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Excellenz Mirbach vor Gericht. Drewitz nicht erforderlich; wo aber kein Raum vorhanden ist, haben Und schon ist der Termin angefeht! Was vor wenigen Tagen Die, 8ukunft" hatte Einblick in den stenographischen die Zuhörer ihr Recht, den Gemeindevertreter- Sizungen beizuwohnen, schon der Staatsanwalt den Zeugen, deren Ladung er fordert, als Bericht des Pommernbant- Prozesses. Daraus ergeben sich noch verloren. Die in Drewiz getroffene Einrichtung besteht übrigens in„ boraussichtlich" mitteilte, ist nun wirklich anberaumt: Am 11. Juli mancherlei Neuigkeiten, die der gewöhnliche Gerichtsbericht ver- allen Landgemeinden von gleichem Umfange". soll bereits die Hauptverhandlung beginnen. barg. Wir geben hier einiges wieder samt Glossen der genannten Der Bescheid des Landrats war insofern unanfechtbar, als nach Wie konnte der Staatsanwalt den Termin schon wissen, ehe Zeitschrift. einer ministeriellen Deklaration des§ 109 die Deffentlichkeit nur in- noch die Anklage durch das Gericht beschlossen war? Das Schreiben des Oberhofmeisters an den Oberstaatsanwalt soweit stattfindet, als das Versammlungslokal Raum genug bietet, Der durch die Strafprozeß- Ordnung vorgeschriebene übliche Dr. Jfenbiel vom 14. d. M. lautet: Euer Hochwohlgeboren erlaube ich mir ergebenst zu benach- um neben den Mitgliedern der Versammlung noch Zuhörer auf Gang des Verfahrens ist dieser: der Staatsanwalt reicht die richtigen, daß ich, mit Rücksicht auf die im Pommernbank- Prozeß zunehmen. Es ist aber selbstverständlich sonst wäre es ja möglich Anklageschrift dem Gericht ein, dessen Vorsitzender sie den läßt unter Setzung einer Frist zur am achten Juni gemachten Ausführungen, es für wünschenswert die Deffentlichkeit überall auszuschließen daß die gesetzliche Angeklagten zustellen läßt unter Segung halte, meine Vernehmung vor Gericht eintreten zu lassen, und Deffentlichkeit unter allen Umständen dadurch gewährleistet wird, Stellung von Anträgen oder Erhebung von Einwendungen. bitte demgemäß, mich baldigst vorladen zu wollen." daß wenigstens eine Person als Zuhörer Raum findet. Und auch Erst nach Ablauf dieser Frist, unter Mitberücksichtigung So verkehren große Herren mit der Prokuratur; wenn sie es in dem Zimmer des Gemeindevorstehers von Drewitz wird es keine der eingelaufenen Anträge und Einwendungen hat das Gericht für wünschenswert halten, erbitten sie ihre Vernehmung und ihr Naturunmöglichkeit sein, daß noch eine oder ein paar Personen darin zu prüfen, ob es nach den Ergebnissen der Voruntersuchung Wunsch wird, auch ohne sachliche Motivierung, baldigst" erfüllt... Angeklagten für„ hinreichend verdächtig" hält, faßt In der ersten Stunde desselben Verhandlungstages, an dem Platz finden. Der§ 109 verpflichtet natürlich nicht zur Zulaffung die Angeklagten Mirbachs Brief verlesen wurde, hatte der Vorsitzende gesagt: einer unbeschränkten Anzahl von Zuhörern, aber doch Beschluß über Eröffnung des Hauptverfahrens und übersendet die Wir können uns in öffentlicher Sache nicht auf persönliche Dinge dazu, daß wenigstens eine Person den Begriff der Deffentlichkeit Aften derjenigen Straffammer, vor welcher die Hauptverhandlung einlassen"; und einem Zeugen das Wort abgeschnitten. Jetzt fand er erfüllen kann. stattzufinden hat. Erst der Vorsitzende dieser Straffammer beraumt die Vernehmung des Oberhofmeisters nötig; im Interesse der Das hat der Landrat v. Stubenrauch übersehen und seine den Termin an und ordnet die Zeugenladung an. Sache, versteht sich, nicht etwa der Person. Zur Aufklärung des Bemerkung, daß in Landgemeinden gleichen Umfanges dieselben Im Königsberger Verfahren jedoch schrumpft das Verfahren Sachverhaltes über die Hingabe der Gelder ist die Vernehmung von Wert." Einrichtungen wie in Drewitz bestehen, deutet darauf hin, daß dahin zusammen, daß anscheinend Staatsanwalt und Strafkammer So sprach er am 15. Juni. Am 9. Juni hatte er, nach Buddes Aus: auf dem Lande die gefeßliche Deffentlichkeit in der Praxis vielfach sich schon über den Termin der Verhandlung einigen, ehe noch überhaupt die Anklageschrift den Angeklagten zugestellt ist und ehe noch Für uns ist der Punkt erledigt"; und weder Mirbach noch die von oder auch in der Regel nicht existiert. Budde genannten Thatzeugen vorgeladen. Nun war der Punkt die Einwendungen der Angeklagten bekannt sind, die möglicherweise nicht mehr erledigt, war die Vernehmung zur Auffärung zur Ablehnung der Anklage durch das Gericht führen könnten! des Sachverhalts von Wert". Dann, scheint mir, mußte der Gerichs hof fie auch ohne Mirbachs Brief anordnen....
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Außerdem( sagte Freiherr von Mirbach vor Gericht) sollen im Oktober noch 50 000 m. gestiftet worden sein; von dieser Summe ist weder mir noch einem meiner Vereine etwas zugegangen". Ganz richtig: diese 50 000 m. hat, auf Mirbachs Empfehlung, im Oftober 1900 das„ Kleine Journal" von den Bonern empfangen; sie wurden, mit gutem Grund, auf das Konto K des Freiherrn geschrieben und Schulz und Romeid erklärten den Sassenbeamten:„ Mit dieser Sache haben wir weiter nichts zu thun.“ Schade, daß der Kirchengründer nicht die Zukunft" liest; sonst hätte er sich der Thatsache erinnert und nicht nur gesagt:„ Von dieser Summe ist weder mir noch einem meiner Vereine tewas zugegangen." Denn fie wurde auf seinen Wunsch ausgezahlt.
Sind sonst noch Fragen an Excellenz?" Keine. Am nächsten Tag lasen wir in vielen Zeitungen, die Angelegenheit sei nun zu allgemeiner Befriedigung aufgeklärt und nur zu bedauern, daß der Freiherr nicht schon früher gesprochen habe. Ich bedauere noch mehr, daß er nicht gesagt hat, ob er auch Privat geschäfte mit der Pommernbank machte. Der Preußenbank hatte er sein Godesberger Terrain zum Kauf angeboten; und Sanden sprach über dieses Geschäft nicht gern
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Der Beschwerdeführer wandte sich nun an den Minister, der die Sache dem Regierungspräsidenten von Potsdam zur Entscheidung übergab. Dieser Herr, ein von der Schulenburg, griff das Problem mun von einer andren Seite an, und er hob aus eigner Machtvollkommenheit den§ 109 praktisch auf. Unter dem 11. Juni 1904 erging aus Potsdam eine Verfügung, die in folgenden denkwürdigen Sägen gipfelt:
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Aber auch bei sachlicher Nachprüfung erscheint sie( die Beschwerde) unbegründet; denn der Gemeindevorsteher hat dadurch, daß er die Abhaltung der Situngen der Gemeindevertretung in seiner Privatwohnung gestattet hat, sich nicht seines Hausrechts begeben und kann daher gegen seinen Willen von Aufsichtswegen nicht veranlaßt werden, zu den Gemeindevertreter- Sigungen in seiner Privatwohnung Zuhörer zuzulassen.
Solange daher die dortige Gemeindevertretung für ihre Sigungen nicht einen besonderen Dienstraum durch Erbauung eines Gemeindehauses oder in sonst geeigneter Weise beschafft, und der Gemeindevorsteher infolge dessen gezwungen ist, die Sigungen der Gemeindevertretung in seinem Hause abzuhalten, kann das im § 109 der Landgemeinde- Ordnung vom 3. Juli 1891 vorgesehene Recht, an den Sigungen der Gemeindevertretung als Zuhörer teilzunehmen, im Einzelfalle nicht gegen den Willen des Gemeindevorstehers ausgeübt werden.
In Wirtshäusern oder Schankwirtschaften soll die Abhaltung von Sigungen der Gemeindevertretung nach§ 104 a. a. D. in der Regel nicht stattfinden; daher können solche Lokale vorliegenden Falles nicht in Frage kommen.
Die Benutzung des Schulhauses zur Abhaltung von Ges meindevertreter- Sizungen ist nach den angestellten Ermittelungen nicht thunlich, da sich daselbst ein geeigneter Raum mit für Erwachsenen passenden Subsellien nicht befindet."
Also Herr von der Schulenburg, Regierungspräsident von Potsdam .
Das Herrenhaus mußte sich am Freitag nochmals mit dem Wildschon- Gesez befassen, das das Abgeordnetenhaus in einigen Bunkten abgeändert hatte. Es stimmte nach längerer Debatte den vom andren Hause beschlossenen AendeSein Entscheid eröffnet weite Aussichten, wie die verhaßte rungen zu und nahm ferner auf Antrag des Grafen Mirbach Deffentlichkeit ebenso geräuschloß wie gründlich beseitigt werden kann. gegen den Widerspruch der Regierung eine Resolution an, die Der Landgerichtsdirektor beraumt die Termine in seiner Privatdie Regierung auffordert, Prämien für erlegtes Raubzeug ein- wohnung an; dann schließt er kraft seines Hausrechts die Deffentzuführen. Ferner nahm das Haus den Gesetzentwurf betr. lichkeit aus. Der Reichstagspräsident lädt das hohe Haus in seine die Verpflichtung zum Besuche ländlicher Fortbildungs- Privatwohnung ein- der Raum ist ja bei der geringen Frequenz schulen in der Provinz Hessen- Nassau in der immer vorhanden- und kein Zuhörer wird geduldet. Auch WahlFassung des Abgeordnetenhauses, d. h. unter Verbot des handlungen können hinfort kraft des Hausrechts unöffentlich gestaltet Fortbildungs- Schulunterrichts an Sonntagen an. Aus werden. Schließlich braucht auch das Hausrecht des Gemeindeder Debatte ist eine charakteristische Aeußerung des Freiherrn vorstehers von Drewitz nicht bei dem Ausschluß von Gästen sein v. Durant zu erwähnen, der das Wissen zwar nicht als Genügen finden; da er sich nach Herrn v. d. Schulenburg Hauptbedingung für das Fortkommen der jungen Leute be- feines Hausrechts nicht begeben hat, darf er ja auch schließlich ihm zeichnete, aber großmütig genug war, anzuerkennen, daß unter unsympathische Gemeindevertreter aus seinem" Zimmer weisen. So Umständen auch das Wissen von Nuken sein kann. Allmählich läßt sich eines der wichtigsten, modernen staatsbürgerlichen Rechte, scheint also selbst bei dem Dunkelmann Durant der Gedanke die Deffentlichkeit, mittels des Hausrechts vernichten. durchzusichern, daß Kenntnisse doch nicht so ganz zu verachten Man beachte auch den zartsinnigen auch den zartsinnigen Unterschied in der sind. Regierungspräsidenten - Verordnung: Die nur als Wunsch aufUnter den Petitionen, mit denen sich das Haus schließlich tretende Bestimmung der Gemeinde Ordnung, daß in der Regel noch beschäftigte, ist die um Einrichtung eines Vorortverkehrs die Sizungen in Wirtshäusern nicht stattfinden sollen, ist ihm für die Strecke Breslau- Dt.- Lissa zu erwähnen. Das Haus zwingendes Gebot, während ihm das zwingende Recht der überwies nicht nur die Petition selbst der Regierung zur Er- Deffentlichkeit durch das Hausrecht des Gemeindevorstehers auswägung, sondern forderte die Regierung auch zu Erwägungen geschaltet erscheint. über die Einrichtung des Vorortverkehrs für Großstädte im allgemeinen auf.
Wie der Präsident am Schluß der Sizung mitteilte, wird die Vertagung des Landtages am 2. Juli, vielleicht schon am 1. Juli erfolgen.
Sonnabend: Kleinere Vorlagen und Petitionen.
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Es bedarf kaum näherer Ausführungen über die wirkliche RechtsDer Gemeindevorsteher kann nicht lage; sie ist vollständig klar. gezwungen werden, seine Wohnung für die Sigungen herzugeben. Thut er es aber, so erhält der Raum für die Dauer der Sizung öffentlichen Charakter, er muß Zuhörer zulassen und sein Hausrecht gilt nur insoweit, als es ihm auch in einem Rathaussaale zustehen würde: er darf Personen, die sich ungebührlich benehmen, ausweisen.
Die Deffentlichkeit aller parlamentarischen Verhandlungen Die Verfügung des Regierungspräsidenten schärft das Verund des gerichtlichen Verfahrens gehört zu den Grundlagen des ständnis für saarabische Zustände. Warum sollte der Patriarchalismus modernen Staates, die selbst in Preußen bisher nicht angetastet sich nicht im dunklen Saarrevier, in Ostpreußen oder Oberschlesien worden sind. Die Deffentlichkeit ist allerdings den Verteidigern und die Gefeße so auslegen, wie es ihm gefällt, wenn sogar vor den Interessenten des patriarchalischen Systems höchst zuwider, und die Thoren der Reichshauptstadt ein Regierungspräsident das ſtaatsHerrschende Klasse in Preußen, das von den Junkern als eine Art bürgerliche Grundrecht der Deffentlichkeit unter Berufung auf das Familienfideikommiß betrachtet wird, würde am liebsten in Re- Hausrecht eines Gemeindevorstehers mit einem Federstrich aufhebt. gierung, Verwaltung, Gesetzgebung und Justiz das Wort Brause- Es scheint uns notwendig, wegen der principiellen Bedeutung wetters zur Wahrheit machen, daß es eine Deffentlichkeit nicht dieser an sich lustigen Eingebung einer patriarchalischen Regierung, gebe. Thatsächlich wird denn auch überall versucht, die Deffent- die Frage zu gerichtlicher Entscheidung zu bringen. Ein Gemeindelichkeit auf patriarchalischem Wege einzuschränken oder zu umgehen. mitglied von Drewizz sollte wegen der gesezwidrigen Geheimhaltung Aber das sollte man nicht für möglich halten, daß einer der der Sigungen auf ungültigkeit der Gemeindebeschlüsse höchsten Regierungsbeamten, und zwar nicht etwa jemand an der flagen. Dann gelangt der Fall vor das Ober- Verwaltungsrussischen Grenze, sondern ein Mann aus der unmittelbaren Nähe gericht.- der Reichshauptstadt sich in einem öffentlichen Attenstück zu dem Grundsatz bekennt, daß die gesetzlich gewährleistete Deffentlichkeit nicht eriſtiere, sondern daß es vielmehr von dem guten Willen Der Königsberger Russen Prozeß bedeutet bisher eine irgend eines Dorfschulzen abhängt, ob sie zugelassen werden solle fortgesetzte Kette juristischer Seltsamkeiten, um von den politischen oder nicht. Dennoch ist diese Unmöglichkeit wirklichste Wirklichkeit, in diesem Augenblick nicht zu sprechen. Wir mußten wiederholt den wie der folgende Fall lehrt: unglaublich schleppenden Gang fritifieren, den die Staats
Königsberger Justiz.
In Drewitz bei Potsdam finden die Gemeinderats- Sizungen anwaltschaft einschlug, um Belastungsmaterial zu suchen. Diese im Hause des Gemeindevorstehers statt. Nach§ 109 der Land- Langsamkeit wurde auch nicht beeinflußt durch die Thatsache der gemeinde- Ordnung für die östlichen Provinzen find die Sigungen vielmonatlichen Inhafthaltung unsrer angeschuldigten Genoffen. der Gemeindeversammlung öffentlich. Es können als Zuhörer alle Jetzt ist plötzlich die entgegengesette aber ebenso
zu den Gemeinde- Abgaben herangezogenen männlichen großjährigen bedauerliche, ja noch bedauerlichere Seltsamteit einPersonen beiwohnen, welche sich im Besitz der bürgerlichen Ehren- getreten. Der Schneckengang der Justiz verwandelt sich in Eilrechte befinden und Gemeinde Angehörige oder stimmberechtigte zugstempo; die Angeschuldigten laufen Gefahr, unter den Rädern Forensen oder Vertreter von Stimmberechtigten sind. einer überhitzten Justizmaschinerie zu verunglücken.
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Der Gemeindevorsteher von Drewitz nun glaubte, daß er Zu- Soeben ist den Angeschuldigten die Anklageschrift zugegangen. hörer nicht zu dulden brauche, weil der Sigungsraum seine Privat Binnen fünf Tagen sollen sie ihre Einwendungen machen, Beweiswohnung ist. Ein Gemeinde Angehöriger wendete sich wegen anträge stellen zu ihrer Entlastung. Die Anklageschrift soll über Die Zumutung, daß die Angeschuldigten, dieser gesezwidrigen Eigenmächtigkeit beschwerdeführend an den 200 Seiten umfassen. Landrat des Kreises Teltow . Herr v. Stubenrauch antwortete welche tagsüber ihrem Berufe nachgehen müssen, in fünf Tagen unter dem 21. Januar 1904: Die Sitzungen sänden in einem Privat- auch nur die riesige Arbeitsleistung des Staatsanwalts- der piele genügend bewundern können, raume statt; ein besonderer Dienstraum sei dem Gemeindevorsteher Wochen lang an ihr gearbeitet hat nicht zur Verfügung gestellt.„ Es ist dies", so führte Herr v. Stuben- ist unverständlich. Eine gründliche Durcharbeit und Vorbereitung von auch weiter aus, bei dem jezigen Umfange der Landgemeinde Entlastungsanträgen ist ganz ausgeschlossen.
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Gegen dieses Verfahren ist durchaus zu protestieren. Der Staatsanwalt hat in seiner Benachrichtigung an die Zeugen darauf verwiesen, daß er alles thun wolle, um eine Vertagung der Verhandlung verhindern, weil ein Angeschuldigter seit längerer Zeit sich in Untersuchungshaft befinde. Wir würdigen diese plötzliche Rücksichtnahme des Staatsanwalts auf einen Verhafteten um so mehr, als die bisherige, fast drei Vierteljahr dauernde Langsamkeit des Verfahrens nicht beeinflußt worden ist durch die Thatsache, daß vier Personen verhaftet waren! Aber, so sehr das Schicksal der Verhafteten uns berührt, der Staatsanwalt darf nicht annehmen, daß die Angeklagten darum die mindesten und dringendsten Vorbereitungen ihrer Verteidigung hintansezen dürfen.
Es kommt noch hinzu, daß selbst nach Abschluß der Vorunterfuchung seitens der Staatsanwaltschaft Zeugenvernehmungen veranlaßt worden sind, von denen die Angeklagten erst jest Kenntnis er langen. Da mutet man ihnen zu, in einer Frist von weniger als drei Wochen in die Hauptverhandlung zu gehen.
Wir bedauern, daß die Königsberger Justiz solche Anordnungen trifft. Gerade bei der Eigenart der Anklage, die den russischen Selbst herrscher gegen angebliche Beleidigung und Hochverrat schützen will, sollte alles auf das peinlichste vermieden werden, was als Benachteiligung der Angeklagten erscheinen kann.
Deutfches Reich.
Was zu beweisen war!
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An der Schrift des Regierungsassessors v. Brandt über die Saar- Industrie zeigten wir neulich, wie man heutzutage unter dem Schein lauterſter Thatsachenwissenschaft reaktionäre Utopien zu„ beweisen" unternimmt. In die Vorarbeiten solcher Forscher- und Denterthätigkeit leuchtet ein Rundschreiben, das im Hamburger Echo" veröffentlicht wird. Ein Mitglied des Staatswissenschaftlichstatistischen Seminars in Berlin hat an verschiedene Großinduſtrielle das folgende Schriftstück versandt:
Berlin N., den 31. Mai 1904. Königl. Staatswissenschaftl. Statistisches Seminar, Dorotheenstr. 95/96.
Sehr geehrter Herr!
Ew. Hochwohlgeboren mögen gütigst entschuldigen, wenn ich Sie mit einem Anliegen belästige, bei dessen Ausführung ich ganz ergebenst um Ihre Unterstützung bitte. Gestatten Sie, daß ich Ihnen in Kürze mein Anliegen vortrage.
Als Mitglied des Königl. staatswissenschaftlich- statistischen Seminars habe ich durch Herrn Dr. Zahn, faiserl. Regierungsrat am Kaiserl. statistischen Amt, die Anregung zur Behandlung des Themas:„ Die Belastung der Industrie durch die Reichsversicherungs- Gesetzgebung" empfangen. Da eine derartige Abhandlung mangels Vorhandenseins genauen statistisch abgeschlossenen Materials sich aufbauen muß auf Grund statistischer Angaben nach dieser Nichtung hin seitens einer Anzahl typischer Großbetriebe, so bitte ich Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenst, unter Berufung auf obige Stelle, mir, soweit möglich, statistisches Material zur Verfügung stellen zu wollen, welche Belastung Ihrem Betriebe durch die einzelnen Zweige der Arbeiterversicherungs- Gesetzgebung bereits entstanden ist. In der Hauptsache wird es sich handeln um Angaben von Zahl und Lohnung der versicherungspflichtigen Personen und der von Ihnen gezahlten Versicherungsbeiträge, wobei, wenn irgend möglich, die einzelnen Lohnklassen der Invaliden- und Altersversicherung berücksichtigt werden müßten. Es würde mir lieb sein, wenn sich die Zahlenangaben über die ganze Zeit von dem Inkrafttreten der einzelnen Gesetze an bis zur Gegenwart erstrecken würden, würde mich aber schließlich wohl auch mit der Zusammenstellung für die Jahre 1889, 90, 91, 96, 1901, 02, 03 begnügen. Beispielsweise würde sich das Schema für das Jahr 1903 folgendermaßen ausnehmen:
Zahl der versicherungspflichtigen Arbeiter..... Gesamtlohnung.
Beiträge des Unternehmers:
für die Krankenversicherung, unter Berücksichtigung der einzelnen Lohnklassen
für die Unfallversicherungsgesetzgebung
für die Invalidengesetzgebung, unter Berücksichtigung der einzelnen Lohntlassen..
Ich darf dabei wohl bemerken, daß ich an die Abhandlung durchaus nicht von einem einseitigen arbeiterfreundlichen Standpunkte herantrete, sondern daß es mir in der Hauptsache darauf ankommt, die hohe Belastung der industriellen Unternehmerschaft hervorzuheben. Ich glaube wohl annehmen zu dürfen, daß durch eine solche Abhandlung eine Lücke in der Litteratur ausgefüll werden wird, die vielleicht geeignet sein wird, dem allzu raschet Tempo der socialpolitischen Gesetzgebung etwas Einhalt zu thun. Daher habe bei Berliner Großindustriellen viel Entgegenkommen gefunden, muß aber, um zu einem Ziel zu gelangen, meine Wünsche in weiteren Kreisen äußern.
Diskretion ist dabei selbstverständlich.
Ich bitte nochmals ganz ergebenst um Ihre geschätzte Unterstüßung und darf wohl hoffen, daß Sie mir recht bald entsprechende Mitteilungen, wenn irgend möglich noch vor Ende Juni, zugehen lassen werden.
In ausgezeichneter Hochachtung ganz ergebener ( gez., Frizz Petholz. Dieser wissenschaftsbeslissene junge Mann geht mustergültig zu Werke. Noch bevor er nur eine statistische Ziffer hat, weiß er schon, was er beweisen will. Er ist nicht einseitig arbeiterfreundlich", sondern er will die hohe Belastung der industriellen Unternehmer