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Nr. 76.

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Ericheint täglich außer Montags.

dall

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

21. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr

Beträgt für die sechsgespaltene Rolonel geile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins. und Bersammlungs- Anzeigen 25 Pfg. Kleine Anzeigen", das erste( fett­gedruckte) Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Bfg. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inferate für bie nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet.

Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Abonnements- Einladung.

Mit dem 1. April 1904 eröffnen wir ein neues Abonnement auf den Vorwärts" mit seinem wöchentlich fünfmal erfcheinenden Unterhaltungsblatt und der Sonntagsbeilage ,, Die neue Welt".

Für Berlin nehmen sämliche Zeitungsspediteure sowie unsre Expedition, Lindenstrasse 69, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

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Unter Kreuzband direkt von der Expedition bezogen kostet der Vorwärts" pro Monat 2 Mark innerhalb Deutschlands und seiner Kolonien, in Oestreich- Ungarn und Luxemburg , im Ausland 3 Mark pränumerando.

Redaktion und Expedition des Vorwärts".

Dunkelarrest und Peitschenhiebe.

Neue Urkunden zum Strafvollzug. " Nach den neuerdings getroffenen Anordnungen 10 wird jeder Gefangene durch die in der Zelle aus gehängten Verhauungsvorschriften in den Stand ge­fetzt, sich über die ihm obliegenden Pflichten genau zu informieren.

Wird die Beobachtung dieser Vorschriften streng überwacht und jede Üebertretung unnachsichtlich ge­ahndet, so wird die Freiheitsstrafe für zahlreiche Ge­fangene selbst dann, wenn sie zeitweise nicht beschäftigt werden können, einen Charakter annehmen, welcher ihnen die Rückkehr in das Gefängnis nicht wenigstens als wünschenswert erscheinen läßt."

"

Erlaß vom 14. März 1882.

Mittwoch, den 30. März 1904.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.

V.( Verhandelt.)

Verweis; Rapport 16. d. M.

10. II. 94.

gez. Decker, Direktor.

17. II. 94.

pro 1.-15./II.

foll 13 Bensa

hat 4" P

weniger 9 Pensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor. Trotzdem er schon beim Militär Schneiderarbeit gemacht hat, wird er jetzt doch fauler; 7 Tage Dunkelarreft. Rapport 1./III. 17. II. 94. gez. Decker, Direktor.

Princip . Der metaphysische Zweck des Strafvollzuges ist nicht etwa die Erziehung zur staatsbürgerlichen Brauchbarkeit, sondern die Brechung des bösen Willens durch Abschreckung. Man will die fündigen Seelen beugen, erreicht allerdings damit nur, den Körper zu ruinieren und jede Widerstandsfähigkeit zu vernichten. Das Verbrechen geht seiner Natur nach aus nichts anderm hervor tie aus mangelnder Widerstandsfähigkeit entweder gegen den eignen pathologischen Trieb oder die Anreize wirtschaftlicher Schwierig keiten. Anstatt daß nun der Strafvollzug den Willen zu erziehen und zu stählen sucht, damit sich der Verbrecher in der Freiheit üblen Einflüssen zu entziehen vermag, wird der Mensch vollständig ver­früppelt, seine Energie gelähmt, bei längeren Strafen für vom 17.- 24. II. 94. immer. Daher muß der Sträfling nach nach seinem Aus­tritt aus der Strafanstalt sofort der ersten besten Ver­führung zum Opfer fallen und er ist noch weniger als zuvor fähig, fich in dem furchtbaren Getriebe des Wirtschaftslebens auf­recht zu behaupten. Der Strafvollzug wird so zur Schule des Ver­brechens, und die Erscheinung der Rückfälligkeit ist lediglich die Folge dieses wahnsinnigen Systems.

-

Verbüßt

2. III. 94.

pro Februar foll 18 Pensa

B.

"

hat 5 weniger 13 Bensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Schon teilweise dafür bestraft; Rapport 16. cr. 2./II. 94. gez. Decker, Direktor. 19. III. 94. pro 1.-15./III. soll 13 Bensa hat 6 weniger 7 Pensa

"

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

V. Nochmals 7 Tage Dunkelarreft. Rapport 1./4.

19./III. 04. gez. Decker, Direktor.

Verbüßt

3. IV. 94,

In der Vereinigung des himmlischen und irdischen Princips ent­falten sich dann erst völlig die Schrecken des Strafvollzugs. Bumal auf dem Gebiet der Krankenheilung und der Disciplinarstrafen feiert die Vereinigung ihre höchsten Triumphe. Die Krankenpflege foll einmal so billig wie denkbar sein daher große Eparsamkeit in der Auswahl und Anwendung der Medikamente, dann aber darf die Krankheit ja nicht zum Vergnügen werden; deshalb wird sie entweder nicht geglaubt oder dort, möglichst abschreckend" behandelt. Jeder der Gelegenheit hatte, längere Zeit im Gefängnis mit Sträf= lingen zu verkehren, wird dort die entsegliche Vorstellung unter vom 19.- 26. 3. 94. ihnen verbreitet gefunden hohen, daß der Strafvollzug eigentlich den 3wed habe, die unnügen Mitglieder des Staates so rasch wie mög­lich unter die Erde zu bringen. Von dem zweifellosen Erfolg des Strafvollzugs das Totenglöcklein läutet im Gefängnisse um ein Vielfaches öfter als in der Freiheit schließen sie auf eine natürlich nicht bestehende. Absicht.

Die Disciplinarstrafen vollenden dann würdig dieses

pro März foll 21 Pensa hat 10 weniger 11 Bensa

"

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

B. Nochmals 7 Tage Dunkelarrest. Rapport 1/5. 94.

3./4. 94. gez. Decker, Direktor.

Verbüßt

ungeheuerliche System: hier wird auf die billigste Weise der Willen gebrochen". Und diese verschärfte Willensbrechung wird so zur Ge- vom 3.-10./4. 94. iwohnheit, daß sie sofort verhängt wird, sobald sich der Gefangene irgendwie nicht in die Gefängnisordnung fügt, bisweilen nur wegen

eines unabwendbaren physischen Mangels.

4. 5. 94,

pro April foll 19 Pensa hat 13

V.

11 Tage Dunkelarreft.

Verbüßt

weniger 6 Pensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Rapport 1./VI. 94. 4. 5. 94. gez. Deder, Direktor.

Die Liste der Disciplinarstrafen ist schon in Gefängnissen von einer fürchterlichen Reichhaltigkeit. Algemein zulässig sind: 1. Ver­weis, 2. Entziehung von Vergünstigungen, 3. Entziehung der Lektüre, 4. Entziehung der Arbeit bis zur Dauer einer Woche( auch für den Faulsten eine wahre Marter!). 5. Entziehung der Bewegung im Freien bis zur Dauer einer Woche, 6. Entziehung des Bettlagers bis vom 4.- 15. 5. 94. zur Dauer einer Woche, 7. Kostschmälerung, 8. einsame Einsperrung bis zur Dauer von sechs Wochen. Die Nummern 1 bis 7 können nach Belieben miteinander zur Anwendung gelangen. Die Arreststrafe aver( Nr. 8) darf verschärft werden durch die vorher­gehenden Strafen und außerdem durch die Verdunkelung der Zelle.

4. 6. 94.

pro Mai soll 17 Bensa hat 10 weniger 7 Bensa

"

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

B.

11 Nächte Arrest. Rapport 1./7.

4. 6. 94. gea. Decker, Direktor.

Schließlich giebt es noch Entziehung des Kaufs von Zufaz­nahrungsmitteln und Geldstrafen im Gefängnis!- Entziehung des Arbeitsverdienstes bis zu zwei Monaten! Verbüßt Prügelstrafe ist in Gefängnissen nur für Minderjährige bis zu vom 4.- 15. 6. 94. 14 Jahren zulässig. Aber es ist bezeichnend für die humane Richtung unfres Strafvollzugs, daß die Fachleute längst wünschen, daß die Gefangenen zwischen 14 und 18 Jahren geprügelt werden dürfen, bei denen die sonstigen Disciplinarstrafen erfahrungsgemäß nicht zu wirken pflegen".

Im Zuchthause aber steigert sich die Höllenstrafe des Dunkel­arrestes durch Peitschenhiebe!

8. 7. 94.

pro Juni soll 26 Bensa hat 17

V.

weniger 9 Pensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Nochmals 11 Tage Dunkelarrest.

Rapport 1./8. 94. 3. 7. 94. gez. Deder, Direktor.

Verbüßt vom 3.-14./7. 94. In dieser Weise geht das noch durch ein ganzes Jahr weiter, nur daß statt der 11 Tage zur Abwechselung 14 Tage Dunkelarrest verfügt werden. 16. 7. 95.

pro Juni foll 12 Pensa

V.

"

hat 8 [ weniger 4 Pensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Der durch kein Gesetz, sondern lediglich auf dem Wege der Ver­waltungswillfür geregelte Strafvollzug in Deutschland beruht auf zweierlei Grundsägen, deren erste Gattung man unter dem Begriff der irdischen, deren zweite man als himmlische Principien zusammenfassen fann; sind diese höchst metaphysischer Natur, fo find jene von derbstem Materialismus" diftiert. Der Und man denke nicht etwa, daß diese unsäglich grauenhaften Strafen irdische Strafvollzug ist durch das bureaukratisch fistalische nur eine Seltenheit sind, nur in wenigen Ausnahmefällen angewendet Interesse bestimmt: Der Gefangene soll möglichst wenig kosten werden. Man wendet die schärfste Strafe wie etwas Gewöhnliches und möglichst wenig Scherereien bereiten. Die fiskalische Sparsam- in einer grauenhaften Häufung an, und man wird aus den folgenden feit ist bis zum äußersten durchgebildet und bedient sich dabei der Buchthaus atten, die wir als weiteren Beitrag zu dem neuer­bedenklichen Methoden. Nicht nur, daß alle Konsumartikel des Ge- dings veröffentlichten Anklagematerial gegen den Strafvollzug ver­fängnisi so billig wie möglich find- Belle, Essen, Licht, Kleidung; öffentlichen, ersehen, daß sich da sogar das Unsägliche begeben kann, selbst as Wasser wird in manchen Gefängnissen durch keinerlei daß im Sinne der Disciplinargewalt Unschuldige Jahre hindurch wirksame Filtrationsanlagen von seinen natürlichen Ver- der qualvollsten Marter unterworfen werden können. unreinigungen befreit und so verteuert- man verpachtet sogar, z. B. in Blößensee, die Lieferung der Zusagnahrungsmittel, die der Ge­fangene sich von einem Teil seines Arbeitsverdienstes kaufen kann; der Bächter seinerseits liefert dann für teures Geld häufig so schlechte Ware, wie es die Gefängnisverwaltung selbst nicht wagen dürfte, hinter der Ziffer lebte und litt. wenn sie den Vertrieb hätte. Der fiskalische Grundfas bringt es ferner mit sich, daß der Gefangene so vorteilhaft wie möglich aus­gebeutet wird. Seine Arbeitskraft wird an einen Unternehmer ver Diese Nummer erhielt ein gewisser Friedrich Kreiser, der an­tauft und aufs äußerste ausgenugt. Um die Ausnutzung so rentabel wie möglich zu gestalten, wird eine völligen Stumpffinn bewirkende fangs 1894 in die Strafanstalt Lichtenburg eingeliefert wurde. Arbeitsteilung bis zur letzten Konsequenz durchgeführt, so daß Wegen Sittlichkeitsverbrechens er hatte ein 30 jähriges Mädchen Sofort zu Protokoll bernehmen. 6. 8. 95. etwa ein Gefangener fünf Jahre lang von Morgen bis Abend Tag unzüchtig berührt war er zu zwei Jahren Zuchthaus und den gez. Deder, Direktor. für Tag nichts weiter zu thun hat, als die Puppen" von Bettstellen üblichen Nebenstrafen verurteilt. Der Mann war 46 Jahre alt und Verhandelt Strafanstalt Lichtenburg, den zu polieren. Es bedarf keines Beweises, wie wenig diese Arbeits- Steinbrucharbeiter. Weil er vor mehr als 20 Jahren beim Militär 6. 8. 1895. teilung geeignet ist, den Gefangenen für den Kampf ums Dasein in Schneiderarbeit gemacht hatte, wurde er den Sträflingen zugeteilt, Borgeführt erscheint der Sträfling Friedr. Kreiser, der Freiheit wehrhafter zu machen. die für Militärbehörden mit Schneiderarbeiten beschäftigt werden. um zu der Anzeige vom 6. d. Mts. vernommen zu werden. Der selbe erklärt:

"

Es ist die Schredenstragödie einer Biffer", die wir nach den Urkunden erzählen im Zuchthaus giebt es keine Namen, nur Nummern und man hat mit dieser Ziffer abschreckend" gerechnet, als ob man in der That vergessen hätte, daß ein Mensch

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*

Nr. 6410.

Auf der andern Seite zielen alle Gefängnis- Instruktionen darauf Daß einem Manne, der feit jener langen Zeit Steine gebrochen, hin, daß der Gefangene andern Leuten keine Mühe macht. Man die Führung der Nähnadel nicht gerade leicht wurde, erivies sperrt ihn ein, giebt ihm keine Möglichkeit, sich in freierer Bewegung fich denn auch bald. Anfangs Februar 94 beginnt seine Leidens­unzulässig zu bethätigen und erstickt durch ein kunstvoll kompliziertes geschichte. bureaukratisches Foltersystem jede Neigung, gegen die Gefängnis­ordnung anzurennen; der Kampf ums Recht ist im Kerker nicht beliebt.

Was die fiskalisch- bureaukratische Maschinerie etwa an fräftigem Menschentum noch übrig lassen sollte, nimmt dann das himmlische

Anzeige:

6410 10. II. 94. reiser

-O

-

19

soll pro Januar 25 Pensa hat

12

"

weniger 13 Pensa gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Wird immer fauler. Wenn er pro Juli nicht Benfum liefert, hat er Peitschenhiebe zu erwarten.

Rapport 1. 8. 95. 16./7. 95. gea. Deder, Direktor. 6. 8. 95. pro Juli foll 27 Pensa

2.

hat 18

"

weniger 9 Pensa

gez. Gebhardt, Arbeitsinspektor.

Infolge der vielen Arreststrafen, die ich wegen Unterpensum verbüßt habe, haben meine Augen gelitten und kann ich deshalb auf schwarzem Tuche die Naht nicht mehr sehen. Wegen schlechter Arbeit erhalte ich einen großen Teil zurück und nehmen dann die Nachbesserungen so viel Zeit in Anspruch, daß ich daneben mein Benfum nicht leisten kann. V. g. gez. Kreiser.

21.