St. 154. 21.2. AkllM des Lsmürts" Käilltl UsIlisdlRZonatag, 3. Juli IW.Maeedonien und Arutenien.Eme internationale Konferenz über die orientalische Frage.London, 30. Juni.Gestern tagte im Westminster Palace Hotel, London, eine inter-nationale Konferenz, um gegen die Zustände in Maeedonien undArmenien zu protestieren. Die Teilnehmer der Konferenz warenenglische, französische und italienische Parlamentarier und Publizisten.Von den Engländern sind zu nennen: James Bryce, Shaw Lefevre,Professor Rendel Harris und die freisinnigen Bischöfe von Herefordund Rochester; von den Franzosen: die Genossen Pressense undJean Longuet sowie Senator Delpech; von den Italienern: PietroMazzini.Die Lage in Maeedonien ist trotz der russtsch-österreichischenAbmachungen ganz unbefriedigend. Trotz aller Drohungen derLamsdorff und Goluchowsli sind die von ihnen vertretenen re-aktionären Regierungen nicht in ernster Weise bemüht, auch nur dasMinimum von Reformen zu verwirklichen. Die von den europäischenMächten nach Maeedonien gesandten Gendarmerie-Offiziere sind ohneAutorität; sie werden von der türkischen Regierung nur als fremdeJnstruktoren in türkischen Diensten betrachtet.In den armenischen Distrikten ist die Lage noch ernster. JederVersuch der armenischen Insurgenten, ihre Stammesgenossen fürden Befreiungskampf zu gewinnen, wird von den Türken mitMassakres ganzer armenischer Dörfer beantwortet. Die Kurdenwerden nicht direkt gegen die Insurgenten losgelassen, sondern gegendie friedliche Bevölkerung, die mit ihrem Gut und Blut für einevon ihr ganz unverschuldeten Agitation büßen muß. Die Zahl derin den letzten Monaten in Müsch und Orfa abgeschlachteten und ver-brannten Armenier ist zwar nicht so bedeutend, wie die in denMassakres von Sassun in den Jahren 1894— 1896, immerhin beläuft sie sich auf einige Tausende.In Deutschland wird diesen Ereignissen wenig Aufmerksamkeitzugewendet. Dazu sind Rußland, Deutschland und Oesterreich—trotz der scheinbaren Harmonie in der orientalischen Frage— vollvon gegeneinander gerichteten Jntriguen und viel zu viel an derAufteilung der Türkei interessiert, um den Macedoniern undArmeniern wirklich helfen zu wollen. Aber in Westeuropa sind dieSympathien mit den unter dem türkischen Joche leidenden Christenvielfach sehr lebhaft, obwohl auch hier die Regierungen nicht geneigtsind, über drohende Noten und Cirkulare hinauszugehen.Um die westeuropäischen Regierungen zu ernsten Maßnahmenzu zwingen, bedarf es einer weitgehenden Agitation. Die Einleitungzu dieser Agitation war der Zweck der gestern stattgefundenen inter-nationalen Konferenz, die folgenden Verlauf nahm: Der englischeParlamentsabgeordnete Stevenson hielt die Einleitungsrede, in derer unter anderm sagte:„Wir wünschen die Verbesserung der Lageder unterdrückten Völkerschaften im türkischen Reiche, ohne Unterschiedder Rasse und Religion, und zwar durch wirkungsvolle Berwaltungs-reformen, in Uebereinstimmung mit dem Versprechen der türkischenRegierung und mit den internationalen Verpflichtungen, besondersmit den Artikeln 23 und 61 des Berliner Vertrages. Die Bedeutungdieser Konferenz ist in diesem kritischen Moment sehr groß; es istanzunehmen, daß die vereinigten Erklärungen und Anstrengungender Vertreter der drei Nationen einen erheblichen Einfluß auf dieHandlungen ihrer Regierungen ausüben werden. Indem wir an-erkennen, daß die unterdrückten Völkerschaften im türkischen Reichesich durch Rasse, Religion sowie durch politische und sociale Idealevoneinander unterscheiden, richtet die Konferenz an sie den ernstenAppell, vorläufig ihr Streben möglichst auf solche Reformen zukonzentrieren, die die allgemeinen Interessen fördern könnten. Wir habenein Recht, von den unterdrückten Völkerschaften in der Türkei zuverlangen, daß sie mit uns harmonisch zusammenwirken in der Auf-gäbe, die oben genannten Reformen zu erlangen."Der greise schottische Gelehrte und Parlamentsabgeordnete Brhceerklärte:„Im ganzen türkischen Reiche, von einem Ende zum andern,sind Erpressung, Raub und Mord vorherrschend; es giebt dort keineSicherheit für Leben und Eigentum und Familie. Manche sagen,die unterdrückten Völkerschaften wären schuld daran, daß solche Zu-stände andauern. Ich will nicht leugnen, daß die Differenzen zwischenden Völkerfchaften ungünstig wirken. Ich leugne auch nicht, daß dieChristen und Muselmänner gegeneinander verhetzt sind— verhetztdurch die machiavellische Politik des Sultans. Aber im ganzen großensind die europäischen Mächte an diesen Zuständen schuld. SchlechteRegierungen sterben an ihrer Schlechtigkeit, wenn sie nicht von außer-halb unterstützt werden. Innere Insurrektion oder äußerer Kriegvernichten in der Regel eine schlechte Regierung, die sich nicht re-formieren wollte. In unserm Falle dagegen wurden innere In-surrettionen und das Wachsen benachbarter civilisierter Staaten, diedie türkische Regierung hätten hinwegfegen können, durch die Inter-vention der Großmächte Europas verhindert. Diese haben es sichzur Aufgabe gemacht, die türkische Regierung nicht sterben zu lassenund sind deshalb für die Leiden der unterdrückten Nationalitätenverantwortlich.... Die Regierung des Sultans ist unverbesserlich.Nur zwei Maßnahmen sind möglich: entweder die Beseitigung derdespotischen Regierung des Sultans, oder die leidenden Provinzen demMachtbereiche des Sultans zu entziehen. Die europäischen Mächtewissen dies ebenso gut wie wir. Aber sie sagen, eine beschleunigteAktion würde zu einem europäischen Kriege führen. Darauf möchteich antworten, daß ihr Zaudern diese Aussicht nicht beseitigen kann.Dann sagen sie, sie hätten die Völker nicht hinter sich. ES ist deshalbunsre Aufgabe, die Völker, die wir hier vertreten, zum Bewußtseinihrer Verantwortlichkeiten zu bringen. Ich glaube, die Völker sindmit uns Auch die Sympathien des deutschenVolkes sind auf unfrei Seite— trotz der Haltung derdeutschen Regierung. Wir find hier versammelt, nicht um die Inter-essen einer besonderen Rasse oder Religion zu vertreten. Die Re-formen, die wir verlangen, find sowohl im Interesse der Musel-männer wie der Christen."Für Frankreich sprach der Deputierte Genosse de Pressense, dererklärte:„So oft die Mächte gegen gewisse Missethaten der türkischenRegierung protestieren, sagt man ihnen in Konstantinopel, dietürkischen Gesetze seien ausgezeichnet. Das ist wohl zum Teil wahr.Unglücklicherweise werden sie nie in Kraft gesetzt. Durch eine ganzeReche von internationalen Verträgen, besonders durch den 23. und61 Artikel des Berliner Vertrages haben die Mächte versucht, dieTürkei zur Ausführung ihrer Gesetze zu veranlassen. Zur Zeit derarmenischen Massakres in den Jahren 1894—1896 befand sichEuropa in einem Zustande des moralischen Bankrotts. Die Winkel-züge und Ausreden der türkischen Regierung wurden acceptiert undnichts geschah, um den Unterdrückten zu helfen---- Was Maeedonienbetrifft, so betrachte ich es als einen Fehler, daß Europa sich aufRußland und Oesterreich verlätzt.... Ich beantrage daher die An-nähme einer Resolution, die unser Bedauern darüber ausspricht, daßdie türkische Regierung den Verpflichtungen, die ihr die Artikel 23und 63 des Berliner Vertrages auferlegten, nicht nachgekommen ist.und empfehlen daher den Kabinetten in Paris, Rom und London.wirkungsvolle Maßregeln zu ergreifen, um eine gerechte und humaneRegierungsweise in allen Provinzen des türkischen Reiche? zu er-möglichen."Diese Resolution wurde unter anderm von Bischof von Hereford,Pietro Mazzini, Lord Äanmore unterstützt und von der Konferenzangenommen.Der Bischof von Hereford legte noch folgende Resolution bor:„Die Konferenz erkennt, daß alle diplomatischen Warnungs-noten an den Sultan nutzlos sind. Wir laden daher alle freienVölker ein, ohne Unterschied der Rasse und Religion, mit uns aufkonstitutionellem Wege zusammenzuarbeiten, um die Opfer dertürkischen Mißwirtschaft zu retten."Der Redner erklärte, daß er auch auf amerikanische Mitarbeithoffen darf. Man müsse immer im Auge behalten, daß Ver-Verantwortlichkeit für die türkische Mißwirtschaft auf einem Manne(dem Sultan) ruhe, dem man die Möglichkeit zur Unterdrückungnehmen müsse.—_Hus Induftrlc und Handel.Das Kali-Syndikat ist doch nicht gescheitert, das ist das Ergebnisvon Verhandlungen, die nach den ersten ergebnislosen nochmals auf-genommen worden waren, und dann in später Nachtstunde erst ihrEnde erreichten, so daß ihr Inhalt einem großen Teil der Pressenicht mehr rechtzeitig zugehen konnte. Dies für die Kalimagnatenso günstige Resultat ist in letzter Stunde nur dadurch erreicht worden.daß man den Forderungen von Hedwigsburg und Hohenfels aufErhöhung ihrer Quote im wesentlichen nachgab. Die B e-teiligung der einzelnen Werke in Tausendsteln der ge-samten Quote ist nach der„Voss Ztg." folgende, wobei erst das Be-teiligungsverhältnis vom 1. Januar 1905 und in Klammer das vom1. Januar 1909 angegeben wird: Preußischer Bergfiskus 80,34(74.59). Leopoldshall 59,91(55,38), Westeregeln 52,28(48,61),Neustaßfurt 52.28(48,61), Aschersleben 52,28(48.61), Ludwig II.32,65(31,58), Hercynia 52.23(43,61), Solvay 53,26(49,82).Thiede 21,12(23.34), Wilhelmshall 44,64(44,64), Glückauf 35,32(33.75), Hedwigsburg 35,50(35.50). Burbach 34,59(34,97) Carls-fund 29,49(30,36), Beienrode 27.77(29,27), Asse 27,73(29,27),Salzdetfurth 32,59(35,52), Hohenzollern 23.41(29,62), Jessenitz27,77(29,27), Justus I. 28.41(29,62), Kaiseroda 28,41(29,62),Einigkeit 26.18(27,72), Hohenfels 31.64(35,16), Mansfeld 23,90(26,43), Alexandershall 27.77(29,27), Wintershall 27,77(29,27)und Johannashall 25,21(26,09).Üeber die Organisationsform herrschte von vornhereinkeine große Meinungsverschiedenheit. Man acceptierte den lange vor-bereiteten Entwurf, der dem Syndikat die rechtliche Form einerGesellschaft mit beschränfter Haftpflicht giebt. In dieser Form istdas Syndikat auf 5 Jahre verlängert worden. Trotz der endlichenEinigung in der andern Frage, konnte über den Fünf-Millionenfonds, welcher zur Niederhaltung der Konkurrenzdienen sollte, eine Verständigung nicht erzielt werden, doch verlautet,daß die größten Werke diesen Fonds nunmehr aus eignen Mittelnzusammenbringen sollen. Auch sonst trübt mancher Wermutstropfendie Freude der Syndikatsherren. So ist nicht sicher, wie weit schoneinzelne Werke in der Meinung, das Syndikat werde mit dem30. Juni sein Ende erreichen, freihändige Verträge aufLieferung vom 1. Januar 1905 ab abgeschlossen haben. Es soll derVersuch gemacht werden, solche etwaigen Lieferungsquanten auf dieMitglieder des Syndikats dann zu repartieren. In den nächstenFolgen des Syndikatsabschlusses dürfte nun auch, wie wir schon neulichandeuteten, gehören, daß die mitteleren und größeren Werke kleinereanzukaufen suchen werden, um durch Stillleg ung derselben ihreeignen Beteiligungsziffer zu erhöhen. Es drohen dieselben Vor-gänge, wie sie im Ruhrrevier infolge der Politik der Herren desKohlensyndikats alle Welt in Aufregung halten. Zum Schluß sollnicht unerwähnt bleiben, daß an der Börse kein Augenblick derZweifel aufkommen zu können schien, die Verhandlungen könntenwirklich scheitern. Die Kalikuxe erfuhren in den ganzen Tagen einefortgesetzte Steigerung. Die Börse hatte also wieder einmal einenfeinen Riecher, und die Zeche wird allein von den Kalikonsumentenzu bezahlen sein.Der Berliner Verkehr im Juni, lieber die Ergebnisse deBerliner Verkehrsinstitute im Monat Juni geben folgende AusweiseAuskunft:Große Berliner Straßenbahn: Einnahme im Juni1904: provisorisch 2 490 723 M., bis 31. Mai 1904 definitiv12 684 263 M., zusammen 15 174 991 M., dagegen 1903:14 047 552 M. Der Tagesdurchschnitt beträgt 1904: 83 379 M.,1903: 77 610 M.Die Hoch- und Untergrundbahn beförderte imMonat Juni cr. 2 440 496 Personen gegen 2 339 233 in der ent-sprechenden Zeit des Vorjahres. Die Einnahmen betrugen 303 072Mark gegen 290 995 M. Die Flachbahn(Warschauerbrücke—Centralviehhof) beförderte im Juni 233 635 Personen und verein-nahmte 15 077 M.Allgemeine Berliner Omnibus-Gesellschaft.Die Einnahme betrug im Juni 433,437 M.(d. i. gegen die Ein-nähme der Allgemeinen und der Neuen Omnibusgesellschaft im Juni1903 mehr 55 472 M), seit 1. Januar 2 408 447 M.(mehr174,197 M.),._Gerichts-Zeitung.Die Unterschlagungen in der Bäckerinnung zu Berlin vor Gericht.Qjin eigenartiges Bild aus dem Jnnungsleben entrollte sichgestern vor der Abteilung des Schöffengerichts am Amtsgericht I.Angeklagt waren d?e beiden Vertreter des Bäckerverbandes,Allmann und Barth, welche in den beiden Zeitungen„DeutscheBäckerzeitung" und„Der Bäcker" in vier Artikeln die Behauptungaufgestellt hatten, daß schon im Jahre 1900 einmal durch denRedakteur der Meisterzeitung, Herrn P ä r s ch, Unterschlagungen inHöhe von etwa 900 M. vorgekommen seien, ebenso jetzt voreinem Jahre abermals von demselben Manne in Höhevon 2000 M. Dem Obermeister B e r n a r d wurde zum Vorwurfgemacht, daß er die Unterschlagungen wohl gekannt, aber vertuschthaben sollte.Hierdurch fühlte sich die Bäckerinnung sowohl als auch derObermeister Bernard beleidigt und stellten Strafantrag.' Dieserwurde vom Staatsanwalt abgelehnt, worans die Privatklageerhoben wurde. In der Verhandlung entrollten sich allerliebsteBilder, die als Illustration zu dem bisherigen Kampfs der Bäcker-meister gegen die Gesellenorganisation dienen mögen, deren Führerstets als Spitzbuben an den Arbeitergroschen von den Jnnungs-meistern verdächtigt und verleumdet wurden.SUs Zeugen wurden nur die vier in hervorragendenStellungen innerhalb der Innung befindlichen BäckermeisterMichaelis, Apelt, Nobiling und H a b i l d vernommen.Michaelis als Revisor bestätigte, daß nach seiner MeinungUnterschlagungen durch Pärsch vorgekommen seien. Der Ober-meister habe zwar den P. sofort, als er die Sache gemerkt habe,seines Postens enthoben, habe ihm aber Bücher und Gelder noch4 Monate in Händen belassen und erst dann die Revi-soren zur Revision eingeladen.Obermeister B e r u a r d erklärte, daß er dem P. deshalb dieBücher und Gelder in Händen belassen habe, damit erdie Rückstände einziehen und die Bücher in Ordnungbringen solle. Es habe sich auch dann heraus-gestellt, daß der Vorwurf, P. habe Unterschlagungenbegangen, ungerechtfertigt sei, vielmehr sei durch die ein-gegangenen Rückstände für Annoncen alles gedeckt und in Ordnunggebracht worden.Apelt als Vorstandsmitglied erklärt, daß er nur von Ge-rächten wisse, daß Unterschlagungen begangen sein sollten, etwasBestimnites wisse er nicht, könne sich auch auf den Fall im Jahre 1900nicht entsinnen.N o b i l i n g erklärt, es sei im Jahre 1900 im Jnmingsvorstandeim engeren Kreise serzählt worden, daß dem P. Geld an derZeitungskasse fehle. Darauf haben sechs Mitglieder desJnnungsvorstandes, darunter er selbst und— Apelt, je 150 M. gegeben, damit bis zur Revision das Geld da sei. Auf die Frage desVorsitzenden, was sich die Geldgeber dabei gedacht hätten, erklärteZeuge, daß sie die Innung vor der Blaniage be-wahren wollten.Vors.: Sie hätten doch darauf dringen sollen, daß damals P.schon seines Postens enthoben wurde.Zeuge(nachdenklich):„Eigentlich! a.' Dieser Zeuge er-zählt dann weiter, daß in der Jnnungsvorstandssitzung bei der imvorigen Jahre stattgefundenen Unterschlagung dem P. der Rat ge-geben worden sei, öffentlich zu sagen, daß er seine Aemter wegen—Krankheit niedergelegt habe.Bernard sagt darauf: Unterschlagungen konnten 1900 nichtfestgestellt werden weil— niemand Einsicht in dieBücher genommen habe. Pärsch sei nur gichtkrank ge-Wesen, und daher sei in die Bücher große Unordnung gekommen.Letzter Zeuge ist H a b i l d. Diesen Zeugen wollte der Rechts-anwalt L o e w e, der Syndikus der Innung, durchaus unmöglichmachen(er hatte die Unterschlagungen aufgedeckt), hatte aber damitkein Glück.Der Zeuge erklärte, er halte seine oft wiederholte Behauptungaufrecht, daß die? Unterschlagungen seien, von denen auch der Ober-meister Kenntnis haben mußte. Er habe seine Aemter nur deshalbniedergelegt, weil trotz der Verfehlungen des P. diesem wieder Ver-ttauensämter übertragen seien. Er bekomme ein Gehalt von1500 M„ wofür er ja selbst eingetreten sei, aber daß der Mann,dessen Ehre nicht fleckenfrei sei, für die Jnmingszcitung schreibe, könneer nicht zugeben.Zeuge sagt weiter aus: Er habe die nicht unbegründete Ver-mutung, daß Bernards sich mit P. in den vier Monaten nach derUnterschlagung in Verbindung gesetzt habe, und da die Verwandtennichts hergaben, auf eine andre Weise die ZeitungSkassein Ordnung gebracht habe, um die Innung vor Bloßstellung zubewahren.Das Urteil und namentlich seine Begründung ist für die Jnnungs-Lotterwirtschaft geradezu vernichtend.Der Vorsitzende führte aus: Das Gericht habe zwar eineeigentliche Unterschlagung nicht feststellen können. Es seien aberso grobe Uuregelmäßigkeiteu vorgekommen, daß der Gerichtshofseine Verwunderung darüber aussprechen müsse, wie es möglich war,daß ciucm solchen Äknuiie noch weiter Ehrenämter anvertraut wurden.Der Vorsitzende hob weiter besonders hervor, daß es doch wunderbarerscheine, wie Pärsch die ungeheuerlichen Beleidigungen der betreffendenArtikel wie:„Spitzbube",„Betrüger" und„daß die Spatzen schondie Unterschlagungen von den Dächern pfeifen" ruhig hinnehmenkonnte, ohne auch nur den Versuch der Verteidigung zu machen.Ferner wurde vom Vorsitzenden scharf kritisiert, daß einem Manne,der sich solcher grobenUnregel Mäßigkeiten schuldiggemacht habe, vier Monate lang die Bücher belassen werden konnten.Die Annahme, daß damit Vertuschung beabsichtigt wurde, sei dahersehr naheliegend.Die Rechnung des Artikels der„Deutschen Bäckerzeitung" aufdie„Berichtigung" Bernards, nach welcher noch Ueberschuß vor-handen sei und keine Unterschlagung vorliege, hätte dasGericht ebenfalls wunderbar gefunden. Das Gericht müsse sichden Schlußfolgerungen des Artikels voll anschließen. Der Ober-meister Bernard selbst habe es geduldet, daß in der VorstandssitzungP. der Rat gegeben worden sei, er solle öffentlich sagen, daß er ausGesundheitsrücksichten sein Amt niederlege. Dies sei ebenfalls Ver-schleierung.Zum Schluß kam der Vorsitzende auf den Artikel im„Bäcker"zu sprechen, in welchem es heißt: Und solche Spitzbuben stellt manmit einem Gehalt von 1500 M. jährlich wieder ein? Das ist geradezueine Prämie auf die Spitzbüberei. Der Vorsitzende erklärte hierzuausdrücklich: Den Begriffen der Moral entspricht es, daß man einenMann, der in so unglaublicher Weise mit fremden Geldern Wirt-schaftet, sofort feines Amtes entsetzt. Auch der Gerichtshof konntesich der Meinung nicht verschließen, daß es eine direkte Prämie aufdie begangene Spitzbüberei sei, wenn derselbe Mann wieder mit1600 Mark besoldet und in ein Ehrenamt eingeführtwürde.Daher sei für die iii den ersten drei Artikeln behaupteten That-sachen der Wahrheitsbeweis erbracht. All in a n n müsse frei-gesprochen werden. Barth werde wegen der im letzten Artikelenthaltenen fonnellen Beleidigung zu 50 Dt. Strafe verurteilt. DerKläger hat vier Fünftel der Kosten und Barth ein Fünftel zutragen.Weiter kann der Kläger im„Bäcker" und der„Deutschen Bäcker-zeituug" das Urteil auf Kosten des Angeklagten veröffentlichenlassen.Ob er es thun wird? Verurteilt ist die Innung und ihreSchlamperei; die Angeklagten sind glänzend gcrechtferttgt.Eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung führte gestern denSchankwirt W i l h. B a e n i s ch vor die zweite Strafkammer desLandgerichts I. Am Abend des 7. September v. I. besuchte derPortier Emil Beyer das Lokal des Angeklagten. Beyer war ange-trunken und zeigte Neigung zum Streit. Der Wirt war schließlichfroh, als er um 12 Uhr Feierabend bieten konnte. Die übrigenGäste folgten der Aufforderung, Beyer mußte mit Gewalt zum Lokalhinausbefördert werden. Bevor der Angeklagte seine Thürscheibedurch Herablassen der Jalousie zu schützen vermochte, schlug derdraußen stehende Portier Beyer sie mit seinem Stock ein. Baenischwill seiner Behauptung nach gefürchtet haben, daß Beyer ihm auchdas große Schaufenster zertrümmern würde, er bewaffnete sich dahernüt einem Gummischlauch und trat durch eins andre Thür auf dieStraße hinaus. Hier sei ihm Beyer mit zum Schlagen erhobenemStocke entgegengetreten. Nun habe cr zwei Schläge mit dem Gummi-schlauch nach ihm geführt und einer von diesen beiden Schlägen solleunglücklicherweise das linke Auge Beyers getroffen haben. Zu seinemBedauern habe er gehört, daß die Sehkraft auf dem verletzten Augeerloschen sei. Der Zeuge Beyer behauptete dagegen, daß er bereitsruhig nach dem gegenüberliegenden Bürgersteig gegangen sei, als derAngeklagte hinter ihm hergekommen sei und ihm hinterrücks mehrereSchläge gegen den Kopf versetzt habe. Er sei zu Boden gesunkenund habe sofort gerufen:„Mein Auge! Mein Auge!" Durch dieBeweisaufnahme wurde die Darstellung des Zeugen Beyer bestätigt.Der Staatsanwalt beantragte, dem Angeklagten zwar mildernde Um-stände zuzubilligen, aber immerhin auf ein Jahr Gefängniszu erkennen, während der Verteidiger, Rechtsanwalt Posner, für einniedriges Strafmaß plaidierte. Der Gerichtshof verkannte nicht,daß der Angeklagte stark gereizt worden sei und beließ es deshalbbei einer Gefängnis st rafe von drei Monaten.Bor dem Schwurgericht des Landgerichts II wurde gestern«ineAnklage wegen gemeinschaftlichen Raubes verhandelt, die sich gegendie vier Arbeiter Johann P a e t k e, Wladislaus I o z k a, Joh.K u d z i n s k i und Joh. S a l e w s k i richtete. In der Rächt zum1. Februar d. I. befand der Bauunternehmer Gustav Z i p p e r t sichin einer Tanzkneipe in Charlottenburg. Er war stark angetrunken,gab infolge dessen viel Bier zum Besten und ließ bei dieser Gelegen-heit viel Geld blicken. Auf dem Nachhausewege wurde er plötzlich,wie er behauptet, von 3— 4 Personen überfallen, zu Boden geschlagenund seiner Barschaft in Höhe von 183 M. beraubt. Die Thäter sollendie vier Angeklagten sein, welche indessen entschieden ihre Schuldbestritten. Bei seiner Vernehmung war der Zeuge Zippert so wenigklar in seinen Bekundungen und bewegte sich in so vielen Wider-sprüchen, daß auf seine Aussage nichts zu geben war. Auch dieübrige Zeligeaveruehmnng ergab so wenig Belastendes gegen dieAngeklagten, daß der Staatsanwalt selbst das Nichtschuldig bean-tragte. Die Verhandlung endete auch mit einem freisprechendenUrteil.Die Verfehlungen des früheren Generalvertreters der FirmaSiemens». Halste gelangten gestern vor der zweiten Strafkammerdes Landgerichts II zur Erörterung. Unter der Anklage der Unter-schlagung in ideeller Konkurrenz mit Untreue stand der 39jährigeSaufmann Rudolf D ieh l aus Charlottenburg v?r Gericht.