SbcmnmeirtS'BrtM�ongtn: Abonnements- Prets pränumerando: Nerteljährt. Z�S Mk, mona«> l.lv Mb. wöchentlich 2K Pfg. frei WS Haus. Einzelne Nummer h Pfz. Sonntags» mnraiter mit illustrierter Sonntag*» Beilage.Die Neue Welt" lv Psg. Post. Abonnement: 1,W Mark pro Monat Angetragen in die Poft-ZeitungS- PreiSKste. Unter Kreuzband fSr Deutschland und Oesterreich» Ungarn 2 Marl, für daS übrige Ausland S Mark pro Monat «»«i«««II» MBtr Hlcntag». Serliner VolksblÄkk. Bfc Tftlcrttons' Gebühr beträgt für dt« fechSgefpaltene Kolonel» geile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerlschasUiche BereinS» und BersanunlungS. Anzeigen 2S Pfg. „KMnc Anreigen", das erste(seit- gedruckte) Wort 10 Psg., jedes weitere Wort 6 Psg. Worte über IS Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate sür dte nächste Nummer müssen bis 6 Uhr nachmittags w der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen- tagen biS 7 Uhr abends, an Sonn- und gestsagen bis s Uhr vormittags geöffnet Telegramm»Adresse: „sotffliitmsknt Bsrlin". Zentralorgan der fozialdemohrati fchen Partei DeutfchUmde. Ar. 110. 21. Jahrg. Redahtion: 8M. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr.!38a. (Quittung. Im Monat April gingen bei dem Unterzeichneten folgende Parteibeiträge ein:, Arnstadt i Thüringen ) Wahlverein 20,—. Berlin , Beiträge der Wahllreise: 2. Kreis 2100,— sdarunter Gesangverein„Gerechtigkeit" W. SO,—). 3. Kreis 2500,—(darunter Uebersch. d. Kranzsp. durch R. M. 1,95, Tischler v. Wusterbarth durch Gehrmann 3,—, Bons-» lasse der Arbeiter von Pardcmann u. To. durch R. Heinrich 25,—). i. Kreis Südost 2000,—(dar. Lese- u. Diskutierklub„Südost" 100,—, Tischlerei v. Wolf, Waldemarstr. 27, 30,—, Kranzübersch. v. d. Arb. der Möbelsabr. Mnuff 2,85, Stadtbez. 113a, Sparagnes 10,—, Kranzübersch. v. d. Arb. der Firma Werner 9,65, Strafgelder v. d. Arbeitern der Finna Mechnig 36,10, Stadtbezirk 102 30,—). 4. Kreis(Ost) 3000,—(darunter Möbelfabrik Groschkns, Landsbergersir. 25/26, 2 Raten 49,50, Genossen de? 160. Stadtbezirks und Flöterschcr Gesangverein 58,50, von den Arbeitern der Möbelfabrik Aug. Scheffler 20,—, Zietherklub„Edelweih", Zorndorferstrahe 6 10,—, Tischlerei Netzbrand u. Ramlow, Weidenivcg 6,—, von den Arbeitern der Möbelfabrik W. Kümmel. Frankfurter Allee 40,—, Stiftüberschutz von Herrmami u. Co., Grüner Weg 3,—.) 6. Kreis 10 000,—(darunter Kranzübersch. v. d. Arbeitern der Firma Breest u. Co. 5,—, Kranzübersch. b. 594. Bezirk 4,75. vom„alten Freund" 10,—. alter Parteigenosse, früher 6. Kreis, durch Franz Walther 5,—; Moabit : Uebersch. der Kranzspende V. d. Arb. der Firma Siemens u. Schuckert, Kabelwerk 8,50, desgleichen Siemens u. Schuckert, Franklinstr. 140,25, desgleichen Deutsche Waffenfabrik 56,55, Gesangverein Liederlust II 20,—, Uebersch. v. Märzkranz der Firma Zimmermann u. Buchlich durch C. K. 26.—, A. B. Mister 1,—, Kleinmotorenbetrieb A. E.- G. für März 1,60). Berlin , diverse Beiträge: Bierprozente von den Arbeitern der Firma Gebr. Bolzani 51,63. Machetes 5,—. C. D. Guhrau, zwei Raten 2,—. Bon den Arbeitern der Neuen Berliner Genossenschaftsbäckerei 52,—. Ueberschuß der Kranzspende sür die Märzgefallenen von den Arbeitern der A. E.- G. 1127,20. Gesellenfeier Pianofabrik Hirsch- feld, Eisenbahnstr. 19 6,65. Amerik. Aukt. Neue Fricdrichsrr. 20 9,50. Cigarrenfabr. R. Schulze. Friedrichsfelderstr. 21 7,30. L. u. H. B. 20,—. Zur Wiedererwerbung verlorener Rechte 10.—. Dr. L. A. 100,—. Von Arbeitern und Arbeiterinnen d. Buchbinderei„Vorwärts" 20,—. Uebersch. v. Märzkranz der Arbeiter von Kehlina u. Thomas 32,25, Sechs Hutmacher Königstr. 25 10,—. Baumschulenweg, Bierprozente Tischlerei Gadegast 6,—. Die Contobucharbeiter vom Wedding 5.—. Bierprozente der Schloffer der Firma Flatoio 27,70. P. S. 50,—. A. V. 50,—. Neun Maurer aus dem Gewertschastshause 30,—. Munition zum Kampfe für Wahrheit und Recht 5.—. Patienten aus Grabowsee 3,—. Mitglieder der U.-Dr. 4,30. Von Mitgliedern des Verbandes deutscher Buchdrucker im„Vorwärts" 150,—. Ueberschuß vom Märzkranz von den Arbeitern der Maschinen- fabrik Manoline 6,25. Strafgelder H. u. V. 1.70. Grabowsee, Ueberschuß von der Maifestzeitung 2,20. Ueberschuß der Bierkaffe der W. Wöllmerscheu Schriftgießerel 50,—. Plttzerkolonne Günther- straße 4,—. Bleisteg 1,—. Kulkc, LiSbonfalls 1,—. Bürger Pangau —.85. Gutenberg 46,40. Arbeiter der Firma P. Hardegen. Luisen- Ufer 44 10,—. Bern 50,—. Butzbach 4,—.' Breslau , socialdemo- kratischer Berein 100,—. Beuthen (Oherschl.), v. Parteigenossen 5,—. Bremen , vom Maschinenpersonal d.„Bremer Bürgerzeitung" 20,80. Cöln a. Rh., socialdemokr. Verein 1. Orartal 1904 67.—. Donau - eschingen, 2.. badischer Wahlkreis 5,—. Falkenberg(Oberschl.) 2,—. Fürth 20,—. Gotha , von den Parteigenossen d. d. Vertr. 30,—. Gera (Reuß), socialdemokratischer Verein Reuß j. L. 150,—. Gera (Reuß), für den Wolf eines Leipziger Weber? 1,63. Hamburg , von den Hamburger Genossinnen durch L. Zieh 100,—. Hamburg , Ueberschuß v. d. Reichstagswahl 1903 8068.27. Hamburg . von der Auflösung des Unterstützungsvereins„Gleichheit" von 1901 100,—. Hamburg , im Monat April in der Expedition des„Echo" eingegangen 161,79. Hamburg , 3. Wahlkreis 3000,—. Heidelberg , M. G. 4,—. Krefeld , Beitrag vom socialdemokr. Volksverein 100,—. Kattowitz (Oberschl.), Wahlverein 5,—. Luckenwalde , v. socialdemokr. Wahlvercin 100,—. Luckenwalde , RufuS 5,—. München , Gau Süd- Bayern 1. Quartal 1904 127,—. Magdeburg , von den Parteigenossen 300,—. München , Waldläufer Januar— April 20,—. Nürnberg , S. 4,—. Niederzwönitz. 19. sächs. Reichstags- Wahlkreis 50,—. Nordische Wasserkante 50 000,—. Oberstem a. Nahe, Volksverein 1. Quartal 1904 9,60. Oelsnitz i. V., von den Partei- genoffen durch A. G. 20,—. Ronsdorf , allgemeiner Ar- beiterverein 25,—. Straßburg i. E, Altvater 6,—. Stuttgart , G. U. 10,—. Solingen , durch das Kreiskomitee 50,—. Trioerg, Arbeiter-Wahlverein 5,—. Teltow-Beeskow-Charlottenburg, Central- Wahlverein 100,—. Vetschau , vom aufgelösten VollSverein 15,—. „Vorwärts", 1. Quartal 1904, 12 061,90.„Wahrer Jakob", nach Abzug der Ausgabe für„Neue Zeit" 6119,45. Württemberg 100,—. Berlin , den 9. Mai 1904. Für den Parteivorstand: A. Gerisch, Kreuzbergstr. 30. Verrnfserklärung der Landarbeiter. Seit Jahren hat das preußische Abgeordnetenhaus das Ausnahmegesetz verlangt, das es jetzt erreicht hat.„Erschwerung des Vertragsbruchs der Arbeiter" forderte man— Erleichterung des Vertragsbruchs der Arbeitgeber, Knechtung, Fesselung der Arbeiter an die Scholle meinte man. Am 1. Mai 1889, dann am 16. Mai 1900 verlangte das Abgeordnetenhaus gegen den Kontrakt- bmch ländlicher Arbeiter solvie gegen die Verleitung zu demselben gerichtete Gesetzentwürfe, zuletzt wiederholte eS sein Verlangen am 10. Februar dieses Jahres. Da gelangte der auch durch seine Sprache den Geist der Unterdrückung und des Hasses gegen die länd- lichen Arbeiter atmende Antrag der Abgeordneten Dr. Arendt und Genoffen zur Annahme, der dahin' lautete: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die königliche Staatsregierung aufzufordern, dem Landtage noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vorzulegen dahin, 1. daß auch derjenige Arbeitgeber bestrast wird, welcher Gefinde oder landwirtschaftliche Arbeiter, von denen er Mittwoch, de« 11. Mai 1904. weiß oder annehmen muß, daß sie noch einem andern Arbeit- geber verpflichtet find, - a) in Dienst nimmt, b) während der Dauer dieser Verpflichtung in Dienst behält, sofern nicht vier Wochen seit der unrechtmäßigen Lösung des Dienstverhältnisses verstrichen sind, 2. fertier derjenige bestraft wird, der dte Arbeitsvermittelung fiir solche Arbeiter oder Gefinde(Nr. 1) übernimmt, 8. endlich derjenige bestraft wird, der Gesinde oder einen land- wirtschaftlichen Arbeiter verleitet, widerrechtlich einen Dienst nicht anzutreten, vorzeitig zu verlassen oder die Vertrags- mäßige Arbeit niederzulegen." In der Diskussion stimmten die Abgeordneten der konservativen, der freikonservativen, der nationalliberalen Partei und des Centrums diesem Antrag zu. Vom CentrumSrcdner Klose wurde ausdrücklich hervorgehoben, es sei erforderlich, nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Arbeiter zu strafen. Der Landwirtschaftsminister v. P o d- bielski schloß seine Rede wie folgt: „Meine Herren, ich kann zu den: Vorliegendelt Initiativanträge nur die Stellung nehmen: daß, nachdem mit Ausnahme der Vertreter der beiden Linken, das ganze Haus, die Konservativen, das Centrum und die Natioualliberalen einen solchen Gesetzentwurf für notwendig und wünschenswert erachten, ich versuchen werde, ihn noch in diesem Jahre dem hohen Hause zu unterbreiten und da- mit. wie ich hoffe, sehr berechtigten Wünschen der Landwirtschaft zu entsprechen." Genau vier Jahre vordem, am 10. Februar 1900, hatte der Minister v. Miguel im Abgeordnetcnhause erklärt, daß dir Materie ausschließlich der Reichskompetenz gehört. v. Podbielski hat Wort gehalten. Der in der SonntagSnumnier von uns mitgeteilte Gesetzentwurf gehorcht der Resolution des Abgeordnetenhauses. Ohne eine Spur statistischen Materials sagt die Begründung kurzweg, der Entwurf gehöre zur Kompetenz des Landtages, da er keine Materie betreffe, welche Gegenstand des Reichs-Strafgesetzbuches sei. Diese Behauptung ist falsch: es widerspricht der im Landtage vorgelegte Gesetzentwurf dem Reichsrecht, und zwar sowohl dem Strafrecht wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Freizügigkeits- Gesetz. Es gehört der preußische Entwurf zu dem Netz einzelstaat- licher Gesetze, mit dem der deutsche Landwirtschastsrat unter Um- gehung der allein zuständigen Reichsgesetzgebung die deutschen Einzelstaaten seit dem Jahre 1894 zu umspannen sucht. Es ist der Entwurf ein Glied in der Kette rechtswidriger einzelstaatlicher Gesetze, wie sie seit 1899 in Anhalt, Reuß j. L., Braunschweig und andren Kleinstaaten erlassen sind. Daß derartige Gesetze der Reichs- gesetzgebnng widersprechen, ist nicht nur von Miquel als preußischen Minister anerkannt, sondern seit Jahrzehnten auch von der Reichs- gesetzgebnng und den verschiedensten Parteien. So verlangten die konservativen Abgeordneten v. Barnim , v. Minnigerode, v. Helldorf unter dem 4. Mai 1873 im Reichstag einen Gesetzentwurf gegen den Vertragsbruch auch landwirtschaftlicher Arbeiter. Unter dem 18. Juni 1873 legte v. Bismarck dem Reichstag den„Eni- Wurf eines Gesetzes, betreffend die Bestrastmg der Kontraktbrüchigkeit der land- und for st wirtschaftlichen Arbeit- geber und Arbeitnehmer" vor. In ähnlicher Weise er- klärten in den siebziger Jahren der Landwirtschastsministcr Graf Königsmark und eine Denkschrift des preußischen Landwirtschafts- Ministeriums: „daß Strafbestimmungen gegen den widerrechtlichen Kontrakt- bruch an dieser Stelle(d. h. in einem Landesgesetz) keine Auf- nähme finden können, wird einer weiteren Aus- führung nicht bedürfen; denn dieser Gegenstand ist sozu- sagen rechtshängig bei den zur Reichsgesetzgebung kompetenten Instanzen, und es wird schon um deswillen die Partikulargesetzgebung darauf verzichten müssen, der Reichs- legiSlatnr zu präjudizieren." Darüber„kau n" in der That kein Zweifel bestehen, daß die dem preußischen Abgeordnetenhaus vorgelegte Materie allein und ausschließlich der Reichs kompetenz untersteht. Es hat das Reichs-Strafgesetzbuch Bestimmungen darüber getroffen, o b und inwieweit Verletzungen von Vertragspflichten straf- gesetzlich gefaßt werden dürfen, so im§ 329(Strafbestimmung bei Lieferungsverträgen),§ 228(Strafbestimmungen des Arbeitsvertrages der Schiffer), ferner in den Vorschriften über Untreue, Betrug, Bankrott usw. Auch andre Reichs gesetze befaffen sich mit dieser Materie der Bestrafung des Vertragsbruchs, so die Seeiitanns- Ordnung, die Gewerbe-Ordnung und das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Der ländliche Arbeitsvertrag ist ferner er- schöpfend durch das Bürgerliche Gesetzbuch geregelt: die Landesgesetzgebung hat hier keinen Raum. Dem Freizügigkeits- g e s e tz und der Reichsverfaffung widerspricht ein Landesgesetz, das wie der vorgelegte Entwurf einen Arbeiter hindert, seine Arbeits- kraft zu verwerten. Die Gewerbe-Orduung ferner hat die Gesinde- vermittelung auch strafrechtlich geregelt. Warum legt die Regierung, wenn sie ein Gesetz in der von ihr gewünschten Richtung sür erforderlich hält, ein solches nicht dem Reichstag vor? Weil sie weiß, daß selbst der gegenwärttge reaktionäre Reichstag solches Gesetz wegen seiner knlturwidrigen Ungerechtigkeit und die Landarbeiter aufs tiefste schädigenden Ausnahmegesetznatur ablehnen würde. Im Reichstag wirkt bei den CentrumSleuten noch der Ausspruch eines Windthorst nach: Für alle Arbeiter ist die Freiheit der Person notwendig und die Bestrafung eines Kontraktbruchs der Arbeiter widersprich! der bestehenden Gesellschaftsordnung und der persönlichen Freiheit der Arbeiter. Im Landtag forderten auch die Centrumsleute ein derartiges Gesetz, welches den ländlichen Arbeiter schlechter stellt, als das russische Strafgesetzbuch vom Juni 1386 seine Landarbeiter stellt, und welche? die Landarbeiter schlimmer stellt, als Leibeigene und Hörige in Preußen in früheren Jahrhunderten standen. Nach dem Gesetzentwurf soll, wie die Konservativen sagen, nur der Arbeitgeber besttaft werden. Welch' einfältiger Einlvand. Expedition: GM. 68» Undcnstraose 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984. Der Arbeiter wird nach dem Gesetz von 1854 mit Strafe wegen Vertragsbruches bedroht, nicht der Arbeitgeber. Und der Arbeit- geber, der seinen Vertrag gegenüber dem Arbeiter verletzt, soll auch fürderhin straffrei bleiben. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeiter soll durch den Gesetz- entwurf getroffen werden. Durch die Strafbestimmung soll es ihm unmöglich gemacht werden, andre Arbeit zu erhalten, wenn er aus einem nach seiner Ansicht berechttgten Grunde die Arbeit verläßt. Er soll vogelfrei werden, und wer sich der Verrufs� erklärung gegen den Arbeiter nicht anschließt, sondern ihn in Arbeit nimmt, soll bestrast werden, um den Arbeiter zu treffen. Der ländliche Arbeiter kann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist den Vertrag nach K 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufheben, „wenn ein wichtiger Grund vorliegt". Aber darüber, 0 b ein wichtiger Grund vorliegt, entscheiden gelehrte Richter nach monatelangen Ver- Handlungen. Niemand kann im voraus wissen, wie ein richterliches Urteil ausfällt. Und dennoch soll der Arbeitgeber bestrast werden, der„bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wissen mußte", daß kein wichtiger Grund zur Aushebung des Vertragsverhältnisses nach Ansicht des Richters vorlag, wiewohl bielleicht der Arbeiter gemiß- handelt, seine Frau oder Töchter vom Gutsbesitzer oder vom Guts- inspettor geschlechtlich gemißbraucht sind l Das soll neu- preußisches Recht werden. Für daS ländliche und städtische Gesinde gelten noch heute allein die Aufhebungsgründe der Gesinde- Ordnung von 1810. Danach darf beispielsweise bei Mißhandlungen ein Gesinde erst dann ohne Aufkündigung den Dienst verlassen,„wenn es durch die Miß- Handlungen von der Herrschaft m Gefahr des Lebens oder der Ge- sundheit versetzt worden oder wenn die Herrschast dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit ausschweifender und ungewöhn- licher Härte behandelt hat". Auf Grund dieser Vorschriften haben gelehrte Gerichte, die nach Anficht des Ministers Snarez sich ja stets in der Rechtsprechung der Herrschast zuneigen, erkannt, daß ein Gesinde, das mit Peitschenhieben geschlagen ist, noch nicht mit„ungewöhnlicher Härte" behandelt sei und deshalb den Dienst nicht verlassen dürfe. So hat auch wiederholt das preußische Ober- Verwaltungsgericht erkannt! Nimmtsich jemand eines mißhandelten Dienstmädchens oder Knechts an, ja. rät er ihm nur, den Dienst zu verlassen, so soll er— nach dem Gesetzentwurf— bestrast werden. Der Gesetzentwurf ruft dreifach dem ländlichen Arbeiter und dem Gesinde zu, keinen Vertrag zu schließen, durch den nicht das jederzeitige Kündigungsrecht dem Gesinde und ländlichen Arbeiter zugebilligt wird. Er ruft noch stärker die Pflicht deS ländlichen Arbeiters auf, sich zu organisieren! Ein weit verbreiteter Irrtum geht dahin: durch das Gesetz vom 24. April 1854 sei den ländlichen Arbeitern und dem Gesinde in Preußen das Koalitionsrecht überhaupt genominen. Dem ist nicht so. Sie haben das Recht, Versammlungen abzuhalten und Vereine zu bilden, um bessere Lohn- luid Arbeitsbedingungen zu erringen. Artikel 29 und 30 der preußischen Ver- faffung, welche Vereins- und Versammlungsrecht den Preußen gewährleisten, haben auch für alle ländlichen Arbeiter Geltung. Nur ist allerdings das wirksmnste und oft ehizige Mittel zur Erringung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen— das der Verabredung, ja schon das der Aufforderung zum Streik— unter hohe Strafen gestellt und dadurch eine gewerkschaftliche Bethätignug der ländlichen Arbeiter in den durch das Gesetz vom 24. April 1854 betroffenen preußischen Provinzen(Ost- und Westpreußen , Pommern , Posen, Schlesien , Brandenburg nebst Berlin , Sachsen , Westfalen , die Rheinprovinz ) sehr erschwert. Auch von diesem schmalen Koalitions« recht muß der ländliche Arbeiter Gebrauch machen. Und der neue AuSnahine-Gesetzentwnrf hat das eine Gute, daß er auf den ländlichen Arbeiter revolutionierend, aufpeitschend wirkt; ihm zeigt: der Junker, die bürgerlichen Parteien sind deine Feinde, sie machen Gesetze, um dich noch mehr zu drücken. Wehre dich gegen deinen Feind, schließe dich mit deinen Leidensgcnossen und allen andren Arbeitern zusainmen, tritt Organisationen bei und schließe dich der Socialdemokratie an! politische deb er ficht. Berlin , den 10. Mai. Der Reichstag erledigte am Dienstag den Etat des Retchsamts des Innern in dritter Lesung. General- und Specialdcbatte dienten vielfach nur dazu, die Irrtümer, die in den Reden zur zweiten Lesung untergelaiifen waren, richtig zu stellen oder die Behauptungen, die damals aufgestellt worden waren, gegenüber Angriffen, die inzwischen innerhalb oder außerhalb des Hauses erhoben waren, aufrecht zu erhalten. Nur bei einem Titel fand eine wirkliche Debatte unter Beteiligung aller Parteien statt. Angehörige aller Fraktionen, mit Ausnahme des Centrums und der Socialdemokratie, hatten zu dem Neichsfonds für Kunstzwecke eine Resolutton eingebracht, die gleichmäßige Berücksichtigung der beiden Central- organisationen der Künstler fordert. Dieser Antrag sollte das Facit darstellen aus der Kunstdebatte vom 16. Februar, in der an der einseittgen Bevorzugung der Anton v. Weruerschen Clique von allen Seiten scharfeKrittk geübt worden war. Dahaben die Herren Freisinnigen, Nationalliberalen und Konservativen den Sinn ihrer eignen Reden sehr mißverstanden. Nicht darum handelte es sich, daß von Staats tvegen die Kunst anderweitig reglementiert werden soll, sondern um völlige Freiheit der Kunst und um ihre Uutersiützung durch Ankauf
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