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Beilage zumVorwärts" Berliner Volfsblatt. Nr. 149. Mittwoch, den 29. Inni 1893. 9. Jahrg. griffe ans Frankreich . 24. Juni 1892. Die sozialistischen Gemeindevertreter, denen man zumuthete. am Tage nach der Wahl auf ihre Mandate zu verzichten, haben nicht gezaudert und bald gezeigt, was sie können, und die Bour- geoisie sieht nun zu ihrer größten Ueberraschung. daß sie wissen, was sie wollen, und ihre Sache verstehen. Das Programm des Lyoner Kongresses, daZ den Lesern des Vorwärts" seinerzeit hier vorgelegt wurde, ist aus dem Wege verwirklicht zu werden. Ein ferneres gutes Vorzeichen, daZ auf die Regierung nicht wenig beunruhigend wirkt, liegt vor in der engen Verbindung der verschiedenen(31) sozialistischen Gemeindevertretungen unter- einander: Gleichlautende Resolutionen werden gleichzeitig in allen Städten gefaßt, wo die Unsrigen die Majorität haben. Wie zu erwarten war, galt der erste Ruf mochte er auch nach den bestehenden Gesetzen unzulässig sein, den die sozialistischen Gemeinderäthe in das Land hinausschickten, Euline und seiner sofortigen Freilassung; unnöthig zu erwähnen. daß die Prä- selten ihre bereitwilligst erfüllte Pflicht darin erblickten, diese Beschlüsse augenblicklich für null und nichtig zu erklären. Im Norden hat der Präfekt Veil. Durand, einer der Mitschuldigen von Fourmies, das Signal zum Kampfe gegen den ganz sozia- liftischen Gemeinderath von Roubaix und fernen Bürgermeister, unfern Freund Carelle, gegeben. Jndeß die Sozialisten hatten nichts Anderes erwartet, und nachdem sie so ihre erste Pflicht erfüllt hatten, begannen sie den ersten Artikel des Lyoner Konzresses. nach welchem die Stadt- Verwaltung den Schülern der städtischen Schulen die Nahrung liefern soll. energisch in die Hand zu nehmen. Unser Freund Lepers hat bei dem Munizipalrath von Roubaix beantragt, zu dieser Reform eine beträchtliche Anleihe aufzunehmen. Die bisher von der in kapitalistischen Händen befindlichen Stadt Roubaix diesem Zwecke gewidmete Summe betrug 60 000 Frks. Die Sozialisten haben sie auf 200 000 Frks. erhöht. Natürlich schreien nun die bürgerlichen Kreise Zeter ob dieser Vergeudung städtischer Gelder und petitioniren ohne Unterlaß an den Minister um die Auflösung des Rothes. Aber da alle von dem Lyoner Kongresse geforderten Re formen völlig gesetzlich und schon jetzt durchsetzbar sind, so ist die Regierung in großer Verlegenheit, besonders angesichts eines Gegners, der ihr nicht den geringsten Vorwand für eine Auf- lösung zu geben gesonnen ist. Man hat oft gesagt, Paris habe zu allen Zeiten in Frankreich an der Spitze aller Volksbewegungen marschirt doch unsere Sozialisten in der Provinz werden in Kurzem den Gemeinderath der Riesenstadt überflügeln und in Frankreich wie in Deutschland wird die hauptstädtisch« Verwaltung durch die Provinz dem Sozialismus gewonnen werden. Auch was die Frage des gesetzlichen Arbeitstages anlangt, haben die sozialistischen Gemeindevertreter seine Einführung für alle städtischen Arbeiten beschlossen und es bleibt hier nur noch die Entscheidung der Regierung abzuwarten. Doch kämpft die sozialistische Partei nicht minder un- ermüdlich wie in den Gemeinden, im Parlamente. Genosse Lafargue, der bei seiner AgitationStournee diesbezügliches Material in allen Theilen Frankreichs gesammelt hatte, brachte die Notre-dame de l'Ulsine"(heilige Mutter Gottes der Werkstatt), eine über das ganze Land ausgedehnte Unternehmervereinigung, die die Arbeiter zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu zwingen bezweckt, vor der Kammer zur Sprache. Im Unterschiede von den Radikalen, die hier nur eine Frage des Antiklerikalismus und eine Gelegenheil,Pfaffen auf- zuspeisen" sehen, theilte der sozialistische Abgeordnete seine Hiebe nach rechts und nach links aus und verschonte die Protestanten so wenig, wie die Katholiken oder die Juden. Der radikale Deputirte des Nordens, Moreau, der, ängstlich bedacht sich von seinen Kollegen nicht verdunkeln zu lassen, einen kleinen Vor- sprung gewonnen hatte, setzte vermöge der republikanischen Majorität einen Beschluß durch, der die VereinigungNotre Dame de l'Usine" verurtheilte, aber nicht etwa als einen Aus- wuchs des Unternehmerlhums, sondern als einen Mißbrauch des Katholizismus. Man setzte alles daran, Lafargue, der sich in der Kammer einer sehr mäßigen Beliebtheit erfreut, zu hindern,mit den Füßen in die Schüssel zu treten", wie der volksthümliche Ausdruck lautet, d. h. den Bourgeoisbrei zu versalzen, aber es war zu spät: Die Frage war einmal von dem ökonomischen und sozialen ins religiöse Gebiet hinübergespielt und man mußte wohl oder übel die Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt ver- schieben. Die sozialistische Arbeiterpartei hat, wie man sehen kann, seit einiger Zeit recht beträchtliche Fortschritte in Frankreich ge- macht und ihr Marsch auf das Terrain der Politik wirkt in den, denkbar stärksten Maße revolutionirend. Der Aufforderung, die derVorwärts" an uns ergehen ließ, als Antwort auf die Adresse, die unsere Partei nach den Wahlen an ihn sandte, der Aufforderung gemeinsam, einig mit allen anderen sozialistischen Fraktionen die Waffen zu ergreisen, ist seit dem Brüsseler Kongreß nachgekommen worden. Alle, die den Beschlüssen deS letzten Kongresses zustimmen, sind schon allein durch diese Thatsache unsere Waffenbrüder, so- daß die sozialistischen Parteien anderer Länder jetzt mit uns billigeriveise zufrieden sein können. B, pnfkciunrftvirfjteu. A» der Parteikonferenz für den 9. badischen Reichstags- Wahlkreis, welche vorvergangenen Sonntag in D u r 1 a ch statv- fand, nahm eine Anzahl Parteigenossen aus Durlach , Pforzheim und Umgebung lheil. Ferner war der Reichstags-Abgeordnete Bios anwesend. Die Aussichten sind nach den gegebenen Schil- derungen in diesem Wahlkreise für unser- Partei sehr günstig. Bezüglich der Agitation wurde beschlossen, ein gut ausgearbeitetes und besonders für die Landbevölkerung leicht verständliches Flug- blatt zu verbreiten. Auch sollen in Zukunft zahlreichere Ver- sammlungen stattsinden; Genosse Bios erklärte sich zur Abhaltung derselben bereit. Zwecks besserer Organisation sollen in jedem Ort. wo kein Wahlverein besteht, ein oder mehrere Vertrauens- männer ernannt iverden. Jedes Frühjahr soll eine Wahlkreis- Konferenz stattfinden, und jedes Spätjahr eine Vertrauensmänner- Konferenz. Außerdem wurde beschlossen, daß die Landesorgani- sation dem Wahlkreis«ine größere Anfmerksamkeit zuwenden solle. Genosse K a 1 n b a ch aus Karlsruhe erklärte sich bereit, in nahe gelegenen Orten des Wahlkreises bei der Agitation mitzu- wirken, was seitens der Parteigenossen des 9. Wahlkreises durch Mitwirkung im 10. Wahlkreis ausgeglichen wird. Fiskalischer Boykott. Fünfzig von der M i l i t ä r- B e- Hörde boykottirte Chemnitzer Gastwirthschasten, Produkten- Handlungen:c. bringt derChemnitzer Beobachter" den Arbeitern zur Kenntniß. Durch diesen Boykott sollen die Soldaten vor den sozialdemokratischen Ideen behütet werden mit welchemEr- folge" pfeifen ja die Spatzen von allen Dächern. Gegen jene Sorte des Boykotts nun hat die bürgerliche Ge- sellschaft nichts einzuwenden, und wenn auch Eugen Richter , des- wegen angezapft, stets mit frommem Augenaufschlage behauptet, er billige den fiskalischen Boykott ebensowenig wie densozial- demokratischen", so weiß alle Welt, daß sie von den Versiche- rungen dieses freisinnigen Stöcker's nicht mehr zu halten hat, als von den Versicherungen des echten. »« Ter sächsische» Gemeindevertretertag, welcher seitens sozialdemokratischer Gemeinderathsmitglieder einberufen worden ist,' trat am 26. Juni in Hohenstein-Ernstrhal zu- sammen. Es haben sich 140 Vertreter aus den verschiedensten Theilen des Landes eingefunden, von denen mehrere von Ge- meinderathskollegien delegirt sind. * Sozialdemokratische Presse. Das in Plauen erscheinende Vogtlänvische Volksblatt" wird vom 1. Juli ab unter dem TitelSächsisches Volksblatt" herausgegeben. Es ist Parteiorgan für den 13., 22. und 23. sächsischen Reichstags- Wahlkreis. »» TaS schweizerische Parteikomitee beantragte nach Unter- suchung des Streites, welchen der Journalist E n d e r l i mit Robert Seidel, dem Redakteur der Züricher Arbeiterstimme" führt, bei der Züricher Mitgliedschaft die Ausschließung Enderli's aus der Partei. «» Polizeiliches, Gerichtliches re. AuS dem gastlichen Sachsen . Der Steinmetz Novotney, österreichischer Staatsangehöriger. bisher in Laubegast wohnhaft, Mitglied des dortigen sozialdemokratischen Arbeitervereins, erhielt am Freitag von der königl. Amtshaupt- Mannschaft Dresden-Neustadt den Befehl, Sachsen und das Bundesgebiet binnen dreimal vierundzwanzig Stunden zu ver- lassen. Wegen Beleidigungfvon Kriegervereinlern hat der Redakteur Osterburg von der HalberstädtcrSonntagszeitung" 300 M. Geldstrafe zu bezahlen oder einen Monat Gesängniß zu ver- büßen. Dem Reichsiags-Abgeordneten August Heine in Halber st adt war nach Schluß der Reichstagssession eine An- klage zugegangen, laut welcher er durch einen in Eichstedt am 20. September 1891 gehaltenen Vortrag zu Gewaltthätigkeiten aufgereizt und Staatseinrichtungen durch Verbreitung entstellter Thatsachen verächtlich gemacht, kurz gegen die tz§ 130 und 131 des Strafgesetz-Buchs verstoßen haben sollte. Auf eine umfassende Erwiderung gegen den Strasantrag nebst Beweisanträgen des Angeklagten ist demselben nun dieser Tage folgende Zustellung zugegangen: Beschluß. In der Strafsache gegen den Hutfabrikanten August Heine, hier, wegen Vergehens gegen§§ 130, 131 des Strafgesetz-Buchs wird die Eröffnung des Hauptverfahrens ab- g el e h n t, da 1. in der Bezeichnung der Großgrundbesitzer und Zuckerfabrik-Besitzer alsRäuber",Blutsauger" undAus- beuter" eine öffentlich« Anreizung verschiedener Klassen der Be- völkerung zu Gewaltthätigkeiten nicht gefunden werden kann. 2. bei den ungenügenden Feststellungen über den Wortlaut der inkriminirten Rede des Angeschuldigten und über den Zusammen- hang der einzelnen Stellen derselben eine Absicht desselben, Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu Tage getreten ist; auch nicht zur Genüge erhellt, daß der Angeschuldigte Kennt- » oder auch nur das Bewußtsein von der Erdichtung bezw. Entstellung der von ihm behaupteten Thatsachen gehabt hat. Die Kosten des Verfahrens werden der Staatskasse auferlegt. Halber. stadt, den 16. Mai 1892. Königliches Landgericht. Strafkammer. gez. Heldberg. Neblung. Leue." In Burg wurden die Parteigenossen K. Pohlmann und Steiger wegen Beleidigung der Polizei zu 50 bezw. 75 M. Geldstraf« verurtheilt. Sie hatten in einer Versammlung erklärt, daß die Polizeibehörde die Saalinhaber unterdrücke resp. dahin beeinflusse, daß sie ihre Säle zu sozialdemokratischen Versamm- lungen nicht hergäben. Der Wahrheitsbeweis dieser Thatsachen gelang ihnen indeß nicht, da die beiden als Zeugen vernommenen Saalinhaber Schuhmann und Lorenz sich nicht mehr erinnern konnten, derartige Aeußerungen zu den Angeklagten resp. ihren Entlastungszeugen gethan zu haben. Wie der in S o n n e b e r g erscheinendeThüringer Volks- freund" mittheilt, hat dessen früherer Redakteur August Burk- Hardt wegen einer Erkrankung, die er sich wie er vermuthet in einem Gesängniß durch Ansteckung zugezogen hat, den Reichs- tags- Abgeordneten Rechtsanwalt Stadthagen mit einer Klage gegen den preußischen Fiskus beauftragt. In Schwinde a. d. Elbe , 16. hannoverscher Wahlkreis (Lüneburg - Winsen ) sollte am 26. Juni eine Volksversammlung im Wohngebäude des Arbeiters Lühmann stattfinden, weil ein anderes Lokal für die Versammlung nicht zu bekommen war. Der Landrath verbot jedoch die Versammlung, weil das Wohnhaus des Arbeiters zur Abhaltung einer solchen aus baupolizeilichen Gründen ungeeignet wäre. Die in Solingen erscheinendeBergische A r b e i t e r st i m m e" sollte die dortige Ziegeleiftrma E. Küllen- berg in einem Artikel beleidigt haben, worin die Behandlung der jugendlichen Arbeiter scharf kritisirt war. Der Staatsanwalt beantragte gegen den Redakteur, Reichstags- Abgeordneten Schumacher, 30 M. Geld- bezw. 5 Tage Gefängnißstrafe, das Elberselder Gericht erkannte jedoch auf kostenlose Frei- sprechuna. In dem Artikel war u. A. mitgetheilt, daß ein Junge, welcher kaum das 15. Lebensjahr zurückgelegt hat. jeden Tag von Morgens 4»/, bis Abends 8>/- Uhr harte Arbeit verrichten müsse, daß die Arbeit für eine Anzahl anderer, aus Oberschlesien ein- geführter 1713 jähriger Burschen viel zu anstrengend sei, was man an den glanzlosen Augen und den abgehärmten Gestalten dieser Armen sehen könne; ferner bekämen dieselben feit ihrem Dortsein fast ohne Ausnahme jeden Mittag Erbsen und Abends Reis zur Mahlzeit, so daß sie nicht einmal etwas Abwechselung in der Kost bei ihrer eintönigen und geistesmordenden Beschäfti- gung hätten. Der Staatsanwalt entgegnete u. A., die minder- jährigen Arbeiter Hütten aus freien Stücken die lange Arbeitszeit gewählt, und der Abgeordnete Schumacher wolle keine Schutz- gesetze, sondern nur Haß schüren. Tarauf entzog der Präsident dem Staatsanwalt das Wort mit der Bemerkung, er dulde nicht, daß er den Angeklagten beleidige. Nach dem bayerischen Vereinsgesetz dürfen in Versammlungen höchstens zwei Polizeibeamte gesandt werde». In einer sozialdemokratischen Versammlung zu K e m p t e n, die am 1. Mai stattfand, waren aber deren fünf in amtlicher Eigenschaft erschienen. Auf die Beschwerde darüber erklärte der Magistrat u. A., die Sorge für Ausrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung seietwas von der Ueberwachung einer politischen Versammlung Getrenntes; hierzu können und müssen so viele Polizei-Organe abgeordnet werden, als eben erforderlich zu sein scheinen". Unsere Kemptener Genossen waren nicht der- selben Meinung, sondern sie gingen an die Regierung von Schwaben und Neuburg und diese wie» daraus de» Kemptener Magistrat an, in Zukunft bei Volksversammlungen von der Auf- stellung von Schutzmannschaften im Versammlungsraum über- Haupt abzusehen, insofern nicht außergewöhnliche Vorkommnisse oder Verhältnisse ein Abweichen von dieser Regel als nothwendig erscheinen ließen. Zu letzterer Eventualität bieten sozialdemo- kratische Versammlungen bekanntlich keinen Anlaß. Doketles. Der SO. deutsche Aerztetag, der am 27. Juni in Leipzig zusammengetreten ist und auf welchem 149 Vereine mit 10 600 Stimmen durch etwa 100 Delegirte vertreten sind, zeigt so recht, wie auch die Aerzte in ihrer Majorität ganz aus den Stand- punkt der ausbeutenden Bourgeoisie, ja noch tiefer aus den des kleinbürgerlichen Jnnungszopsthums herabgesunken sind. Es zeigte sich dies recht deutlich bei der Äerathung der Vorschläge des Geschäftsausschusses für dieBeziehungen der Aerzte zu den Berussgenossenschasten." Diese Berufsgenossenschaften, denen die Unfallversicherung übertragen ist, sind nur reine, unvermischte Unternehmerverbände. Sie stehen den Arbeitern als Partei gegenüber, und ihreVertrauensärzte" sind von ihnen besoldete und abhängige Aerzte. Daß der Aerztetag die Unabhängigkeit der Aerzte, ihre Vertrauensstellung ohne Unterschied des Standes und der Partei betonen sollte, ist freilich kaum zu erwarten. Es ist'auch nicht einmal zur Sprache gekommen. Tie Aerzte scheinen mit der abhängigen Stellung von Bediensteten der Unternehmer-Genossenschaft ganz zufrieden zu sein, haben gegen dieselbe nichts einzuwenden, wenn sie nur für sich persön- lich etliche Vortheile aus derselben ziehen. Unter den Forderungen des Aerztetages finden wir auch folgende:In den Vorständen der Berufsgenossenschaften und deren Sektionen, sowie im Reichs- Versicherungs-Amte sollte ein Arzt Sitz und Stimme haben." Wir befürworteten letzteres selbst, doch möchten wir uns sehr da- gegen verwahren, den Arzt des Reichsverstcherungs-Amts mit denen der Berufsgenossenschaften zu konfundiren oder gar aus deren Kreise zu nehmen. Das würde das Reichsversicherungs-Amt aus der Vertrauensstellung, die es bisher einnimmt, herabziehen. TaS Polizeipräsidium hat derVerl . Ztg." zufolge die vom Magistrat gemachten Abänderungs-Vor­schläge zu der neuen Polizeiverordnung, betreffend die Kellnerinnen in Schanklokale» abgelehnt. Die Ferien der hiesigen Gemeindeschulen und Privat-Elementarschulen sind für die zweite Hälfte dieses Jahres festgesetzt, wie folgt: die S o m m e r f e r i e n: Schulschluß: Freitag, den 8. Juli, nach Schluß des Nachmittags-Unterrichts: Beginn des Unterrichts: Montag, den 8. August; die Michaelisferien: Schluß des Sommerhalbjahrs: Freitag, den 30. September; Beginn des Winterhalbjahres: Donnerstag, den 13. Oktober; und die W e i h n a ch t s f e r i e n: Schulschluh: Mittwoch, den 21. Dezember; Beginn des Unterrichts: Donnerstag, den 5. Januar 1393. Die Sportfexerei hat am Sonntag wieder in vollster Blüthe gestanden. In Halensee Radfahrer, in Grünau Ruderer, in Hamburg Derby-Rennen. Für die Arbeiter sind Sport- Vergnügungen unerreichbare Sachen, sie sind nur vorhanden für die Leute, welche esdazu haben". Die Arbeiter werden höchstens als Statisten zugelassen, wenn sie das Geld für den letzten Platz zahlen können. Die große Mehrzahl kann und will das nicht, und so ist es am besten, wenn die Bourgeoisie ihre Wettfahrten und Wettlaufen ganz unter sich feiert. Das Radfahren und Rudern sind im Vergleich zu den Pferderennen noch immer harmlose Vergnügungen. Ohne eine gute Dosis Fexerei geht es natürlich auch dabei nicht ab, man verleiht" den Siegern Medaillen und Orden, aber das sind eben nur Spekulationen auf die menschliche Eitelkeit, ohne welche es heutzutage nicht mehr abgeht. Bei den Pferderennen aber ist der Ausschlag gebende Faktor die Spekulation aus die Gewinnsucht der urtheilslosen Menge. DieHebung der Pferdezucht" ist nur ein Aushängeschild, die Hauptsache ist der Totalisator. Von all den Gevattern Schuster, Schneider, Handschuhmacher, Schlächter, Bäcker und Budiker kümmert sich kemer auch nur einen Pfiffer- ling um die Pferdezucht und deren Hebung. Die Leute sind vom Splelteasel erfaßt, sie wollensetzen" und wetten und möglichst hohe Gewinne mit nach Hause schleppen. Es wirkt geradezu komisch, wenn die strenge Justiz des Klassenstaates einen kleinen Buchmacher beim Kragen nimmt und dem Gericht über- antwortet, nachdem sie vorher zu dem Aufstellen des Totalisators ganz feierlich Ja und Amen gesagt hat. Und dann kommen die tugendsamen Leute und wollen den gläubigen Schafen einreden, daß nur durch Arbeit, nochmals Arbeit und immer noch einmal Arbeit der Mensch sich erhalten könne. Das gilt für Hunderttausende und Millionen, aber es gilt nicht für die Tausende, welcher den Besitz an sich gebracht haben. Die haben nicht nöthig zu arbeiten, dazu halten sie sich ihre Leute. Es verschlägt wenig, wenn diese Bevorzugten das Gold, was ihnen ihr« Arbeiter in einer Woche verdienen, in einer Viertelstunde am Totalisator ver- spielen. Die Arbeiter verdienen ihnen ja in der kommenden Woche von Neuem schönes blankes Gold.... Wenn aber einer oder der andere der Gevatter Budiker sich beim Totalisatorspiel ruinirt, so werden wir uns die Haare des- halb nicht ausreißen. Es giebt dann wieder einen Proletarier mehr, den unsere vorzügliche Gesellschaftsordnung selbst ge- züchtet hat. Die Gesellschaft, welche sich auf den Rennplätzen zusammen findet, ist gemischt in des Wortes wirklichster Bedeutung. Buch- macher und Bauernsänger bekunden ihr Interesse an derHe- bung der Pferdezucht" ebenso gut wie Freiherrn , Baron«, Grasen und weitere Geistesheroen. Natürlich herrscht das zweierlei Tuch vor, und der Lieutenant, welcher sein Pferd am kunst- gerechtesten zu Tode gehetzt hat, wird als Held des Tages ge- feiert. Die Rennfexerei hat auch seineGiggerln" gezeitigt, welche zu den Bornirlesten der Bornirten ihrer Gattung zu rechnen sind. Diese Kerls sehen aus. als ob sie direkt dem Affenhaus des Zoologischen Gartens entsprungen wären. Diese ganze RenngeseUschasl ist eine Zierde des Staates, wer sehen will, was sür Menschenmaterial der Klassenstaat hervor- gebracht hat, der muß einen Rennplatz besuchen. Es ist wirklich und wahrhastig ein Genuß! Arbeiter-VildiingSschnle. Sonntag, den 26. d. M., unter«. nahm die Nordschule ihren lang geplanten Ausflug. Schon am frühen Morgen waren die ersten Theilnehmer von Bahnhof Wedding nach Westend abgefahren. Am Spandauer Bock rastete man ein wenig und nahm die ersten Nachzügler in Empfang. I» recht stattlicher Zahl ging's hinein in den grünen Wald, dessen Sonntagsstille durch Gesänge bald heiterer, bald ernsterer Natur durchaus nicht beeinträchtigt erschien. In Wilhelmshöhe , wo Mittagsrast gehalten wurde, verstand es Herr Ludwig, selbst Schüler der Nordschule, in kräftigen, kernigen Worten die Bedeutung der Arbeiler-Bildungsschnle klar zu legen.