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sind. Recht« und Anke haben abwechselnd und zusammen die Süßigkeiten der Herrschaft gekostet, und Beide haben gleich- mäßig gesündigt durch ihren Großmachtskitzel, ihre liolonialpolitik und wahnsinnige Schulden- und Steuertreiberei. Und in jedem Lager ver- hehlt man sich nicht, daß es unmöglich mehr so weiter geht und neue Abgaben nicht mehr heraus- zupressen sind, da in dem ausgesogenen Lande j«des sch ärfere An sp a n n en der Steuer- kraft den Ertrag verringert. Aber sie denken Alle, Alle: Einstweilen hält das Eis noch! Der konservative Finanzminister Colombo mußte weichen, als er entschieden Ersparnisse im Militäretat verlangte, und Herr Giolitti hat soeben eine neue Vermehrung der Schuldenlast angekündigt, indem er den Bedarf für die Eisenbahnbauten durch eine neue Anleihe aufzubringen gedenkt. Was dem Lande bevorsteht unter dem neuen Ministerium der Linken, sagte der radikale Fortis recht drastisch in einer von der Linken, der Hälfte der äußersten Linken und einigen Angehörigen der Rechten mit Beifall aufgenommenen Rede. Er fürchte sich nicht vor neuen Steuern, erklärte er, und werde eher für solche stimmen, als daß er die militärische Kraft des Landes schwächen helfe. Und seinen andersdenkenden Genossen von der äußersten Linken rief er zu, daß wenn ihr Ideal, die Auflösung des Dreibundes, ver« wirklicht werden sollte, die militärische Macht Italiens   erst recht der Kräftigung bedürfe. Und darin hatte Fortis nur zu sehr recht. Die ausgesprochene Gier dieser Herren nach Trient   und Trieft ist eine Ironie auf iede Politik der wirlhschaftlichen und finanziellen Wiedererstarkung Italiens  . Mag Cavalotti mit dem der Opposition treu gebliebenen Reste der äußersten Linken auch noch so laut ins Horn der Opposition stoßen: Auflösung der Tripelallianz. Verminderung der Heeres- lasten, organische Reformen, keine neuen Steuern, man weiß nur allzugut, daß auch dieses an inneren Widersprüchen über- reiche Programm die Schmerzen nicht stillt. Und somit bleibtAlles beim schönen Alten. Das Land schleppt sich weiter in vollständiger Apathie, die Geschästspolitiker deklamiren weiter und theilen sich die Beute. Daß unter solchen Umständen eine gesunde Entwickelung nicht möglich ist. ist klar. Der Kampf um die Herrschaft im Staate und um die Ausbeutung spitzt sich auf einen reinen Personen streit zu. Männer der Linken, wie CriSpi und Nicotera. bekämpfen sich unter einander und befehden wieder ihren Parteigenossen Giolitti, wenn dieser am Ruder ist; Colombo   und Vonghi von der Rechten fallen hinwieder ihren Parteigenossen Rudini an, weil sie's selber nach dem Fauteuil gelüstet.Für die Besserstellung des Proletariats haben wir bisher Nichts gethan", gestand Fortis in der Kammer; doch unterließ er hinzuzufügen, daß nunmehr, da ein Ministerium nach seinem Herzen am Ruder ist. in dieser Hinsicht Etwas geschehen werde. Gelangen Machtfragen zur Erörterung, dann sind die Herren zur Stelle, die Kammer gefüllt fast bis auf den letzten Platz, handelt es sich um Dinge, welche all« Kreise im höchsten Grade berühren, wie beispielsweise den Handels- vertrag mit der Schweiz  , zieren fünfzig Abgeordnete den Saal. ArmeS Italien  ! Ja, armes Italien  ! Ehe daS Volk sich ermannt und diesem widerlichen Hexenspuk für immer ein Ende macht, ist kein« Besserung zu erwarten. Die Kammer, die aus Zensuswahlen hervorgeht, vertritt nur eine winzige Minder­heit: die herrschenden Klassen und den korruptesten Theil der Bevölkerung. Das arbeitende Volk ist von den Wahlen und der Regierung ausgeschlossen und hat nur die paar aus einigen radikalen Kreisen geschickten Sozialisten zu Vertretern. Die schlimmste Folge der Dreibund-Politik ist. daß der Chauvinismus gepflegt wurde, und zwar ein Chauvinismus der sich jedenfalls zur großen Enttäuschung der Drei- bunds-Polittkcr nicht gegen Frankreich  , sondern in Form des JrredentismuS gegen Oe st erreich kehrt. Sl* Die konstituirende belgische Kammer, welche da? evisionSwerk zu vollbringen, nebenbei aber auch den Staatshaushalt für das nächste Jahr zu regeln hat, ist auf den 12. Juli einberufen. Der englische Wahlkampf nimmt bis jetzt einen fiir die Liberalen sehr ungünstigen Verlauf, waS von niiß- vergnügten Liberalen dem alten Gladstone ins Schnldbuch geschrieben wird. Mit Unreckt. Wir sind gewiß keine Freunde des»großen Windbeutels" mit seiner öligen Pfaffensophistik und Advokatenrabulistik, und wir wollen anch die groben Fehler nicht leugnen, die er gerade in letzter Zeit begangen hat, aber auch wenn irgeud ein anderer der liberalen Führer an der Spitze der Partei stände und ein klügerer als sie alle zusammen genommen, so würden die als General? Ich bitte Sie, solchen Falle aus dein Staate »Und doch ist es so." »Und das sagen Sie was sollte denn in einem werden?" Der General zuckte mit den Achseln und meinte: »Das zu überlegen ist nicht meine Sache; ich bin nicht Minister und nicht Staatsrath. Ich habe meine Befehle erwartet und nach Kräften ausgeführt." »Wir hatten das beste Vertrauen zu Ihrer Energie und Fähigkeit." An denen Sie hoffentlich jetzt nicht zweifeln?" »Es fällt mir schwer, indessen..." Ich will Ihnen sagen, woran es liegt. Zunächst war Ihre Polizei ganz miserabel bestellt; die großartigen Vor­bereitungen sind nicht in Erfahrung gebracht, oder sie sind unterschätzt worden. Statt mit 20- bis 25 000 Arbeitern, haben wir eS mit vielleicht 40 000 zu thun, was im Straßenkamps einen Unterschied macht, zumal wenn die Kavallerie die Umgegend nicht beherrschen kann. Nun kommen außer der Teufelei mit den beweglichen Barrikaden, an die kein Mensch gedacht, ein kolossales Bollwerk aus rohen Eisenkörperu auf einer Unzahl von kleinen Rädern, die sich lenken lassen, Handgranaten, Raketen, Fledermäuse, Schlangen, Nitroglycerinbomben, Tynamitkapseln, Dampf- spritzen und was weiß ich Alles. Die ganze Affäre ist noch glimpflich abgelaufen; aber, wenn es so fortgeht, gicbt es einen Vcrnichtungskampf, bei dem nicht viel von nur und weinen Leuten, ja von uns allen übrig bleiben wird." Und was, tueinen Sie, ist unter solchen Umständen »u thun?" Das Beste ist unbestritten, von unserem Standpunkte aus gesehen, ich ziehe alle Truppen nach dem Westen auf die Höhen und setze mich in Verbindung mit den Truppen, die hierher dirigirt werden können. Und, wenn es so sein «all, kann die Stadt bombardirt werden." »Das sind schlimme Aussichten; hätte ich das ahnen sonnen, würde ich die Arbeiter hingehalten haben, bis wir xm Stande waren, alle Maßregeln auszuführen, ohne daß uuch nur eine Idee von Insurrektion gefaßt werden konnte." (Fortsetzung folgt.) Chancen der Liberalen keine besseren sein. Napoleon  hat einmal gesagt: Das Unglück ist eine Eigenschaft. Das Pech, von dem die liberale Partei jetzt verfolgt wird, ist jedenfalls eine Eigenschaft das heißt kein Zufall, sondern die natürliche Folge ihres innersten Wesens. Sie hat kein Programm und sie hat kein Ziel, für welches die Masse des Volkes sich begeistern kann. Alles, waS sie auf dem Gebiet der inneren Politik den Wählern bietet, das bieten auch die Tories. Und was die Tories nicht bieten können und wo- mit die Massen zu fangen wären, ein sozialistisches Programm das können die Whigs so wenig bieten wie die Tories, oder anders ausgedrückt: die Liberalen so wenig wie die Konservativen. So bleibt den Liberalen denn als Wahl- schlachtroß nichts als die irische Frage und das ist ein sehr bockbeiniges Schlachtroß, das schon manchen Reiter ab- geworfen hat. Die Auflösung de? Unterhauses erfolgt am 28. d. Mts. Die Wahlen in London   und anderen Städten werden am 4. oder 5. Juli beginnen und nicht an einem Sonnabend vorgenommen werden. Die Tories haben sich diesen kleinen Vortheil nicht entgehe» lassen. Russisches. Die Aufhebung des Ausfuhrverbots für Getreide ist erfolgt. Schwindel. Nach einer Verfügung des Generalgouvcrncurs von Polen   müssen sämmtliche Meister und Obermeister in den Fabriken, die des Russischen  nicht mächtig sind, bis zum 1. Januar 1893 entlassen werden. Wird den großen Krach nicht verhindern. Zur amerikanischen   Präsidentenwahl. Heute tritt die demokratische Konvention in Chicago   zusammen. An der Ernennung Cleveland's   zum Kandidaten ist kaum zu zweifeln, zumal einer der Kandidatschafts- Kandidaten, Palmer, der die demokratischen Stimmen des sehr einfluß­reichen Staats Illinois  (mit der Hauptstadt Chicago  ) auf sich vereinigte, zu Cleveland's   Gunsten zurückgetreten ist. Dieser hat jetzt nur noch einen Gegenkandidaten, Hill aus New-Iork. Jedenfalls herrscht unter den Demokraten größere Einigkeit, als unter den Republikanern und sie haben einen besseren Ruf. Die Demokraten sind nämlich seit Abschaffung der Sklaverei in den KOer Jahren blos einmal auf vier Jahre ain Ruder gewesen, und zwar unter Cleveland  , der persönlich für einen ehrlichen Mann gilt, und sie haben in diesen vier Jahren natürlich nicht so viel stehlen können, wie die Republikaner   in 24 Jahren. Und daß sie weniger Gelegenheit zum Stehlen gehabt(»Gelegen- heit. macht Diebe"), das kommt ihnen jetzt zu Statten, wie das Gleiche den Republikanern zu Statten kommen würde, wenn das amerikanische   Volk fünf oder sechs Mal hinter einander Demokraten wählte. Nun hoffentlich wird bald mit der ganzen»demokratischen" und«repu- blikanischen" Geschäftspolitik aufgeräumt. DerFrankfurter Zeitung  " haben wir Unrecht gethan mit unserer Notiz:Volkspartciliche Ungezogenheit." Die Bemerkung, auf welche wir reagirten, war ein Zitat aus demLeipziger Tageblatt  ", und das Mißverständniß, welches wir bedauern, würde nicht vorgekommen sein, wenn in derFrankfutter Zeitung" die betreffende Stelle mit Anführungszeichen versehen gewesen wäre. Veuckeinarftvicktten. Die Sirsch-Tunckeriauer Cannstatts stellten vorige Woche, wie dieSchwöb. Tagwacht" in Nr. 139 meldet, Kandidaten für die bevorstehenden Gewerbegerichts- Wahlen auf. Es soll dabei betont worden sein, daß die Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereine nicht gegen ihrPrinzip" verstoßen, wenn sie Mitglieder des evangelischen Arbeitervereins ausstellten, nur müsse das geheim geschehen, da man sich öffentlich mit dem letztere» Verein blamiren würde! Zn einer kleinen' Sozialistendebatte kam es, wie das Hamburger Echo" berichtet, am 12. Juni auf dein zu Ahrens- dur g stattgehabten Gautage des s ü d o st- h o l st e i n i s ch e n Tnrngaues. Aus der Tagesordnung stand als erster Punkt: Vorlegung des Gesuchs der Wandsbecker Turnerschaft von 1881 um Aufnahme in den südost-holsteinischen Gau." Da nach An- ficht einiger Delegirtcr dieser Verein sich jedoch politisch hervor- getban(die Mitglied» haben nämlich das schwere Verbrechen begangen, ihre hungernden Arbeitsbrüder durch Geldbeträge zu unterstützen), beantragte Kneese  -Wandsbek  , die Turnerschaft nicht aufzunehmen, denn in Turnvereinen dürfe nicht Politik ge- trieben werden. Seitens des anwesenden Vertreters d» Wands- beker Tnrnerschaft wurde Knecse darauf aufmerksam ge- macht, daß zwischen Politik und Gewerkschaftsbewegung doch ein großer Unterschied bestehe; Knees« könne diese beiden Theile wohl nicht unterscheiden. Gauschrift- und Kassen- wart Quellmalz bat daraus die Vertreter des Wandsbecker Turnerbundcs, künftig dafür zu sorgen, daß ihr Verein sich ferner nicht mehr an der S e d a u f e i« r betheiligen möge, denn die Theilnahme an solchen Festen sei doch sicherlich auch politisch. Im Tone tiefster Entrüstung entgegnete darauf Herr Knecse, daß dies patriotisch gehandelt sei! Es ist dies das alte Lied: Die Politik derRcichötreuen" ist Patriotismus, treten aber die Arbeiter für ihre darbenden Brüder ein, so ist das in den Augen der herrschenden Gesellschaft ein Verbrechen, welches natürlich bei jeder ersten besten Gelegenheit gerügt werden muß. Trotz der Gegenrede des Herrn Knecse wurde die Wandsbecker Turnerschast in den Gau   aufgenommen. In Hannover   feierte vorigen Sonntag derBund der ver- einigten Arbeiterliedertafeln von Hannover   und Umgegend" sein erstes Sängerfest. Es waren nicht weniger als d2 Vereine vertreten. Die Feier verlief bestens. Sächsisches. Alle drei Mitglieder des Chemnitzer  sozialdeinokracischen Agitationskomitees haben folgendes Schreiben zugeschickt erhalten: Nachdem hier bekannt geworden ist, daß Sie nebst zwei anderen Personen einAgitationskomitee" gebildet haben, das Letztere auch laut eines in Nr. 88 desBeobachter" enthallene» und von Hermann Albert unterschriebenen Aufrufs in Thätigkeit getreten ist, und da dieses Komitee als ein Verein im Sinne von 19 des Gesetzes vom 22. November 1850 anzusehen ist, so wird Ihnen hiermit aufgegeben, die in Absatz 2 des vorbezeichneten Gcsetzesparagrapden vorgeschriebenen Anzeigen alSbald bei Ver- meidung Ihrer Bestrafung nach§ 33 des vorgedachten Gesetzes anher zu erstatten. Chemnitz  , am 14. Juni 1892. Das Polizei-Amt. Siebdrat." Dem gegenüber stützen sich die Chemnitzer   Parteigenossen auf ein Urtheil des Oberlandesgerichts, laut welchem ein Komitee von 3 Personen kein politischer Verein ist. In Piuueberg wurden bei der Nachwahl zum Gewerbe« g e r i ch t in der Klasse der Unternehmerbeisttzer Tischlermeister H. Rehm und in der Klasse der Arbeiterbeisitzer Tischler F. Klaus gewählt. Beide sind Mitglieder der sozialdemokratischen Partei. »» AuS New-Dork wird uns geschrieben: Die von der New- Jork» Sektion der sozialistischen   Arbeiterpartei in Gemeinschaft mit der Central Labor Föderation angeregte Konferenz zur Bk- rathung und Beschließung über die Einsetzung eines int er- nationalen Korrespondenz-Bureau's ist auf den 27. Juli nach Pittsburg   einberufen worden. Die hiesigeFede- ration of Labor" hat charakteristischer Weise das betr. Einladungs- schreiben ack»cta gelegt. Wie aus einzelnen Notizen in v»schiedenen Arbeiterblättern Deutschlands   hervorgehl, faßt man drüben theilweife die neuerliche Bewegung hier so aus, als ob es sich dabei darum handelte, die leidige Politik", welcheschon so viel Unheil" angestiftet habe, aus den Gewerkschasts-Organisationen zu verbannen. Dies ist die Darstellung der Sache sowohl seitens d»konservativen" wie dergewerkschaftlich-anarchistischen" Führer. Sie ist aber durchaus unrichtig. Dies ist schon aus salzendem Paragraphen deS für den geplanten hiesigen neuen Zentralkörper angenomme- nen Statuts d« Central Labor Union ersichtlich, welcher von keiner Seite beanstandet wurde, während man den Para- graphen strich, welcher die Lostrennung von den kapi- talistischen Parteien vorschreibt; jener Paragraph, welcher über dasGesetzgebungs-Komitee" handelt, lautet:Artikel VIII,§ 10. Das Gesetzgebungs-Komitee soll alle Angelegenheiten, welche gesetzgeberische Aktion erfordern, unter sich haben; Gesetzes- vorlagen, welche es für die Arbeiterinteressen nölhig erachtet, ab- fassen, dieselben der Central Labor Union zur Gutheißung vorlegen und, wenn gutgeheißen, in Gemeinschaft mit dem Rechtskomitee deren juristisch korrekte Abfassung und Einreichung in der Legislatur veranlassen." ES sei noch bemerkt, daß sich Komitee'? obiger Art in allen geiverkschaftlichen Zentralkörpern des Landes befinden, mit Ausnahme derjenigen, welche auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehen, die ab» noch dünn gesäet sind und von den Führern des Pure and Simple Trades Unionism" offen od» heimlich de- fehdet werden. Merkwürdige Dinge erlebt man hier: der bekannt« Echilh- mach» Knoke auS Frankfurt   a. M., der nach fein» Herkunft inS anarchistische Lager übrrschivenkte, ist jetzt unter die S p i r i- tisten gegangen! Todteuliste der Partei.'In Bremen   ist der Zigarren- mach» L. Jörgensen nach zehnmonatlichem Krankenlag» in seinem 36. Lebensjahr gestorben. Derselbe wurde 1883 auf Grund des Sozialistengesetzes aus Hamburg   und dann alslästiger" Aus- länder er war Däne aus Preußen ausgewiesen, weShalb er nach Bremen   übersiedelte. PolizeilicheS.'GerichtNch-S. In Uetersen   wurde d» Partelgenoss« Bogt vom Schöffengericht wegen öffentlicher Beleidigung d» dortigen Polizei zu 20 M. Geldstrafe verurlheilt, weil er was er bestritt in ein» Versammlung nach dem Bericht des überwachenden Gendarmen gesagt haben soll, die Maifei» würde trotz aller .�Chikanen" der Polizeibehörde abgehalten werden. Der Amts- änwalt hatte 14 Tage Gesängniß beantragt. D» desselben Ver- gehens Mitangeklagte Parteigenosse Vehrs aus Heitgraben wurde freigesprochen, weck er über die Maifei» nachweislich gar nicht gesprochen hatte. Der Amtsanwatt sordette selbst dt« Frei- Die Kieler Strafkamm» verurtheilte am 14. Juni den Tischler C. G i b s o n, früher in Kiel  , jetzt in Hamburg   wohn- hast, wegen Gotteslästerung zu drei Monaten Gesängniß. Das Vergehen soll in einer vor zwei Jahren in Neumühlen statt- gehabten Versammlung der Freidenker begangen worden sein, in welcher Frau Wilhclmi das Referat hatte und ein Kandidat der Theologie sowie Gibson sich an der Diskusston betheiligten. Auf eine Denunziation hin wurden wegen ihrer Aeußeruugen Frau Wilhelmi, Gibson und einige andere Personen unter Anklage gestellt. Belastungszeuge war jener Kandidat. Frau Wilhelmi ist im Berufungdtermin am 8. Januar freigesprochen worden. Gibson war damals wegen Mangels an Reisegeld nicht erschienen, weshalb das Gencht seine zwangsweise Vorführung zum nächsten Termine beschloß, welche am 14. Juni, wo Gibson verurtheilt wurde, auch vollzogen worden ist. Eine Verhandlung von hervorragendem Interesse war eS, in welcher der Parteigenosse Franz Schneider aus Ottensen   von der ersten Slrafkammn des A l t o n a e r Landgerichts zu drei Monaten Gesängniß verurlheilt wurde. Das Hamburger Echo" berichtet darüber:Schneid» war wegen Beleidigung, begangen durch die Presse, angeNagt. In der von ihm für kurze Zeit in Vertretung für den in Strafhaft befindlichen Redakteur redigirtenNorddeutschen VolkS-Zeitung" erschien eine Korrespondenz aus Kiel. in welcher die Thatsache mitgetheilt wurde, daß der Schreib» auf der kaiserlichen Werst in Kiel  , W.Rüting, seinen eigenen Bruder, der vom Militär deserlirt war, d e n u n z i r t hatte. Dies« Mittheilung war mit ein» scharfen Kritik der Handlungsweise deS genannten Schreibers begleitet. Letzterer fühlte sich durch die Kritik beleidigt und stellte Strafantrag. Die Sache wurde als im öffent- lichen Interesse liegend von der Staatsanwaltschaft in die Hand genommen.(!!!) Schneider behauptet, daß er weder die Kor- respondenz verfaßt, nach darin etwas Anstößiges gefunden, noch die Absicht gehabt habe, den Rüting beleidigen zu wollen. Der als Zeuge vernommene Rüting   giebt die in der Korrespondenz behaupteten Thatsachcn zu. Sein Bruder sei vom Militär deserlirt und habe bald darauf zwei Briefe an ihn ge- schrieben. Den Aufenthalt seines Bruders habe et der Militärverwaltung verrathen. Sein Brud» sei daraufhin gefaßt und zu sieben Monaten Festungshaft und Degradirung in dir zweite Milttärllasse ver- urtheilt worden. Durch die geübte Kritik fühle» sich um so mehr beleidigt, als er seinen Bruder nur deshalb vnrathen habe, weil er sich gedacht, die Strafe w»d« nicht so hoch aussallen. Der Staatsauwalt beantragt die bereits mitgetheilt« Straf  « und meint, daß dieselbe deshalb etwas höher bemessen werden mußte, weil die ganze Haltung der in Frage stehenden Zeitung in militärischen Dingen eine häßliche Gegnerschaft(jegen das Bestehende zeige. Der Beitheiviger Dr. Türkheim plädirt für Freisprechung des Angeklagten, weil in der Korrespondenz die Grenzen berechtigter Kritik nicht überschritte» seien. Daß ein Bruder den anderen denunzire. sei das Unnatürlichste, was man sich denken könne. Solche Handlungsweise gelt« in der öffentlichen Meinung als moralisch verwerflich. Wenn das Ehrengericht deutscher Rechts- anwälte eL als für moralisch verwerflich erklärt habe, wenn ein Anwalt den anderen denunzire, so müsse man annehmen, daß in juristischen Kreisen üb» die Denunziation eines Bruder? gegen den anderen ein gleiches Urtheil gefällt würde. Gesetzlich zur Denunziation verpflichtet mar Rüting nicht, wenn er auch Beamter sei. Daß er den Aufenthalt seines Bruders verrathen habe, nur um Letzteren zu schütze», sei ihm nicht zu glauben. Es bestand nun weder ein liioralischer Zwang, noch eine gesetzliche Pflicht der Denunziation, und so mußte er sich auch eine scharfe Kritik gefallen lassen. Wenn der Staatsanwalt die Gesammthaltung der Zeitung in militärischen Dingen bei der Strafausmessung mit in Betracht gezogen wissen wolle, so sei in d» Beweisauf- nähme von d» Gesammthaltung nichts bekannt geworden und im vorliegenden Falle handle es sich nicht um'Militärsachen, sondern um die Kritik eines Bruders, der seinen Bruder denunzirt habe. Er beantrage, wenn keine Freisprechung erfolgen könne, auf eine ganz niedrige Geldstrafe erkennen zu wollen. Das Ge» ttcht hat sich den Ansichten des Bercheidigers nicht angeschlossen. sondern wie mitgetheilt erkannt."