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hermag, so ist dieses Verstmmne» jeder Anklagemöglichkeit die glänzendste Bestätigung des Recht» der Arbeiter. Das Entscheidende im Bericht de» Geheimrat» Dr.- Roscher ist die offizielle Erklärung, daß die Arbeiterschaft nach wie h»r bereit ist zu Eiuigungsverhandlungen, daß sie sogar, um die Einigung zu erleichtern, ihre Forderungen erheblich herabgemindert hat, daß dagegen die Unter- «rhmcrschaft in brutalster Ablehnung jeder Einigungsversuche verharrt. In der wichtigsten Streitfrage, der Verkürzung der Arbeitszeit, sind die Arbeiter von der Forderung des Zehnstundentages auf die eines Lehneinhalbstundentage» zurückgetreten, unter der Voraussetzung, daß nachAblauf einesJahreS über die Verkürzung aus zehnStunden zwischen beiden Teilen beraten und Beschluß gefaßt werden soll. Die Arbeiter- schaft kommt also dein Unternehmertum so weit entgegen, daß jede Ausflucht, ihre Forderungen seien unerfüllbar, unmöglich wird. Die Unternehmer aber lehnen jede Vermittelung ab/ Ja. diese Unter- nehmer behaupteten selbst, nach dem Bericht des Dr. Roscher:Ter Zehnstundentag sei den erbitterten Kampf gar nicht lvert, zümal da die Arbeitszeit in Crimmitschau schon jetzt meistens nur IQ'/» und 10V4 Stunden betrage." Wäre diese Behauptung wahr, dann würde da» Verhalten der llnternehmer nicht nur auf kapita- listischen Größenwahn, sondern auf bemitleidenswerten Irrsinn deuten, da ohne Kampfobjelt die Entstehung des Kampfes und die Verweigerung von Verhandlungen völlig u n- erklärlich bleiben. Natürlich ist diese Unternehmerbehauptung aber nicht wahr, sie widerspricht nicht nur den Thatsachen, sondern der Gesamtheit der sonstigen Darlegungen der llnternehmer- Vertreter, durch die gegenüber Dr. Roscher der Beweis geführt werden sollte, daß bei Erfüllung der Arbeiterforderungen die Crimmitschauer Industrie zu Grunde gehen müßte! Die Industrie soll zu Grunde gehen dnrch Erhebung von Forderungen, die eigent- lich fast erfüllt seien und um deretwillen cS sich gar nicht lohne zu kämpfen der lauge Kampf scheint die Hirnfunktionen des Unter- «chmertumS von Crimmitschau nicht wenig geschädigt zu haben. So in sich widerspruchsvoll ist alles, was Dr. Roscher von den Ausführungen der Uiiteniehiuerverfceter mitteilt. Was die Unternehmer über die Schwierigkeiten ihrer Industrie sagen, ist Wiederholung früherer Uebertreibungeu, die wir wiederholt richtiggestellt haben. Wären solche Bchaupiungeit irgendwie zu- treffend, so bliebe wiederum durchaus unbegreiflich, warum die Unternehmer nicht schon im Anbeginn des Kampfes in Berhand- lungen mit den Arbeitern eingetreten sind und ihnen den genauen Nachweis der Unerfüllbarkeit ihrer Forderungen erbracht haben. Sie sind in diese Verhandlungen nicht eingetreten, weil jener Nachweis ernsthast nicht geführt werden kann; und weil er nicht geführt werden kann, daher d i e A u s f l u ch t zur dreisten Täuschung, daß die Socialdemokratie eine Machtprobe unternommen habe und daß ihr nicht nachgegeben werden dürfe. Diese Entstellung der Wahrheit haben die Untcrnehmervertreter auch gegenüber Dr. Roscher versucht. Der Regierungsvertreter sagt kein Wort, ob er ihnen Glanben schenkt, denn er dürfte wissen, daß durch viele Wochen seit Beginn des Kampfes die Socialdemokratie nicht iin geringsten mit den Geschehnissen in Crimmitschau be- saßt war. Die Unternehmer hoffen die Oeffenilichkeit über ihre Schuld zu täuschen durch Wahrheitswidrigkeitelt über Ursachen und Verlauf des Kampfes. Doch die Täuschungsversuche werden sich gegen sie selbst lehren, indem die Socialdemokratie, die mau durch Ablehnung jeder Wer- befferung der Arbeiterlage zu treffen gedenkt, in jedem Fall aus dem Verlauf diese» Kampfes Stärkung gewinnt. Jeder Tag dunkel- hafter Verweigerung der Arbeiterforderungen und der Einigung»- Verhandlungen bedeutet Gewinn um Gewinn für die Socialdemo- kratie. Die Arbeiterschaft im ganzen Reiche erkennt, daß allein durch die Eroberung politischen Einflüsse» ihre gerechtesten Wünsche gefördert und erfüllt werden können. Ostasien . Der Pekinger ,,Time »"-Korrespondent sandte ein Telegramm, da? in London alle vom Kontinent kommenden friedlich lautenden Meldungen in den Hintergrund drängt, da e» die erste zu- gegebener maßen amtliche Darlegung der Stellung Japans zu der j ü n g st e n russischen Note ist. Das »Times"-Telegramm lautet: Der chinesische Gesandte in Tokio telegraphiert unter dem 11. an den Präsidenten des Auswärtigen Amtes, Prinzen Lsching, daß er auf Ersuchen des japanischen Auswärtigen Amtes folgendes mitteile:Die zioeite russische Antwort auf die japanischen Vorschläge ist in Tokio eingetroffen, lautet aber ungünstig und kann deshalb von Japan nicht angcnomtnen werden; falls Rußland nicht zurückweicht, würde Japan gezwungen sein, unverzüglich seine Zuflucht zu den Waffen zu nehmen. Mit Hinsicht auf eine solche Eventualität dringt Japan in China und erwartet von ihm, daß es st reng st e Neutralität bewahren, überall im Reiche die Ordnung aufrechterhalten, die im Innern wohnenden Fremden schützen und besondere Sorge tragen werde, die Provinzen Schantung und Dünnan zu sichern, damit nicht fremde Mächte etwaige Unordnung als Vorwand benutzen und aggressive Bewegungen in diese Provinze» machen. Vicomte H a h a s ch i, der japanische Gesandte in London , ve- stätigt. daß von Tokio eine Depesche an die chinesische Regierung gesandt worden ist, in ivelcher China für den Fall des Kriegs- ausbruchS strikte Neutralität anempfohlen wurde, er glaubt aber. daß die Wendung betreffend die schleunige Ergreistmg der Waffen au » einer telegraphischen Verwechselung chinesischer Schriftzeichen entstanden sei. Der Gesandte fügt seiner Er- klärung hinzu, es sei entschieden nicht der Fall, daß der Krieg beschlossene Sache sei; Japan sei viel- mehr noch immer bemüht. Frieden zu halten. Aussische Mobilisation. Aus Petersburg meldet derNew Jork Herald'(Pariser Ausgabe): Das ganze zehnte russische ArmcecorpS in Charkow unter dem Befehl des General» SlutschewSky mit Artillerie- bestand hat seine kriegsmäßige Ausrüstung erhalten und wird so schnell wie tnöglich nach der Mandschurei befördert. Das Corps ist 37 000 Mann stark. Die Kosten der Reise werden pro Mann auf ISO Rubel angegeben. Für den Transport ist eine Summe von fünf Millionen Rubel bereitgestellt worden. Balfour über die ostasiatischr Krise. Premiermini st er Balfour hielt in Manchester am Montag eine Rede, in der er ausführte, er wolle sich nicht äußern über die AuSsichteit des Frieden» oder Krieges im fernen Osten. Niemand könne die Möglichkeit eine? Krieges zwischen zwei großen civilisterten Mächten ohne ein Gefühl der Gedrücktheit und der Niedergeschlagenheit, das jeder Friedensfreund empfinden müsse, betrachten. Er hoffe, es werde nicht nötig sein, zu versichern, daß England in vollem Maße gegenüber allen seinen Verbündeten alle seine Verpflichtungen erfüllen w e r d c. die sich auS den Ver- trägen ergeben. Er würde der Sache des Friedens, setzte Balfour hinzu, keinen großen Dienst erweisen, wenn er die russisch -japanischcn Streitigkeiten öffentlich erörtere. Ratifikation des chhiesisch-japanischen Handelsvertrag?. Peking , 12. Januar. (Meldung desRcnterschen Bureaus".) Wie jetzt bekannt wird, sind die Ratifikationen des Handelsvertrags zwischen Japan und China gestern ausgetauscht worden, da der japanische Gesandte das Ersuchen Chinas , die Erledigung um einen Tag Hinauszuschieben, abgelehnt hat. Die Ratifikationen des amerikanischen Vertrags sollen in Washington ausgetauscht werden. Der amerikanische Gesandte ersuchte die chinesische Regierung, sie möge den ungewöhnlichen Weg einschlagen, den Wortlaut des Ver- trageS telegraphisch anstatt brieflich nach Washington zu übermitteln, und den chinesischen Gesandten ermächtigen, auf Grund der tele- graphischen Ausfertigung den Bertrag zu ratifizieren. Japan hat also jetzt daS chinesische Versprechen, Japans Handel auch die Mandschurei zu öffnen. Ob aber Ltußland so liebenswürdig sein wird, die chinesische Zusage seinerseits zu erfüllen? * Oeuticken Reich. Ein neuer Geheimbund. DemOffenbacher Abendblatt" hat ein günstiger Wind ver- schiedene Rundschreiben, die allgemeinere Beachtung verdienen, auf den Redaktionstisch geweht. Der Breslauer Professor Julius Wolf lädt in streng vertraulichen Cirkularen namens eines 42 Mann starkenJnitiativ-Komitees des Mittel- europäischen WirtschaftSvcreins in Deutschland " Ilnternehmerorganisationen zur Teilnahme an einer Versammlung ein, in der am 21. Januar d. I. in Berlin der oben genannte Verein konstituiert werden soll. Die Ziele sind natürlich hoch patriotischer" Natur und deshalb ist eS auchpatriotische Pflicht" der Unternehmer, mitzumachen. Die Ziele des Vereins werden in dem allgemeinen, mit der Aufschrift:Mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung!" versehenen Aufruf kurz so angegeben: ..... Eine Verbesserung der Wsatzgelegenheiten, aber auch der Produktionsbedingungen, eine Verstärkung der handelspolitischen Position jedes der mitteleuropäischen Staaten soll von dem Bereine ausgehen. Diese» Programm gewinnt die volle Aktualität in einem Augenblicke, loa Großbritannien iin Begriffe ist, nach Halbhundert- jähriger Freihandelspause wieder Zölle aufzurichten, bezüglich deren Höhe und Art alles in Frage steht, und der Zeitpunkt immer näher rückt, wo auch Amerika für den Absatz eine» wachsenden Teile» seiner Produkte, ob cS will oder nicht, auf auswärtige Märkte angewiesen sein wird. Der Verein ist. indem er daS hervorhebt, weit entfernt davon, Zollkonflikten das Wort zu reden. Er will, bei allerdings nach­drücklichster Verfolgung seiner Ziele, allem aus dem Wege gehen, was politische Verstimmung schaffen kann. Aber er hält dafür, daß es unverantwortlich wäre, sich ohne Not der Vorteile zu be- geben, die ein wirischastspolitisches Einvernehmen einer Anzahl Staaten schaffen kann, und daß es patriotische Pflicht ist, alles aufzubieten, um jenen Staaten gegenüber, die über einen viel größeren Jnnenmarkt oder über reichlichere und vielseitigere Natur- schätze oder andre Vorteile verfügen, dem eignen Lande die Eben- bürtigkeit zu gewinnen oder zu bewahren... In cinein zweiten Cirkular wird dann gesagt: Der zu gründende Berein bezweckt unter unbedingter Ablehnung aller wie immer gearteten politischen Ziele die öffentliche Auftnerksamkeit und die der Regierungen auf solche wirtschaftliche Gegenstände zu lenken, hinsichtlich deren die mitteleuropäischen Staaten nicht einander wider- streitende, sondern übereinstimmendeJnteressen haben. Eine Antastung de» wirtschaftlichen Selbstbesiimmungsrechtes der einzelnen Staaten bleibt dabei genau so vollständig außer Betracht, wie das politische Gebiet. Auch will der Verein, wo Interessen- gegensätze bestehen, die Geltendmachung und Vertretung dieser in keiner Weise stören. Jede Propaganda für die Idee einer mittel- europäischen oder europäischen Zollunion liegt danach außerhalb seines Programms. Aber seine Begründer sind von der Heber- zeugung durchdrungen, daß die mitteleuropäischen Staaten ihr Gedeihen in höherem Maße sicherstellen, können als dies jetzt ge- schieht, loenn sie 1. in weiterem Ilmfang als bisher gewisse Gegenstände des Wirtschaftswesens und des Wirtschastsrechtes gleichmäßig regeln. wenn 2. die Staaten Einrichtungen, welche sie besitzen, wechselseitig auch den andren dienstbar machen, was aus den verschiedenen Gebieten möglich ist(vgl. z. B. Grenzwachdienst, Kontrolle der Eilt und Ausfuhr, Clearings von einem Staate in den andern), wenn sie 3., 4., 3., 6., 7., für die Schlichtung internationaler Streitigkeiten auf dem Gebiete des Wirtschafts-, insbesondere des Zollwesens ständige Schiedsgerichte einsetzen. Es ist zweifellos, daß bei systematischer Arbeit auf allen diesen Gebieten jeder der Staaten gewinnender sein mutz, zweifellos, daß Gelegenheiten und Aufforderungen zu solcher Arbeit in sehr großer Zahl vorhanden sind, und'weiter auch klar, daß jene Arbeit gethan werden kann, ohne das wirtschaftspolitische, geschweige denn politische SelbstbestiminungLrecht der Staaten im geringsten zu gefährden." Und in besonderenErläuterungen zum Aufrufe für einen Mitteleuropäischen WirtschastSverein" wird ausgeführt: 1. Der Mitteleuropäische WirtschastSverein erstrebt keine Zollunion der mitteleuropäischen Staaten. Er hält den Plan einer solchen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen nicht für durchführbar. 4. Die Meistbegünstigung als solche will der Mitteleuropäische Wirtschaftsverein nicht in Frage stellen, aber ernsthaft prüfen, ob ihre Gewährung nicht an die Forderung zu knüpfen sei, daß gewisse Zoll- maxima auch vom Ausland nicht überschritten werden oder, wenn das der Fall, daß dann auf andrem Gebiete Gegenleistungen gewährt werden(Reciproeitätsverträge), ein Grundsatz, der Aus- ficht aus Annahme dann nur hat, wenn eine Anzahl Staaten ihn genteinsam proklamieren. 10. Den Staaten selbst will er durch Vereinfachung des Grenz- Wachdienstes Kosten von Bedeutung sparen in der Erwägung, daß auch der Grenzwachdienst deS einen Staates bis zu gewissem Grade fiir den andren arbeiten kann. 11. Der Verein will die Errichtung von amtlichen Zoll- AuSkmtstsstellen und vor allem von Zoll-Schiedsgerichten erwirken. 13. Er will die vielerlei andern Aufgaben wahrnehmen, die sich einem Vereine mit dem bezeichneten Programm aus der stets wachsenden intemationalen Verflechtung der Wirtschaften er- geben. 14. Er will sich dabei keiner einzelnen Partei oder Partei- firnppe verschreiben, vielmehr alle auf dem Boden positiver Arbeit tehenden politischen Parteien zur Mitarbeit heranziehen. 13. Er vertritt auch wirtschaftZpolitisch keinerlei Tendenz. Jedenfalls ist es auffällig, daß die zweifellosesten Patrioten ihre patriotischen Thaten jetzt stets so geheimnisvoll einleiten. Man iveiß nicht, was die Herrschaften eigentlich zu thun beabsichtigen. wenigstens sind die Cirkuläre zweideutig wie irgend möglich. ES scheint fast, als sei dasInitiativkomitee eine sehr ge- mischte Gesellschaft aus Verzweiflung über den Zolltarif zusammen geschweißt worden. Für das deutsche Initiativkomitee haben 42, für des östreichische 32 und für das ungarische 17 Herren unterzeichnet, Für die Bonität des Geheintbundes bürgen diese Namen, die wir unter den 42 deutschen Patrioten herausgreifen: Prinz v. Arenberg, Ballin, Baffermann, Dr. Hammacher, v. K a r d o r f f, Prof. Lexis, Graf zu Limburg-Stirum , Dr. M e h n e r t. Dr. Paaschs, Dr. S ch ä f f l e(f), Schlumberger, Freiherr v. Schorlemer (Mitgl. d. preuß. Herrenhauses), Vopelins(Centralverb. d. Jndustr.), Prof. Jul. Wolf. Schnellbahne». Die Schranken_ de» kapitalistischen Systems offenbaren sich vielleicht am krassesten in seinem Unvermögen, technische Fortschritte gesellschaftlich auszunutzen. Also gerade aus dem Gebiete, wo die kapitalistische Menschheitsepoche die größten Er- folge erzielt hat, zeigt sich der innere Widersinn dieser Ordnung, die technische Wunder erfindet, die doch nicht für die Gesellschaft praktisch durchführbar sind. Eines der bedeutsamsten technischen Ereignisse der letzten Zeit sind die Schnellfahrtversuche auf der Berlin -Zossener Militärbahn. Sie haben erwiesen, daß eS technisch möglich ist, Geschwindigkeiten von 200 und mehr Kilometer in der Stunde zu erreichen. Die Versuche sind gelungen, dennoch ist so wird offiziös geschrieben keine Aussicht vorhanden, das Ergebnis praktisch zu verwerten, weil die Ausführung zu teuer ist. Mit andern Worten: weil die technische Entwicklung gehemmt wird, durch ein ihr fremdes, wider« natürliches Element, dnrch die kapitalistische Zwangsordnung. Der elektrische Schnellbetrieb würde, erklären dieBerliner Politischen Nachrichten", selbst auf der dafür am günstigsten liegenden Linie Berlin Hamburg , namentlich deshalb, weil eine völlig neue Bahn gebaut werden müßte, sich so kostspielig stellen, daß seine Einrichtung sich wirtschaftlich nicht rechtfertigen ließe. Aber die Anwälte der kapitalistischen Ordnung wissen sich zu trösten. Eine A b s ch l a g s z a h t u n g aus die ganze technische Möglichkeit läßt das kapilastische System noch zu. Mit mehr als 200 Kilometer könnten die Menschen sich schon heute im Raum bewegen, die Rücksicht auf dieRentabilität" verbietet das zwar, aber sie ge« stattet immer noch eine Beschleunigung bis zu 130 Kilometer. Gegen» wärtig finden auf der Linie Kassel Hannover Versuche mit neuen gewaltigen Schnellzugslokomotiven und damit fest verbundenen sechsachsigen Wagen statt, welche eine durchschnittliche Schnelligkeit von 130 Kilometer auf die Stunde gewährleisten. Bei solcher Schnelligkeit kann man die Strecke zwischen Berlin und Hamburg in etwa zwei Stunden zurücklegen. Fallen, wie anzunehmen, die Versuche auf der erwähnten Strecke günstig aus, so erscheint es selbst nicht ausgeschlossen, daß schon im nächsten Sommer mit der Ein- richtung solcher besonders schnellen Züge auf einzelnen dazu geeignete» Strecken vorgegangen wird, und zwar umsomehr, als nach den an- gestellten Ermittelungen die vorhandenen Geleisanlagen, soweit sie mit schweren Schienen ausgestattet sind, für einen solchen schnellen Betrieb völlig ausreichen. Ein klassisches Beispiel, wie der technische Fortschritt künstlich durch die kapitalistische Zwangsjacke gefesselt wird. Es ist dieselbe Sinnlosigkeit, die sich in der Erscheinung derUeberproduktion " an- kündigt, dasZu viel" an Gütern in einer Gesellschaft, deren große Masse kaum die nackte Notdurst befriedigen kann. Für die Schcrlsche Sparlotterie ist nach Mitteilungen derFrank- furter Zeitung" der Vorstand desDeutscheu Sparkassen-Verbandes" gewonnen. Ein aus seinen Vkitgliedern gebildetes Komitee hat schon mehrfach Sitzmigcn abgehalten, um die Einführung der Scherlschen Erfindung zu organisieren. DieFrantf. Ztg." hebt hervor, daß der Vorstand des Verbandes setneu Mitgliedern, den Sparkassen, bisher keinerlei Mitteilung von den geheimen Plänen gemacht habe. UebrigenS verlautet, daß der litterarische Agent der Scherischen Gründung ein bekannter socialpolitischer Projektenmacher ist, der offenbar in diesem Humbug eine praktische Ueberwindung des Marxismus entdeckt hat, den er bisher bloß theoretisch, nach seinen Versicherungen, vernichtet hat. Freifinnige KanchseSweise. Aus Halle, 11. Januar, wird unS ge« schrieben: Wie alljährlich, so hatte sich daS Hallesche Stadtverordneten- Kollegium auch heute in der zweiten Sitzung in diesem Jahre mit der Wahl der Kommissionen zu befassen. E» sind etwa rund 70 Kommissionen zu besetzen: darunter befindet sich auch die ominöse Weinprüstingskommissiou, der dieschwierige Aufgabe" zufällt, die Weine, die im Ratskeller zum Ausschank gelangen sollen, einer gewissenhaften Prüfung" zu unterziehen. Unsre Parteigenossen hatten nun angeregt, die socialdemokratischen Mitglieder bei einigen wichtigen Kommisfionen Finanz-, Baukommission usw. zu be­rücksichtigen. Die Vorberatungs-Äommission lehnte das billige Ver» laugen aber ab, und glaubte unsre Genossen mit Plätzen in der Schuttabladungs-Kommission" usw. abspeisen zu können. Durch die Gegenvorschläge unsrer Genossen mußten nun eine ganze Reihe Stimmzettelwablen veranstaltet werden und die heutige vierstündige Sitzung kam infolgedessen über die Wahl der 28. Kommission nicht hinaus. Das freisinnige Kollegium rumorte über dieseObstruktton" und beantragte deshalb zur nächsten Sitzung, die Abänderung der Geschäftsordnung. _ Ein eigenartiges Urteil. Ein Berliner Blatt bringt folgenden KriegsgerichtS-Bericht: Der Kürassier auf Minnefahrten. Ein Urteil deS Kriegsgerichts in Halle gegen den Kürassier Otto Rückler au» Halberstadt wird allen VaterlandSverteidigern, die gewohnt sind, bei ihren Schätzen ohne Wissen der Herrschaft zu speisen, gelinden Schrecken einjagen. Rückler hatte eine Braut, die bei dem Major b. Horn als Köchin diente. Otto besuchte seine Minna bisweilen dann, wenn es bei Majors etwas Gutes zu essen gab. Einmal war Otto auch in der Burschenstubc auf Besuch, wo er sich nützlich machte, indem er beim Tellerabtrocknen es war gerade Gesellschaftsabcnd gewesen mithalf und dafür Essen und Trinken bekam. Aber seine Besuche in der Küche gefielen Majors nicht, und leider war der wackere Kürassier utworsichtig genug, sich bei einem dieser Besuche von dem zwölfjährigen Sohne der Herrschaft überraschen zu lassen. Zwar versuchte er sich eiligst hinter den Rücken Minnas zu verstecken, jedoch das wäre höchstens einem schmächtigen Husaren, nie aber einem großen, breitschulterigen Kürassier ge- lungen. So wurde denn Otto entdeckt; der Herr Major erstattete Anzeige, es laut zu einer großen Verhandlung vor dem Kriegs« gericht und der unternehmende Kürassier muß seine Minnefahrt i» Majors Küche mit 13 Tagen Gefängnis büßen(wegen Haus» friede nsbruchs). Wir finden das Urteil ebenso unbegreiflich, wie den humoristische» Ton, in dem das liberale Blatt den seltsamen Fall behandelt. Zunächst geht aus dem Bericht nicht hervor, ob überhaupt der Thatbestand des Hausfriedensbruchs vorlag, d.h. ob dem betroffenen Kürassier von dem Major verboten worden war, sein Haus zu betreten. Aber selbst wenn er gegen daS Verbot gehandelt und damit Hausfriedensbruch begangen hätte, so erscheint die Strafe> 13 Tage Gefängnis ganz unverhältnismäßig hoch. Nach einer andren Meldung soll Rückler seine Braut überhaupt nur zweimal besucht haben. Und wenn er sich dabei etwas Eßbares hat zustecken lassen. so wird dadurch der Herr Major nicht verarmt sein, außerdem hat dieser Gesichtspunkt ja mitdemHausfriedenbruch selbst gar nichts zu thun. Da zudem die Köchin alsbald entlassen worden ist, so hätte auch der Major das stnchtbare Verbrechen wohl als hinreichend gesühnt be« trachten können. Oder aber Rückler hätte ja ivegen Mißachtung deS Befehls eines Vorgesetzten disciplinarisch bestraft werden können. Die Konstruktion desHausstiedensbmchs" aber und seine unglaublich schwere Ahndung durch 13 Tage Gefängnis ist geeignet, daS größte Aufsehen zu erregen!_ Eine überaus harte Strafe verhängte am Freitag das Kriegs- gericht zu Lieg nitz gegen den Grenadier Andreas Mloszinski von der 7. Compagme des dorttgen Königs-Grenadier-Regiments wegen Widersetzung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Der Anklage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Angeklagte war am 22. November 1903, eines Sonntags, mit noch andren Kameraden in einer Obst- Weinstube in der Sophienstraße gewesen, wo mau