kjörlich ikjn zwei frühere Eutritzscher Kassenärzte, die Herren Dr. Leupold und Freymann, verfolgt und belästigt und ihm unaus- gesetzt mit Drohungen und Versprechungen zugesetzt hätten, bis er sich in ganz willenlosem Zustande in die Wohnung des Herrn Dr. Hartmann habe führen lassen, wo er am 31. März eine Abfindungssumme von 2000 M. gegen Unterzeichnung eines gedruckten Vertrages mit dem Verbände der Aerzte Deutschlands ausgezahlt erhalten habe. In § 1 dieses von Herrn Brämcr, Dr. Hartmann und Dr. Max Götz unterzeichneten Vertrages, dessen Abschrift Herr Brämer dem Vor- stand überließ, ist festgestellt, daß der Verband Herrn Brämer 2000 Mark zahlt, alle civilrechtlichen Folgen. welche Herrn Brämer aus der Lösung seines Vertrages mit der Leipziger Orts-Krankenkasse erwachsen, als Selbstschuldncr übernimmt und in seinen Mietkontrakt eintritt. Nach§ 2 verpflichtet sich Herr Brämer auf Ehrenwort und bei Vermeidung einer Konventionalstrafe von 2()(>l) M. für den Zuwiderhandlungssall, innerhalb der nächsten zehn Jahre ohne Genehmigung des Verbandsvorsitzenden weder seinen Wohnsitz zu wechseln, noch überhaupt Stellung bei einer mit ihren Acrzten in Streit befindlichen Krankenkasse anzunehmen. Herr Brämer bereute die Unterzeichnung dieses mit seinen früher gegen- über der Orts-Krankenkasse eingegangenen Vertragspflichten in un- lösbarem Widerspruche stehenden Vertrages bitter. Er bat, ihn als Kassenarzt wieder anzunehmen und versprach vor mehreren Zeugen, „nicht nochmals umzufallen.* In einer Erklärung der Aerzte für freie Arztwahl heißt es: „Die Generalversammlung besteht wohl aus gewählten Dele- gierten der Äasscnmitglieder, drückt aber durchaus nicht die wahre Meinung aller Mitglieder aus; denn die Wahl dieser Delegierten ist längst zu einer Parteisache geworden, genau wie die Reichstags-, Landtags- und Kommunalwahlen: die Listen der Gewerkschaftler werden durchgebracht gegenüber den Listen der nicht-socialistischen Kassemnitglieder. Auch in diesem Sinne ist die moderne Aerztebewegung bereits an verschiedenen Orten, wie Leipzig , Königsberg . Frankfurt a. M.. allerdings zu einer socialistischen Parteisache geworden. Es droht die Gefahr, daß diese socialistischen Bestrebungen allmählich in allen Orts-Krankenkctfsen die Oberhand gewinnen werden." Ob die Herren Aerzte wohl annehmen, auf diese Weise bei den Versicherten Sympathien zu erwerben? Die Arbeiter lehnen es ab, Objekt der Aerzte zu sein. Bei der Gewcrbegerichtswahl in Kassel (Hessen ) siegte die Liste der freien Gewerkschaften mit 285 gegen 79 christliche Stimmen. Die Gewcrbcgerichts-Beisitzrr aus den Kreisen der Arbeitnehmer in Elbing beabsichtigen in der allernächsten Zeit in einen Streik einzutreten, den sie auch hoffeii siegreich durchzuführen, da eS wohl an Arbeitswilligen mangeln dürfte. Es ist das etwa kein Scherz, sondern bitterer Ernst, denn die Amtsdauer der gegenwärtig amtierenden Gewerbegcrichts-Beisitzcr war schon Ende Januar ab- gelaufen. Eine Neuwahl ist aber noch nicht ausgeschrieben. KerUner partei-�ngelegenkeiten. Zur Lokalliste. Auf die mehrfach an uns gerichteten Anfragen hin, teilen wir den Parteigenossen, Vereinen, Gewerkschaften usw. mit, daß das Lokal Luisenpark , Wilhelmsaue 112, in Wilmers- d 0 r f der Arbeiterschaft zu Versammlungen usw. nicht zur Ver- fügung steht; wir ersuchen daher, dieses Lokal streng zu meiden.— Reinickendorf . Der Gesangverein„Reinickendorfer Liedertafel" veranstaltet am Sonnabend, den 30. April, sein Stiftungsfest im Kaiser F r i e d r i ch- G a r t e n<Seebad>. Da dieses Lokal der dortigen Arbeiterschaft zu Vers amm- lungen usw. nicht zur Verfügung steht, so ersuchen wir, die an- gebotenen Billets zurückzuweisen und das Vergnügen nicht zu besuchen.— Falkenberg bei Freienwalde . Den Touristen und Aus- flüglern nach dort diene zur Nachricht, daß das Lokal auf der Karlsburg mir zu besuchen ist.— Diejenigen Gewerkschaften, Vereine, Klubs usw., welche nach Potsdam , Nedlitz und Umgegend Partien veranstalten oder abgeschlossen haben, werden ersucht, den Tag und das Lokal dem Mitglied der dortigen Lokal- kommission, Genossen M. Hausmann, Alexandrinenstraße 9 in Potsdam , umgehend mitzuteilen. Die Lokalkommission. Nicder-Schönhausen. Der Tag der Ersatzwahl zur Gemeinde- Vertretung ist heute gekommen; gewählt wird von 12—5 Uhr im Liedemitschen Lokal. Jeder hat am Wahltische zu erscheinen. Es bedarf unsrer ganzen Anstrengung, wollen wir unfern Kandidaten durchbringen. Keiner darf aus Gleichgültigkeit sein Wahlrecht nicht ausüben. Speciell an die Berliner Genossen richten wir die dringende Bitte, uns im Wahlkampfe dadurch zu unterstützen, daß sie ihre Kollegen und Mitarbeiter, die in Nieder- Schönhausen wohnen, an ihre Wahlpflicht erinnern. Nur so kann es uns gelingen, daß wir den ersten socialdemokratischen Gemeindevertretcr in unser Dorf- Parlament entsenden. Friedrichöhagen. Nächsten Sonntag von nachmittags 3 Uhr ab findet im Lokale von Karl Conrad, Friedrichstr. 137, die Mai- f e i e r statt, bestehend in Vokal- und Jnstrumental-Konzert, humo- ristischen Vorträgen, Festrede und Tanz. Die hiesigen Parteigenossen werden ersucht, für einen regen Besuch zu agitieren und zahlreich zu erscheinen. Steglitz . Wir weisen nochmals darauf hin, daß unsre Mai- fei er in diesem Jahre in größerem Umfange im Birkenwäldchen stattfindet, und bitten um regen Besuch. Desgleichen erinnern wir daran, daß unser Programm- Kursus am Freitag, den 13. Mai, abends 8>/z Uhr, bei Schellhase beginnt. Dazu erwartet gute Agitatton Der Vorstand des Wahlvereins. Die Parteigenossen von Wilhelmsruh , Nordend und Rosenthal halten am Sonntagnachmittag 5 Uhr im Restaurant Feldschlößchen eine Volksversammlung ab. Tagesordnung: Der erste Mai. Referent Genosse Ohl-Reinickendorf . Wir machen es allen Genossen zur Pflicht, in der Versammlung zu erscheinen. Waidmannslnst. Donnerstag findet der Diskutierabend bei Schmidt an der Chaussee statt. Tagesordnung: Vortrag des Genossen Maspfuhl über: Das Parteiprogramm. lokales. Das farbloseste aller Regierungsblätter. Die Frage, welches Blatt der Kaiser liest, ist bekanntlich vor kurzem dahin beantwortet, worden, daß der„Lokal-Anzeiger" das einzige Blatt sei, das der Kaiser sich ganz, das heißt nicht in Ausschnitten, vorlegen lasse. Ein Redakteur dieses Blattes habe selbst in einem geschäftlichen Schreiben darauf hingewiesen. Der bürgerlichen Presse geht diese dem„Lokal-Anzeiger" widerfahrene Ehrung natürlich sehr durch den Kopf und mannigfache Betrachtungen werden losgelassen. So klagt das„Leipziger Tageblatt ": Wir bedauern, daß die Nachricht nicht dementiert worden ist. Vielleicht glaubt man. um solch eine Kleinigkeit brauche die „N A-Z" nicht bemüht zu werden. Eine derartige Auffassung würde unberechttgt sein. Es ist durchaus keine Kleinigkeit, ob der Kaiser über Stimmung und Bedürfnisse der Nation unterrichtet wird oder nicht. Wir fürchten, daß man den Monarchen die öffent- liche Meinung in den Zeitungsausschnitten ohnehin nur sehr ge- färbt vorlegt; wir fürchten, daß die Vertrauensmänner der Krone sich gerade nicht danach drängen, Wilhelm dem Zweiten ab- weichende Meinungen der Presse zu unterbreiten und wenn nun endlich der„Lokal-Anzeiger". das färb- l 0 s e st e aller gouvcrnementalen Blätter, die einzige Zeitting sein sollte. aus der sich der Kaiser persönlich über die Ansichten und Empfindungen der deutschen Bevölkerung unterrichtet, so wäre es freilich sehr natürlich, lvenn bisweilen die Fühlung zloischen der Nation und ihrem höchsten Repräsentanten verloren ginge. Unter solchen Umständen würde auch das Unerklärliche erklärlich, daß z. B. das Scherlsche Sparprojekt die Zustimmung des Ministeriums gewinnen konnte;>ver weiß, wie spät die kritischen Ausführungen der Presse zur Kenntnis des Monarchen gelangt sind! Vom bürgerlichen Standpunkt aus mag die aufgeworfene Frage ja Bedeutung haben: die focialdemokratische Arbeiterschaft kann aber kühler darüber hinweggehen. Viel wichtiger als die Frage, welches Blatt der Kaiser liest, ist ihr die Frage, welches Blatt von der arbeitenden Bevölkerung gelesen wird. Und da fällt die Antwort, daß die mit Recht als das f a r b l 0 s e st e aller Regierungsblätter bezeichnete Zeitung sich von der übrigen offiziösen Presse ganz wesentlich dadurch unterscheidet, daß sie einen außerordentlich großen Leserkreis hat, zu welchem die unbemittelte Bevölkerung durchaus nicht das geringste Kontingent stellt. Gewiß ist nicht zu verkennen, daß auch hier allmählich ein Wandel zum Besseren eintritt. Wenn der„Vorwärts" in gut einem Jahre an 30 000 Abonnenten gewonnen hat. so wird diese Thaffache am Ende auch an dem Regierungsorgan ihre Spuren hinterlassen haben. Aber dennoch ist hier noch weit mehr gut zu machen; und wir meinen, daß in der Agitation für den„Vorwärts" überall dort, wo der„Lokal- Anzeiger" aus Arbeiterfamilien zu verdrängen ist, der Charakter dieser Zeitung als Regierungsorgan gar nicht scharf genug hervorgehoben werden kann. Ein solcher Hin- weis ist nicht minder wirkungsvoll als das Hervorheben der Thatsache, daß der„Lokal-Anzeiger", statt politische Aufklärung zu bringen, alles Unrecht schweigend gutheißt und das Gehirn mit Klatsch und Tratsch verkleistert, damit die Bevölkerung unfähig werde, über ihr Elend nachzudenken. Der socialdemokratischen Arbeiterschaft wegen kann der„Lokal-Anzeiger" sich als offiziöses Blatt aufspielen, so viel er will; nur ist in ständiger Agitation dafür zu sorgen, daß der Leser- kreis dieses Blattes wenigstens in der unbemittelten Bevölkerung dem andrer offiziösen Blätter gleich werde. Wobei die Thatsache im Auge zu behalten ist, daß die andren offiziösen Blätter der arbeitenden Bevölkerung kaum dem Namen nach, aus eigner An- schauung aber gar nicht bekannt sind. Die Stadtverordneten-Ersatzwahlen im 32. und 40. Kommunal- Wahlbezirk dritter Abteilung sind auf Dienstag, 31. Mai, angesetzt worden. Im 40. Bezirk hat für den aus Berlin nach Kairo ver- zogenen Parteigenossen Dr. Freude nberg eine Neuwahl zu erfolgen; im 32. Bezirk kandidiert selbstverständlich unser Partei- genösse Leid wieder, dem das Stadtverordneten-Mandat von bürgerlichen Richtern im Kaiserinsel-Prozeß aberkannt worden ist. Hier ist eS Sache der Wählerschaft, den Moabiter Urteilsspruch zu korrigieren und der bürgerlichen Justiz zu zeigen, daß ihre An- schauung und die des Volkes sich schnurstracks entgegenstehen. Mit erdrückender Mehrheit muß unsrem gefangenen Parteigenossen im Volksgericht das Stadtverordneten-Mandat wieder zuerkannt werden! Traktätchcn im Krankenhause. Uns wird geschrieben: Eine Roheit, die ihres Gleichen sucht, wurde am Sonntagnachmittag von einem Traktätchenverteiler im Krankenhause am Urban ausgeübt. Während der Besuchsstunde erschien plötzlich ein noch ziemlich grün aussehender Jüngling, ging von Bett zu Bett und warf jedem Krauken einen Zettel zu, eine Nummer der„Signale", heraus- gegeben vom deutschen Jugendbundverband. Die litterarisch vollkommen wertlose Historie der Nummer nennt sich:„Diese Nacht" und schließt mit der erbaulichen Mahnung an den Leser: „Es könnte vielleicht diese Nacht Deine letzte sein. Denke einmal daran: diese Nacht... Deine Todesnacht! Und was sollte der Todcsnacht vorausgehen? Freund, wenn Du noch bisher nicht Jesum gefunden hast, dann laß den heuttgen Tag Deinen Be- kehrungstag sein. Der Todcsnacht muß der Bekehrungstag vorausgehen. Wehe dem. der die Bekehrung auf die Todesstunde verschieben will, es ist zu fürchten, daß es dann zu spät ist." Es gehört wirklich eine starke Tattlosigkeit dazu, eine solche Lektüre Schwerkranken auf das Lager zu schleudern. Fällt solch ein Wisch in die Hände eines sensitiven nervöfen Pattenten, so kann sich sein Zustand aufs äußerste verschlimmern. Das weiß jeder ver- ständige Mensch; weiß es das Pflegepersonal und wissen es die A e r z t e des Urban-Krankenhauses nicht? Es ist geradezu un- erfindlich, wie das Attentat auf die Gemütsruhe der Kranken ge- duldet werden konnte. Zu dem gestrige» Bericht über die Sitzung des Obdach- Kuratoriums wird uns zur Verhütung von Mißverständnisjen noch mitgeteilt, daß es sich bei dem erwähnten zweiten Frühstück nicht um ein solches handelt, wie es den Häuslingen verabreicht wird, sondern daß nach einem Antrag des Oberarztes aus der Küche gegen Entgelt ein Frühstück verabreicht werden soll,„da das mit- gebrachte Essen besonders im Sommer vertrocknet." Zweimal hat die Verwaldmg sich bereits mit dieser Frage beschäftigt. Man sieht daraus, wie gründlich unsre Stadtväter vorgehen, wenn es sich um kleine Dinge handelt. Der Anti-Bilse. Den schädigenden Wirkungen der Militärromane soll jetzt sozusagen im amtlichen Aufgebot entgegengetreten werden. Das„Militär-Wochenblatt" berichtet darüber: „Es ist bei dem Verein inaktiver Offiziere der deutschen Armee und Marine angeregt lvorden, den falschen Anschauungen, welche in nicht urteilskrästigcn Kreisen der Bevölkerung durch die in jüngster Zeit erfchienenen Militärromane entstanden sind, durch der Wirklich- keit entsprechende Schilderungen aus dem Offiziersleben entgegenzu- wirken. Die zur Aufklärung und Richtigstellung bisher veröffent- lichten Schriften haben ihres mehr abstrakten Inhaltes wegen den gewünschten Erfolg nicht gehabt. Ein solcher dürfte jedoch durch Erzählung kurzer, selb st erlebter Begebenheiten aus dem Leben der Offiziere und deren Familien erreicht werden. Diefe mit dem Namen des Verfassers zu versehenden Er- Zählungen sollen gesammelt und dem Publikum in Buchform zugänglich gemacht werden. An alle Offiziere, möge» sie attiv oder inaktiv sein oder dem Beurlaubtenftande angehören, desgleichen an alle Freunde der Armee richtet der Verein daher die Bitte, ihm Schilderungen mit der angeführten Tendenz zu übersenden und damit das Unternehmen, welches ganz zweifellos im Interesse der Armee liegen dürfte, zu fördern. Der Vorstand des Vereins muß sich vorbehalten, das hoffentlich in Fülle eingehende Material zu sichten. Sendungen werden unter der Adresse:„Verein inaktiver Offiziere, Berlin W.i30, Motzstr . 8", erbeten." Kurze selbsterlebte Begebenheiten aus dem Leben der Offiziere und deren Familien hat bekanntlich auch Herr B i l s e der Oeffent- lichkeit unterbreitet. Hier ist also Vorsicht geboten. Auch wird die Hoffnung etwas optimistisch sein, daß Material in Fülle eingeht, da die Kunst des Novellenschreibens nicht jedermanns Sache ist und namentlich in der Kriegerkaste noch Egmonts Wort Geltung hat:„Unter vielem Verhaßten ist mir das Schreiben das Verhaßteste". Aber solche Umständlichkeiten sind ja auch gar nicht nötig, da dem deutschen Volke bereits eine klassische Militär-Litteratur zur Verfügung steht, die wie ehedem so auch heute noch alle edlen Jungfrauen mit Wonne erfüllen wird. Wozu ist„Reif- Reislingen" und der„ V e i l ch e n f r e s s e r" gedichtet worden, wenn sie nicht aufgeführt werden sollen? Wo so viele Millionen für Germanisationsbestrebungen im Osten unnütz verpulvert werden. sollten da nicht wenige Millionen flüssig zu machen sein, um das Lieutenants- Lusffpiel in seiner faden Herrlichkeit und Süße wieder zu neuem Leben zu erwecken? Gratisvorstellungen vom„Veilchen- fresser" sei die Losung; nur in diesem Zeichen wird der deutsche Offizier den Bilses Trotz bieten und Bismarcks Wort, daß uns den preußischen Lieutenant niemand nachmacht, wieder zu Ansehen bringen. Der Protest der Großen Berliner Straßenbahn ist auch an der Stadtgcmeinde Charlottenburg nicht ganz spurlos vorüber« gegangen, immerhin ist die Nachbar-Residenz in einer günstigeren Lage, da ihr ebenfalls„Repressalien" zur Verfügung stehen und zwar in Gestalt eines mit der Straßenbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Vertrages. Nach diesem ist die letztere verpflichtet, bis Ende 1906 auf Verlangen des Charlottenburger Magistrats eine elek« ttische Straßenbahn vom„Knie" durch die Bismarckstraße nach der Kolonie Westend zu bauen und in Betrieb zu setzen. Eine solche Linie ist zur Zeit und wohl auch noch auf Jahre hinaus völlig un- rentabel und es besteht daher bei der Großen Berliner Straßenbahn durchaus nicht die Absicht, diese unrentable Linie zu bauen. Unter diesen Umständen war es für Charlottenburg natürlich leicht, eine Einigung zwischen den beteiligten Konkurrenz-Gesellschaften. Hoch- bahn und Straßenbahn, herbeizuführen. Die Aktieugeselllchaft Siemens u. Halske wird, wie bereits mitgeteilt, den Bau ihrer Zweiglinie„Knie"— Bismarck-Sesenheimerstraße— Wilhelmsplatz noch in diesem Sommer in Augriff nehmen und die Große Berliner Straßenbahn wird gegen diese Konkurrenzlinie nicht protestieren. Bezüglich der Weiterführung dieser Konkurrenzlinie nach der Kolonie Westend schweben die Vorhandlungen zur Zeit noch, es steht aber zu hosten, daß auch bezüglich dieser auf derselben Grundlage eine Einigung zwischen den Konkurrenz-Gesellschaften wird erzielt werden. Nur für Unteroffiziere! Das Polizeipräsidium teilt mit: In- folge mannigfacher Erörterungen, die der zur Zeit herrschende Mangel an Beamten bei der Berliner Schutzmannschaft in der Presse gefunden hat, gehen beim Polizeipräsidium außerordent« lich viele Bewerbungsgesuche von Personen ein, die den gestellten Anforderungen in keiner Weise genügen. Bestimmungsgemäß müssen die Bewerber eine mindestens siebenjährige Militärdienstzeit zurück- gelegt und den Dienstgrad eines Unteroffiziers erreicht haben. Ge- suche von Personen, die diesen Bedingungen nicht entsprechen, können keine Berücksichtigung finden. Die Mordthat im Scheunenviertel scheint ungesühnt bleiben zu sollen. Der des Mordes an seiner Ehefrau, der Kellnerin Grabowski, dringend verdächttge Schlächtergeselle Theodor Grabowski wurde auf Antrag seines Verteidigers, Rechtsanwalt Morris zwecks Unter- suchung auf seinen Geisteszustand der Irrenanstalt überwiesen. Die Untersuchung hat ergeben, daß Grabowski unzurechnungsfähig ist. Das Verfahren gegen ihn hat infolgedessen eingestellt werden müssen. Das alte Abgeordnetenhaus in der Leipzigerstraße mit dem Anbau, in dem sich früher das Geheime Civilkabinett des Kaisers befand, will der Lindenban- Akttenverein vorbehaltlich der Ge- nehmigung des Kaisers käuflich erwerben. Ob das Gebäude voll- ständig vom Schauplatz verschwinden wird, um einem Neubau Platz zu machen, oder ob es, wie ein Gerücht wissen will, für Theater- zwecke verpachtet werden wird, ist noch eine offene Frage. Auch im alten Reichstags- Gebäude hatten sich f. Z. bekanntlich allerhand Ramschbazare aufgethau. Um den Bcycrleinschcn Roman„Jena oder Scdan" hatte sich be- kanntlich ein Streit entsponnen, der zu einer Beleidigungsklage führte, die von dem Buchhändler Felix H e i n e in a n n, Geschäftsführer der Verlagsanstalt„Vita", gegen den Verleger der„Hamburger Nachrichten", Dr. Hartmeyer angestrengt ward. Gestern fand vor der 8. Strafkammer des Landgerichts Ü in der Berufungsinstanz die erneute Verhandlung statt, da Dr. Hartmeyer gegen das schöffen - gerichtliche ErkennMis, das ihn zu 50 M. Geldstrafe verurteilt hatte, Berufung eingelegt hatte. Der Gerichtshof verwarf die Be- rufung. Die Erholungsstätten vom Roten Kreuz werden Anfang Mai wieder in Betrieb gesetzt. Zunächst werden die Erholungsstätten in der Jungfernheide für männliche Kranke, in Pankow für weibliche Kranke und in Sadowa für Kinder(alle drei am 1. Mai) eröffnet. Im Laufe der ersten Hälfte des Monats Mai sollen nachfolgen die Erholungsstätten Eichkamp(männliche Patienten), Spandauer Berg (weibliche Patienten) und Schönholz für Kinder. Anmeldungen von Kranken für die Erholungsstätten sind thunlichst bald an das Bureau für Erholungsstätten vom Roten Kreuz, Friedrichstraße 207, Hof rechts II, in den Vormittagsstunden zwischen 10 und 1 Uhr zu richten. Zu gleicher Zeit wird auch der neugegründete Verein für Tuberkulosebekämpfung in Schöneberg die von ihm geplante Erholungsstätte, mit welcher er sich der Organisation der Berliner Erholungsstätten angegliedert hat, ebenfals in der ersten Hälfte des Monats Mai in der Nähe von Eichkamp eröffnen. Unter den Straßenbahnwagen geraten und getötet ist gestern mittag die 4jährige Tochter des Tischlers Reczerski, Greifswalderstr. 211 wohnhaft. Die Kleine spielte auf der Promenade vor dem Hause Greifswalderstr. 23 und wollte plötzlich nach dem Bürgersteig hin- übereilen. Ahnungslos lief das Kind auf das Sttaßenbahn-Geleise kaum einen halben Meter vor dem in voller Fahrt heransausenden Motorwagen 1817 der Linie 32(Weißensee— Dönhoffplatz). Das Kind wurde von der Federkveste erfaßt, niedergerissen und geriet unter die Vorder-Plattform. Der Körper des Mädchens wurde etwa acht Meter weit mitgeschleift und klemmte sich unter der Schutzvorrichttmg derartig fest, daß erst die Befreiung des unglücklichen Kindes möglich wurde, nachdem der Wagen angehoben worden war. Der Kleinen war der Schädel gespalten und der Brustkorb eingedrückt. Der Tod des Kindes war auf der Stelle eingetreten. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht. Eine große Blutlache bezeichnete die Unfallstelle. Ucbcr den Selbstmord des Berliner Malers Hugo Richter- Lesen sdorf werden nachträglich folgende Einzelheiten bekannt: Der Unglückliche wurde in seiner Villa in Ahrenshop bei Barth in Pommern tot im Bette aufgefunden. Ein sofort aus Wusttow herbei- gerufener Arzt stellte nach Besichtigung der Leiche fest, daß der Tod infolge eines Schusses in der Herzgegend eingetreten ist; ein mit drei fcharfen und einer abgeschossenen Pattone geladener Revolver wurde auf der Leiche liegend gefunden. Infolge einer telegraphischen Benachrichtigung des Gemeindevorstehers in Ahrenshop begab sich eine Gerichtskommission unter Zuziehung des Gerichtsarztes zur Leichenschau an den Thatort: auch diese ergab keine andre Todes- Ursache. Da zweifellos Selbstmord vorlag, wurde die Leiche zur Beerdigung freigegeben.— Wie schon gemeldet, hat der Künstler seinem Leben ein Ende gemacht, weil die Jury der Großen Berliner Kunstausstellung seine eingesandten Bilder refüsiert hatte. Vom Schlütersteg in die Spree stürzte sich gestern in der neunten Morgenstunde die 39 Jahre alte Maurers, au Auguste Hentsch aus der Freienwaldersttaße 33. Die in auskömmlichen Verhälttnssen lebende Frau war seit der Geburt ihres einzigen Kindes, das nach kurzer Zeit starb, nervenleidend. Die Krankheit verschlimmerte sich im letzten halben Jahre, so daß sie mehrere Wochen in einer Au- stalt zubringen mußte. Nachdem ihr Mann gestern morgen früh zur Arbeit gegangen war, lief Frau Hentsch nach der Spree , um sich das Leben zu nehmen, wurde aber von Schiffern und Schutzmännern gerettet und in ein Krankenhaus gebracht. Der Unfall hatte eine große Menschenansammlung zur Folge. In der Meinung, daß die Frau aus Not ins Wasser gegangen sei, stiftete ein Wohlthäter einen erheblichen Betrag für sie. Die Gerettete wird aller Voraussicht nach ohne dauernden Schaden davonkommen. TodeSsturz von der Sttaßenbahiiplattform. Ein tödlicher Unglücksfall hat sich gestern spät abends in der Neuen Königsttaße zugetragen. Gegen 11 Uhr durchfuhr der Straßenbahnwagen Nr. 2149 der Linie 63 die Neue Königsttaße. Hinter der Gollnow - reiße nahm er, da die Strecke frei war. die zulässige höchste Fahr- Geschwindigkeit an, als plötzlich, kaum acht Meter vor dem Straßen- Üahnwageii, der Kutscher einer in der Richtung nach dem Königsthor fahrenden Droschke das Pferd wandte, um das Gelds zu kreuzen. Der Führer des Sttatzenbahnwagens suchte den drohenden Zusammen- stoß durch Anlvendung der Gefahrbremsung zu verhindern, und es gelang ihm auch, den schweren Wagen rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Durch die starke Bremswirkung wurden die Fahrgäste von ihren Sitzen geschleudert und der fünduudzwanzigjährige Schlosser Max Wagner aus Rixdorf stürzte von der Plattform auf das Straßenpflaster. Er erlitt einen schweren Schädelbruch und wurde
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