schast' nachweifen, um„dem allzu raschen Tempo der socialpolitischenGesetzgebung etwas Einhalt zu thun". Darum hat der Mann auchvorsorglich die wichtigste Frage in sein Schema nicht aufgenommen,Ivie hoch nämlich der Produktionswert und der Gewinn der unter-suchten Industriebetriebe ist; erst dann läßt sich doch ein Bild von derBelastung erzielen, wenn man weiß, welchen Prozentsatz des ansden Arbeitern herausgeschundenen Mehrwerts„in socialer Wohlfahrt"vergütet wird. Aber der Wisienschaftler weiß eben genau, was erbeweisen will, und darum fragt er nicht erst nach Dingen, die seinenBeweis erschweren könnten. Wer nun noch daran zweifelt, daß dieJünger der empirischen Wissenschaft erst gewissenhast die Thalsachensammeln, um dann vorurteilslos und unabhängig, nur im Dienstder strengen und lauteren Wahrheit, die Schlüsse zu ziehen!Gespannt darf man freilich auf die Kunststücke sein, die der„zielbewußte" Herr anwenden wird, um die unangenehme, aus jederamtlichen Statistik sofort ohne„Umfrage" zu berechnende Thatsacheaus der Welt zu schaffen, daß die„hohe Belastung" der Unternehmerdarin besteht, daß sie etwa fünf Pfennig für jeden Arbeiter undArbeitstag zu bezahlen haben. Die ganze„socialpolitische Be-lastung" beträgt zwei Prozent des von den Arbeitern erzeugtenProduktionswertes.—Ein Gegenstück zum Trierer Schulstreit. Die klerikale Taktik,städtische Schulen ohne konfessionellen Charakter mittels der Zucht-mittel der Kirche zu Gunsten rein katholischer Schulen zu schädigen,hat nicht nur in Trier Triumphe gefeiert. Auch in Wesel ist die-selbe Erscheinung zu beobachten, die dadurch noch besonders auffälligwird, daß das preußische Kultusministerium die konfessionelleSchule finanziell unterstützt.Ein Privattelegramm aus Köln meldet uns:Seit 1877 befitzt Wesel eine zehnklassige paritätische höhereTöchterschule, deren Lehrerpersonal konfessionell gemischt ist. Als1886 eine vierklassige katholische Privatschule gegründet wurde,entzog später der Bischof von Münster der städtischen Schule diekatholischen Religionslehrer. Der Religionsunterricht wurde nunvon feiten der Stadt zwei katholischen Lehrerinnen übertragen.Auch diesen wurde seitens der Kirche, wie die„Kölnische Zeitung"berichtet, die Erteilung von Religionsunterricht verboten. Diestädtische paritätische Schule verlor darauf fast allekatholischen Schülerinnen. Die Erregung über den Kampf derGeistlichkeit ist gestiegen, seitdem bekannt geworden, daß diepreußische Staatsrrgierung die katholische Privatschule erheblichfinanziell unterstübt. Dem Kultusminister ist nunmehr mitgeteiltworden, daß das Kuratorium der städtischen Schule den Religions-Unterricht in jeder Höhe bezahlen wolle.Dieser Konkurrenzkampf um das Seelenheil der höheren Töchtervon Wesel ist ja an sich höchst drollig. Es ist lustig, wie die Väterder Stadt den Kirchenbann durch die Höhe der Gehälter zu be-zwingen suchen; vielleicht daß sich doch noch ein Katholik findet, derfür gutes Geld dem Bannstrahl des Bischofs von Münster trotzt.Aber für die Schulpolitik der Regierung ist der Fall doch bedeutsamgenug. Als der Bischof von Trier den Besucherinnen der städtischenSchule die Verweigerung der Absolution androhte, erklärte GrafBülow im Abgeordnetenhause mit hohem Pathos, daß dieser Ueber-griff des Bischofs zurückgewiesen sei. Wir wiesen damals auf dieNichtigkeit dieser Abwehr hin. Jetzt erfahren wir nun, daß dasKultusministerium eine katholisch-konfessionelle Schule sogar finanziellunterstützt, die sich die in Trier gerügten„Uebergriffe" in verschärfterForm zu Schulden kommen läßt; die preußische Regierung förderteine klerikale Gründung, deren Zweck und Thätigkeit ist, mit allenMitteln eine paritätisch- Schule in ihrer Existenz zu vernichten. Mauermißt jetzt, wie ernst es dem Grafen Bülow mir seiner Zurück-Weisung des Bischofs Korum gewesen sein muß!Der Liberalismus wird sich nun wieder eine Zeitlang über dieKlerikalisierung des höheren Schulwesens aufregen. Inzwischenrüstet sich die Regierung, um die Volksschule nicht nur thatsächlich,sondern auch gesetzlich der Pfaffenherrschaft vollständig auszuliefern.Für das Proletariat wird der Kampf gegen die Konfessionsschule zueiner Lebensftage der Bildung und Aufklärung des heranwachsendenGeschlechts.—_„Amtliches" vom Zecheulegen.Die Interpellation des Centrums im preußischen A b g e o r d-neten Hause über das Zeche»legen im Ruhrrevier unddie denselben Gegenstand behandelnde Interpellation unsrer Fraktionim R e i ch s t a g e, die zwar nicht beantwortet aber desto griindlicherbesprochen wurde, haben die preußische Regierung denn endlich zu demaufgepeitscht, wozu sie von amts- und rechtswegen ohne jeden Antriebhätte kommen müssen: zu einer amtlichen Untersuchung der gemein-gefährlichen Maßnahmen des Kohlensyndikats und seiner Hinter-männer, unter denen im Ruhrrevier ganze Bevölkerungsschichtenund Gemeinden leiden und in Zukunft noch erst recht zu leidenhaben werden.Zu diesen Untersuchungen ist am 28. April eine besondereMinffterialkommission nach dem Ruhrgebiet gereist, hat in Dort-mund mit den beteiligten Behörden, mit Vertretern des Kohlen-syndikats und den in Frage kommenden Zechen Beratungengepflogen und im Anschluß daran weitere Erhebungen aufverschiedenen Zechen vorgenommen. Das so gewonneneMaterial wurde noch ergänzt und zuerst der in dieser Angelegenheitim Abgeordnetenhause niedergesetzten Kommission mündlich unter-breitet. Die Kommission verlangte die Ermittelungen und Urteileschwarz und weiß in einem gedruckten Bericht. Dieser liegt nunin der„Denkschrift, betreffend die Stilllegungverschieden er Steinkohlenzechen des Ruhrreviers"vor, die uns bisher nur aus Auszügen der bürgerlichen Pressebekannt wird.Danach enthält die Denkschrift zunächst die Feststellung der inder letzten Zeit im Ruhrrevier thatsächlich vollzogenenZechenverkäufe und Angaben darüber, in welchem UmfangeStilllegunaen beabsichtigt sind. Sie bespricht danndie Gründe für die Zeche nfusionen und bringt im An-schlusse daran eine Darstellung der Verhältnisse der einzelnen inBetracht kommenden Zechen. Ein Schlußkapitel giebt eine zu-s ammenfassende Betrachtung der Sachlage. Als A n-hang sind die von der Ministerialkommission in Dortmundgepflogenen Beratungen und Verhandlungen im Wortlautewiedergegeben._ Die einzelnen Teile scheinen höchst un-gleich zu sein, und besonders scheint die Kommission,wie die„Germania" schon feststellt, mit das wichtigste ziemlich außerBetracht zu lassen, nämlich, wie sie sollte, Angaben darüber zumachen, welche Maßnahmen getroffen oder geplant sind: a) umdas willkürliche S t i l l l e g e n der noch nachweislich rentablenZechen zu v e r h i n d e r n, b) um die schädlichen Folgen der er-folgten Stilllegungcn zu beseitigen oder zu mildern, insbesonderehinsichtlich der Arbeiterverhältnisse.An positiven Feststellungen bringt die Denkschrift zunächst dieThatsackie, daß die Zahl der Zechen, deren Verkauf anandre Bergwerke in der letzten Zeit erfolgt oder doch dem-nächst mit Sickerheit zu erwarten ist. sich auf zwölf be-läuft. Die Denkschrift muß auch zugeben, daß die Käuferder Zechen bei dem Ankauf von dem Bestreben geleitet ge-wcsen, die Beteiligung der angekauften Zechen beimRheinisch-We st sälischen Kohlensywdikat zu erwerbenund, wenn auch nur allmählich, auf ihre eignen Zechen zu über-tragen. Dieses Bestreben sei vornehmlich durch die Bestimmungendes neuen, am 1. Januar 1904 in Kraft getretenen Syndikats-Vertrages hervorgerufen worden. Dann aber scheint die Denkschriftganz in die Beweisführung des Kohlensyndikats zu verfallen, mitschon lange bestehender Unproduktivität der stillgelegten Zechen unddergleichen zu operieren. Ueberhaupt scheint sie im wesentlichen,soweit sie urteilt, nach bekanntem Muster„beruhigen" zu sollen.und man wird sich nun auch über die von uns am Mittwoch an andrerStelle eingehend gegeißelten Resolution des bekannten Unternehmer-Vereins im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund nicht mehr zu wundernbrauchen. Die Herren, die diese Resolution verfaßten, sind sicher zumeistauch die Inspiratoren der Geheimräte der Herren Möller und Hammersteingewesen und haben den Ton und die Tendenz des amtlichen Berichtesdeshalb gut vorausahnen können. Uebrigens wäre es ja auch einWunder, wenn es anders wäre, denn wieder sind gerade auch beidieser Erhebung Arbeiter und Arbeiter-Organisationenweder gehört noch gefragt worden! Dadurch kennzeichnet sich dieMethode und das Ergebnis, zu dem sie dadurch kommenmutz, schon völlig hinlänglich klar. Es ist daher auchselbstverständlich, daß, so die Denkschrift in ihrem Schlußüberhaupt etwas gegen die Kohlenbarone zugiebt, die Arbeitervon allen Betroffenen in ihrem Wohl und Wehe am geringsten be-wertet werden. Der Schluß, zu dem die Geheimräte kommen,lautet nämlich wörtlich:„Die zum Teil schon erfolgte, zum Teil mehr oder mindernahe bevorstehende Stilllegung der zur Erörterung gezogenen Zechenbedeutet hiernach bei einer Reihe von Gemeinden, wie schonjetzt mit Sicherheit behauptet werden kann, eine nicht u n-erhebliche, finanzielle Schädigung der Gemeindenund ihrer Angehörigen, insbesondere der Gewerbe-treibe ndenundHansbesitzer. Demgegenüber treten dieSchädigungen der Arbeiter insofern zurück, als beiweitem die meisten auf benachbarten Zechen, zum Teil unter Bei-beHaltung ihres bisherigen Wohnsitzes, Arbeit gefunden haben odervoraussichtlich finden werden. Sollten indessen außer den ge-nannten Zechen noch andre in derselben Gegend stillgelegt werden,so würden sich auch die Verhältnisse für die Arbeiter wesentlichungünstiger gestalten, und die Schädigungen der Gemeinden undihrer Angehörigen einen erheblich weiteren Umfang annehmen."Das Syndikatsorgan, die„Rheinisch-Westfälische Zeitung", hatdenn auch kein Wort der Kritik, es ist befriedigt.Soviel für heute nach den Berichten der bürgerlichen Presse,sobald auch uns die Druckschrift vorliegt, werden wir, wie gesagt,auf sie zurückkommen.—_„Dem Reichskanzler vorzulegen". Die„Zukunft" antwortet ansdie abermalige Ableugnung der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung",daß Graf Bülow die gegen die Entsendung Trothas nach Südwest-afrika intriguierende Depesche des„Lokal-Anzeiger" vor der Ver-öffentlichung gelesen habe, u. a.:„Wegen der winzigsten Dinge lassen Scherls Staatssekretäre beiden Maßgebenden anfragen; es ist vorgekommen, daß harmlose Plaude-reien aus der Ostmark der Censur unterbreitet und dann, als nichtopportun, trotzdem sie schon gesetzt und honoriert waren, zurückgelegtwurden. Nichts, was oben anstoßen könnte, darf ins Blatt. Dafürerhält der„Lokal-Anzeiger" aber auch alle Nachrichten, die vonhöfischen oder amtlichen Stellen vergeben werden, vor den andrenZeitungen. Und nun sollte eine AlarmdepesÄe uncenfiert gedruckt wordensein?... Trotzdem hätte ich meinen Ziveifel unterdrückt; dennseine Berechtigung war nicht zu erweisen. Da erhielt ich einenRohrpostbrief, in dem stand:„Das Dementi der„Norddeutschen" istdreist sich mildere den Ausdruck); die Depesche ist hier im Amt vor-gelegt und mit dem tolerari potest(kamt aufgenommen werden) versehen worden. Der Absender selbst hatte drübergeschrieben:„DemReichskanzler vorzulegen!" Und so was wird abgestritten I"... Gleichdanach bekam ich aus Siidwestafrika— von einem Interessierten— dieMitteilung:„Ich habe Dannhauers Depesche gesehen. Die erstenWorte waren:„Dem Reichskanzler vorzulegen!" Passen Sie auf,was draus wird." Die Depesche war also mit der Weisung, sie demKanzler zur Censur vorzulegen, abgegangen und angelangt.Beide Nachrichten stimmten wörtlich überein. Das genügte mirnoch nicht. Der Zufall brachte mich mit einem Redakteur des„Lokal-Anzeiger" zusammen. Der konnte Bescheid wissen. Ohne Einleitungfragte ich ihn:„Warum ist bei Ihnen denn geleugnet worden, daß Bülowdie Depesche vor dem Druck gelesen hat? Er hat sie ja gelesen."„Woher wissen Sie das?"„Die Depesche trug ja den Vermerk:Dem Reichskanzler vorzulegen." Er wurde rot, kam ins Stotternund sagte schließlich, ich müsse begreifen, daß er über Interna derRedaktion nicht reden diirfe. Ich begriff; wäre meiner Sache nunaber sicher gewesen, selbst wenn nicht noch ein Vierter, der Kenntnishaben konnte und Glauben verdiente, mir gesagt hätte: DieGeschichte ist mit Bülows Genehmigung in den„Lokel-Anzeiger"gekommen...."Vorschule des Lustmords. Die Wiedereinführung des Prangershat der Superintendent Feldhahn in L e t s ch i n augeregt und dieletzte Kreissynode beschlossen. Es sollen nämlich von jetzt ab dieNamen der„gefallenen Mädchen" von der Kanzel aus bekannt ge-macht werden.Kein Zweifel, daß dieser Bekanntgabe die Absicht der Beleidigunginne wohnt, und deshalb den Beleidigten durch den StaatsanwaltGenugthuung verschafft werden muß. Wenn aber die Mädchen vonLctschin nun kontraktbrüchig werden, um dem Schimpf einersolchen Anprangerung zu entgehen, dann muß solcher Landfluchtgesteuert werden— durch Koutraktbruch-Gesetze. Uebrigens verfährt derfromme und strenge Herr Feldhahn höchst ungerecht. Warum ver-kündet er nicht auch die Namen der gefallenen'Männer, insonderheitder„Verführer" der Mädchen. Sollte er sich von den Ergebnissenfürchten?Der„R e i ch s b o t e" ist mit dieser Ehrenkränkung armerMädchen ganz einverstanden. Er sieht in dem„Fall", daß einMädel vor der Ehe dem Liebsten in die Arme sinkt, die erste Stufeauf der Bahn zum--- Lustmord. Er jammert:„Wenn man sieht, wie gerade die Sünden gegen das sechsteGebot überhandnehmen und bis zu den Greueln der Lustmordeausarten, so muß man es bedauern, daß die Presse so wenigVerständnis dafür hat, wenn die Kirche in ihren Gemeinden sitt-liche Zucht ausübt, und das sogar als unchristlich bezeichnet.Ist es etwa christlich, vor diesen Sünden die Augenzu schließen, zu thun. als sähe man sie nicht und sieso ungerügt bis zur sittlichen Verwilderung fortwucheruzu lassen? Welches Unheil wird durch solche Sünden auf dieMädchen und ihre Familien herabgezogen! Wozu wäre denn dieKirche noch da, wenn sie nicht mehr den Mut hätte, in ihren Ge-meinden sittlich-erzieherische Zucht zu üben!"Mit Verlaub: Wenn der voreheliche Geschlechtsumgang,der namentlich auf dem Lande allgemein Sitte ist, eineVorschule des Lustmordes ist, wohin müssen dann erstdie Eheirrungen hoher Persönlichkeiten führen, wohin dieAusschweifungen von Offizieren, deren„Fälle" man offenbar nur des-halb nicbt von den Kanzeln der Garnisonkirchen mit Namen anführt,weil man dann nicht mehr von der Kanzel herunterkäme, so langwäre die Liste! Es giebt keine Steigerung komplizierten Lustmordsmehr, die die Folge derartiger Sünden sein müßte, wenn schon dieländlich-sittliche Liebelei geradenwegs zum Lustmord führt. Uebrigenspflegen auch nicht Frauen, sondern Männer Lustmorde zu üben, unddie Männer gerade finden ja Gnade und Diskretion vor der„Kirchen-zucht". Ist es christlich, die Mädchen für die möglichen Verbrechender Männer zu bestrafen?—Der deutsch-französische Krieg vor Gericht. Zur Verhandlunggegen die„Mainz. Volksztg." wegen Veröffentlichung der Kreisch-mannsbriefe, betreffend die Plllndereien von Sens durch dieHessen, ist für Montag, 4. Juli, vor der ersten Strafkammer desMainzer Landgerichts ein neuer Termin anberaumt worden.Neuer und seltsamer Zeugniszwang. AuS Halle wird unstelegraphisch berichtet: Der Berichterstatter Genosse E b e l i n g wurdein einer heutigen Straskammer-Sitzung vom Landgerichts-DirektorFromme aufgefordert, in das Beratungszimmer zu kommen, und dortim Beisein sämtlicher Richter gebeten, den Namen einesHerrnzu nennen, mit dem er am Montag nach dem Prozeß desRedakteurs Däumig den Gerichtssaal verlassen habe. Als Ebelingdie Namensnennung verweigerte, wurde ein Zeugniszwangsverfahrengegen ihn angekündigt.Jüdisches Lchrcrproletariat. Wir hatten jüngst das Gesuch inder Zeitschrift„Ter Israelit" verzeichnet und kritisiert, wonach füretnen Ort der Rheinpfalz ein Lehrer gesucht wurde, dem ganze700—800 M. Einnahmen in Aussicht gestellt wurden. Die genannteZeitschrift sagt jetzt dazu:Zur Sache selbst sei bemerkt, daß keiner besser die„er-schlitternde Sprache" einer solchen Annonce zu würdigen und zuverstehen vermag, als wir selbst, und zwar gerade vomorthodox-jüdischen Standpunkte aus! Seit mehr als vierDezennien kämpfen wir für eine Besserstellung derisraelinschen Lehrer mit allen zu Gebote stehenden Mittelnernster Mahnung, würdevoller Aufmunterung und Belehrung....Vieles hat sich seitdem zun. Besseren gewendet. Daßman sich noch nicht am Ziele weiß, bekunden freilich solcherleiStelleuangebote, die übrigens nicht nur auf die ftaurig geringeEinschätzung der jüdischen Religion und ihrer Lehrer ein Schlag-licht werfen, sondern auch auf unsre Regierungen. Die R e-gierungen sind's, die vom jüdischen Religionslehrer semi-naristische Bildung, Konferenzbesuch, Konferenzarbeiteu undzlveite Staatsprüfung verlangen, die Regierungen sind's, die vonden Gemeinden die Anstellung geprüfter Lehrer verlangen unddennoch— weder einen Pfennig zum Lehrergehalt beitragen, nochfür die Reliktenversorgung was thun. Man verlangt Pflichtenohne Rechte zu gewähren. Ist ein solches Stellenangebot dannein Wunder? Ist nicht unser staatsbürgerliches Verhältnis damitam treffendsten gekennzeichnet?"So groß sicherlich das Unrecht des Staates ist, so behalten dievielfach wohlhabenden Juden den vollen Teil der Schuld, daß ihreLehrer jämmerlich darben müssen. Die„würdevolle Aufmunterungund Belehrung", deren die jüdische Zeitschrift sich rühmt, scheint beimanchem ihrer Glaubensgenossen so wenig genützt zu haben, daßsie vorziehen, ihren Reichtuinsiiberflutz— zu Mirbach zu tragen.—Hueland.Schweiz.Ein Urteil über Socialdemokraten ans gegnerischem Lager. Derschweizerische konservative Nationalrat Ming schreibt im Obwaldener„Volksfreund" über die socialdemokratische Gruppe im schweizerischenNationalrat folgendes:„Wir überschätzen diese an Zahl nicht hervorragende Parteikaum, wenn wir behaupten, daß sie im Parlamente nicht bloß dieregsamste ist, sondern daß sie verhältnismäßig am meisten bedeutendeKopfe und ganz gewiß von den unermüdlichsten Arbeitern unterihren Mitgliedern zählt. In der geistigen Ucberlegenheit, die siesich dadurch über die vielfach träge gewordenen Politiker deralten Parteien erringen und in der Ueberzeugungstreue, mit welchermancher sich wider eigenes materielles Interesse und Bequemlichkeitfür die Ideen opfert, die er als richtig und dem Gemeinwohl förder-lich erkannt hat, liegt das Geheimnis der socialdemokratischen Partei-führer. So lange die akademische Jugend der alten Parteien alles,was über Viersimpelei hinausgeht, als„Strebertum" verhöhnt,wird sie keine Feldherren gegen die täglich wachsende Armee derSocialdeinokratie ins Feld stellen. Die einstigen BuchbindergesellenJakob Vogelsanger und Hennann Greulich wiegen ein ganzesDutzend solcher Couleurbrüder auf an Wissen und geistiger Ge-wandtheit und vielleicht auch an Ueberzeugungstreue."Italien.Das Gocthe-Denkmal, das der deutsche Kaiser schon vor längererZeit der Stadt Rom zum Geschenk gemacht hatte, ist nun endlichin der Villa Borghese aufgestellt worden. Bei der feierlichenEnthüllung, der eine Anzahl Deputierter und die Spitzender Behörden beiwohnten, wurden von dem deutschen Bot-schafter und dem Bürgermeister von Rom kurze Ansprachengehalten. Wilhelm II. sandte zwei Telegramme nach Rom, worin erdie Hoffnung aussprach, daß das Denkmal dazu beitragen werde,die Bande der Freundschaft und Achtung, die beide Länder verbänden,enger zu schließen.Die italienische Presse hat den Euthüllungsakt sehr kühl be-handelt. Das bekanntlich von Eberlein stammende Denkmal hältman allgemein für eine sehr mittelmäßige Arbeit.—Spanien.Spanische Schlachzizenwirtschaft. Wie schamlos jeder Ver-such der spanischen Landarbeiter, ihre Lage zu verbessern, von denBehörden, der Gendarmerie und den Grundbesitzern niedergeknüppeltwird, darüber entnehmen wir dem„Socialista" folgende Darstellung:Die Arbeiter von Alvareal(Provinz Toledo), die in harter Land-arbeit den enormen Lohn von ca. 50 Pf. pro Tag verdienten, ver-langten eine Zulage von 16 Pf. Kaum hörte dies der Bürger-meister, versammelte er die Grundbesitzer und jeder mußte sich durchseine Unterschrift verpflichten, die Forderungen der Arbeiter nichtzu bewilligen; alle Zuwiderhandlungen würden eine empfindlicheGeldstrafe nach sich ziehen. Die Arbeiter Alvareals luden daraufsämtliche Genossen der Provinz Toledo zu einer Versammlung ein,doch als dieselben anlangten, wurden sie von der Polizei in Empfanggenommen und ihnen bedeutet, sie möchten sofort wieder dahin gehen,wo sie hergekommen wären, ohne ihnen zu gestatten, sich auszuruhen,geschweige denn mit ihren bedrängten Genossen zu beratschlagen.Als die Genossen dennoch versuchten, eine Versammlung abzuhalten,wurden die Wortführer in der schimpflichsten Weise gefesselt undvon der Polizei unter Schmähungen und Beleidigungen ms Ge-fängnis abgeführt. Darauf führte man die Gefangenen 30 Kilo-meter weit durch das Land, damit den Landarbeitern die Lust zuallen weiteren Demonstrationen vergehen sollte. Nachdem derBürgermeister dieses Heldenstück vollbracht hatte, ging er in Be-gleitung des Stadtrichters und zweier Civilporsonen in die Häuserder Genossen, ließ diese notieren, ihnen die Waffen abnehmen undbedrohte sie mit barbarischen Strafen, falls sie nicht von ihrem Vor-haben Abstand nehmen wollten. Ein Arbeiter, der hiergegen pro-testierte, wurde sofort gefesselt, nach dem Rathause abgeführt unddort längere Zeit gefangen gehalten. Den Krämern und Bäckerndes Ortes wurde anbefohlen, den auswärtigen Arbeitern nichts zuverabfolgen.Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn diespanischen Arbeiter den anarchisttschen Ideen leicht zugänglich sindund in ihrer Verzweiflung gelegentlich zu dem Mittel der Gewaltgreisen.—Schweden.Neue Lakaiendienste für Rußland. Wie vom 22. Juni au?Norretelje gemeldet wird, erschien am selben Tage vormittags derBürgermeister der Stadt aus Befehl des Justizministers im Comptoirder„Norretelje Tidning", um die in der vorigen Woche erschienenenNummern 72 und 73 des Blattes, die Betrachtungen über den Toddes finnländischen Generalgouverneurs Bobrikow enthielten, in Be-schlag zu nehmen. Es wurde jedoch kein Exemplar gefunden; dieganze Auflage war ausverkauft.Vom selben Tage wird gemeldet, daß der Justizminister gegenden Herausgeber des Blattes Anklage wegen Beleidigungdes russischen Zaren erhoben hat. Es handelt sich hier umein konservatives Blatt, dessen Redatteur als S o c i a l i st e n-f r e s s e r bekannt ist, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß.ereine Parallele konstruiert zwischen Bobrikow. der„Revolution vonoben" machte, und den Socialisten, die„Revolution von unten an-ordnen wollen", und verlangt, daß Strafe treffe:„alle Rcvoluttonäre,ob sie nun Orden auf der Brust, oder rote Fahnen in den Händentragen". Diese Worte sind es vermutlich nicht, die die Anklage ver-anlaßtcn, sondern vielmehr wohl das kleine Wort„Meineidiger",das in Beziehung auf die Verfassungsbrüche in Finnland gebrauchtwird, und für das auch der Herausgeber des Stockholmer Blattes„Veckans Nyheter" angeklagt und schließlich verurteilt worden ist.—Rußland.Ueber den Straßenkamps in Warschauliegen jetzt ausführlichere Nachrichten vor. Der offizielle russische„Warschawski Dnewnik" suchte zuerst den Vorfall ganz totzuschweigen,dann brachte er eine kurze Notiz, in der er über die„Excesse" von„Gaffern" und dem„Janhagel der Vorstadt Mola" berichtet. Die