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Nr. 139.

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Vorwärts

S

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen= tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Vor mittags geöffnet.

fernfprech- Anschluß: amt I, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Freitag, den 17. Juni 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Die Tage in Rußland. orben find. Das Gebiet, auf welchem das Winterfeld älfte einer gewöhnlichen Ernte des Wintergetreides

in einem nicht befriedigenden" Bustande sich befand, um übersteigen tann, was eine vollkommene Mißernte Die ganze Welt beobachtet jetzt mit einem Interesse, faßte im Herbst, nach dem letzten offiziellen Bericht, bedeutet. wie nie zuvor, die Ereignisse im großen russischen Reiche. alle neurussischen, südwestlichen und kleinrussischen Gubernien, Wie steht es nun mit dem Sommergetreide? Sogar für den mit den Verhältnissen am wenigsten Ver- mit Hinzufügung zu diesen der Gubernie Woronesch und Diese Frage ist doppelt, dreifach wichtig, denn erstens trauten ist es flar, daß nunmehr in Rußland etwas ge- der füdlichen Theile der Gubernien Tschernigoff, Kurst, geht in Rußland gewöhnlich unter das Sommergetreide schieht, was Folgen von ungeahnter Tragweite nach fich Ssaratoff, und auch theilweise die Gubernien Minst, Wilna mehr als 60 pCt.( in manchen Gubernien sogar über ziehen kann. Und alle Welt erwartet mit Ungeduld den und den südlichen Theil der Gubernie Kowno". Es ist dies 90 pet.) des gesammten Ackerarcals, und zweitens wird Ausgang der nächsten Ernte. Von dieser soll Alles ab- ein gewaltiges Gebiet, welches ungefähr zwei Fünftel des dieses Areal in diesem Jahre noch vergrößert durch das hängen: gelingt die Ernte, giebt sie ein ordentliches Resultat, gesammten Ackerareals des europäischen Rußlands umfaßt. frühzeitige Bugrundegehen des Wintergetreides, wodurch so sei das Schrecklichste überstanden, und Rußland kommt Nach demselben letzten( Ende Mai) offiziellen Bericht also die Nothwendigkeit einer neuen Bestellung der schon allmälig in sein früheres Geleise; mißlingt die Ernte so waren nun von diesem ganzen Gebiet die Erute- Aussichten im Herbst besäeten Felder eröffnet wird. Wir wollen aber erfolgt der Zusammenbruch. Die Ernte selbst aber hänge ab des Wintergetreides gut"( follen fich also bedeutend in unseren Betrachtungen von dieser Neubestellung" ab­von der zufälligen kombinirung der natürlichen Verhält gebeffert haben) in den Gubernien Kieff und sehen, da wir schon das Wintergetreide als Mißernte in uiffe. Rußland wird also gleichsam zu einem Spielball Bodolien. Jedoch führt jetzt der Bericht zwei neue bie Rechnung gestellt haben. Wir nehmen also der klimatischen Verhältnisse gemacht: giebt es zur rechten Gubernien als" ortsweise unbefriedigend" auf, nämlich an, daß es gilt, bie gewöhnliche Arealgröße Zeit genug Sonnenschein und genug Regen, so sei Alles Orjel und Tula . Dagegen feien im äußersten Süden sowie für Sommergetreide zu bestellen. Hier zunächst die Frage: gerettet, wenn nicht gehe Alles verloren. Dies ist die im Osten und Norden Rußlands die Erute- Aussichten des Jst bezw. war die vorräthige Aussaatmenge ausreichend, Meinung des gewöhnlichen, zumal des westeuropäischen Wintergetreides gut", mancherorts sehr gut", jedoch, um das gewöhnliche Ackerareal zu bestellen? Der offizielle Beobachters. fügt der Bericht hinzu, mit Ausnahme der Gubernien Bericht sagt zwar, daß die Anbaufläche des Sommergetreides

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Sie enthält unter manchem Wahren vieles Falsche. an der Weichsel , der Littauer Gubernien, Kurlands, Lief- sich nicht vermindert habe, allein diese Behauptung kann Sie ist falsch in ihrer allgemeinen Auffassung der Verhält lands, der Gubernien: Witebst, Pstoff und Minsk ." Dieses tlar genug auf ihre Falschheit reduzirt niffe. Es ist erstens nicht wahr, daß das Ergebniß der mit Ausnahme" zeigt nun, übersetzt aus der Kanzleisprache werden. jebigen Ernte hauptsächlich von der Konstellation der in die gewöhnliche, daß der Zustand der Winterfelder auf Noch Ende des vorigen Jahres hat ein russischer tlimatischen Verhältnisse, die sich freilich jetzt noch nicht diesem großen, zuletzt genannten Gebiete keineswegs zu Statistiker, Prof. Fortunatoff, auf Grund offizieller An­gut vorausschen laffen, abhänge. Dieses Ergebnis friedenstellend" war. Hat man aber schon im Herbst vorigen gaben und unter allen denkbaren Rechnungsbegünstigungen hängt vielmehr von einer Menge von Umständen ab, Jahres Befürchtungen gehabt wegen des Wintergetreides, so so hat er z. B. bei seinen Berechnungen nur den Be­bie wohl ist schon genügend bestimmbar sind, und haben sich diese Befürchtungen, selbst dem offiziellen Bericht völkerungsstand von 1886 genommen) ausgerechnet, daß ber bie wir weiter unten erörtern wollen. Die Ernte läßt sich zufolge, nummehr in einem viel ausgedehnteren im ganzen Reiche, nach Abzug der Ausfuhr, verbliebene demnach auch auch jehr schon in bestimmten Grenzen Grade bewahrheitet! Wie sehr aber die Zustände Getreidevorrath nicht einmal zur Verproviantirung der mit ziemlicher Sicherheit voraussagen. Und zweitens ist es schlecht sind, erhellt daraus, daß man, immer noch nach Bevölkerung bis zu ber neuen Ernte ausreichend ist, felbft nicht wahr, daß von dem Ergebniß der nächsten Ernte dem offiziellen Bericht, in den Gubernien: Boltawa, wenn man den jährlichen Verbrauch an Getreide für die Alles abhänge. Wohl ist dieses Ergebniß von immenser Charloff und Tschernigoff schon jetzt gänzlich auf die Ernte des hungernden Gubernien um 1/3 gegenüber dem gewöhnlichen der russischen Landwirthschaft geschehen, sind so tiefgreifen- für das Sommergetreide zu bestellen sucht! Und indem ich tüchtig gehungert, mehr als der Herr Statistiker es sich vor­ber Natur, daß sie durch keine Ernte in der Welt, und dies niederschreibe, wird von der russischen Freien Deko- ftellen konnte, und noch in einem weit erhöhten Grade wird nicht einmal durch mehrere gute Ernten nacheinander weg- nomischen Gesellschaft" veröffentlicht, daß auch in den oben sie in den noch verbleibenden Monaten hungern, dennoch geschafft werden können. nach dem offiziellen Bericht als ortsweise unbefriedigend" aber, da Rußland während dieser Zeit, abgesehen von den Wir wollen nun auf Grund vorliegender Thatsachen augeführten Gubernien Drjel und Tula und außerdem in amerikanischen Schenkungen, kein Getreide eingeführt hat, allgemeines Urtheil über die jetzige Lage Rußlands ge- der Gubernie Woronesch das Wintergetreide nunmehr voll- bleibt die Frage offen, woher das Getreide zur Aussaat neh­Rußland, wie auch für Europa , ziehen. pinnen und die daraus sich ergebenden Folgerungen für tommen verloren ist. Allein auch für jene Gegenden, wo men? Der Bauer selbst besitzt keinen Borrath mehr, dies ist die Ernte- Aussichten des Wintergetreides verhältnißmäßig auch offiziell anerkannt worden, und die Versorgung mit gut sind, muß noch die Frage aufgeworfen werden, inwiefern Aussaat geschieht in den hungernden Gubernien durch die die Felder im vorigen Herbst nach der sehr unglücklichen Regierung. Daß die Regierung ihrerseits die nöthige Ernte auch wirklich besät waren? Und es erhellt aus Menge Aussaat nur aus der schon jetzt äußerst knapp be einer Menge von Zeitungs- Korrespondenzen aus verschiedenen messenen( felbst nach offiziellen Mittheilungen) Monats­Gegenden, daß in der That die Menge der Aussaat für das ration der Verproviantirung absparen kann, ist klar. Bei der Entscheidung dieser Frage muß zunächst Wintergetreide eine bedeutend geringere war, als ge- Welche Folgen dies zeitigt, laffen wir bisweilen unerwähnt. zwischen dem Winter- und dem Sommergetreide unterschieden wöhnlich. So wurde z. B. in der Gubernie Cherson nur Wir fragen aber, wie hat sich die Regierung dieser Auf­werden. Die Bestellung des Winterfelbes geschah( sage ein Siebentel) der gewöhnlichen Fläche mit gabe entledigt? Nach dem offiziellen Bericht waren zum 1. April eingekauft und an Ort Unter den sehr ungünstigen klimatischen Verhältnissen Wintergetreide bestellt! Wenn man all dies erwägt, so bis 43 gebracht bes vorigen Herbstes. Sein Zustand verursachte daher erscheint die Schlußfolgerung keineswegs übertrieben, daß Stelle Millionen Pud Aussaatgetreide, schon im Herbſte äußerste Besorgnisse, bie burch den ber Grute- Ertrag des Wintergetreides, selbst unter den und es verblieben noch einzukaufen 32 Millionen Bud, damit weiteren Verlauf der Dinge fast zur Sicherheit ge- günstigsten klimatischen Verhältnissen, kaum um Bieles die alles besorgt sei. Also zusammen 46% Millionen Bud

cin

I.

Die nächste Ernte.

Welches ist das wahrscheinliche Ergebniß der nächsten Ernte in Rußland ?

Feuilleton.

Nachbruc verboten.]

und

Mann opfern und die Fabrik in Brand schießen lassen. Maßregeln find so getroffen, daß wir Alles beim hellen Wollen Sie das mit allen Folgen riskiren?"

schrecken." [ 139

Am Webstuhl der Zeit. Beitgenössischer Roman in 3 Büchern von A. Otto Walster .

start besetzen."

" In solchen Fällen sollte man vor Nichts zurück­" So! Nun, dann suchen Sie sich den Mann, der das thut, ich gebe mich nicht dazu her."

"

worden.

*

Tageslicht vollenden können."

Ich habe rechte Sorge um meinen Bruder," bemerkte Fräulein Findeisen, er hat diesen Morgen mit meinem Vater eine heftige Szene gehabt und mag wohl sehr erregt sein, da er gegen seine Gewohnheit ohne Abschied von mir ges gangen ist."

"

Er wird auf dem Lande sein bei dem Komitee," bes merkte Streit, oder er ist bereits nach der Fabrik gekommen, wo er morgen früh und wahrscheinlich noch in dieser Nacht wichtige Pflichten zu erfüllen hat."

Es wäre mir lieb, wenn er einen treuen und besonnenen

Ich würde ihm geri alle Aufmerksamkeit widmen, die könnte."

Gewiß, Herr Advokat, es würde mir das ein großer

Troft sein."

Es war ja nicht so gemeint; wenn Sie glauben..." " Denken Sie, Exzellenz, daß ich mein Geschäft verstehe?" " Gewiß, gewiß, sonst hätten wir Sie nicht an diese äußerst wichtige Stelle berufen, wie Sie denken können." Der Kommandant schäumte vor Zorn bei dieser Nach " Nun, dann bitte ich auch, mir dieses Vertrauen zu be­richt und befahl, sechs Batrouillenführer, sowie den sie fon- weisen und danach zu handeln, bis Sie anderer Meinung ge- Freund zur Seite hätte; seine Nerven sind seit einigen trollirenden Offizier sofort in Arreft zu bringen und dem wie ein Stacheltreis erheben? Diese Sente wiffen etwas Tagen in furchtbarer Aufregung", bemerkte Hermine weiter. Sie da, diese Leuchtraketen, die sich Kriegsgerichte zu übergeben. Auch Raffmaus eilte auf die vom Geschäft. Aber ich werde sie morgen früh zerdrücken erhaltene Kunde sogleich an die Seite des Generals und rief: wie eine taube Nuß. Und nun, Exzellenz, entschuldig en ich ihm in dieser Zeit schenken kann, wenn Sie glauben, Lassen Sie sofort, Herr General, diese Barrikaden Sie mich, jede Minute ist mir jetzt kostbar." mit Kanonen zusammenschießen und die Findeisen'sche Fabrik Bei Helene Howald waren inzwischen die barmherzigen " In der Dunkelheit mit Kanonen vor eine Barrikade Schwestern", wie sie der Philosoph genannt, mit der Zu­die Tage jetzt viel zu lang." tiden? Das werde ich bleiben lassen, Exzellenz; dazu sind rüstung zu ihrer wichtigen Thätigkeit am Tage des Kampfes beschäftigt. Ihre Freunde ließen ihnen zuweilen einen auf­fortige Büchtigung verlangt." " Es ist der unerhörten Frechheit wegen, die eine fo- munternden Gruß, oder, wenn es ging, einen flüchtigen muß jenen Leuten auch etwas zutrauen." " Die Leute werden schon wissen, worauf sie fußßen; man Besuch zu Theil werden. " Dank, tausend Dank, liebste Elise", rief Hermine, indem Gegen Abend stellten sich Barth und Streit ein und sie zu der Freundin hinlief und sie an sich preßte, Du Aber es giebt ein böses Beispiel, wenn nicht der erste meldeten mit größerer Ausführlichkeit die Begebnisse des Tages. warst immer ein liebevoller Engel, auch wenn Du ſelbſt Versuch von Widerstand sofort zerschmettert wird." Wegen der großen Hiße, die auf der Stadt lastete, hatte Kummer und Sorge in Menge hattest. Also, Herr Streit", Es mag ein böses Beispiel geben oder nicht; jedenfalls man sämmtliche Fenster geöffnet und hörte deshalb ein fort- fuhr sie fort, sich zu dem Advokaten wendend und ihm die genügt es, wenn dieser Barrikadengürtel während der Nacht währendes Brausen und Summen, hier und da ein lärmen- Hand reichend, thun Sie das Ihrige." ordentlich im Zaume gehalten wird, so daß er nicht weiter des Hurrah und dann und wann Flintenschüsse. um sich greifen kann. Glauben Sie, daß mehr zu thun|

"

ist, Ich müßte ein paar Straßen demoliren, einige Tausend

Wir werden wohl noch in dieser Nacht Arbeit be­tommen," meinte Helene.

Das glaube ich nicht," erwiderte der Advokat, unsere

Ich eile, ihn zu suchen, Fräulein; verlassen Sie sich auf meine ernstliche Fürsorge." ,, Sagen Sie ihm auch", fügte Elise hinzu, daß ich ihn Innern Gehör zu schenken."

besonders bitten lasse, feiner verzweifelnden Stimme seines

Streit füßte die gütige Hand und empfahl sich. " Ich gehe mit Ihnen", rief Barth, und beide Männer eilten davon, die Frauen ihrer emsigen Arbeit überlassend. Nur wenige Miniten waren vergangen seit dem Ab­