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deutsche Namen,«vte: Jäger. Westfal, Wagner. Walter, Pauli k. stnden. Der erste Senat des Ober-Verwalwngsgerichts hob die Vorentscheidung aus und erkannte dahin, daß der Einspruch des Landrats gegen die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister aufzuheben sei. Das Gericht habe nicht feststellen können, oast der Knppenverein politische oder socialpolitische Zewecke ver- Das Königsberger Urteil. Königsberg , 25. Juli. (Privatdepesche desVorwärts".) Zwölfter Verhandlungstag. Der Vorsitzende eröffnet 10 Minuten nach 12 Uhr die Sitzung tind teilt mit, daß das Schreiben des Auswärtigen Amtes über die Auskunst bezüglich des russischen Rechts ans Petersburg in Urschrift borliegt. Der Wortlaut entspricht dem bereits telegraphisch mit- geteilten. Danach wird die Beweisaufnahme endgültig geschlossen. Der Gerichtshof zieht sich wieder zur Beratimg zurück. Um 12 Uhr 50 Minuten erscheint der Gerichtshof wieder. Der Vorsitzende verkündet: Die rechtlichen Unterlagen sind folgende: 8 128 des Strafgesetzbuchs bestimmt, daß die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck bor der Staatsregierung geheimgehalten werden s o l l, strafbar ist. Der Gedanke, der dieser Bestimmung zu Grunde liegt, ist der, daß jede geheime, organisierte Verbindung gefährlich ist. Es kommt nicht auf den Zweck der Verbindung an, wie im 8 120. Immerhin muß nach der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts die Verbindung eine Einwirkung auf die öffent- lichen Angelegenheiten des Deutschen Reiches bezwecken. Das beweist die Stellung der Strafbestimmungcn in dem Abschnitt überVerbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Ordnung". Der Begriff der Teilnahme im§ 128 ist nicht identtsch mit dem im ß 47 des Strafgesetzbuches. Zum Thatbestand genügt, daß jemand an der Verbindung überhaupt teilgenommen hat; der Nach- weis einer besonderen Thätigkeit für die Verfolgung der Zwecke einer Verbindung ist nicht erforderlich. Schon die E x i st e n z einer Verbindung im Sinne des§ 123 bedeutet eine im staatlichen Interesse nicht zu duldende Gefahr, und von diesem Gesichtspunkte aus ist die bloße Zugehörigkeit unter Strafe gestellt. Für das Vorliegen einer Verbindung sind zwei Merkmale er- forderlich: die Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den irgendwie kundgegebenen Willen der Gesamtheit und die Vereinigung auf längere, allerdings stets nur in oonoreto zu bemessende Dauer. Die Dauer ist etwa hier ebenso zu bestimmen, wie beim Unterschied zwischen Verein oder Versammlung. Ferner ist erforderlich eine irgendwie erkennbare Absicht der Geheimhaltung und zwar der Verfassung, des Daseins oder des Zwecks der Verbindung vor der Staatsregierung. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die Verbindung ihren Sitz ausschließlich in Deutschland hat. Es wäre mit dem Grund und dem Zweck der Strafbestimmung unvereinbar, wenn in Deutschland bestehende und thätige, geheim zu haltende Ver- bindungen deshalb straffrei sein sollten, weil sie auch im Auslände bestehen und dort nicht geheim gehalten werden. Nicht erforderlich ist ferner eine ausdrückliche Erklärung über den Eintritt oder eine Verabredung über die Geheimhaltung. Es kann ein stillschweigendes Einverständnis der Mitglieder über die Geheim« Haltung bestehen und die Beteiligung ist auch in andrer Weise als durch die aktive Mitgliedschaft möglich, durch Förderung der Zwecke der Verbindung, durch Thätigkeit zu ihrer Ausdehnung usw. Der Begriff der Teilnahme verlangt also nicht aktiven Eintritt, sondern nichts weiter als Vollbringung irgend welcher Thätigkeit für die Verbindung oder irgend welcher Mitwirkung. Die sonst noch in Betracht kommenden einschlägigen Gesetze?« bestimmungen finden sich im zweiten Teil des Strafgesetzbuches unter Hochverrat und Landesverrat. Dort behandelt§ 80 den Mord und Mordversuch am Landesherrn, Z 81 andre Akte des Hoch- Verrats usw.§ 85 bestimmt, daß wer öffentlich vor einer Menschen« menge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder Darstellungen zur Aus- fiihrung einer nach Z 82 strafbaren Vorbereitungshandlung zum Hochverrat auffordert, mit längerer Strafe belegt wird, und§ 86 stellt jede andre hochverräterische Vorbereitungshandlung unter Strafe. Unter Verfassung ist in diesem Paragraphen nicht die Verfassungs- Urkunde konstitutioneller Staaten zu verstehen; gemeint sind nur die Fundamental« Einrichtungen des Deutschen Reiches und der Bundesstaaten. Die Anwendung der Gewalt ist die äußere Erkennungsform des in diesem Paragraphen gedachten Unrechtes. Unter Gewalt ist sowohl vis absoluta wie vis compulsiva zu ver­stehen. Auch die Drohung mit Gewalt fällt darunter, weil bei ihr die Gewalt noch immer als letztes Mittel im Hintergrunde steht und weil im letzten Augenblick die Entscheidung das Verbrechen als ein durch physische Gewalt zu bewirkendes gedacht ist. Wenn § 85 von der Aufforderung zum Hochverrat spricht, so muß eS sich um eine bestimmte st rasbare Handlung handeln, muß die Aufforderung ein bestimmtes Hochverratsunternehmen betreffen. Nicht erforderlich ist, daß Art, Ort und Zeit sowie die Mittel der Ausführung im voraus bestimmt sind. Ferner beweist die Zu« sammenstellung der Schriftverbreitung mit dem öffentlichen Anschlage oder der Auslegung der Schrift oder der Darstellung vor einer Menschenmenge wenigstens insoweit das Vorliegen einer Ver- breitungshandlung, eines Jndenverkehrbringens. daß die Schriften dem Publikum zugänglich gemacht werden sollen, mögen auch nur bestimmte Personen dabei ins Auge gefaßt sein. Im wesentlichen kommt die Absicht des Thäters in Betracht. Die Gefährlichkeit ist auch hier das Motiv des Strafbaren, es be- darf des Bewußtseins des Angeklagten, daß der Inhalt der verbreiteten Schriften geeignet ist, den Willen zur VerÜbung der strafbarenHandlung, zu welcher die Schriften auffordern, in den Personen, in deren Händen sie gelangen oder nach der Vorstellung des Verbrechens ge- langen sollen, hervorzurufen. Ebenso wie§ 85 setzt aber auch§ 86 ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen voraus, das aller« dings nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Vorbereitungen nicht zum Abschluß gelangen, oder daß es nur als Einleitung weiterer vorbereitender Handlungen gedacht war. So bestraft das Reichsgericht in ständiger Rechtssprechung das Hin- bringen von Paketen, welche Schriften mit der Aufforderung zum Hochverrat enthalten, zur Post ebenso, wie die in der Absicht der Verbreitung erfolgte Herstellung eines zum Hochverrat aufteizenden Plakats. Nun bestimmt§ 102, daß die in den§§ 8186 unter Strafe gestellten Handlungen auch dann strafbar sind, wenn sie gegen einen befreundeten Staat ausgeübt werden, sofern in dem andern Staat dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt ist und der Antrag auf Bestrafung gestellt worden ist. Ebenso bestraft§ 103 die Majestätsbeleidigungen gegen- über auswärtigen Monarchen. Außer durch das Vorliegen des Thatbestandes des Delikts wird in diesen beiden Paragraphen die Strafbarkeit bedingt dadurch. daß a> die Gegenseitigkeit verbürgt ist; b) die Gegenseitigkeitsverbürgung bereits zur Zeit der Begehung der Handlung, nicht erst zur Zeit des Beginns der Verfolgung in Kraft getreten ist; c) der ausländische Staat befreundet ist und d) der Strafantrag ge­stellt ist. In letzter Beziehung hat das Gericht bereits durch den einen Antrag der Verteidigung ablehnenden Beschluß festgestellt, daß der Strafantrag vom russischen Botschafter, dem Organ des ausländischen Staats, dem nach internationalem Recht die Vertretung des Staates obliegt, frist- und formgerecht gestellt worden ist. Ruß- land ist ferner ein befreundeter Staat, denn er ist von Deutschland als solcher anerkannt und es werden zwischen beiden Ländern diplomatische Beziehungen unterhalten. Was nun die Verbiirgtheit der Gegenseitigkeit anbetrifft, so ist abweichend vom deutschen Strafgesetzbuch im russischen Strafgesetzbuch die thätliche Beleidigung des Herrschers mit dem Mord und Mordanschlag zusammen im 8 241 auf- genommen worden, der im übrigen unserm§ 80 entspricht. Werantw. Redakteur: Pgus Büttner, Berlin . Inseratenteil verantw. Hingegen finden sich unsre wörtlichen Majestätsbeleidigungen noch weiter abgestuft, je nachdem sie durch Worte erfolgt sind, im s 246. Nun verbürgt 8 260 des russischen Strafgesetzbuchs die Gegenseitig- feit, selbst wenn besondere Verträge oder ein besonders publiziertes Gefetz vorliegt, nicht auch für die wörtliche Majestäts- b e I e i d i g u n g. Da nun straftechtlicher Schutz den ausländischen Fürsten nur gewährt werden kann bei verbürgter Gegenseitigkeit, so kann wegen der Beleidigungen gegen den russischen Kaiser auf Strafe nicht erkannt werden. Die in einem Teile der beschlagnahmten Schriften enthaltenen Aufforderungen zum Hochverrat würden, wenn sie in Rußland zur Ab- urteilung kämen, nicht nach den§8 211. 2�2, 249, sondern nach§ 251 zu bestrafen sein, ebenso wie in Deutschland die 8Z 80 und 81 nur Anwendung finden auf Handlungen, durch welche das Vorhaben des Hochverrats unmittelbar zur Ausführung gebracht werden foll. Die Aufforderungen in diesen Schriften sind aber so allgemein gehalten, daß die Ausführung derselben als unmittelbare Folge nicht ins Auge gefaßt ist. Der 8 24:9 des russischen Straf­gesetzbuches betrifft Aufftände, Zusammenrottungen und Ver- schwörungen zum Zwecke des Hochverrats, kann also hier ebenso wenig in Betracht kommen, wie die 8s 241 und 242, 8 251, der denjenigen bedroht, der durch Verbreitung von Schriften zum Ungehorsam gegen die höchste Gewalt auffordert, ist aber auch nicht unter denjenigen Paragraphen, für welche 8 260 die Berbürgung der Gegenseitigkeit für zulässig erklärt hat. Deshalb ist nach deutschem Recht 8 102 nicht anwendbar, obwohl mindestens das im 8 86 getroffene Hochverrats- Unternehmen vorläge. Aber selbst wenn nach russischem Rechte 8 249 anwendbar wäre, gelangt man zu derselben Entscheidung der Nichtanwendbarkeit des 8 102 aus folgenden Er- wägungen: Das Deutsche Reich, die deutschen Bundesstaaten, der deutsche Kaiser und die deutschen Bundesfürsten haben nach dem Wortlaut des 8 260 nur dann Anspruch auf strafrechtlichen Schutz in Rußland , wenn die Gegenseitigkeit durch Staatsvertrag oder durch verkündetes Gesetz ausdrücklich gewährleistet wurde. Das russische Gericht könnte also auf Grund der Gesetzesbestimmungen nur bei Vorliegen eines Staatsvertrages oder eines publizierten Gesetzes verurteilen. Ein solcher Staatsvertrag liegt aber nach amt- sicher Auskunft des Reichskanzlers ebensowenig vor, wie gemäß der von der russischen Regierung amtlich erteilten Auskunst ein in Rußland publiziertes Gesetz. Die Zusicherung der russischen Botschaft, En cas aualogues(in ähnlichen Fällen) Gegenseitigkeit zu gewähren, kann gegenüber den klaren Bessimmungen des Gesetzes höchstens als Versicherung für die Zukunft, nicht aber als Bestüsigung der verbürgten Gegenseitigkeit zur Zeit der strafbaren Handlung in Betracht kommen. Letzteres aber war Vor- aussetzung ftir die Anwendung des 8 102. Demnach mußte hinsichtlich der in den§8 102 und 103 unter Strafe gestellten Handlungen Freisprechung erfolgen. Aber auch auf Ein- ziehung bezw. Unbrauchbarmachung der beschlagnahmten Druckschriften konnte nicht erkannt werden, weil nach 8 42 Voraussetzung dieser Maßnahmen ist, daß, wenn ein Thäter zu ermitteln wäre, dieser zu bestrafen sein würde, was beides nicht der Fall ist. Das Bestehen einer Verbindung behufs Einführung von rcvo- lutionären Schriften nach Rußland ist hingegen unzweifelhaft erwiesen, wenn auch die Organisation nicht bis ins einzelne aufgedeckt worden ist. Nach den eignen Aus- sagen der Angeklagten und den Bekundungen der Zeugen Wynen und Quessel und nach dem Inhalt der beschlagnahmten Briefe ist die Leitung dieser Verbindung in London und der Schweiz und ein großer Teil der Schriften geht durch Deutsch - land. Hier bestehen Sammel- und Versand st eilen, von wo aus die Schrifen an die Grenze weiter verbreitet werden, um dort durch Schmuggler hinübergeschafst zu werden. All dies geschah nach einem einheitlichen Plan. Ohne das Be- stehen einer solchen Verbindung wäre es ganz unerklärlich, wie in London wohnende Leure die Adresse des Tilsiter Schuhmachers MertinS und des Memeler Schuhmachers Treptau nicht nur kannten, sondern auch wußten, welche von der Schweiz aus verschickten Schriften bei jedem lagerten. Es ist auch kein Zufall, daß die Angeklagten bis auf einen Socialdemokraten sind. Die Angeklagten haben selbst ausgesagt, daß man sich an sie als an die Vertrauensmänner der socialdemokratischen Partei ge- wandt habe. Auch daß eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt war. unterliegt keinem Zweifel. Abgesehen davon, daß die Thätigkeit unmittelbar gegen die jetzige Staats- ordnung Rußlands gerichtet war, wußten die Mitglieder der Verbindung, die sich unmittelbar gegen das Nachbarreich richtete, daß ihre Thätigkeit notwendig zu einer Entfremdung zwischen Rußland und dem Deutschen Reich «, wenn nicht zu ernsteren Differenzen führen müßte. Die Angeklagten wollten aber bei der Jnternasionalität der Socialdemokratie zugleich die auf voll- ständige Umänderung der Gesellschaftsordnung abzielenden inter - nationalen Bestrebungen der Socialdemokratie fördern und dadurch unmittelbar auf die öffentlichen An- gelegenheiten des Deutschen Reiches einwirken. Sie mußten sich sagen, daß die Flammen einer revolutionären Bewegung auch nach Deutschland hinübergreifen konnten, wie das bei allen Umwälzungen der Fall ist. Nun ver« wirft zwar die Socialdemokratie die Gewalt g r u n d- s ä tz l i ch; aber nach den Aeußerungen des Verteidigers des Angeklagten Ehrenpfort, der die russischen Meuchelmörder als Heroen feierte, kann die Gelvalt wenig st ens eine neben- sächlicheRollespielen. Die Verbindung besteht auch bereits seit längerer Zeit, wenn auch die Beteiligung der Einzelnen von verschiedener Dauer ist. Die Angeklagten haben sich den Anordnungen einer ihnen meist persönlich unbekannte» ausländischen Leitung gefügt, indem sie Schriften nach Anordnungen ihnen wiederum unbekannter Abgesandten dieser Leitung aufbewahrt haben, bis andre Unbekannte, zum Teil nur durch ein Stichwort legitimiert, sie abgeholt und iveiterbefördert haben. Daß im Auslande und im Inlands falsche Namen und Deckadressen verwendet wurden, beweist die Absicht, die Verbindung vor den deutschen Behörden geheim zu halten, die auch dadurch nicht widerlegt wird, daß diese Behörde wußte, daß die einzelnen Angeklagten Schriftsendungen empfingen und daß überhaupt ein Schristenschmuggel statt- fand; ebensowenig widerlegt der Einwand über deutsche Polizei- und Zollämter diese Absicht, denn zweifellos hat die Verbindung damit gerechnet, daß bei der ungeheuren Menge sonstiger Arbeiter und mit den geringen Hilfsmitteln die Zoll- behörde nicht im stände sein würde, jede Sendung zu prüfen. In der That sind denn auch an Weber zwei Pakete und an Nowagrotzki gerade die aufreizendsten Schriften ausgehändigt worden. Die Absicht der Geheimhaltung'be- weist nicht nur die Errichtung von Lager- und Umpaaungs- stellen, nicht nur die falsche Bezeichnung als Schuhwaren, sondern auch die Vernichtung des Adressenverzeichnisses durch Krassikau und die verschiedenen Ratschläge in den vorgefundenen Briefen. Die Behauptung, daß die Angeklagten den russischen Genossen nur vorübergehende Gefälligkeiten haben erweisen wollen, ist durch die Beweisaufnahme vollständig widerlegt worden. Wenn nun das Vor- siegen einer geheimen Verbindung zweifellos ist, so bleibt nur zu prüfen, inwiefern die einzelnen Angeklagten sich der Teilnahme schuldig gemacht haben. Nowagrotzki hat°/, Jahre nach seiner Unterredung mit Quessel von einem unbekannten Absender neunzehn Pakete aus drei verschiedenen Orten mit vier verschiedenen Adressen ohne weiteres in Empfang genommen, auch sonst zahlreichen Verkehr mit Russen gehabt, über deren Person er sich nicht ausgelassen hat. Auf eine einfache Anweisung Brauns hat er die Schriften an den ihm völlig unbekannten Klein gesandt und dessen Namen zu nennen sich geweigert, weil er gefürchtet hat, auch ihn strafbar zu machen. Der Angeklagte Braun hat nach seinen und Borchardts Briefen Kenntnis von dem Verkehr Kugels und Treptaus mit den Russen gehabt und um den Vertrieb russischer Schriften gewußt. Wenn er zwei Monate später den Nowagrotzki auffordert, die Schriften an Klein zu senden, so ya! der Angeklagte Klein zunächst behauptet, daß er nur durch ihn über- Haupt Kenntnis von diesen Schriftenlagern hatte. Jedenfalls deutet die Antwort, daß die russischen Genossen gleich die Hälfte mit- genommen haben, auf eine gewisse Vertrautheit hin. Wenn ferner Braun in einem Briefe sagt: Was Du für die russischen Genossen thust, thust Du für die Partei, so besteht allerdings ein erheblicher Verdacht, daß auch er um die Verbindung und den Schriftenvertrieb gewußt hat. Da aber der Angeklagte Klein seine Angabe später widerrufen hat und auch sonst mehrfach von der Wahrheit abgewichen ist, so reichen die Belastungsmomente nicht zur Ueberführung Brauns aus. Kugel hat zweifellos den Schriftenvertrieb nicht nur als Schmuggler des Erwerbes wegen gefördert, sondern auch zur Unterstützung des Verbindungszweckes als agitatorisch thätige Persönlichkeit. Das beweist seine Aeußerung zu Karol, daß die vielen dummen Leute in Rußland durch diese Schriften klüger werden sollten. Seiner ganzen Stellung nach war er zum Schmuggel hervorragend geeignet, er warb die Schmuggler an und lohnte sie ab und war andrerseits mit Skubbik genau bekannt. Er ist auch keineswegs der gedächtnisschwache, einfältige, schwerhörige, der russischen Sprache, des Schreibens und Lesens unkundige Mensch, den er hier zu spielen versucht hat. Auch er hat seine Thätigkeit als Parteisache betrachtet. Auch Klein hat Verkehr mit Russen gehabt und bei der großen Menge von Schriften, die bei ihm auf dem Boden versteckt gefunden wurden, ist es klar, daß sie nicht nur aus dem einen Postpaket im Mai und aus der Sendung von Nowagrotzky her- rühren können. Klein sollte auch den ständigen Seeweg nach Ruß- land herstellen; er hat für den Vertrieb russischer Schriften Geld eingenommen. Linde hat als Zeuge den Brief an Klein so zu deuten versucht, als habe er sich nur auf die Polizei- liche Vernehmung bezogen, aber im Briefe steht davon nichts und bei früheren Vernehmungen hat Linde aus- gesagt, er hätte diesen Rat gegeben. weil Klein als Beschuldigter seine Angaben nicht hätte zu beschwören brauchen, und weil er noch wenig mit dem Gericht zu thun ge- habt hätte. Nun, jedenfalls hat Klein den Rat noch von andrer Seite erhalten; denn er hat uns den Einblick möglichst zu er- schweren gesucht. Wie an diesen hat man sich auch an Treptau als Vertrauens- mann der socialdemokratischen Partei gewandt. Treptau hat seit langen Jahren Schriftenseudungen aus London , Genf und Zürich erhalten, duzt sich mit Skubbik und hat in seinem Besitze zahlreiche Adressen von Russen gehabt, über deren Herkunft er die widerspruchsvollsten und unglaubwürdigsten Angaben ge- macht hat. Auch Mert ins war Vertrauensmann der Socialdemokratie. Er hat die verschiedenen Schriften in großen Mengen bezogen und nicht nur unter der falschen BezeichnungSchuhwaren" empfangen, sondern auch weitergesandt und diesen Inhalt ausdrücklich angegeben. K ö g st hat nachweislich nur vier Sendungen empfangen. Den Inhalt der drei ersten will er nicht gekannt haben. Die vierte wurde beschlagnahmt, als er sie öffnete. Hätte Kögst für die Verbindung wirken wollen, so hätte er die Schriften, die noch wochenlang bei ihm lagerten, später verbreiten können. Er hat aber die Herausgabe verweigert und da er selbst angiebt, gewerbsmäßige Mittelsperson für den Schmugglervertrieb zu sein, so ist ihm geglaubt worden, daß er nicht, um für die geheime Verbindung thatig zu sein, die Schriften abgeholt und aufbewahrt hat, sondern lediglich um den Fuhrlohn und das Lagergeld zu verdienen, Daß die Haussuchung bei Ehrenpfort fruchtlos war, entlastet diesen nicht, denn er wußte seit langer Zeit von dem hiesigen Verfahren durch denVorwärts". Er stand in regem Verkehr mit Russen, die er zahlreich als Aftermieter hatte und hat sich auf die Aufforderung eines ihm un- bekannten Polytechnikers, den er in einer Versammlung traf, zum Schriftenversand bereit erklärt, dann aber merkwürdigerweise als die Pakete bei Weber beschlagnahmt waren, sich um nichts mehr gekümmert. Es ist ihm auch geglaubt worden, datz ex hei seiner dauernden Abwesenheit von Hause nichts davon gewußt hat, daß sein Name als Deckadresse benutzt wurde, wie er glaubhaft versichert hat, und deshalb reichen trotz des dringenden Verdachtes die belastenden Momente zu seiner Ueberftihrung nicht aus. Pätzel hat offenbar als Angestellter deSVorwärts" und genauer Kenner der internattonalen socialdemokratischen Bewegung sich bewußt in den Dienst der Verbindung gestellt. Nicht nur Abel, sondern die Angestellten desVorwärts" selbst haben bekundet. daß die Russen von der Hofseite aus in den nur wenigen Angestellten zugänglichen Keller gegangen sind. Die Absicht der Geheim- Haltung wird auch dadurch erwiesen, daß die Ruffen die unter Leitung des später ausgewiesenen Dr. v. Wetscheslaff die Schriften imVorwärts"keller verpackten, häufig wechselten. um ihre Feststellung zu erschweren. Schließlich hätte auch er und der Expedient Glocke sonst nicht den Versuch ge- macht, die Sache auf das Ladengeschäft abzuschieben oder voll- kommene Unkenntnis vorzugeben. An diese Begründung schließt sich das folgende Urteil: Demnach sind die Angeklagten Braun, Kögst und Ehrenpfort von der Anklage vollständig freizusprechen, die Angeklagten Nowagrotzki, Kugel, Klein, Treptau, Mertins und Pätzel auf Grund des§ 128(Geheim­bündelei) zu verurteilen, wegen der ihnen aus Grund der 88 102 und 103(Hochverrat) zur Last gelegten Handlungen dagegen ftei- zusprechen. Es werden verurteilt: Nowagrotzki zu 2 Monaten und 2 Wochen Gefängnis, wovon 1 Monat und 2 Wochen durch die Untersuchungshaft als verbüßt erachtet werden, Kugel zu 3 Monaten Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt erachtet werden, Klein zu 8 Wochen Gefängnis, von denen 6 Wochen durch die Untersuchungshaft als verbüßt erachtet werden, Treptau zu 2 Monaten und 2 Wochen Gefängnis, von denen 1 Monat 2 Wochen durch die Untersuchungshaft als verbüßt erachtet werden, Mertins und Pätzel zu je 3 Monaten Gefängnis. Soweit die Freisprechung erfolgt ist, fallen die Kosten der Staatskasse zur Last, soweit Ver- urteilung erfolgt ist, den Verurteilten. Kugel ist sofort guS der Hast zu entlasten. Genosse W. B u ch h o l z- Charlottenburg ersucht unS um Mitteilung: Die Berichterstatter im Königsberger Prozeß hatten einen sehr schweren Stand. Sie hatten es mit einem für Deutsche ganz ftemd- artigen Stoff zu thun, so daß Verwechselungen einzelner Ereignisse und Namen nur zu begreiflich sind. Auch war bei der Fülle des zu behandelnden Materials eine Abkürzung unumgänglich, leider auch in Fällen, wo durch dieselbe das Gesagte in einer etwas verschobenen Beleuchtung erscheint. Ich begreife das gewiß sehr gut und behalte mir eine Berichtigung einiger für mich unliebsamen Fehler in der Wiedergabe der von mir an Gerichtsstelle gemachten Ausführungen für andre Gelegenheit vor. Eins fühle ich mich allerdings genötigt jetzt schon zu berichttgen. Der Bericht läßt mich nämlich sagen, Fürst Obolensky habe den Soldaten bei Niederwerfung von Bauernrevolten gesagt, sie sollten sich an die Frauen heranmachen. In der That habe ich gesagt. eine solche Anweisung habe laut dem Berichte des in der Aufnahme seiner Korrespondenzen sehr vorsichtigenOsswoboschdenje" ein dem Fürsten Obolensky untergeordneter Offizier, auf dessen Namen ich mich nicht besinnen könne, gegeben. Mittlerweile habe ich die be- treffenden Nummern desOsswoboschdenje" nachgesehen und kann mitteilen, daß der von mir erwähnte Otfizier ein Oberst Namens Ziegler ist.--- Letzte IVachnchten und Dcpefchcn. Eine Protest-Versammlung. Königsberg , 25. Juli. (Privatdepesche desVorwärts".) Eine überfüllte Versammlung nahm nach einem Referat des Genossen H a a s e eine Protest-Resolution gegen den Zarismus an. : Tb.«Nocke, Berlin . Drucku.Verlag: Vorwärts Buchdr. u. ValagsanstaltPaul Singer öiCo.,VerlinZ\V. Hierzu 2 Beilagen u. UnterhaltungSblaft