Beraten. Die Pfingflserien sollen dann drei und eine Halde oche dauern, in den letzten beiden Ferienwochen aber sollen bereits die Kommissionen fitzen , damit gleich nach Ablauf der Ferien die zweiten Lesungen der noch ausstehenden Vorlagen vorgenommen werden können. Darüber hinaus wurde über die Zeit nach Pfingsten noch nichts beschlossen. Die Agrarier fordern die Vertagung des Hauses über den Sommer, weil angeblich die wasserwirtschaftliche Vorlage nicht in dieser Session durchberaten werden könne. Der Sinn der Forderung ist natürlich, daß sie diese Vorlage immer wieder als Trumpf in der Hand behalten wollen gegenüber den Handelsverträgen. Ehe nicht der Fünfmark- Mindestzoll und all' die andre Zollernte geborgen, bewilligt der Junker keinen Fuß Kanal. — Wie auch ein nationalliberalcr Schulmeister einmal zu einer umstürzlerischen Aeutzerung kommen kann und zwar in wohlvor- bereiteter Rede an hervorragender Stelle, wie eine solche edle Mannesseele den Frevel dann aber alsbald zu sühnen weih, davon lieferte dieser Tage Herr Dr. Berndt im preußischen Landtag ein schönes Beispiel. In der Sitzung vom 18. April plauderte dieser Herr in witziger Weise über deutsche Rechtschreibung; dabei entschlüpfte ihm— o Graus— der hochverräterische Satz:„Warum muß der„Thron" hier aber auch eine Ausnahme machen?" Unglücklicherweise brachten die Zeitungen— schamlos wie sie sind— diese Aeußerung in ihren Parlamentsberichten: Herr Dr. Berndt aber änderte das Stenogramm und so sind wenigstens die nunmehr vorliegenden offiziellen Berichte über die Verhandlungen des preutzi- schen Abgeordnetenhauses von dieser Verseuchung frei geblieben— der.Thron" ist noch einnial gerettet. Dieser Vorgang zeigt von neuem, wie wichtig es ist. daß kein Socialdemokrat die heiligen Hallen des Landtags betritt.— Ein Gendarm unter der Anklage des Meineids. Am 28. April vorigen Jahres(man beachte genau die Daten) gerieten drei junge Leute aus Schlaadt, die an dem Tage die Kontroll- Versammlung besucht hatten, in Oberöfflingen . Regierungsbezirk Trier , mit dem dienstthuenden Gendarmen aneinander. Die drei hatten in einer Wirtschast mit Leuten aus einem andren Orte einen Wortstreit gehabt. Der Gendarm bot zu gewöhnlicher Zeit Feierabend und begab sich dann auf dem Heimweg. Da hörte er angeblich die drei Schlaadter singen. Er folgte ihnen und forderte sie auf, ruhig nach Hause zu gehen. Bei der Gelegenheit hat der Gendarm einem der Leute eine Ohrfeige versetzt und den Mann beleidigt. Bald nachher, im Mai, erstattete der Geschlagene Anzeige, und am 16. Oktober tourde der Gendarm wegen Mißhandlung und Beleidigung vom Kriegsgericht zu zwölf Tagen gelinden Arrests verurteilt. Am 3. Juni erstattete der Gendarm gegen die Leute Anzeige wegen groben Unfugs(wohlgemerkt: nur wegen groben Unfugs I). Sie erhielten ein Strafmandat von 3 Mark, erhoben Einspruch, das Schöffengericht bestätigte die Strafe, die Strafkammer aber, bei der zwei der Leute Berufung eingelegt hatten, sprach sie frei. Darauf wurde gegen den Gendarmen infolge seiner Aussage Anzeige wegen Verletzung der Eidespflicht erstattet. Endlich, nachdem der Gendarm am 16. Oktober wegen Mßhandlung und Beleidigung verurteilt worden war, ging er und erstattete gegen die drei Reservisten wegen des am 28. April gewesenen Vorfalles Anzeige wegen— Zusammenrottung. Ungehorsams und thätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten. Es ist dies das schwerste Delikt, das das Militär-Strafgesetzbuch kennt, und es stehen als M i n d e st st r a f e fünf Jahre Gefängnis darauf. Es fand infolgedessen am 15. März d. I. gegen die drei Reservisten Verhandlung vor dem Kriegsgericht in Trier statt, wobei der Gendarm als Zeuge auftrat. Auf die Frage, weshalb er erst nach so langer Zeit, nach einem halben Jahre, mit einer so schwer- wiegenden Anklage gekommen sei, antwortete der Gendarm: er habe den Angeklagten nicht scharf entgegentreten wollen und einen bei dem Vorfall am 28. April empfangenen Stoß zunächst als lästige Zudringlichkeit aufgefaßt. Erst später, im Lauf der Prozesse(die sich gegen den Gendarmen richteten! I), sei ihm die Gewißheit geworden, daß es sich um einen in feindlicher Absicht unternommenen Angriff gehandelt habe. -- Das Gericht beschloß damals die Ladung weiterer Zeugen und Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des gegen den Gendarmen schwebenden Meineidsverfahrens. Dieser Tage fand die Verhandlung gegen den Gendarmen statt. Die Eidesverletzung soll darin bestehen, daß der Gendarm vor der Strafkammer bei der Verhandlung gegen die jungen Leute wegen groben Unfugs aussagte, er habe den Reservisten nicht geschlagen, son- dern nur eine„abwehrende Handbewegung" gegen ihn gemacht. Das Kriegsgericht sprach den Gendarmen frei, da seine Darstellung glaubhaft erscheine. Nun wird sich das Kriegsgericht wieder mit der Anklage gegen die drei Reservisten— Reservisten stehen bekanntlich am Tage der Kontrollversammlung unter dem Militärrecht— befassen. Es ist un- verständlich, daß das Kriegsgericht sich auf die Manöver des Gen- darmen eingelassen hat: Am 28. April sollen sich die Angeklagten zusammengerottet und einen Vorgesetzten angegriffen haben; am 3. Juni erstattet dieser Vorgesetzte gegen die Angeklagten Anzeige wegen � groben Unfugs; am 16. Oktober wird der Vorgesetzte wegen Mißhandlung und Beleidigung eines der Angeklagten verurteilt, und am 13. Oftober beschuldigt der Vorgesetzte die Angeklagten eines Delikts, worauf fünf Jahre Gefängnis als Mindeststrafe stehen l Demokratisches ans Baden. Es wird uns berichtet: Die bereits erwähnte Abstimmung der O f f e n b u r g e r Demokraten für die Verfchenkung eines öffentlichen Stadtareals von 33 Ar als Kirchenbauplatz an die katholische Gemeinde veranlaßte den Ab- geordneten M u s e r, dem Vorwurf der socialdemokratischen Presse zu begegnen. Mit dem„Problem der Trennung von Staat und Kirche" ließe sich— so schreibt der Führer der badischen Volkspartei — die demokratische Halsimg aus folgenden Gründen vereinbaren: 1. Die Durchführung jenes Problems enthebt die weltlichen Gemeinschaften(Staat und Gemeinde) nur der V e r- pflichtung zu Leistungen für konfessionelle Zwecke: es bliebe aber das autonome Recht der Gemeinde und des Staates, den Kircken Geschenke zu machen(Freigebigkeitshandlungen): solche' wären im Einzelfalle zu rechtfertigen, wenn zum Beispiel eine besondere Bevorzugung der einen religiösen Gemeinschaft vor der andern nicht stattfände. 2. Da keine Trennung von Kirche und Staat besteht und nur das Kirchen st euer- recht zur Bestreitung der Ausgaben für Kirchenbauten eingeführt wurde, hätte der praktische Polittker in diesem besonderen Falle zu verhüten, daß die Kirchengemeinde einen Platz für den Kirchenbau kaufen mußte. Denn die Folge der Ablehnung wäre gewesen, daß bei einer etwaigen Kirchensteuer auch Hunderte von mittleren und kleineren Leuten aus ihren Taschen noch neue zu den übrigen er- heblichen Steuerlasten bestreiten mußten, während nunmehr die Stadtgemeinde durch Schenkung eines, keinerlei Zinsen abwerfenden öffentlichen Platzes die armen Leute vor einer weiteren steuerlichen Amputation bewahrte. So rührend rücksichtsvoll für die Unbemittelten waren die Muserschen Demokraten nicht, als es sich vor einem Vierteljahr um die Einführung der indirekten Besteuerung(Oktroi) in Offenburg handelte. Bei der Kirchensteuer jedoch, wo die Veranlagung nach dem Kataster der direkten Staats st euer mit Ausschluß der niederen Zensiten geschieht, will der Demokrat Muser die armen christgläubigen Seelen aus den Krallen der steuer- gierigen, katholischen Kirche retten, die bekanntlich über ungemessene Reichtümer verfügt zur Erbauung von Kirchen, Klöstern und kon- ftssionellw Gasthäusern. Und das unbegrenzte Lob aller Pfaffen ist dem demokratischen Vorkämpfer für das Trennungs- Problem sicher, der da auch für Protestanten, Juden und Türken das Recht des Beschenktwerdens gewahrt wissen will. Im vorigen Jahre ließ derselbe Muser ein Buch erscheinen „Trennung von Staat und Kirche"; in diesem schmäht er die Nationalliberalen, weil ihre Fraktion im badischen Landtag 1662/63 der katholischen Kirchenregierung für klerikale Baubedürfnisse, z. B. für das katholische Priesterseminar in St. Peter, einen Betrag von 266 666 M. bewilligten,„sogar trotz der schlechten Finanzlage und ohne Rechtspflicht". Muser nennt dieses einen unbegreiflichen, grotesken Vorgang. Er spottet seiner selbst I— Fort mit den Reptilien! Giebt es wirklich eine Frage, in der die Zeitungen aller Parteien einig sein können? So unglaub- sich das klingt, die Frage muß bejaht werden. Die hessischen Zeitungsverleger und Redakteure, so wird uns geschrieben, waren am Sonnabend einer Einladung der beiden Landtags-Abgeordneten Pennrich<C.) und Damm(fts.) zu einer Versammlung in Frankfurt am Main gefolgt, um Stellung zu nehmen zu e?» Anträgen Ulrich(Soc.) und Köhler(Autis.) betr. die Beseitigung der Reptilienblätter. Und so sehr auch die Meinungen im einzelnen auseinandergehen mochten, darin waren alle erschienenen Vertreter einig, daß die Monopolstellung, die den Kreisblättern dadurch eingeräumt ist. daß ihnen alle behördlichen Bekanntmachungen zugewiesen werden, beseitigt werden müsse. In Hessen sind die Reptilien ausnahmslos nasionalliberal, da aber nicht alle nationalliberalen Blätter Repttlien sind, so steht die gesamte Presse einig den Kreisblätteru gegenüber. Wie weit bei dieser Einigkeit verschiedenartige Motive in Bewacht kommen mögen, soll hier unerörtert bleiben. Thatsache ist, daß jede Behörde alle Ursache hat, zu wünschen, daß 36' ihre Bekanntmachungen möglichst von allen Staatsbürgern gelesen werden. Und umgekehrt liegt es natürlich im Interesse jedes Bürgers, Kenntnis von den amtlichen Publikationen zu haben. Geradezu unmöglich, ja direkt „terroristisch"— um das viel mißbrauchte Wort einmal an der richtigen Stelle anzuwenden— ist es nun zweifellos. Zehn- tausende Bürger zu zwingen, die mit den amtlichen Inseraten gesegneten Kreisblätter, in denen sie und die Parteien, zu denen sie sich bekeimen, jahraus jahrein beschimpft werden, zu lesen und zu bezahlen. Nach stundenlanger Erörterung der Angelegenheit lourde einmütig den Vorschlägen von Scheidemann- Offenbach'und Esser-Worms zugestimmt, die die Landtags-Abgeordneten, speziell die Mitglieder des belr. Ausschusses, ersucht wissen wollten, in allererster Linie im Sinne des Gesetzentwurfs zu wirken, der in derselben Angelegenheit im badischen Landtag eingebracht ist. Dieser Entwurf gipfelt in folgender Forderung: die in jedem Kreise herauszugebenden Amtsverkündigungsorgane sind allen Zeitungen in gewünschter An- zahl zum Selbstkostenpreise abzugeben. Mit der Annahme eines solchen Gesetzes würde die Monopolstellung der jetzigen Reptilien wesentlich erschüttert werden. Husland. Frankreich . Am Ende des Lateins. Das heutige System der wahnwitzigen Rüstungen zu Lande und zu Wasser, das zu immer weitergehender Schuldenwirtschast treibt, bringt auch die reichsten Völker der Erde an den Rand des finanziellen Ruins. Frankreich entgeht diesem Schicksal ebensowenig wie Eng- land oder gar Deutschland . Ueberall sehen wir dieselbe Erscheinung, daß die K u l t u r a u f g a b e n in der brutalsten Weise vernachlässigt werden, damit nur ja der Moloch Militarismus, der unersättliche, gespeist werden kann. Eine vergleichende Uebersicht über das Ausgabenbudget des französischen Staates in den Jahren 1834 und 1364 zeigt uns folgendes Bild: Ausgaben in Millionen Frank: Die Ausgaben für das gesamte Waffenwesen, die Ausgaben auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung— sehr gering in Frankreich — lind der Zinsendienst der Staatsschuld verschlingen schon fast die ge- samten budgctären Einnahmen des Staates. Bei jeder größeren Aufgabe, die er angreifen will oder muß, kennt man nur einen Aus- weg: man macht neue Schulden. Ganz wie bei uns I So lange es nämlich gut geht.—_ Italien . Neue Skaudalgeschichten Nasis. Dem„Berliner Tageblatt" wird aus Rom gemeldet: Während die parlamentarische Fünferkommission zur Prüfung des Skandals Nasi zusammengetreten ist, kommen immer neue Ge- schichten aus der Thätigkeit des früheren Unterrichtsministers ans Tageslicht. Die zahllosen Schmutzereien in Trapani , wo die Excellenz und andre eine überaus gewinnbringende Fischkultur betrieben, ohne dafür Pachtzins oder Steuern zu entrichten, wo feine Villa auf Staats- und Gemeindekosten in stand gehalten wurde usw., erregen kaum mehr Aufsehen, ebenso wenig, daß Nasi bei Römischen und Neapeler Firmen Luxus vasen, Lustres und der- gleichen für seine Villa be st eilte»md die Rechnungen unter falscher Flagge an die Kasse des Unterrichts-Ministeriums schicken ließ. Peinlicher ist schon der Umstand, daß im N e a p e l e r Museum— das von Pro- fessor Pais bekanntlich vortrefflich reorganisiert wird(ein Unternehmen, das allerdings große Summen verschlingt)— ein Deficit von einer halben Million entdeckt sein soll. Auch sollen, dem„Giornale d'Jtalia" zufolge, kostbare Funde aus Pompeji , eine wundervolle Statuette und ein antikes Schreibzeug nachTrapani gewandertsein. Mittlerweile beginnen sich Nasis Freunde zu rühren. Ein Hauptgegner Nasis, der socialistische Rechtsanwalt Montalto wurde von einer Kreatur des früheren Ministers auf offener Straße überfallen und durch Stockhiebe verletzt: darauf zogen hunderte und aberhunderte von Bauern(deren„Liga" Montalto begründet hatte) nach Trapani , um vor dem Rathaus gegen die Mißhandlung ihres Vertrauensmannes zu protestieren. Auch der Römischen Freimaurerei , zu deren Würden- t r ä g e r n N a s i gehörte, ist die Sache zu bunt geworden. Der neue Großmeister Ferrari hat neulich eine Enquete angekündigt und Nasi vorläufig zur Niederlegung seines Logenamtes veranlaßt. England. Bon stillgelegten Kohlenbergwerken bekommt man nun auch leider aus England zu hören. So beschloß die Mehrheit der Kohlen- zechen von Laneashire am vergangenen Sonnabend, vre Gruben stillzulegen, wodurch etwa 66666 Arbeiter brotlos würden. — Aus vielen Zechen wird nur an vier Tagen der Woche gearbeitet, auf andren sogar nur an drei. Eine große An- zahl leitender Firmen von Süd- und Südost-Lancashire trägt sich mit der Absicht, ihre unrentableren Werke im Mai stillzulegen. In Rowley und Halesowen wurden zwei Kohlenbergwerke am Sonnabend gleich geschlossen unter der Motivierung, der Handel liege augenblicklich so sehr danieder, daß keine annehmbaren Preise erzielt würden, und— die Kosten für Förderung der Kohle seien dem gegenüber zu hoch l— Dänemark . Bemanimilg der Festung Kopenhagen . Das Folkething befaßte sich am Freitag mit einem vom Minister« Präsidenten eingebrachten Gesetzentwurf des Kriegsministers, wo- nach 366 Rekruten der Infanterie auf die SeefortS vjonKopenhagen übergeführt werden sollen als Ersatz für die 266 Mann, die von den im Februar durch außerordentliche Order einberufenen Mannschaften dort noch zurückgehalten werden. Diese neue Maßnahme zur Verbesserung der Festung und die Art, wie sie unter Umgehung der vom Parlament eingesetzten Landes- Verteidigungskommission durchgeführt werden soll, wurde selbstver- stündlich von socialdemokratischer Seite aufs schärfste kritisiert. Unser Parteigenosse R. M. Klausen legte dem Kriegsminister zunächst die Frage vor: ob er wirklich meine, daß der Krieg, der auf der andern Seite der Erdkugel ge- führt werde, thatsächlich solche Gefahr für Däne- mark sei, daß man nicht ganz ruhig die 266 Mann heute oder morgen nach Hause schicken könne? Der Kriegsminisier erklärte darauf nur, daß er die Einberufung in Hin- ficht auf die politische Situation für notwendig erachtet habe, und ließ sich auf eine weitere Angabe von Gründen nicht ein. Eine recht erbärmliche Rolle spielte, wie unser Parteigenosse Borgbjerg am Schluß der Debatte tönstatterte, der Wortführer der Liberalen, der Abgeordnete Zahle, der übrigens Mitarbeiter des anti- militaristischen Blattes„Politiken " ist. Nachdem sein Fraftions- kollege Slengerik erklärt hatte, er werde gegen den Entwurf stimmen, suchte Zahle von dem Kriegsnrinister eine Erklärung zu erpressen, die es ihm möglich machte, für das Gesetz zu stimmen, ohne allzu offenbar gegen die alten Grundsätze seiner Partei zu verstoßen. Er mußte seine Frage an den Minister fünfmal umformulieren, um dies zu erreichen, und wurde inzwischen von Borgbjerg gezwungen, sich dessen Frage:„Will der Minister damit zufrieden sein, eine ebenso geringe Bemannung, wie wir sie seit 1834 und bis zum Frühjahr hatten, im nächsten Jahre und bis dieLandesverteidigungskommission ihre Arbeiten beendet hat, zu haben?" anzuschließen. Hierauf antwortete der Kriegsminisier:„Darüber werde ich mich erst im näch st en Jahre aussprechen."— Nun war Zahle genötigt, zum fünstenmal zu ftagen und das geschah mit den Worten:„Ist es schon jetzt die Absicht des Kriegsministers, diesen Gesetzentwurf permanent zu machen?", worauf der Minister mit„Nein" antwortete.— Nach der oben bereits an- gedeuteten Bemerkung Borgbjergs und einer kurzen persönlichen Auseinandersetzung, schloß die erste Lesung des Entwurfs. Die Debatte mit ihrem Frage- und Antwortspiel machte einen höchst sonderbaren Eindruck und zeigte wieder einmal recht deutlich wie die einst so konsequent anttmilitaristische und demokratische Partei der Linken heruntergekommen ist und nun von ihrem Ministerium Forderungen apportiert, die sie früher den konservativen Ministem hohnlachend zurückgewiesen hätte.— Schweden . Wie man die Arbeitervertreter mundtot macht. Die südschwedischen Zuckerrüben-Produzenten hatten gegen die Zuckerfabrikanten eine langwierige„Lohnbewegung" geführt, die in der letzten Woche eine Art Streik zur Folge hatte. Die Rübenagrarier be- schlössen nämlich, in diesem Jahre überhaupt keine Siüben zu bauen. weil die Fabrikanten die geforderten Preise nicht bezahlen wollten. Nun suchte der Landeshauptmann Tornerhjelm zu vermitteln und gab dabei den streitenden Parteien den Rat, sich billige Arbeitskräfte von Mittel- und Nordschweden, oder vom Auslande zu verschreiben. Nachdem der Stteit dann durch einen Vergleich beendet wurde, befolgten die Arbeitgeber den Rat des Regierungsbeamten und die Heisingborger Zuckerfabrik hat berefts eine Sendung polnischer Arbeiterinnen in Empfang genommen. die selbstverständlich viel billiger arbeiten als die einheimischen und die im Lande herrschende Arbeitslosigkeit noch vergrößern. Diese Vorgänge gaben dem socialdemokratischen Abgeordneten Th ors s on Veranlassung, in der zweiten Kammer eine Jnter- pellation einzubringen, enthaltend die beiden Fragen: ob die Re- gierung Vorbeugungsmaßregeln gegen den vor sich gehenden Import ausländischer Arbeitskräfte zu ergr eisen ge d en ke und ob es mit Wissen un d Willen der Regierung geschehen sei, daß ein königlicher Beamter zu dem Zweck, die Arbeitslöhne herabzudrücken. den schwedischen Arbeitgebern den Rat erteilte, ausländische Arbeitskräfte zu importieren? Die Kammer lehnte aber die Beratung dieser Jnterpellatton mit 112 gegen 36 Stimmen ab.— Gegen diesen Beschluß, durch den die Behandlung einer für die wahlrechtslosen Arbeiter sehr wichtigen Frage im Reichstage verhindert wird, ftindigte Genosse B r a n t i n g eine Reservation an. Es entstand eine lebhafte Be- wegung in der Kammer, und eine große Anzahl Abgeordneter hielten es für nötig festzustellen, daß sie für Beratung der Jnterpellatton gestimmt hatten.— Rußland. Eine Stimme von Lebendigvegravenen. Der Redaktion der„Jskra" ist ein Aufruf„an alle Revolutionäre Rußlands " aus Akatuj zugeschickt worden. Die dort in den Berg» iverken Ostsibiriens zu Zwangsarbeit verurteilten„politischen Ver- brechet" wenden sich in dem Aufruf an ihre kämpfenden Genossen aus Anlaß des Krieges. Zu den aus Reih' und Glied gerissenen, vom Kampfplatz entfernten, auf spärliche und unsichere Nachrichten aus der Heimat angewiesenen Freiheitskämpfern sind Gerüchte von offiziellen„patriotischen" Kundgebungen zu Ehren des Krieges gedrungen, die angeblich alle Proteststimmen des revolutionären Proletariats erdrückt haben sollen. Unbeirrt durch diese Nachricht, wenden sich die Lebendigbegrabenen in Akatuj an ihre Genossen in Rußland mit ergreifenden Worten der Ermunterung, des glühenden, revoluttonären Glaubens und der ungebrochenen Kraft:„Wir verlieren nicht die Zuversicht, daß die mächttge Stimme des revoluttonären Proletariats laut und vernehmlich in ganz Rußland ihr verdammendes Urteil über dieses neue Ver- brechen des Absolutismus — den japanischen Krieg— ver- künden wird." Sie fordern wefter die revoluttonäre russische Socialdemokratte auf. in diesem entscheidenden Augenblick auf der Höhe ihrer historischen Mission zu sein und in socialisttsch- antimilitaristischer Propaganda sowie in der Agitatton gegen den Zarismus,„diese Vereinigung der asiattschen Despotte mit der Beschirmung der Klasseninteressen der Bourgeosie", nicht nach- zulassen. Das Schreiben schließt mit dem Ruf:„Es lebe die inter» nationale revolutionäre Socialdemokratte I" Bei der Langsamkeit, mit der die Nachrichten auf vielen Um» wegen aus Rußland zu den verschiedenen Verbannungskolonien und Strafanstalten des riesigen sibirischen Gebietes dringen, ist es klar, daß der Aufruf der Akatujer Sträflinge offenbar noch auf den Nachrichten aus der früheren Kriegsperiode— erste Hälfte des Februar bis etwa Anfang März— beruhen, wo die Sturzwelle der patriotisch-polizeilichen Begeisterung in kunstgerecht organisierten
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