Einzelbild herunterladen
 
Nr. 44. 21. Jahrgang. 1. Kkiltze i>cs.Awiirls" Krlim KldsM Sanntag, 21. Februar 1904. l<.eicl)stag. 88. Sitzung. Sonnabend, 20. Februar 1904, 1 Uhr. Am Bundesratstische: K r a e t! e. Die zweite Beratung der Etats der Reichspost- und Telegraphenverwaltung wird beim Titel S t a a r s- selretär fortgesetzt. Abg. Mollenbuhr(Soc.): Als ich mich zum Wort meldete, hatte ich lediglich die Absicht, eine mehr lokale Angelegenheit zur Sprache zu bringen, doch mufc ich nach dem gestrigen Verlauf der Debatte auf einige Aeußerungen, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen, zurückkommen. Der Herr Staatssekretär hat wieder einmal recht scharf das Vorgehen der Postbehörde in den polnisch sprechenden Teilen Deutschlands   verteidigt. Die Polen   sollen a lt g e f a n g e n haben mit der Chikane, und die Post thne ihre Pflicht. Datz die Polen  angefangen haben, wird der Herr Staatssekretär allerdings leicht nachweisen können, denn in jenen Gegenden wurde schon polnisch gesprochen, ehe dieselben überhaupt preußisch wurden, und wenn die Leute sidj dort ihrer Muttersprache bedienen, so ist das nur selbstverständlich. Man sollte doch glauben, dah es gar kein natürlicheres Recht eines Menschen giebt als den Gebrauch seiner Muttersprache. Jeder Mensch hat dies Recht genau ebenso, wie er das Recht hat, sich seiner Nase zum Riechen zu bedienen. ES ist ganz unmöglich, eine Volkssprache ausrotten zu wollen. Sollen die Herren, welche die Politik der Regierung verteidigen, etwa glauben, dast wenn 1812 die von den Franzosen besetzten Teile Deutschlands   französisch geworden wären, es gelungen wäre, hier die deutsche Sprache auszurotten?(Sehr gut! bei den Social- demokraten.) Man würde sicher heute noch in diesem Gebiete deutsch   sprechen. Jeder Deutsche ivird es mit Freude lesen. was Goethe schildert, wie 1770 in Strasburg   noch deutsch gesprochen wurde, nachdem diese Stadt schon hundert Jahre französisch gewesen war. Ich erinnere auch an die Bestrebungen im Anfang der 60 er Jahre, Teile von Schleswig- Holstein   zu danisieren, die ebenfalls mißlangen. Wenn man aber nun einmal die Muttersprache einem Volke nicht nehmen kann, so ist es durchaus unangebracht, Leute zu belästigen, weil sie eine be- stimmte Sprache haben. Man kann höchstens der Regierung den Vorwurf machen, dah sie eS nicht verstanden hat, den gegebenen Verhältnisien Rechnung zu tragen. In der Schweiz  , wo in manchen Gegenden drei Sprachen gesprochen werden, kommt man sehr gut damit auS, ebenso bilden die Deutschen   in Amerika   deutschsprechende Kolonien, ohne im geringsten belästigt zu werden. Dazu kommt, dah die Post das denkbar ungeeignetste Institut ist, um eine Nationalität auszurotten. Ihre Ausgabe ist, den Verkehr möglichst glatt zu erledigen, und sie sollte einen gewissen Stolz darein setzten, besonders findig zu sein, um auch schwierige Adressen zu befördern. In den polnischen Gebieten aber zeigt die Post im Gegenteil eine gewiffe Virtuosität im Nichtauffinden von Adressen.(Sehr richtig! bei den Polen  .) Wenn es so schwierig wäre, Briefe mit zum Teil fremdsprachlichen Adressen zu befördern, in welch schwierige Lage wäre da z. B. ein New Vorker Briefträger! Nun sucht man aber die Post aus einem Verkehrsinstitut immer mehr zu einer politischen Einrichtung zu machen. Dabei kommt man zu den rückständigsten Anschauungen: Das Koalitions- recht, das allen Arbeitern zusteht, will man den Postbeamten nicht geben. Auch aus den freisinnigen Reihen kamen gestern äuszerst rückständige Ansichten zu Tage. Herr Kopsch sprach nach Herrn Stöcker, von dem wir ja rückständige Ansichten gewohnt sind, gestern aber schien mir doch Herr Stöcker ein Revolutionär im Vergleich zu Herrn Kopsch.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Social- demokraten und Heiterkeit.) Denn dieser ist der Meinung, daß man nicht durch Hetzen nach unten, sondern mir durch Ueberzeugung nach oben bessern könne. Als ich das hörte, glaubte ich mich unbedingt verhört zu haben.(Sehr gut I bei den Socialdemokraten.) D a S hat der Reichstag   seit dem Tode Kleist-Retzows nicht gehört. Aber daß diese Aeußerung gerade von einem Freisinnigen stammt, war charakteristisch und zeigte, daß Sie weiter nach rechts herüber gerückt sind, als die schlimmsten Gegner der Frei- finnige» Bolkspartei jemals behauptet haben. Das sind die Grund- sähe der Metternich und Dambach gewesen, als sie die Demagogen verfolgten und die Leute, die von unten aufbessen» wollten, köpfen ließen oder mindestens ins Zuchthaus steckten. Aber das Volk in seiner Allgemeinheit hat sich fem Recht auf den Barrikaden von 1848 erkämpft und damit jene Anschauungen ent- gültig begraben, die heute in der Freisinnigen Volkspartei   ihre fröhliche Auferstehung feiern. Danach ist auch Seiner Majestät aller- getrrueste Opposition nicht mehr zulässig, denn jede Opposition wendet sich nach unten.(Sehr gut! bei den Socialdemokraten.) Aber Herr Kopsch hat die Ansichtenaller seiner Parteigenossen" hier ver- treten' denn der Satznicht durch Hetzerei nach unten, sondern durch Ueberzeuqen nach oben".ist in derFreisinnigen Zeitung" sogar gesperrt gedruckt. Und waS bedeutet denn der BegriffHetzerei"? Der ist doch rein subjektiv. Er wird ihn wohl im Sinne der Scharf macherblätter gemeint haben, im Sinne der., H a m- burger Nachrichten", derFreisinnigen Zeitung" und der P o st'(Große Heiterkeit be, den Socialdemokraten.) Für diese ist schon Hetzerei, wenn man den Leuten sagt, daß sie irgend einen Rechtsanspruch haben._ fi,. Nun wird Herr Kopsch fernen Satz vielleicht auf d,e Postbeamten einschränken wollen, für diese soll mannicht durch Hetzen nach unten. sondern durch Ueberzeugen nach oben wirken". Wie hat man es denn gemacht, die Leute oben zu überzeugen. Ich erinnere an den 8. Februar 1898. Auch damals stand das Gewalt des Staatssekretärs de? Reichsposta ni tS willigte ihm statt 30 000 ihm zugebilligt werden. ?eit gefunden hätte, an >eamten zu denken. nach oben verbreiten wollte. zur Beratung. Der Reichstag be- Mark 24000 Mark. Der Rest würde wenn man in der Poswerwaltung Zeit gesuiideii" hätte, an die Gehälter der Unter- bea inten zu denken DaS war dieUeberzrugung" die man ________________(Heiterkeit.) Auch der etwas mattere Satz(Heiterkeit" bei' den�Socialdemokraten) des Staatssekretärs, an ein Koalitionsrecht der Beamten sei nicht zu denken, und die Aus- siihrlmgen des Herrn S ch r a d e r kamen darauf hinaus, daß die Postbeamten kein Koalitionsrecht hätten, weil fi« nicht unter der Gewerbe-Ordnung ständen. Aber der§ 152 der Gewerbe- Ordnung hebt doch nur die Koalitionsverbote siir gewerbliche Arbeiter aus I Bestehen nun solche Koalitionsverbote für die Postbeamten? Reichsgesetzlich sicher nicht! Und wenn die Postverwaltung sie durch Verordnung einführen will, so ist das eine Auflehnung gegen die Reichsgesetze, die sich eine Behörde am»vemgsten zu Schulden kommen lassen sollte.(Sehr richtig l bei den«onaldemo- kraten.) Bei den eigenartigen Verhältnissen der P°st* und Eisen- bahnarbeiter würde«m Streik ja kaum Platz greifen können, weil das ganze Dienstverhältnis unter dem Beamten­gesetz steht und die Kündigungsfristen sehr lange stnd. Wohl aber wäre eS möglich, daß die Hilfsarbeiter von allen Rechten der Arbeiter Gebrauch machen könnten. Dagegen verweist man immer auf die DiSeiplin. Giebt es einen großen Betrieb, in dem sie nicht nötig wäre? And doch innpen sich größere Werke damit abfinden, müssen trotz des KoalittonsrechtS die DiSeiplin aufrecht erhalten. Auch die Unter- nehmer wissen ja dann vom Koalitionsrecht Gebrauch zu machen. Die Strafen, womit den Leuten die Ausübung des V e r e i n s- rechts unmöglich gemacht werden soll, sind als gesetzliche nicht zu betrachten. Gesetzliche Strafen sind die Köpfung.ZuchthauS luid Gefängnis. aber nicht die Entlassung. Nach einem Urteil des Bremer Land- aerichtS verstößt eS gegen die guten Sitten, daö öffentliche Recht durch Privatvertrag aufznhrben. Gegen diese guten Sitten verstößt die Postverwaltung beständig. Ganz wie Stumm sagt der Staats- l-kretär- Ich kann doch nicht mit den Organisattonen verhandeln. Ader der englische   Postminister thut es, ohne daß der Betrieb darunter �leidet. Das Ziel der Postverwaltung ist, möglichst hohe Ueberschüsse herauszuwirtschasten; das ist der innerste Grund, wes- halb den Beamten das Koalitionsrecht vorenthalten wird. Gerade die Postbeamten stehen mit dem Publikum in innigster Berührung; sie sehen, daß die Arbeiter das Koalittonsrecht haben, und eS muß sie mit besonderer Bitterkeit erfüllen, daß sie, denen ein besonderer Beanitenstolz gepredigt wird, das Koalitionsrecht nicht be- sitzen. Der Herr Staatssekretär hat gemeint, auch hoch- gestellte Beamte hätten sich als junge Leute mit einer Butterstulle als Mittagbrot begnügen müssen. Ich weiß nicht, ob der Herr Staatssekretär persönlich schon einmal in der Lage gewesen ist, bei schwerer Arbeit und größter Sparsamkeit nicht sein Mittagbrot kaufen zu könne». Er würde es dann auch sehr bitter empfunden haben, sich nichts verschaffen zu können, um seinen Körper arbeitsfähig zu erhalten. Ungenügendes Essen erschwert die Pflicht- erfüllung. Der Herr Staatssekretär hat es dem Beamten übel ge- nommen, der in Hamburg   erzählt hat, daß er eine Schmalzstulle in einer abgelegenen Straße gegessen habe. Ja, ist eS denn den Beamten verboten, die Wahrheit z u sagen? Sind sie denn gezwungen zu lügen? Wenn ein Beamter sagt, lvas wahr ist, dann ist eS unzulässig, ihn deshalb zu strafen.(Leb- hafte Zustimmung bei den Socialdemokraten.) Der Herr Staatssekretär verkündete, daß er seine Beamten nach den a l l g e ni e i n üblichen Sätzen bezahle. Wonach bemißt er denn die allgemeine Ueblichkeit? Er zahlt doch weniger, als Württemberg   und Bayern  den Postbeamten zahlen. In New sflork erhält der Ober-Postdirektor sechsmal so viel, als der Briefträger. Wenn bei uns ein ähn- licher Maßstab, ein gewisser Einheitssatz eingeführt würde für die Unterbeamten, und wenn weiter bestimmt würde, daß eine Gehaltserhöhung auch für die höheren Beamten nur durch Er- höhung des Einheitssatzes für die Unterbeamten möglich wäre, dann würde das Verständnis für die traurige Lage der Unterbeamten sehr bald auch de» höheren Beamten aufgehe».(Sehr gut! bei den Socialdemokraten.) Der Herr Staatssekretär weist darauf hin, daß sich die Leute nach Stellungen im Postbetriebe drängten. Diesen Hinweis hat er bereits vorgefunden, die Herren Stephan und Fischer pflegten auch so zu reden. Danach giebt es in der ganzen Welt überhaupt keine schlechte Bezahlung. Giebt es doch nirgends einen Unternehmer, der seine Leute so schlecht entlohnt, daß er überhaupt keine Arbeiter mehr findet. Denn bevor einer vollständig verhungert, bietet er sich zum geringsten Lohn an. Das ist ein Betveis für die schlechte wirtschaftliche Lage unsres Volkes, aber kein Beweis, daß die Beamten bei der Post gut und ausreichend bezahlt werden. Ein öffentlicher Betrieb hat um so weniger das Recht, die Not der Leute, die sich ihm zur Verfügung stellen, in solcher Weise aus- zunützen, als diese nicht eine günstige Konjunktur, wie die übrigen Arbeiter. durch einen Streik ausnutzen können. Er muß seine Angestellten deshalb besser stellen als der Privatbetrieb seine Arbeiter, die daS Koalitionsrecht haben, entlohnt.(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Die Dienst- statistik über ine Dienstzeit muß nach der wirklichen Dienstzeit, nicht nach der dienstplanmäßigen, aufgenommen werden, weil der Dienst- plan häufig außer acht gelassen wird. Als die Beamten einer Post- anstatt sich darüber beschwerten, daß der Dienstplan nicht innegehalten wurde, wurde der Dienstplan einfach aus der Packknmmer entfernt. (Heiterkeit.) In der Statistik sollten auch nur solche Pausen als Pausen verzeichnet werden, die eine Stunde dauern. So ist es auch bei der Statistik über die Lage der Konfektionöarbeiter gehandhabt worden. Man sollte sich daran gewöhnen, den Begriff, was Tag- und was Nachtarbeit ist, auch für Beamte nach der Gewerbe-Ordnung zu bestimmen. Redner führt des weiteren Beschwerde, daß in Elber- selb in der Nordweststadt sich kein einziges Postamt befinde. Bis zu dem Hauptpostamt ist ein halbstündiger Weg. Daher nützt auch die vorgesehene Erweiterung des Hauptpostamts nichts. Der Verkehr in Elberfeld   ist kolossal gewachsen. DaS geht schon daraus hervor, daß in Elberfeld.  984 000 Pakete befördert wurden, in der größeren Stadt Stettin   aber nur 940 000. Besonders die Kleingewerbetreibenden im Nordwestteil Elberfelds leiden unter dem Mangel eines besonderen Postamts, sie müssen heute den weiten Weg von Berg zu Thal zum Hauptpostamt wandern. Man sollte daher auf dem Berge ein neues Postamt errichten, das wäre eine große Erleichterung für die Bevölkerung.(Bravo I bei den Social- demokraten.) Abg. v. JazdzewSki(ipole): Die Ost markenzulagen sind ausgesprochen politischer Tendenz: dochdarübersprechen wir später noch. Der Herr Staatssekretär sprach von den Ehikanen der polnischen Bevölkerung. Was ist eine Chikane? Eine Chikane ist eine böswillig hervorgerufene Schwierigkeit gegen die von einem andern beabsichtigte Ausführung einer Sache. Solche Ehikanen werden fortgesetzt von der Post gegenüber der polnischen Bevölkerung verübt. Die Ausführungen des Herrn Mollenbuhr in Bezug auf die Behandlung der polnischen Adressen kann ich nur vollständig unter- schreiben. Nach der Postordnung sollen Briefe, die nach den: Ausland gehen, in einer Sprache adressiert werden, die am Bestimmungs- orte bekannt ist. Warum wird nun daS Inland schlechter behandelt als das Ausland? Man kann doch nicht be- streiten, daß in den polnischen Provinzen überwiegend polnisch ge- sprachen wird. Nach den Bestimmungen des Weltpostvereins ist die Post auch verpflichtet, Briefe mit ftemdsprachlicher Adresse zu be- fördern, sobald die Wohnimg des Adressaten klar ersichtlich ist. Diese Bestimmung wird in den polnischen Provinzen fortgesetzt verletzt. In Schroda  . wo ich wohne, bin ich der einzige meines Namens und habe ein eignes Fach in der Post. Trotzdem sind Briefe an mich zuerst an das Uebersetzungsbureau nach Posen ge- schickt>v o r d e n. Ich habe darüber ein reichliches Material, das ich dem Herrn Staatssekretär zur Verfügung stelle. Ein Einschreibe- brief mit ganz polnischer Adresse wird in Berlin   ohne weiteres auf- genommen, in Posen aber zurückgewiesen. Sind das keine Ehikanen. das ist doch.thörichtl(Sehr wahr! bei den Polen  .) Hier sollte der Herr Staatssekretär Remedur schaffen. Aus dem Verhatten der Beamten geht aber hervor, daß geheime Erlasse bestehen, die daS Abnehmen von Briefen mit polnischer Adresse mit Strafe belegen. Warum geht man nicht öffentlich vor?! Wir bemühen uns, der Post den Dienst nach Möglichkeit zu erleichtern, aber vielen Leuten dort ist es gar nicht möglich, die Ortsnamen richtig deutsch   zu schreiben. Ich bitte also den Herrn Staatssekretär, daß dem Unwesen der UebersetzungS- bureaus endlich ein Ende gemacht wird.(Bravo  ! bei den Polen  .) Staatssekretär Kraetke: Es handelt sich nicht darum, vereinzelte Briefe von Leuten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, zu befördern. Läge die Sache so, dann hätten sich keine Schwierigkeiten ergeben. Aber nach der Aufforderung, die 1900 in den polnischen Blättern erging: schreibt stets die Adressen polnisch, die Post ist verpflichtet, solche Briefe zu behändigen schwoll die Zahl der polnisch adressierten Briefe lawinenartig an, so daß die Postbeamten fast ersttckten und die Arbeit nicht bewältigen konnten.(Hört! hört! rechts.) Es kommt durchaus nicht nur auf den Namen und den Bestimmungsort an. Sie wären wohl kaum damit zufrieden, wenn wir alle Briefe an die verschiedenen Schulze in Posen an den einen uns bekannten Schulze schicken würden. Wir müssen daher verlangen, daß auch die näheren Bezeichnungen deutsch   geschrieben werden. Von den Konsistorien wird nur die Bezeichnungportopflichtige Dienstsache" deutsch   geschrieben.(Heiterkeit.) Dann folgen lange polnische Litaneien. Eine große Firma lourde aufgefordert, an die Pröpste usw. ihre Preiscourante stets in polnischer Adressierung zu senden, sonst würde sie keine Aufttäge erhalten.(Hört! hört! rechts.) Es ist ein besonderes Verzeichnis zur Polomsierung bekannter deutscher   Städte wie Charlottenburg  . Altona   usw. von den Polen  herausgegeben. Wir können aber unsre Beamten nicht eine besondere polnische Geographie lernen lassen, für uns gilt die deutsche   Geographie.(Sehr richtig I rechts.)_ Wir kommen den Polen   gern entgegen, aber durch solche Herausforde« rungen. durch die man die Post unter das Joch zwingen will (Widerspruch bei den Polen  ), werden wir uns nicht beeinflussen lassen. (Bravo  ! rechts.) Abg. Werner(Antis.) wünscht eine Erhöhung des Wohnungsgeild» Zuschusses der Postbeamten. Die Ostmarken-Zulage verwerfe ich. wenn sie widerruflich gegeben werden soll. Statt der Gratifikationen an einzelne Gruppen wäre eine Gehaltsaufbesserung aller Postbeamten anr Platze. In Bezug auf das Verhalten zu den Wiinscheri der Beamtenschaft stelle ich mich auf den Standpunkt des verehrten Kollegen Kopsch: Nicht Hetze nach unten, sondern Ueberzeugung nach oben.(Bravo  ! bei den Antisemiten.) Abg. Erzberger(C.): Ein Wort zu der gestrigen Debatte zwischen den Herren v. Gerlach und Kopsch. Wenn die männliche und iveibliche Linie des Freisinns eine Erttatour aufführen, so wird deshalb das Centrum keinen roten Kopf gekommen. Und sollte es gar zur Scheidung kommen, so würde die weibliche Linie ja sofort Aufnahme finden in den Hebe- vollen Arnren der Herren Singer �und Bebel(Heiterkeit im Centnum), Unruhe bei den Soc.). Das Schlagwort von der Einigkeit des Liberalismus wird durch diesen Streit jedenfalls wunderbar beleuchtet. Herr Singer hat behauptet, daß das Centrum erst in der letzten Zeit für die Postbeamten eintrete, und hat sich damit in Widerspruch gesetzt zu seiner eignen Aeußerung vom 28. Februar vor Js. Damals war er so objektiv anzuerkennen, daß auch andre Parteien für die Koalitionsfreiheit der Unterbeamten seit jeher eingetreten seien. Ihm wird auch nicht unbekannt sein, daß besonders die bayrische Fraktion sich stets der Koalitionsfreiheit dieser Beamten entschieden angenommen hat. Wenn wir aber in Süd- deutschland die Beamten aufforderten, sich zu organisieren, dann sind wir gerade in der socialdemokratischen Presse angegriffen worden. (Hört! hört! im Centrum. Zuruf des Abg. Hildenbrand ßSoc.j.) Es handelt sich dabei nicht um eine konfessionelle Vereinigung, Herr Kollege Hildenbrand I In der Sache selbst sind wir mit Herrn Singer also einverstanden. Wenn der Staatssekretär zugab, daß die Postbchörde mit den süddeutschen Vereinen viel besser ausgekommen wäre als mit den norddeutschen, so mag er sich doch einmal die Frage vorlegen, ob das wirklich nur an dem Ver« halte» der Po st unterbeamten gelegen hat. Vielleicht liegt es doch an dem mangelnden Ent- gegen kommen der Behörden in Norddeutschland. Der Staatssekretär sollte einer Verbindung der einzelnen Bereine, einem Verbände über das ganze Reich, nicht länger feindlich gegen- überstehen. Redner fragt an, ob die Postassistenten, die seiner Zeit ihr Ehrenwort gegeben haben, den: Verbände nicht beizutreten, jetzt nach Friedensschluß von diesem entbunden seien. Zur Sonntagsruhe übergehend, frage ich an. wie es mit den 2,8 Proz. der Beamten steht, die nacki der Erklärung des Staats- sekretärs nicht einmal jeden vierten Sonntag frei haben. Vielfach, zum Beispiel in Dortmund  , müssen Beantte am Sonntag wegen 12 Minuten Arbeitszeit sieben Stunden auf dem Amt sein. Die Resolutionen des CentruinS sind leicht durchführbar. Dem Abänderungsantrag der Nationalliberalen kann ich persönlich zustimmen. Wir hoffen, daß alle Vorgesetzten ihr sociales Gewissen schärfen und den Unterbeamte» die Feier deS Sonntags möglichst wenig verkürzen. Die Wohnungen für Unterveamte sind vielfach zu klein, das Reich hat in den letzten Jahren die Mieten erhöht (Hört! hört! im Centrum und bei den Socialdemokraten); eS ist dringend notwendig, den Wohnungsgeldzuschuß zu erhöhen. Abg. Btetzger(Soc.) führt Beschwerde darüber, daß in Finken- Werder bei Hainburg   eine Postagentur in ein Wirtshaus verlegt worden ist. Für viele Leute bedeutet infolge dessen bei ihrer Wirt- schaftlichen Abhängigkeit ein Gang zur Post zugleich einen Gang ins Wirtshaus. Der Herr Staatssekretär sollte die Ober-Postdirektion beauftragen, die Sache in andrer Weise den Wünschen der dortigen Be- völkcrung entsprechend zu regeln. Weiter wird Beschwerde darüber ge- führt, daß man Finkenwcrder das Telegraphenamt genommen und statt dessen eine Fernsprechstellc eingerichtet hat, die bereits um 6 Uhr geschlossen wird. Ich hoffe, es wird nur dieser Anregung be- dürfen, um den Herrn Staatssekretär zu veranlassen, auch diese An- gelegenheit gründlich zu untersuchen.(Bravo  ! bei den Social- demokraten). Abg. Krösell(Ant.) beklagt sich darüber, daß in Leipzig   zu Gunsten der Großindustriellen eine dreimalige Schalteröffnung am Sonntag eingeführt sei. Redner tritt des weiteren für eine Auf- besserung der höheren Postbeamten ein. Abg. Schweickhardt(südd. Vp.) befürwortet die Resolutton Erz» berger auf Portofteiheit der Soldatensendungen. Abg. Dr. Potthoff(frs. Vg.>: Auf die Angriffe des Herrn Kopsch gegen meinen Freund v. Gerlach ivill ich nicht eingehen. Herr v. Gerlach wird ja vielleicht selbst Gelegenheit haben, diese Angriffe zurückzuweisen, und ich habe das Zutrauen. daß er das in genügendem Maße verstehen wird.(Unruhe links. Zuruf bei der Freis. Volkspartei: Na, na I) Ich möchte aber doch meinem lebhaften Bedauern Ausdruck geben über die Angriffe des Abg. Kopsch und über den Ton. dessen er sich bediente.(Zuruf bei der Freisinnigen Volkspartei: Brömel im Abgeordneten- hause!) Damit wird dem Liberalismus und dem Ziele, eine Einigung und Kräftigung des Liberalismus ftir die Zukunft vor- zubereiten, gewiß kein Dienst geleistet. Es gäbe doch für einen stet- sinnigen Reichstags-Abgeordneten wohl höhere Ziele, als daS ohnehin schon so kleine Häuflein der bürgerlichen Linken durch solche gewiß nicht notwendigen Angriffe noch weiter zu schwächen und dadurch auf der rechten Seite deS Hauses Beifall und Schadenfreude zu erregen.(Zustimmung b. d. Freisinnigen Vereinigung.) Die Postbeamten in Waldeck   sind besonders ungünstig gestellt. Sie müssen mehr Steuern zahlen als ihre preußischen Kollegen und werden sogar zu Wegebaulasten herangezogen. Auch die Volksschule ist in Waloeck nicht frei. Natürlich können die Gehälter in Waldeck  nicht höher bemessen werden als im andren Deutschland  , aber man sollte ihnen auf dem Verwaltungswege eine Entschädigung in Form von Teuerungszulagen usw. gewähren. Staatssekretär Kraetke: Die vorgebrachten Wünsche sollen ge­prüft werden. Stellt sich etwas Ungehöriges heraus, so wird Abhilfe geschafft werden. Die Frage des Zeirungstarifs ist seiner Zeit bis ins kleinste geprüft worden, noch im letzten Moment sind die Gebühren ermäßigt worden. Den Sonntagsdienst bemühen wir uns nach Möglichkeit einzuschränken. Abg. v. Gerlach(Hosp. d. frs. Vp.): Ich bin mit dem Herrn Abg. Kopsch vollkommen eines SimieS darin, daß eS nicht erfreulich ist, wenn die Zeit dieses hohen Hauses in Anspruch genommen werden muß, um Preßpolemiken fortzusetzen und persönliche Reibereien auszufechten. Gerade deshalb hatte ich die vorübergehende Erwähnung derFreisinnigen Zeitung" in eine möglichst harmlose Form gekleidet, indem ich voneinem liberalen Blatte" sprach. Aber diese nebensächliche Erwähnung eines liberalen Blattes ich sprach nicht einmal von einemfreisinnigen" Blatte (Lachen rechts) bot Herrn Kopsch die Ivillkommene Gelegenheit, um. wie man sagt, vom Leder zu ziehen.(Heiterkeit.) Ich fand in seinen Ausftihrungen lediglich ein etwas komisches Moment, insofern als er sich die erdenklichste Mühe gab, zu schütteln und zu schütteln, bis ihm der Herr Präsident das Weiterl chütteln untersagte. Daß Herr Erzberger   sich bei diesem Streite als tortius gauckens aufspielte, kann ich ihm absolut nicht verdenken. DaS Charakteristtsche aber war. daß während der Ausführungen des Abg. Kopsch gegen mich eine Jubelstimmung auf der rechten Seite herrschte. daß das ausgesprochen wurde, was ihnen auf dem Herzen lag. Selbst bei den Rednern der Rechte» herrscht dort solche Stimmung fast nie.