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lebe Zeitung in jede« Moment unterdrücken. Außerdem gievt eS eine kirchliche Censur, eine Militärcensur, eine besondere Bibliothekscensur, eine besondere Bolksbibliotheks- censnr usw. Vert. Liebkn echt: Wie steht es mit der Versammlungsfreiheit? Sachverständiger: Dir ist ganz in das Belieben der Polizei gestellt. Sie kann sie genehmigen oder verbieten, wie sie will. Vert. Schwarz: Kann ein bestimmtes Gesetz durch einen geheime» Utas aufgehoben werden? Sachverständiger: Selbst gefällte Urteile können auf administrativem Wege abgeändert werden, wie z. B. wer zur Verschickung nach Sibirien   verurteilt ist, kann auf Lebenszeit in die Schlüsselburg   gebracht werden. Vert. Schwarz: Sind richterliche Beamte etwa auch absetzbar? Sachverstän- d i g e r: Nein, aber es werden meistens stellvertretende Richter ernannt, und diese sind ohne weiteres absetzbar. Vert. Liebknecht: Sind friedliche Streiks und Demonstrationen zulässig? Sachverständiger: Nein. alles das ist in Rußland   streng verboten. Erster Staatsanwalt Dr. Schütze: Ich habe gehört, daß in letzter Zeit friedliche Streiks, die rein auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gerichtet sind, erlaubt worden sind. Such- verständiger: Ein hoher Ministerialbeamter Namens S u- b a t o w hat versucht, mit geheimer Erlaubnis der Negierung die Arbeiter in Moskau   und anderswo in geheimen Organisationen zu vereinigen. Als aber ein Streik in Odessa   ausbrach und ungeahnte Dimensionen annahm, wurde Subatow entlassen und die Bereine aufs strengste unterdrückt. Vert. Liebknecht: Wie ist im all- gemeinen der BildungSzustand in Rußland  ? Vors.: Das ist doch bekannt, daß eS nur Verhältnis- mätzig wenig Alphabeten in Rußland giebt. S a ch- verständiger: Ja, wer ohne besondere Erlaubnis des Ministers lesen und schreiben lehrt, wird hart bestraft. Die Regierung fürchtet den Mißbrauch dieses Unterrichts zu ungesetzlichen Zwecken. Erster Staatsanwalt Dr. Schütze(sehr laut): Ich bitte wiederholt, mir zu erklären, in welcher Ver- bind un g diese Frage mit dem Prozeß steht. Vors.: Die Verteidigung will offenbar nachweisen, daß es ein Rechts- und Geistesleben in Rußland   nicht giebt. Vert. Lieb- k n e ch t: Es liegt mir in der That außerordentlich viel daran, alles dies gerichtsnotorisch zu machen. Wie ist das gerichtliche Verfahren in Rußland  ? Sachverständiger: Die Voruntersuchung wird von einem Gendarmcrie-Untcroffizier unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft geführt. Der Bericht geht dann an die obere Instanz und der Justizminister entscheidet, ob das Verfahren oder der Prozeß im Verwaltungswege oder vom Ge- r i ch t geführt werden soll. Für Hochverratsprozesse werden besondere Senate aus Richtern, dem Adelsmarschall, dem Bürgermeister und dem Gemeindevorsteher gebildet. Auch für jeden besonderen Fall kann der Justizminister besondere Prozeß- formen oder Strafabmessungsregeln festsetzen. Schließlich ist seit mehr als zehn Jahren über ganz Rußland der BelagerungS- zustand verhängt. Infolgedessen können alle Delikte vom Gouverneur oder General- gouverneur den Kriegsgerichten zur Aburteilung überwiesen werden. Bert. Liebknecht: Wie steht es mit den Strafarten, be- sonders mit dem Durchpeitschen? Sachverständiger: Zuerst wurde, wie aus den Veröffentlichungen der beteiligten Anwalte hervorgeht, das Durchpeitschen in großem Umfange bei dem Bauernaufstände in Charkow   angewendet. Man hielt dieses Vorgehen für eine reine Willkür, aber es stellte sich heraus, daß es auf einem geheimen Erlaß Alexanders III. beruhte. Vert. Liebknecht: Ist Ihnen bekannt, daß auch politische Verbrecher und Frauen geprügelt und tot» gepeitscht wurden? Sachverständiger: Nicht aus persönlichem Augenschein weiß ich, daß Gefangene häufig durch Hungerstreiks gegen eine derartige Behandlung protestiert haben. Verteidiger Liebknecht  : Wissen Sie, daß politisch verdächtige Studenten zwangsweise ins Militär eingereiht wurden? S a ch v e r st.: Ja, sie wurden ohne Unterschied, ob fie krank oder Krüppel waren, auf Lebenszeit in eine Armee gesteckt. Im Kriege gegen China   haben sie sich dann nicht bewährt und nach dem Attentat Von Karpowitsch ist diese Verfügung aufgehoben worden. Verteidiger Liebknecht  : Ist den Russen nicht auch das Studium im Auslände erschwert? Sachverst.: Auf unerlaubtes Auswandern steht die Strafe der VermögenSkonfiskation. Besondere Maßnahmen sind jetzt gegen den Besuch der Freien Hochschule in Paris   getroffen worden. Vert. Liebknecht: Wissen Sie etwas von dem russisch» asiatischen Departement, das alle politischen Angelegen- heiten im nahen und fernen Osten, auch in den Balkanstaaten, er- ledigen soll? Ist Ihnen ferner die im Jahre 1893 bei Wilhelm! in Berlw erschienene Schrift von R. L e o n o f f bekannt? Sie enthielt geheime Dokumente der rllssische» Orientpolitik und ist auf Veranlassung PetroffS, des Vorsitzenden der bulgarischen Nationalversammlung und Bürgermeisters von Sofia  , erschienen. Sie enthält ungeheuere Vorwürfe gegen die russische   Regierung und legt diesem afiatischen Departement zahlreiche Bombenanschläge in Bulgarien   und Persien   zur Last. Schließlich machen neuere Ver- öffentlichungen dieses Departement für die Ermordung des serbischen KönigSpaareS mit verantwortlich. Sachverständiger: Die Dokumente sind alle geheim, ich habe sie also nicht gesehen. Aber ich kenne das Buch, und die äußere Form der Dokumente ist die der echten. Vert. Liebknecht: Besteht in Rußland   die Möglichkeit, auf legalem Wege wenn auch noch so geringfügig» Reformen zu betreiben? Sachverständiger: Rein, es giebt nicht einmal ein Petitionsrecht. Die Gemeinden sind ausdrücklich auf örtliche Angelegenheiten be- schränkt und dürfen sich nicht an den Kaiser wenden. Die AdelSkörperschaften haben zwar dieses Recht, aber sie dürfen nicht allgemeine Fragen erörtern. Der Adel von Twer   ist deshalb kürzlich getadelt worden. Vert. Liebknecht: Sind Ihnen die von LoriS Melikoff vor- geschlagenen Reformen bekannt? Sachverst. Pros v. Reußner: Sie fordern eine ständige Verfassung auf Grundlage der SemstwoS  mit beratender Stimme. Vert. Liebknecht: Ich hebe das ausdrücklich hervor, weil, wie wir sehen werden, selbst ein so unsinniger Terrorist, wie Burzeff, den Terrorismus für unsinnig erklärt in dem Augenblick, wo auch nur diese Reformen verwirklicht werden. Sachverständiger: Alexander I.   hatte sich mit diesen Reformen beschäftigt, Alexander EL hatte sogar eine Verfassung in diesem Sinne, wie sie auch alle Russophilen wünschen, bereits unterzeichnet, als er er- mordet wurde. Erster Staatsanwalt Dr. S ch ü tz e: Ich denke, in einer der verlesenen Schriften steht: Nikolaus habe beschworen. nicht einen Fuß breit von den Bahnen Alexanders El. abzuweichen? Vert. Liebknecht: Das war Alexander Ell. Dem Zaren wird in diesen Schriften der Borwurf des Meineides in Hinsicht auf die Aenderuug der finnische» Brrfaffmig gemacht. WaS wissen Sie darüber? Sachverständiger: In der That war nach der finnischen   Verfassung eine Aenderung derselben ohne Zustimmung der Landesvertretung unzulässig. Daß sie trotz- dem vorgenommen wurde, war ein Verfassungsbruch, ein Staatsstreich. Finnland   war früher ein besonderer Staat, auch nach der jetzt Herr- schenden Ansicht ist es noch ein eigner Staat, wenn auch nur ein fragmentarischer. Vert. H a a s e: Befinden sich in Rußland   Personen in hohen Staatsämlern, die früher in Sibirien   waren? Sachverst.: Sehr viele! Erster Staatsanwalt Dr. Schütze: Sie sind jetzt nicht mehr in russischen Diensten? Sachverständiger: Ich habe mein Amt nach den Studentenunruhen in Tomsk   niedergelegt. Zwei Studenten waren damals von der Polizei geprügelt»nd durch- gepeitscht worden. E i n st i m m i g beschloß der Senat der Uni- versität ein beschwerendes Telegramm an den Minister für Volks- aufklärung. Ich ging noch Petersburg  . Der Minister gab»ns «»recht, schließlich führte der Gendarmerie-Komniandant v. Wahl die Untersuchung zu Ende. Ich legte mein Amt nieder, bin aber noch Inhaber des St. Andreasordens 3. Klasse. Erster Staatsanwalt Dr. Schütze: Hätte ich gedacht, daß meine Frage eine so lange Erörterung hervorrufen würde, so würde ich sie nicht gestellt haben. Damit ist die Vernehmung des Sachverständigen Professor v. Rcnßner beendigt. Polizeisekretär Schwerz  ! nski, früher in Charlotten- bürg, jetzt in Berlin  , sagt aus, daß die Polizei Mitteilungen von der Sendling   an Weber durch dir Steuerbehörde erhalten habe. Gegenüber allen weiteren Fragen beruft sich Zeuge ans das A m t s- g e h e i m n i S, Schutzmann Pruzinowski aus C h a r- lottenburg weigert sich anfangs, überhaupt eine Aussage zu machen, erklärt dann dasselbe wie der vorige Zeuge und schweigt dann auf Befragen der Verteidiger unter Berufung auf das Amtsgeheimnis. Zeuge Buchholz aus C h a r l o t t e n b ii r g ist in Rußland   geboren, hat dort 3'/» Jahre lang studiert, ist aber deutscher   Uuterthan. Sein Name findet sich als Absender auf den Paketen an Mertins, er hat aber nie an diesen etwas abgeschickt. Zenge erklärt diesen Gebrauch seiner Adresse daraus, daß die Russen in Deutschland  ans Schritt und Tritt von russischen Polizeibeamten sich beanf- sichtigt glaubten und überzeugt seien, daß ihre Wohnungen in ihrer Abwesenheit durchsucht würden. Er selbst nimmt das auch an; denn seine Frau, eine Russin, sei bei einem Besuche in Petersburg   ver- haftet und vier Monate festgehalten worden, weil sie einige Nunimern derJskra" verkauft habe. Dabei seien ihr Aeußcrungen vorgehalten worden, die Zeuge im engsten Kreise gethan habe. Bert. Haase: Ich stelle fest, daß eine Deutsche wegen einer in Deutschland   begangenen Handlung in Rußland   verhaftet worden ist. Vors.: Hat Ihre Frau nicht etwa auch Schriften nach Rußland   mitgenommen? Zeuge: Sie hatte bei ihrer Verhaftung einige Nummern derJSkra" bei sich, aber begründet wurde die Verhaftung mit dem Hinweis auf die Borgänge in Charlottenburg  . Zeuge hat sich dann, als er hörte, daß seine Frau mit gemeinen Verbrechern aus dem Etappenwege nach Deutschland   zurückgebracht werden sollte, an das Auswärtige Anit gewandt, und dieses hat von der russischen Regierung die bestinunle Zusage erhalten, diese barbarische Maßnahme gegenüber einer kranken Frau aufzuheben. Er habe daraufhin die nötigen Summen nach Rußland   abgeschickt, aber die russische   Regierung habe ihre Zusage gegenüber dem Auswärtigen Amt   nicht erfüllt, gu den revolutionären Parteien in Rußland   übergehend, führt Zenge folgende» aus: Der Gegensatz zwischen der Socialdemokratie und den Socialrevolutionären ist ein äußerst scharfer. Burzeff steht mit seinen politischen An- schauungen völlig allein. Nur seine historischen Schriften werden von den Socialrevolutionären herausgegeben. Auch N a d g y hat sich energisch gegen ihn gewandt, in einem Nachwort zu seinem«Wieder- erwachen des RevolutionisniuS" vieles von seinen früheren Aus- fühnlngen zurückgenommen, und ist überhaupt immer mehr auf dem Wege, sich zu einem reinen Socialdemokraten zu entwickeln. Die russischen Parteien weisen alle großen Organisationsfanatismus auf, besonders die Richtung derJskra* steht die Souderorganisation sehr ungern. ES ist daher keineswegs unmöglich, daß McrtinS von den russischen Parteigenossen von der lettischen Socialdemokratie ge- warnt worden ist. Inzwischen haben die Sachverständigen Dr. B a l l o d und Pro- fessor Dr. R o st festgestellt, daß ein besonderer 251 des russi­schen Strafgesetzbuches sich mit der wissentlichen Herstellung und Verbreitung revolutionärer Druckschriften, der Ankündigung von Schriftwerken oder der Darstellung derselben beschäftigt, ohne noch hierfür Gegeuscitigkrit zu gewähren. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Caspar: Mir wird soeben mitgeteilt, daß kürzlich ein neues russisches Strafgesetzbuch in Kraft ge- treten i st. Vert. Heinemann: Das ist allerdings be- stätigt und veröffentlicht worden; wann es aber in Kraft treten wird, weiß noch kein Mensch! Der Gerichtshof beschließt, durch Vermittelung des Justizminister« vom Auswärtigen Amt   eine amtliche Auskunft darüber einzuholen, ob ein Staatsvertrag oder ein be- sondcreS in Rußland   publiziertes Gesetz existiert, durch welches die Gegenseitigkeit verbürgt wird. Die Staatsanwaltschaft beantragt, als Sach- verständigen über russisches Staats- und Strafrecht den Privat- docenten Dr. Seeler onS Berlin zu laden. Sachverständiger Professor v. Reußner bemerkt, daß Professor Dr. Seeler lediglich Romanist sei. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Schütze zieht darauf- hin seinen Antrag zurück und bittet den Verteidiger Heinemann ihm einen andren Sachverständigen zu nennen.(Große Heiter- k e i t.) Dieser lehnt das ab. Nach kurzer Pause werden die ZeugenVorwärts"- Expedient Hoch-Berlin, Hausdiener imVorwärts" Alwin Schuster und Leiter der Buchhandlung desVorwärts". Stadt- verordneter Bruns-Berlin   über den Berkehr der Russen im Geschäfts- lokal desBorwärts" vernommen. Sie sagen aber nichts Neues aus. Vert. Haase stellt durch Befragen fest, daß die angeblich dem Zeugen Abel abgeknöpfte Uhr Eigentum der Vorwärts-Buch- Handlung gewesen sei, der sie für ein Inserat in Zahlung gegeben wurde. Aus den Zeugen Schuster hatte Vert. Heinemann verzichten wollen, Vert. Haase aber nicht, damit der Vorsitzende nicht wieder glaubte, daß die Socialdemokraten vor Gericht mit der Wahrheit zurückhielten. Zeuge Hinz aus Berlin   teilt mit. daß er einmal eine Kreuz- bond-Sendung, aus der sein Name und seine volle Adresse als Absender standen, als unbestellbar zurückbekommen habe, ohne daß er sie abgesandt ober von ihrer Absendung gewußt habe. Sie ent- hielt mehrere Exemplare desVorwärts" mit der Russenrede des ReichsiagS-Abgeordneten Haase. Entgegen dem Antrage der Staatsanwaltschaft wird auch der Zeuge BrunS wie die vier andren Zeugen vereidigt. Nunmehr soll mit der Uebersetznng der beschlagnahmten Schriften begonnen werden. Vert. Liebknecht bittet festzustellen, welche Schriften bei jedem Angeklagten gefunden worden sind. Nur so könne man ein plastisches Bild von demVerbrechen" jedes einzelnen erhalten. Vert. Haase: Auch ich habe mich bisher vergeblich bemüht, mir aus den Akten ein klares Bild davon zu machen. Es mag das vielleicht daran liegen, daß ich etwas schwerfällig bin.(Äroße Heiterkeit, auch bei oen Richtern.) ES wird also beschlossen, zunächst morgen S Uhr durch d«, Aktuar Brandstetter feststellen zu lassen, welche Schriften bei jedem Angeklagten beschlagnahmt wurden. Schluß 2>/z Uhr. * m Der Brief, durch den Plechanoff sein Erscheinen als Zeuge ablehnt, hat folgenden Wortlaut: An Herrn Gerichtsdirektor Schubert, Königsberg  . Beaten- berg, den 15. Juli 1904. Mein Herr I Ich bin aufgefordert worden, am 18. d. MtZ. als Zeuge im Prozeß Nowagrotzki und Genossen zu erscheinen. Indessen ist die Haltung der preußischen Regierung gegenüber der dsS Zaren derartig, daß ich glaube, so- bald ich den Fuß auf den Boden Ihres Vaterlandes setze, als russischer Verbannter an die Grenze Rußlands   gebracht zu werden. Sie begreifen, mein Herr, daß ich unter diesen Umständen nicht nach Preußen kommen kann. Ich bin der Erste, das zu bedauern. Achtungsvoll Georg Plechanoff." Folgenden Brief hat Zeuge Linde ans Anlaß des Vor­kommnisses am Sonnabend an den Vorsitzenden des Gerichtshofes gerichtet: Geehrter Herr Landgerichtsdircftor l Wie mir mitgeteilt wurde, haben Sie am Soiinabeiid, den 16. d. M., in öffentlicher Gerichts- sitzuna die Aeiißeruna gethan. ein hiesiger Vertrauensmann der Social- demokratie damit war ich gemeint habe einem Parteigenossen den Rat erteilt:Sage ja nicht vor Gericht die Wahrheit!" Sie haben dadurch öffentlich eine schwere Beleidigung gegen mich aus- gesprochen, die ich aufs entschiedenste zurückweisen muß. Ich habe niemals, weder mündlich noch schriftlich, diese Aeußerung gethan; ich habe vielmehr, wie Sie aus dem bei den Akten befind- lichen von Ihnen mir vorgehaltenen Brief und aus meiner Zeugen- aussage wissen. Klein auf dessen Frage, wie er sich bei der polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter zu verhalten habe, geantwortet, er solle so wenig als möglich aussagen, er solle sagen, er wisse nicht oder könne sich nicht besinnen. Ich habe das im vorliegenden Falle bereits bekundet und habe es lediglich deshalb gethan, weil erfahrungsgemäß polizeiliche Vernehmungen häufig ungenau sind und den Sinn der Worte des Vernommenen nicht richtig wiedergeben. Ich wollte, daß Klein und Treptau in ihrer Auflegung nicht ein polizeiliches Protokoll genehmigen, welches den Thatjachcn nicht entspricht und später gegen sie verwendet werden kann. Ich darf wohl erwarten, daß Sie bei der ersten Gelegenheit die Beleidigung an derselben Stelle, an der sie sie ausgesprochen haben, zurücknehmen werden. Hochachtungsvoll Hermann Linde." Der Vorsitzende hat diesen Brief bisher noch nicht mitgeteilt. Berichtigung. Am vierten Verhandlungstage ist in der Wiedergabe des Gutachtens des Sachverständigen Professor R o st ein Irrtum vorgekommen. Nach unserm Berickt sollte Professor Rost gesagt haben:Sachlich besteht der Unterschied, daß Leute wie Plechanoff und Axelrod sich nicht zur reinen Arbeiterpartei zählen, sondern ihre Kreise auch weiter auf die Bauern ans- dehnen wollen. Sie treten fiir bedingten Terrorismus ein, über den die Partei durch denKampfbund" die Kontrolle ausübt." In Wahrheit hat Prof. Rost folgendes gesagt:«Sachlich besteht der Unterschied darin, daß die Socialrevolutionäre entgegen Plechanoff und Axelrod sich nicht zur reinen Arbeiterpartei rechnen. Nur die Revolutionäre treten auch für den bedingten Terroris- mus ein." Letzte Naebnebten und DepeCcben« Hamburg  , 18. Juli.  (W. T. B.) Der heute abend hier ein- getroffene englische   DampferHirondelle" hat auf der Reise von London   nach Hamburg   den englischen TorpedobootSzerstörer Haughty" überrannt. Aus der Beschaffenheit de« Buges der Hirondelle" kann man schließen, daß dieHaughty" dirett auf- geschnitten sein muß. An der linken Seite de» Buge« hat die Hirondelle" oberhalb der Wasserlinie ein Loch, das mit Säcken notdürftig zugestopft wurde. Der erste Offizier erklärt, daß bei der Kollision niemand ertrunken sei. Die GeneralstabSfälscher. Paris  , 18. Juli.  (W. T. B.) Der Sachverständige Legrand überreichte heute dem Kriegsgericht sein Gutachten über die im Cassabuch des HauptinaimeS d'Autriche vorgenommenen Radierungen und Acndcriingen. DemTempS  " zufolge geht aus diesem Gutachten hervor, daß die verhafteten vier Offiziere des Nachrichten-BureauS dem damaligen GenrralstabSchcf die Verwendung von 20000 Fr. verheimlichen wollten._ Paris  , 18. Juli.  (W. T. B.) Der Vorsitzende des republi- kanischen Handels- und Jndustriekomitees, M a S» u r a u d. hat an den Handelsminister ein Schreiben gerichtet, in dem er mit scharfen Worten gegen die Enthebung LagraveS von dem Posten des General- Kommissars der Weltausstellung in St. Louis   protestiert. Der radikale Deputierte Biissidre erhebt in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten CombeS gleichfalls Einspruch gogen die Maß- regelimg Lagravcs und kündigt eine Interpellation hierüber an. Auch der Präsident der französischen   Abteilung in der Welt- ansstellung zu St. Louis   hat im Namen der französischen   Aussteller ein Protestschreiben an den Ministerpräsidenten gerichtet. Russische   Willkür. Aden, 18. Juli.  (Meldung des Reuterschen Bureau.) Um die an Bord des deutschen Reichspostdampfers«Prinz Heinrich" beschlag- »ahmte japanische Post dem britischen   DampferPersta" über- geben zu können, hielt der russische   HilfskreuzerSmolensk  " die .Persta" gewaltsam eine Stunde ans. DieSmolensk  " hat zwei für Nagasaki   bestimmte Postsäcke desPrinz Heinrich" mit Beschlag belegt. London  , 18. Juli.  (W. T. B.) Die Peninsular and Oriental Linie erklärt es ftir unrichtig, daß ihr von den Russen im Roten Meere beschlagnahmter DampferMalacca  " Waffen und Munition fiir Japan   an Bord habe. Der Dampfer sei ein Schiff, das mit Anlaufen von Zwischenhäfen regelmäßigen Dienst mit Reisenden und Ladung von London   nach China   und Japan  mache. Er befördere wie alle Dampfer der Linie Güter der englischen   Regierung und habe auch auf der diesmaligen Reise einen solchen nach Hongkong   bestimmten Regierungstransport an Bord._ Haag, 18. Juli. Die Regierung hat die Auflösung der Ersten Kammer der Gcneralstaaten wegen der Ablehnung der Unterrichts- Vorlage durch dieselbe beschlossen. Di« Neuwahlen finden Mitte August statt; die ncugewählte Erste Kammer soll am 20. September zusammentreten. Rom  , 18. Juli.  (W. T. B.) Der Ausstand der Bäckergesellen ist beigelegt worden._ Die Cholera in Persien  . Baku  , 13. Juli.  (W. T. B.) Aus Teheran   hier eingegangene Nachrichten besagen, daß die Cholera dort erschreckende Ausbreitung gewinnt. Die Europäer flüchten aus der Stadt ins Gebirge. Die Zahl der täglichen Sterbefälle soll bis zu neunhundert betragen, und die Toten vielfach in den Straßen liegen bleiben. In Mandschil und Enseli ist eine fünftägige Quarantäne eingerichtet, es herrschen dort schlimme Ziistände, den» es fehlt an Lebensmitteln, und die dort festgehaltenen Personen nächtigen im Freien. Da die unge- hinderte AnSsiihr von Früchten und Gemüsen eine Einschleppungs- aefahr bedeutet, hat die russische   Verwaltung die Grenze bei Astara für Reisende und Waren gesperrt. In Dschiilfa ist eine Quarantäne für Herkniifte aus Tabris   angeordnet worden. Berantw. Redakteur: Paul Büttner  , Berlin  . Inseratenteil verantw. : Th. Glocke, Berlin  . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagSanjtaltPauI Sinoer örCo., Berlin   L W. Hierzu 2 Btilaoenu JirUt�nlU'w&W