Nr. 153.
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Vorwärts
9. Jahr g
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Die
Sonntag, den 3. Juli 1892.
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Man schreibt uns:
Wechsel ziemlich gleichgiltig. Werden die Zölle unter der unbewußt zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes, Herrschaft der Demokraten ermäßigt namentlich die zur Hebung menschlicher Kultur.) Landwirthschaft und Industrie Europas allerdings Zerrissen vom Hader der Nationen, zerklüftet durch den ihr Absatzgebiet für Wolle und Lurusartikel, Kunst- Haß der Machthaber, verhetzt durch fanatische Priester der erzeugnisse 2c. etwas erweitert. Allein und unter verschiedensten Konfessionen, stehen sich die Bürger der einteinen Umständen kann zugegeben werden, zelnen Staaten, ja, die Bürger desselben Landes, im allIm November d. J. werden die Vereinigten Staaten daß die wirthschaftliche Ueberlegenheit gemeinen Vernichtungskampf feindlich gegenüber. Dieser von Amerika zur Neuwahl des Präsidenten schreiten. Mehr Amerikas vor Europa durch einen Sieg unnatürliche Zustand erfordert unnatürliche, übermenschliche als je in früheren Jahren sind die Blicke der europäischen der Demokraten auch nur um eine Linie Anstrengungen, um die Schrecknisse eines allgemeinen VerStaatsmänner und Sozialpolitiker auf die Wahlvorgänge Verschiebung erfahren würde. nichtungskrieges abzuwenden, solange es eben geht, erheischt jenseits des großen Wassers gerichtet, weil nach der über- Schon unsere hervorragendsten bürgerlichen Sozial eine Summe an Kraft, Intelligenz und materiellen Opfern, einstimmenden Ansicht Derer, welche in Europa den Gang politifer, wie Prof. Max Sering oder Rudolph Meyer, die die vollauf hinreichen würde, um unseren rapiden Nieders der Politik regeln, europäische Interessen mehr denn je zu den Gründen der Ueberlegenheit der transatlantischen gang Amerika gegenüber zu verhindern. vor durch den dortigen Wahlausgang berührt werden. Republik über Europa nachgeforscht haben, erkannten, daß Man verwende nur einen Theil dieser Kräfte zur Das Schutzzoll- System, zu dem sich die nordamerikanische die Ueberlegenheit der nordamerikanischen Agrikultur auf Hebung der wirthschaftlichen Kultur, zur Stärkung der Union in den letzten Jahren bekannt hat, ist der Angelpunkt der gewaltigen Maffe herrenloser oder öffentlicher Ländereien landwirthschaftlichen Produktion insbesondere, und Europa bei der bevorstehenden Präsidenten- Neuwahl. Da die demo- einerseits und der Jungfräulichkeit des Bodens anderer ist unabhängig von der Agrikultur Amerika's , es ist frei. fratische Partei im Gegensatz zu der jetzt am Staatsruder seits beruhe. Diese beiden Vortheile der amerikanischen Statt dessen sinnt und grübelt Europa unaufhörlich, befindlichen republikanischen Partei die Schutzzoll- Mauern Landwirthschaft sichern der Union vor der mitteleuropäischen wie es die Mordwerkzeuge vervollkommnen könne, wie es abzutragen fich bereit erklärt hat, so erwarten die Agrikultur einen ungeheuren Vorsprung, der nimmermehr den Rüstungspanzer ertrage, während gewaltige Kultureuropäischen Politiker alles Heil für die alte Welt durch einen Wechsel in der Person des Präsidenten be- fräfte unbenutzt bleiben und die Bodenkultur falsch und von einem Siege der Demokratie, weissagen sie alles rührt werden kann. Freilich, unsere Sozialpolitiker stiefmütterlich behandelt wird. Unglück für die wirthschaftliche Entwickelung ver euro- haben mit dieser Erkenntniß das Problem der Ueberlegenpäischen Staaten für den Fall des Unterliegens dieser heit Amerikas nicht nur nicht gelöst, sondern sie haben durch Ameritas immer stärker bemerkbar, und so geht Europa Judessen macht sich die Ueberlegenheit und Konkurrenz Partei. den Hinweis auf die natürliche Ueberlegenheit Amerikas der Selbstvernichtung entgegen, während Amerika höher Durch hervorragende Klugheit in der Beurtheilung dazu beigetragen, daß man in Europa in dem Dogma- und höher in Neichthum, Macht und Kultur steigt. Selbst deffen, was der Allgemeinheit frommt, durch genialen Ge- glauben von den unversiegbaren natürlichen Hilfsquellen starke Feffeln in der Zollpolitik, wie die Schaffung der dantenflug überhaupt haben sich unsere Sozialpolitiker bestärkt wurde und nunmehr erst recht unthätig die Dinge Mc Kinley- Bill, vermögen diesen Gang der Weltordnung niemals ausgezeichnet; die Kurzsichtigkeit aber, die sich in ihre Entwickelung nehmen läßt. nicht aufzuhalten. Und unter Cleveland wird das genau der Anschauung bekundet, daß Europa durch einen Sieg der Bugegeben, die natürlichen Vorzüge Ameritas wären so geschehen, wie unter Harrison. Partei Cleveland zu einem wirthschaftlichen Aufschwung ge- wirklich für Europa unerreichbar, was hindert die alte Welt, langen könnte, ist geradezu verblüffend naiv. sich unabhängig von der landwirthschaftlichen Konkurrenz
Man versichert, Cleveland , der Führer der Demokraten, Ameritas zu machen und somit den Vorsprung Ameritas sei ein Gentleman, dessen Charakter ohne Makel wäre. mit einem Schlage auszugleichen?
Jedoch auch seinem Gegenkandidaten, Harrison, kann nicht Nun, der Militarismus, die falsche
Gestern der wilde Mann, heute der taube und
nachgesagt werden, daß er während der Zeit seiner Amts- Kultur Europas , der Nationen haberi Politische Lebersicht. thätigkeit persönlich gestohlen habe. Das haben sind es, welche Europa hieran hindern und jeine Beamten dafür desto reichlicher besorgt. Wurden es zu Grunde richten! doch, um nur ein Beispiel anzuführen, die aus Während Amerita alle wissenschaftlichen Errungenschaften blinde das ist das Schauspiel, welches der„ Herkules der Mc. Kinley- Bill eingegangenen Bollbeträge unter der Neuzeil und die technischen Fortschritte des Landes des Jahrhunderts" uns bietet. Bis zu dieser Stunde hat Harrison's Präsidentschaft hauptsächlich zur Erhöhung ausschließlich in den Dienst der Landwirthschaft und In- er auf den Fußtritt, den sein so schnöde von ihm beund Ausdehnung der Pensionen für die Theilnehmer am dustrie stellt, dient die vervollkommnete Technik, die geistige leidigter Nachfolger ihm ertheilt hat, mit feinem SterbensKriege gegen die Südstaaten verwendet, sodaß jetzt etwa Ueberlegenheit Europas nur dazu, unsere Kanonen zu verwörtchen reagirt. Stumm ist er nicht er schwazt und 190 Millionen Dollars für diese Zwecke verschleudert werden bessern, die Bajonette zu vervollkommnen, kurz, die besten schimpft noch mit der ihm eigenen Redseligkeit, vergießt ( in Wahrheit werden die Pensionen zum großen Theil gar- Kräfte des Landes gegen die Kultur und zur Schwächung auch mitunter Thränen der Trauer ob seines Sturzes aus nicht an die ehemaligen Krieger sondern an die Vetternschaft des wirthschaftlichen Fortschritts zu verwenden. der einflußreichen Beamten gezahlt) gegen nur 90 Millionen Im jugendkräftigen Amerika giebt es keine Engländer, wickelten Sicherheitssinn zeugenden Vorsicht vermeidet er, stolzer Höh' aber mit einer, für einen sehr scharf entDollars unter Cleveland's Regiment. feine Deutschen , keine Franzosen, keine Juden, keine Christen, Die Person des Präsidenten ist also Nebenfache und dort giebt es nur Bürger. Wohl kennt die„ Union " Ausmüßte von vornherein aus der Diskussion gelassen werden. beuter und Ausgebeutete wie Europa , aber sie kennt keine Die Thätigkeit der Jay Gould , Vanderbilt und Genossen ist *) Das kann doch nur mit Einschränkung gesagt werden. Welche Partei aber auch aus der Wahlurne als Sieger Unterschiede zwischen Nationen, zwischen Bürgern, zwischen weder dem Lande noch der Kultur förderlich. Redaktion des herorgehen möge, für Europas Wirthschaftsleben ist der Konsessionen. Alle Individuen arbeiten- wenn auch nur" Vorwärts".
Feuilleton.
Nachdrua verboten.)
[ 3
Das junge Mädchen wagte nicht weiter zu gehen. Siehst Du denn nicht, mein Vater? murmelte sie. Komm, sagte der Mann.
Im selben Augenblick hörten sie dicht neben sich flüstern und vernahmen ganz deutlich die Worte:
Hau' fie todt, schlag sie zu Boden.
Waffe und auch nichts anderes, dafür drang seine Hand durch das Loch einer jämmerlichen Leinwandjacke hindurch, unter der er den nackten Körper fühlte.
Im felben Moment sprang ihnen Jemand mit einem Das junge Mädchen stieß einen er
Satze in den Weg.
Schrei aus.
Mit erstickter Stimme murmelte er: Tödtet mich nicht.
Der Reisende hob den Elenden auf.
Du bist Bergmann?
Eigentlich, sagte der Mann.
Und Du bist arbeitslos?
Seit Wochen.
Du hast nichts zu essen?
Tagelang nichts.
Du hast eine Frau?
Sozusagen.
Wo ist sie?
Hier.
Da? rief der Fremde aus.
Der Bergmann zeigte nach den Gruben. Dann fügte hinzu:
Der Kleine schläft.
Raum aber war dem Manne der andere' auf den Leib In demselben Moment hörte man ein Stöhnen, erstickt gerückt, so faßte jener auch mit der Gewalt eines Schraub- mehr als beruhigt durch rauhe zurufe. stockes Hals und Kopf des Angreifers, der ein kleiner elender Der Wanderer neigte das Haupt, dann bückte er sich, Kerl war, preßte ihm das Knie in's Kreuz und bettete ihn hob seinen Back auf, betrachtete es einen Augenblick und
in den Graben.
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sagte zu dem Menschen:
Ah, gurgelte der Niedergeworfene mit erstickter Wie weit ist es von hier bis Pont- sur- Sambre? Stimme. Hören Sie auf, hören Sie auf, ich habe mein Theil.| Der Bergmann lachte blödsinnig, als ob er das In der That hielt der Fremde in seinen Fäusten einen nicht verstanden hätte. Dafür antwortete vom Graben her widerstandsunfähigen Körper, der so abgemagert, so ent- diefelbe heisere Stimme, die das schreiende Kind zur Ruhe kräftet war, daß die Knochen hervortraten und so zerbrechlich gebracht hatte:
erschienen, wie die eines Kindes. empfinden.
Man mußte Mitleid Ein halbe Stunde.
Dieser sonderbare Räuber muckte nicht. Der Wanderer sind hielt ihm die Hände und befühlte seine Taschen, da er sich vor einem Messerstich in Acht nehmen mußte. Er fand keine in
Da, sagte der Reisende, hier ist ein Shawl. Hier ein paar belegte Brotschnitten. Da kannst Du essen. Und er reichte dem Bergmann das Packet, welches er das Taschentuch gewickelt und für sich mitgenommen.
hatte; dann ging er mit dem jungen Mädchen von dannen in den aus dem Dämmerdunkel her pfeifenden Wintersturm hinein.
Sie kamen nur langsam und vorsichtig vorwärts, da der Weg immer schlechter wurde. Auf der Straße war beinahe gar nicht fortzukommen. Tiefe Wagengeleise hatten sie durchschnitten. Die Sufe der Schiffspferde hatten in dem weichen Erdboden tiefe Löcher ausgehöhlt, die mit schlammigem Schmutz angefüllt waren und in die man tief einfant. Der Wind peitschte den Reisenden den aufgewirbelten Schnee jetzt dichter ins Gesicht. Das Mädchen, das fest in einen weiten Mantel eingehüllt war, war nahe daran, am Arme des Mannes einzuschlafen, doch es raffte sich von Zeit zu Zeit zu kurzen Fragen auf:
Also gab es keine Arbeit in Hornu? Nein.
Auch nicht in Bonne- Esperance? Nein.
Du warst lange abwesend? Ich suchte.
Warst Du in Marimont?
Ja. Die Arbeit ist dort zu Ende. Ju Agrappe?
Auch dort ist's mit der Arbeit aus.
Ju Castagnettes?
Auch.
In Produits- du- Nord? Nichts.
In l'Esconfiauy?
Nichts.
Aber warum kamen wir in diese Gegend? Ich wollte hierher kommen.
Sie waren nahe am Dorfe.
Der ungeheure Bau des Viadukts, der in dieser schrecks