte sich in dem Lokal als solche aufgehalten und daß der Bürgermeister sich nicht einmal anderen kenntlich gemacht habe. Auch unterliege es keinem Zweifel, daß der Vorsitzende nach kein« Richtung hin berechtigt gewesen sei, das Hausrecht auszuüben. Aber anders als die privatrechtlich« Stellung sei die öffentlich-rechtliche Stellung. Der Bürgermeister habe, da doch, wenn auch ohne Absicht des Angeklagten. durch dessen Meldung zum Wort thatsächlich die Ruhe gestört. worden sei, das Recht gehabt, seine Entfernung zu veranlasseiv. Das habe der Angeklagte als sehr genau orientirter Jurist auch gewußt und wenn er trotzdem wiederholt die Aeußerung gebraucht habe, daß er den Bürgermeister denunzirt hätte oder denunziren werde, so habe« das gethan, um den Bürgermeister zu be- leidigen. Er sei deshalb] wegen Beleidigung zu bestrafen, und zwar wegen des ersten Falles mit 100, wegen des zweiten Falles mit 200 M. Geldstrafe. Gegen dieses Urtheil hat Stadthagen  Revision angemeldet. Ob das Reichsgericht sich mit der vorderinstanzlich fest- gestellten Tragweite polizeilicher Machtbefugnisse einv«standen erklären wird. bleibt abzuwarten. Interessant ist jeden- falls, daß die gegen den Bürgermeister Wagner vor mehr alZ   zwei Jahren eingereichte Anklage noch unerledigt geblieben und daß durch die Bekundungen der konservativen Polizeibeamten mied« einmal klargestellt ist, wie die konservativen Parteihäupt« den Kamps mit geistigen Waffen ihren Gegnern gegenüber führen, daß von dem Rattenkönig von Prozessen, in welche Stadthagen   noch verwickelt ist, einer wegen Vergehens gegen daS So­zialistengesetz, ein fernerer wegen Beleidigung deS Land­raths von Scharnwebn, ein dritter wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen obrigkeitliche Anordnungen(Teller- kammlungS- Verbot) und ein viert« wegen Majestäts- beleidigung sich dadurch abgelöst haben, daß theils die Staats- anwaltschaft selbst die Einstellung des Verfahrens angeordnet, theils die Gerichte die Ablehnung der Anklage beschlossen habgu. Soziale Llelrevlrrszk: Beendet ist dn Streik dn Klinger'schen Arbeiter in Zwittau  , und zwar zu Ungunsten derselben. In Karlsbad   steht das Drehnpersonal der Porzellanfabrik von Lesser in einer Lohnbewegung, weshalb um Fernhaltung des Zuzugs gebeten wird. Der Streik der Sziir-Schneider in Debreezin dauert fort. Trotzdem diese Branche außerordentlich erbärmliche Arbeits- Verhältnisse hat, so daß man meinen mußte, es würden sich Streikbrecher nicht finden, ist Letzteres doch der Fall gewesen. In Grosi-Bccökerek(Ungarn  ) steht«in Streik der Tischler in Aussicht. Die Lage derselben ist eine elende. Die regelmäßig« Arbeit beträgt IllVe Stunden, doch wird meist 14 und mehr Stunden täglich gearbeitet. Dabei variiren die Löhne von 4 biS 9 st. p« Woche. Di« dort beschäftigten 45 Tischler- gehilfen fordern Einführung der lOstündigen Arbeitszeit und 20 pCt. Lohnerhöhung. Wenn diese Forderungen bis 13. Jnnii nicht bewilligt werden, wollen sie die Arbeit mederkegen.