Erzgebirgs-Weihnacht.ihm find unter den schimmernden, glitzernden, gründustendenTannenbäumen die bunten Spielwaren-Herrlichkeiten aufgestapelt, diegebefrohe Hände und gefüllte Geldbeutel den Kindern der Besitzendenbescheren. Hunderterlei Gegenstände, aus denen die Kinderphantasiesich ihre Liliputwelt baut. Von den Wohnhäusern, den Magazinen,den Küchen, bis zu den Eisenbahnen, den Fuhrwerken, den Holz-soldaten, den Holzsieren; Dinge, die in ihrer Gesamtheit aufzuzählen,nun bald eine bare Unmöglichkeit ist. Denn der Traditton, diebeim Kinderspielzeug fast mehr als bei allen andern Dingen vor-herrscht, gesellt der rastlos arbeitende Neuigkeitstrieb erwerbsgierigerFabrikanten alljährlich neue Spielzeugartikel, von denen das einebald wieder verschwindet, das andre sich dauernd dcni alten zugesellt.Wer aufmerksam beobachtet, bemerkt, daß auch das Kindcrspielzengseine Revolution durchmacht. Seit das mechanische Spielzeug dentoten und einfachen Gegenständen den Rang anläuft, wird auf demSpielzeugmartt das Holz durch das Metall verdrängt. Einökonomisch nicht unwichtiger Vorgang. Er verlegt die Spiel-Warenerzeugung aus der Hausindustrie in die Fabrik, weildie metallenen Gegenstände nur mit Zuhilfenahme vonMaschinen hergestellt werden können. Vorläufig aber herrscht dochnoch das Holzspielzeug vor und damit bleiben die dürren blnt-losen Hände ausgehungerter Heimarbeiter die Hauptlieferanten desSpielzeugmarktes.Das Spielzeug hat seine Heimat wie alles andre. Das Metall-spielzeug kommt vornehmlich aus Nürnberg, dem alten Markte derdeutichen Spielzeug-Jndustrie. Die netten Puppenköpfe und Puppenmit den goldblonden Locken und den sprechenden Augen, die größerenkunstvoll gemachten Tiere, wie z. B. die Wollschafe, kommen ausder Sonneberger Gegend. Auch im Spreewald sitzen im Winter,wenn die Wasserläufe vereist sind, die Bauern'beisammen undmachen einzelnes Spielzeug ftir den Berkauf. Ebenso schnitzelnein paar andre Armeleutsgegenden einiges Spielzeug. Doch derHaupterzeugungsvlatz unsres HolzspielzeugS ist zur Zeit das sächsischeErzgebirge.Wer alle die niedlichen Sachen sieht, die um Weihnachten inden Spielzeug- Ausstellungen der Bazare den Jubel der Kindererregen, kann sich nur schwer vorstellen, wieviel Kummer undThräuen, Not und Entbehrung an all diesen hübschen Spielwarenaus Holz kleben. Ilm den Kindern der Großstadt diese Weihnachts-freude zu bereiten, müssen tausende armer Proletarierkinder Tagund Nacht die fleißigen Hände regen. Aber wenn sie ununterbrochenmit den Eltern während der ganzen Woche thättg gewesen sind,haben sie für all ihren Fleiß vom Spielwaren-Verlegerkaum so viel erhalten, daß sie sicki genügende Nahrungkaufen können. Kartoffeln und Cichorienkaffee. und immer lviederdasselbe, das ist die Nahrung der fleißigen erzgebirgischen Arbeiter-kinder.Auch im Erzgebirge wird das Weihnachtsfest gefeiert undWochen vorher rüsten sich die armen Hausindustriellen, um bei einpaar brennenden bunten Kerzen auf dem Fichtenbäumchen auf einigeSsimdcn ihre Not zu bergessen. Je ärmer und weltabgeschlosscnereine Bevölkerung, je zäher hängt sie ja an alten Bräuchen, ob sieauch Jahrhunderte vergeblich hofft auf die Erfüllung des Hirten-liedeö �„Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen I"Jetzt liegt im Erzgebirge auf Wegen und Stegen der Schnee.Die Fichtenwaldungen, die sonst die Berge mit ihrer grünenDecke überziehen, zeigen endlos weit das Weiß der auf ihnenlastenden Schneeniasjen. Die vielen Wasserläufe sind vereist und in-mitten der majestätischen schweigenden Pracht des GebirgswinterSliegen die Häuschen und Hütten der erzgebirgischen Proletarier.Ouerbalken ziehen sich durch das dünne Mauerwerk, die Dächer sindmit geteerten Fichtenholzschindeln belegt; durch ganz niedrigeThören und kleine Fenster bahnt sich Licht und Lust den Weg zuden Menschen. Meist haben die Häuschen nur ein Erdgeschoß, wenn'sviel ist, ein Obergeschoß. Tritt man in die Stuben, so muß manfein höflich sein lind sich bücken, denn die Decken sind niedrigund di» Lust ist dumpf. Blutlose Heimarbeiter mit engerBrust � und leeren Magen, die den ganzen Tag inder Sdlbe arbetten müssen, sind empfindlich gegen dieWinterkälte. So halten sie die Fenster geschlossen undder heiße Dunst vom Kachelofen wie auch die Eigenartder Arbeit zerstessen die Gesundheit und verbreiten Krankheit. Hierist'S der feine Holzstaub des Drechslers, dort der Färb- und Leim-genH von der Arbeit des Spielwarenmachers oder der Tabakstaubdes Cigarrenmachers, der Wollstaub vom Stuhle des Strumpfwirkers.Ueberall trägt die Arbeiterbevölkcrung die verderblichen Spuren derHeimarbeit mit sich herum.So arm und verkümmert die Bevölkerung heute ist, so reich istdas Erzgebirge einmal gewesen. Das war im fünfzehnten undsechzehnten Jahrhundert, als bei Annaberg, bei Schneebcrg, beiMarienburg und bis nach Böhmen hinein, mitten in den Fichten-Wäldern die Silberadcrn entdeckt wurden. Da strömten dieMassen ins Gebirge hinauf, das Bcrginnere wurde zerwühlt nach'dem wertvollen Metall, lvelches damals unendlich mehr galtals heute. Förmlich über Nacht wuchsen aus der Erde große undreiche Bergstädte empor, ein reger Handel blühte in den breitenStraßen, auf den weiten Marktplätzen, die jetzt öde daliegen, gras-und moosbewachsen gleich den toten Stollen und den hohen Berg-Halden, den Zeugen des verschwundenen Bergsegens. Aus demSilberbergbau zogen die sächsischen Landesherren der damaligen Zeit,die Städte, die großen Händler und die Kuxenbesitzer Riesensummcn.Die Bevölkerung blieb arm. und als die Berge ausgeraubt unddie Silberadern immer dünner wurden, gleich dem im aus-getrockneten Strombett versickernden Wasser, da brach einchreckliches Massenelend in diesem mittelalterlichen Kalifornien aus.Verzweifelt suchte die hungrige Maffe nach neuem Broterwerb. Hierwar eS die günstige Lage der Verkehrswege ins„Nicderland", dortder Wafferreichtum, dort der Holzreichtum der Wälder, die denGrund legten zu den heusigen Hungcrindustrien.In den Niederungen, rings lim den Fuß des Gebirges, entwickeltefich die Weberei und Wirkerer. In der Annaberger Gegend kamendie hungernden Bergleute durch Brabanter Einwanderer auf dieSpitzenkloppelei und die Posamentenfabrikasion, auf die heute so bedeutende Ssickerei-Jndustrie. Weiter aufwärts, bei Schönheide, be-gannen die notleidenden Arbeiterfamilien Borsten zu verarbeiten; dieBürsten- und Pinselindnsttie des Erzgebirges entwickelte sich, derenMassenprodukte zu Spottpreisen heute überall zu finden sind. In derMaricnberger Gegend wurde Blechware gestanzt. Die Bevölkerungdes Gebirges brachte ihre Wälder ins Wandern, indem sie dasHolz, unter Zuhilfenahme der Wasserkräfte zu Spielwaren, zu Küchen-geräten, zu Möbeln, zu Gebrauchsgegenständen verschickte. Die Holz-Industrie, die hochbedeutende Spielwaren- Hausindusttie entwickeltesich und im letzten Jahrhundert gesellte sich dazu eine endlose Reihevon Holzschleifereien. die die Fichtenwälder des Gebirges zu Holz-stoffmaffe für die Papierfabrikation verarbeiten. Zugleich ergoß sichein Strom armer Proletarier. die sich am Ort nicht ernährenkonnten, als Hausierer mit allerlei Waren durch ganz Sachsen,Preußen und die umliegenden Lande. So entstand die heutigeErzgebirgs- Industrie. Zunächst war sie Hausindustrie, dannbaute der Kapitalist seine Fabrik mitten zwischen den arm-seligen Hütten auf. Der Verzweiflungskampf der Haus-industrie gegen die Fabrik begann, bei welchem derKapitalist die alles niedcrkonkurrierende Maschine einsetzte, der Haus-industrielle Gesundheit, freiwilligen Hunger, Familienglück und dieTausende zarter Kindcrfinger.Auch in den verschneiten Erzgebirgshütten. aus denen Spielwaren und Gebrauchsgegenstände, Kleidungsstücke und Strumpfwarenauf alle Weihnachts-Geschenksische geflogen sind, brennen jetzt dieWeihnachtskerzen. Bald hängt von der niedrigen Decke herab einbuntes leuchterartiges Holzgestell, welches mit den Kerzen geschmücktwird, bald steht in der Ecke der Stube ein kümmerliches Fichtenbäumchen.Denn ob sie auch schön gewachsene Bäume hier oben Haben. � dieseerzgebirgischen Arbeiter bekommen doch nur den Abfall; die schönerenund großen Fichten gehen alle in die Städte hinunter, in denen derHändler lohnende Preise für sie erzielt. Dagegen besitzen die erz-gcbirgiichen Arbeiter ein großes Geschick in der Herstellung vonmechanischen Darstellungen.„Weihnachtsberg" nennen sie dieselben.Bald ist's ein Bergwerk, bqld eine Eisenbahn, bald eine den reli-giösen Vorstellungen entlehnte Darstellung. Alle diese mechanischenSachen werden durch die Wärme einer Lampe oder durch Wassergetrieben. Es ist fast das einzige, was solch' ein armer Haus-industrieller seinen Kindern bieten kann. Die ergötzen sich ein paarTage daran, bis Raummangel und die Tagesarbeit dazu zwingen,den„Weihnachtsberg" wieder bis zum nächsten Jahre wegzuräumen.Wochen vorher„bastelt" schon der Erzgebirgsarbeiter an seinemWeihnachtsschmuck.Und nicht minder eifrig ist die Frau! Um Weihnachten wirdgebacken und morgens, mittags und abends lebt die Familie von—Kuchen. Fast wird man an das Wort der stanzösischen Duchesse vor1789 erinnert:„Wenn das hungernde Volk kein Brot hat, ei, warumißt es keinen Kuchen?" Aber der Kuchen des Erzgebirglers ist nichtsehr einladend. Schlechtes Mehl und viel Kartoffeln. Kartoffeln!Kartoffeln! Das ist ja die ewige Speise des erzgebirgischen Arbeiters.Der Arbeiterstau ist das Fett leider viel zu teuer und so wird dennin den gebirgischen Arbeiterhütten fast' alles mit— Leinöl an-gerichtet. Es ist das ewige Bindemittel der Speisen an stelle desFettes. Der Leinölverbrauch ist ungemein groß in den Arbeiter-dörfeni. Wer es nicht gewöhnt ist, kann die Leinölspeise kaumgenießen. Unsren Erzgebirglern aber dünkt es eine De-likatesse. Und wenn sie sich eine besondere Güte thun wollen,so verschaffen sie sich„Quark". Salz und Zwiebeln hineingemengtund dann mit Kartoffeln gegessen, ist es ein Festtagsessen, über demnur noch eine Speise steht: der Hering, der„Karpfen des Erz-gebirglcrs". Hunde-, Katzen- und Pferdefleisch wird daneben gerngegefien, ist aber nicht immer billig genug zu haben. Nie werd' ich'svergessen, wie mir'mal ein Erzgebirgsarbeiter förmlich begeisterterzählte, daß er einen großen Flcischcrhund kaufen konnte. Als erihn geschlachtet und ausgeweidet hatte hing er da,„wie ein Kalb sogroß!" Er mußte ihn zerschneiden und in einem Faß einsalzen.Lange hat er über diesem Fleischvorrat geschlemmt!Aus den leeren Tischen der erzgebirgischen Arbeitcrhütten brennendie Weihnachtskerzen.... Die Waren find hinausgewandcrt in alleWelt, zu Eisenbahn und zu Schiff und wo sie hingelangen, erregensie Jubel und Freude. Dem Erzgebirgsarbeiter aber bleibt nichtsals die paar Mark Lohn in der hohlen Hand. Mit fünf, sechs,sieben Stark muß hier oben zwischen den Bergen eine Arbeiter-familie oft die ganze Woche hindurch leben. Das reicht kaum zuKartoffeln und Wassersuppe, geschweige denn zu Brot. Dabei wirdder Heimarbeiter Existenz eher schlechter als besser. Jeder Fort-schritt der Maschine in der Fabrik drückt die Löhne in der HauS-industrie.So ivird der Ueberfluß der einen erkauft mit der Not derandern. Und das Erzgebirge ist nicht die einzige, es ist nur einevon den vielen Hungergegenden Deutschlands, in denen fleißigeProletarier Jahr für Jahr schanzen und schaffen und, wenn sieschließlich auf dem letzten Lager liegen, ausrufen können.wie jenes stänkische Bäuerlein aus dem deutschen Bauernkriegvon 1ö2S, dem sie zu Würzburg den Köpf abschlugen:„Weh', ichsoll schon sterben und habe mich noch niemalen an Brot sattgegessen!"Aber die Augen erzgebirgischer Proletarier blicken hoffend in dieZukunft. Sie soll ihnen das Hirtenlied zur Wahrheit werden lassendurch den großen Kampf des klassenbewußten Proletariats um Frei-heit und Kultur. Und so schauen auch die erzgebirgischen Arbeiterüber ihre Berge hinab in die Niederung, wo drüben, am Fuße deSGebirges nach der altenburgischen Grenze hin, das Weberproletariatvon Crimmitschau um eine bessere Zukunft kämpft._ Emil R o s c n o w.Charitas.Der Klerikalismus aller Schattierungen ttill mit dem Anspruchauf, im Christentum das Allheilmittel für die Schäden aller Zeiten.Völker und Zustände zu besitzen. Diese Behauptung kann vor einerernsthaften Geschichtsauffassung nicht nur nicht bestehen: jedesBlatt der Geschichte widerlegt sie. Daher muß man sichmit Geschichtsklittenmgen zu helfen suchen. Insbesondere derkatholische Klerikalismus hält ihrer für jede Epoche der verflossenen19 Jahrhunderte in Hülle und Fülle bereit. Eine der verbreitetstenLegenden dieser Art betrifft die sogenannte christliche Charitas,die kirchliche Armenpflege. Es vergeht keine Gelegenheit.wo die Orthodoxie nicht in ein Loblied derselben ausbricht, sie nichtals den wichtigsten Hebel anpreist, die socialen Fragen aller Jahr-hunderte zu lösen. In besonderem Maße pflegt dies um dieWeihnachtszeit, in den Tagen„des Heils und der frohen Botschaft",der Fall zu fein. Und auch diesmal werden gescheitelte und tonsuriertePfaffen sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, gegenüber der Begehrlichkeit der Massen mit Nachdruck darauf hinzuweisen, wie diechristliche Charitas das wichtigste Kapitel und die unfehlbare Grund-läge der christlichen Socialreform bilde, wie allein durch ihre Be-thatigung, verbunden mit der steiesten Entfaltung„kirchlicher Geister"sich der drohende Umsturz beschwören lasse.Mit der Armenpflege knüpft der moderne Klerikalismus entfemtan den Kommunismus des Urchristentums an, insofern die elftereden kümmerlichen Rest und die totale Verballbornisierung desletzteren im Interesse der Reichen und Besitzenden darftellt. DasUrchristentum gab dem Armen und Enterbten einen förmlichen undprägnanten Anspruch auf die Güter der wohlhabenden Mitgliederder Sekte. Die Apostelgeschichte bezeugt ausdrücklich den vollenKommunismus im Gebrauch der Besitzgüter. Daran ändertesich nichts, als Paulus im Interesse dauernder und regelmäßigerEinkünfte der Sekte eine regelrechte wirtschaftliche Basis gab undneben daS„ora"(bete) die persönliche Arbeit, das„labora" stellte,als er im Gegensatz zur reinen Bettlerphilosophie der nazarenischenJudenchristen die Sekte, allerdings unter voller Beibehaltung ihreskommunistischen Endzweckes, den römischen Kollegien, den griechischenEranen als den gemeinsamen Unterstützungsvereinen von Sklavenund freien Arbeitern näherte. Die Kirchenväter können sich kaumgenug thun in der Betonung der natürlichen Existenzrechte einesjeden gegenüber dem Besitz. Damals jedenfalls hatte man dasGleichnis vom Kamel, das eher durch ein Nadelöhr gehe denn einReicher in das Himmelreich, noch nicht künstlich weginterpretiert.Was an Vermögen gesammelt ward, gehörte der gesamten, demo-krasisch verwalteten Gemeinde, die ftir die Verteilung der gemein-samen Gaben eine förmliche Behörde, den Diaconat, schuf,die insbesondere ihre Vorsteher selbständig und zwar gerade ausden Unterstützungsbedürftigen selber wählte, um einer rechten Vcr-teilung von Gaben und Vermögen gewiß zu sein. Diese Verhältnisseänderten sich, als mit den Toleranzedikten Constantins die Kirchesich rasch ausbreitete und schließlich zur herrschenden Macht imrömischen Reiche wurde. Damals fand der erste Raub am Kirchen-vermögen und zwar durch den Klerus selber statt. Zunächst deuteteman dasselbe von Gcmeindegut um in Armengut, was noch alsein Festhalten an der proletarischen Tradition gelten konnte. DasArmengut aber zerlegte man wieder in vier Teile, von denenman drei dem Klerus und dem„Gottesdienst" und nureinen den Armen zuwies, bis auch dieser nach den Tagen der Völker-Wanderung in die Hände der Geistlichkeit fiel.Im grellen Widerspruch zum offiziellen Kirchentum ward dieurchristliche Traditton zunächst fortgepflanzt von dem Anachoreten-,dem Einsiedlertum, das bald in das Mönchswesen unffchlug. Dieerste Regel für zusammenlebende Einsiedler rührt von Gachomiusher, der dieselbe im ägypttschen Kloster Tabenna in der dortigenLandessprache verfaßte. Derproletarische Grundgedanke der fteiwilligen,alles Entbehrlichen sich selber entäußernden Armut tritt klar in der Be-stimmung zu Tage, der Mönch solle nur nehmen, was ihm gereicht werde.Dies galt so strenge, daß sogar die Klosterbrüder, die den andernausteilten, sich selber nichts nehmen dursten. Aus der Regel desGachomius erwuchs die des Basilius, die die Grundlage für dasorientalische Mönchswesen abgab und im großen und ganzen nochheute abgiebt. erlvuchS auf Grund einer von Hieronymus verfaßtenlateinischen Uebersetzung die des Benedikt von Nursia. DieBenedikttner-Regel, um 520 im italienischen Kloster Subiaco ge-schrieben, faßt das Kloster als eine große Familie auf; es sorgt fürfeine Bedürfnisse durch die Handarbeit seiner Insassen und stehtvöllig unter der patriarchalischen Leitung eines Abts. � Der einzelneist an ein bestimmtes Kloster gebunden und erwirbt kein Ver-mögen, wohl aber die Korporation. Dafür wird ihm vongemeinschaftswegen gereicht, wessen er bedarf. In Bezug auf Nah-rung, Kleidung und Beschäftigung der Klosterinsassen gewährt dieRegel dem Abt eine gewisse Freiheit der Bestimmung. DasBenediktinerkloster beruht also völlig auf dem urchristlichen, durchdas Cölibat und auf Personen des gleichen Geschlechts beschränktenGemeindegedanken. Auf der Benediksinerregel fußen die späterenPrämonstratcnser, Cisterzienser usf., kurz, alle die Orden, die manals die Koloniftcnorden zu bezeichnen pflegt.Die Kolonistenorden verfielen in demselben Maße, als ihrLandbesitz ins klngcmessene wuchs und Pracht und lleppigleitin die Klöster ihren Einzug hielten. Um dieselbe Zeit kamenmit dem Beginn des 13. Jahrhunderts in den aufftrebenden,Städten, hervorgehend aus dem dort sich herausbildenden Proletariat;die Mcndicanten, die Bettelorden auf. Im scharfen Gegensatz zu demin Reichtum versunkenen Welt- und Ordensklerus griffen sie nochmalsauf die Tradition der freiwilligen, auf die bare Lebensnotdurst be-schränkten Armut energisch zurück. Sie untersagten nicht nur deineinzelnen Ordensmitgliede jeden Besitz, sondern auch der klösterlichenKorporation selbst, die sie hinsichtlich ihres täglichen Unter-Halts völlig auf den Bettel verwiesen. Daneben trafen sie dieBestimmung, daß das Kloster nie mehr als für drei TageNahrung besitzen dürfte, alles klebrige aber den Stadtarmen zu gebengehalten sei. Weiter schufen sie die heute noch bestehenden„drittenOrden", die Tertiarier, Laien, die dem Orden nicht förmlich bei-traten, sich jedoch die Grundsätze des Ordens zur täglichen Nicht-schnür nahmen, insbesondere was die werfthätige Nächstenliebe an«ging. So stellten sie zuerst wieder das Laienelement systematisch inden Dienst ihrer Ideen. Es entsprach ganz dem demokratischenGeist dieser Orden und dem Milieu, aus dem sie erwuchsen,wenn sie die Macht der Oberen und selbst der General-kapitcl wesentlich beschränkten und die Stabilität, die in denalten Orden das einzelne Mitglied an ein bestimmtes Kloster band,mit der Abtsverfassung aushoben. Die wichtigsten der Mendicanten-orden sind die Franziskaner, die Dominikaner und dieKarmeliter. Aber auch ihre Blüte war rasch dahin. Den Grund-satz der freiwilligen Armut, den sie entsprechend den Zeiten desUrchristentums hatten wiedercrwecken wollen, vermochte'« sie selbernicht festzuhalten und bald genug lvaren gerade sie es,, die auf demWege des Bettels immense Reichtümer aufzuhäufen verstanden.Wenn zu irgend einer Zeit, so war gerade zu. Beginn des13. Jahrhunderts jede Gelegenheit für die christliche Charitas ge-geben, ihre Kraft in der Lösung socialer Fragen zu er-weisen. Die ganze Gesellschaft ward von der.Kirche be-herrscht wie' in keiner Epoche zuvor und je wiedernachher. Auf dem Lande wie in den Städten gliederte sichdas wirtschaftliche Leben in räumlich enge Organisationen mit beschränkter Mitgliederzahl. In den Mendicantenorden erhielt die„werkthätige Nächstenliebe" zunächst einen Förderer, der das öffeut-liche wie das private Gewissen durch ein in seiner Art heroischesBeispiel vorwärts zu peitschen suchte. ES fehlt denn auch nicht anklerikalen Historikern und Wirtschaftslehrern, die behaupten, es sei der„Kirche" im Rahmen der gegebenen Verhältnisse damals gelungen, dirfocialc Frage in befriedigender Weise zu lösen. Diese Auffassung ist jedocheine Utopie, ist wieder eine der verbreiteten Geschichtslegenden des auLegenden überreichen Klerikalismus. In diesem Punkte behält HertlingHitze gegenüber zweifelsohne recht, wenn er die skeptische Frage auf-wirst.'ob sich überhaupt„in einer Periode der Geschichte eine Formder Gesellschaft aufweisen(läßt), in welcher jenes normale Ver-hältnis(von Kapital und Arbeit» thatsächlich realisiert gewesen wäreund eine sociale Frage... nicht bestanden hätte?"(Aufsätze undReden socialpolitischen Inhalts Seite 36). Für die Privatwirtschaft-liche Geschichtsperiode läßt sich in der That keine solche Epoche nach-weisen, deshalb nicht, weil jede Privatwirtschaft die Aneignung vonMehrwert, wenn das Wort in dieser Ausdehnung gestattet ist, zurLoraussetzung und Grundlage hat, weil die Privatwirtschaft erstdie sociale Frage schafft und sie deshalb niemals lösen kann.Es mag das instinktive Gefühl dieser Thatsache mitgespielt haben,wenn die Nachfolger der Mendicanten auf der klerikalen Stufenleiter.die Jesuiten und die ihnen verwandten Orden, die freiwillige Armutvöllig preisgaben, wenn sie sich nicht nur ausdrücklich auf privat»wirtschaftliche Grundlage stellten, sondern die Armenpflege überhauptaus ihrem Programm strichen. Insbesondere die Gesellschaft Jesuentwickelte sich rasch zu einer weitverbreiteten Handclscompaguie.Wie sie in der neuen Welt die Indianer in ihremInteresse ausbeutete, so trieb sie in der alten Welt denschwunghaftesten Geld- und Getreidehandel, importterte sie hier dieProdukte. des fernen Asiens. Nicht aus der Oppofition gegen dasherrschende Kirchentum, die bisher mehr oder weniger im Hinter-gründe aller Ordensgründungen gestanden, ward der JesuitismuSgeboren. Von Anbeginn tritt er auf als der Träger jenes univer-salen Gedankens, an dem das Papsttum im feudalistischen Mittelalterharsiiäckig festgehalten hat, nur daß er diesen selben Gedanken aufdie Basis der sich herausschälenden bürgerlichen Gesellschaft überträgt.�>aher die centrale Bedeutung, die er für den Klerikalismus der bürgerlichen Epoche besitzt und die weit über den Rahmen einer bloßen Ordens-genossenschast hinausreicht, die enge Lebensverbindung zwischen ihm undunitarischen Tendenzen deS apostolischen Stuhles zu Rom. ImJesuitismus verkörpert sich eben die Reform, die mit dem 16. Jahr-hundert der KatholiciSmus auf kapitalistischer Grundlage an sichvollzog.Diese kapitalisttsche„Reform" hat seit langem alle Orden in ihrenBann gezogen. Weit entfernt, die socialen Gegensätze zu überbrücken,halfen die Orden, sofern sie kapitalistische Erwerbsgenossensckaftensind, dieselben verschärfen. Es liegt daher in der Natur der Sache,wenn die moderne Charitas im Sinne der Mendicanten wesentlichwieder auf das Laienelement zurückgreift.*»*Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß die katholische CharitasGemühtist. das ganze Leben des Menschen zu umfassen, alle sich erhebendenBedürfnisse ins Auge zu ziehen. So giebt es für die früheste JugendSäuglingsanstalten, die bekannten Krippen, die zum großen Teileunter privater, teilweise jedoch, wie zumeist namentlich in Frank-reich, unter der Leitung von Ordensschwestern stehen. An sie reiheiisich die Kinderbewahranstalten, die Kindern von zwei bis siebenJahren Aufnahme gewähren. Das„Patrouat der Lehrlinge"sowie das sogenannte„Werk des hl. Nikolaus" stellen sich die Aus-bildung armer Knaben in einem Handwerk zum Ziel. AehnlicheZwecke verfolgt der„Frauenverein für Schutz und Ausbildung armerMädchen" für die weibliche Jugend. Buch die Kolpingschen Gesellen-vereine mit ihren über ganz Deutschland verbreiteten Gesellenheimenmüssen in diesem Zusammenhange erwähnt werden; denn sie gebenzu billigen Preisen nicht nur Herberge und Nahrung, auch beiArbeitslosigkeit suchen sie dem wandernden Gesellen manchenmateriellen Rückhalt zu gewähren. Neben diese Einrichtungen trittder Verein für die sittliche, intellektuelle und technffche Fortbildungder Soldaten, treten die Vereine zur Besserung und Uebcrwachungentlassener Sträflinge, die Suppen-, Speise- und Bckleidungsanstalten,die z. B. in den rheinischen Gegenden sich vielfach in den Händender Mendikanten, insbesondere der Franziskaner, befinden, der Vereinzur„Beseitigung wilder Ehen", das„Werk der Leichenbegängnssse"und eine Unzahl andrer.Es wurde bereits oben betont, weshalb das Laicnelement imVordergrunde aller dieser charitattven Bestrebungen steht. Aus dem-selben Grunde, aus der kapitalistischen Natur des Klosters, erklärenfich auch die mannigfachen Klagen und die standalöseiv Fälle vonAusbeutung der Kinder- und Mädchenarbeit, die z. B. über die vonNonnen geleiteten französischen Kinderanstalten, die Anstalten zurBesserung gefallener Mädchen vom Schlage des„Guten Hirten"u. a. laut geworden sind. Wie wenig gerade diese Institute An-spruch erheben dürfen, zur Linderung der lvirtschaftlichen Not undder socialen Gegensätze beizutragen, eraiebt sich aus de» beweglichenKlagen der rheinischen und westfälischen Geschästsleute über dieSchkeuderkonkurrenz jener Anstalten, eine Schmutzkonknrrent die auf