Nr. m. Bbonnements-Bedingungin: NdonnementS- Preis pränumerand» i «ierteljährl. Z.Z0 Mk, monafl. 1,10 Kf., wöchentlich 28 Pfg. frei WZ Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg, Sonntags- nummer mit illustrierter Sonntags- Beilage.Die Neue Welt' 10 Pfg. Post- Wonncment: 1,10 Mar! pro Monat. Ewgetragen in die Post-ZeitungS- Preisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Oesterreich- Ungarn S Rar!, für das übrige Ausland 3 Mar! pro Monat. LI. Jahrg. Sie Infertlons'Gebtfyr betrügt für die sechSgespaltene Kolonel- zeile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerlschastliche BereinS- und BersammlungS-Anzeigm 25 Pfg. »Kleine anieigen", das erste(fettgedruckte) Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen biS 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen- tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet. CridKint täglich inBtr montags, Vevlinev Volksblcrkk. Telegramm-Wresse: „Soslaldcmohrat BtrllB". Zentralorgan der foztaldcmokratifcben parte! Deutfchlands. Redaktion: 8M. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1983. Dienstag, den 2* August 1904* Expedition: SQL 68» Lindenetrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984. Quittung. Im Monat Juli gingen bei dem Unterzeichneten folgende Partei beitrüge ein: Alt-Warthau. vom socialdemokratischen Verein 30,—. Berlin , Beiträge der Wahlkreise: 2. Kreis 2400,—(darunter Dampferpartie d. D. B. G. durch I. Meyer 4,50, Wintervergnügen und Landpartie, Süden 127,—). 4. Kreis Ost 3000,—(darunter Sechserkasse der Polierer von Heim u. Gerken 22,—, Möbelfabrik von Schuster u. Böhm 15,—, Möbelfabrik Kukulenz, Kochhannstr. 39 19,—, Möbelfabrik Kümmel 50,—, Fassadenputzer Al. L., Bau Hertzig 5,—.) 4. Kreis Südost 2000,—(darunter Sparverein Kottbuser Kietz 7,10, Tischlerei von Wolf, Waldcmarstr. 27 25,—, M. Sch., Rcichenbergerstraße für„Vorwärts"-Zinsen 5,—.) 6. Kreis 10 000,— (darunter von Kachelbauern für Verarbeitung von Panzer platten 4,—, Ueberschuß d. Kranzsp., Bez. Gesundbr., Central- verband der Töpfer 4,30, W. G. B. 14 3.—, Gesangverein.Unverzagt". Ueberschuf; v. Kaffeekochen b. Schadotv. Plötzensee 20,—, A. B. Mister 1,—, Gen. Starke für Agitation 2,50.) Berlin , diverse Beiträge: Verband deutscher Hoteldiener 3,—. L. u. H. B. 10,—. Bonskasse d. Arb. v. Pardemann u. Co., Neue Königstr. 10, 25,50. Ges. b. R.-Budiker, Kopernikusstraße, 1,10. Von den Tagschneidern der Firma Peek u. Cloppenburg 10,—. Rechnungsüberschuß Ouitzow- straße 5 5,—. B. A. 5,—. Die Contobucharbeiter vom Wedding 5.—. Gesellenfeier G. Lehmann, Buchbinderei Frydrychowicz 5,15. C. D. , Guhrau 1,—, Tischlerei Bauke, Krautstr. 19 5,—. Honorar vom Sparverein„Glückauf" d. Koeppen 6,—. Patienten v. Grabowsee 10,—. K. H. in Grabowsee 2,—. Ges. auf einer Hochzeit v. A. Wittig, Mariendorf , eingez. d. Zander 6,10. Buße A. K. 8,60. A. V. 50,—. P. S. 50,—. Brandenburg a. H., Wahlkreis Brandenburg - Westhavelland 200,—. Bern 50,—. Bochum , Wahlkreis 535,26. Breslau , socialdemokr. Verein 200,—. Barmen, socialdemokratischer Verein 300,—. Cöln a. Rh., socialdemokratischer Verein 2. Quartal 122,60. Chemnitz , 16. sächsischer Wahlkreis 3000,—. Chenmitz, ohne Namens- angabe 5,—. Dortmund , Drucker- und Setzerpersonal der„Arbeiter- zeitung" 50,—. Dortmund , Wahlkreis Dortmund- Hörde 550,— Essen a. Ruhr, Rückzahl. von Wahlschulden 1000,—. Elberfeld , socialdemokratischer Verein 800,—. Frankfurt a. M., socialdemokr. Verein 1000,—. Falkenberg(O-S.) 5,—. Franz.-Buchholz, für einen Vortrag im Wahlverein 3,50. Fürth , Wahlverem 20,—. Freiburg i. SB., socialdemokr. Verein 50,—. Freiburg i. Schlesien , socialdemokr. Wahlverein 5,—. Freisina, H. S. 5,—. Greiz , Wahlkreis Reuß ä. L. 200,—. Gutschdorf b. Striegau 5,—. Gotha , durch den Vertrauensmann 30,—. Gießen , E. K. 50,—. Heidelberg , vom Agitationskomitee des 12. badischen Kreises 10,—. Kattowitz (Oberschl.), Wahlverein zwei Raten 10,—. Kiel , R. 5,—. Krefeld , socialdemokr. Volksverein 100,—. Königsberg i. Pr., Partei Beitrag 3. Quartal 100,—. Lübeck , socialdemokr. Verein 300,—. Luckenwalde . Rufus 5,—. Luckenwalde , socialdemokr. Wahlverein 100,—. Mylau , Ueberschuß vom Schlachtfest 20,—. M.-Gladbach, Beitrag des Wahlvereins 12,—. München , socialdemokr. Verein 1/KX),—. München , Waldläufer 5,—. München , Gau Südbayern , 2. Quartal 04 153,45. Nürnberg , Gau Nordbayern, 1. u. 2. Quartal 04 829,74. Nürnberg , socialdemokr. Vereins. Quartal 04 250,—. Nürnberg , S. 4,—. Offenbach a. M., Landesorganisation Großh. Hessen 500,—. Oberstein a. N., Volksverein 2. Quartal 04 9,40. Peilau, vom socialdemokr. Wahlverein 5,—. Ronsdorf , allgemeiner Arbeiterverein 25,—. Straßburg i. E.. Altvaters 5,—. Statzfurt, Wahlkreis Calbe - AscherSleben 100,—. Stuttgart , G. U. 10,—. Sachsen- Weimar , Landesorganisation 40,—. Bogtsberg b. Oelsnitz i. V., Sängerlust, aufgelöst 5,—.„Vorwärts", 2. Quartal 1904 26 109,30. Württemberg 100,—. Werdau i. S., H. 1»—. S 0 n st i g e, bisher noch nicht quittierte Eingänge im letzten Rechnungsjahre: Frankfurt a. M., durch G. M., 4 Handbücher v. Schippe! 20,—, 60 Handbücher für focialdemokratifche Wähler 120,—, Summa 140,—. Königsberg i. Pr., v. C. M., 2 Handb. v. Schippe! 10,—. Braun- schweig, durch St., in der Expedition des„Volksfreund" für die Laurahütter Inhaftierten eingegangen 20,20. Oberlangenbielau, durch A. K., aus Löwenberg i. Schi, für die Familien der Brom - berger Verurteilten 6,60. Magdeburg , durch R. P., 20 Handbücher für preußische Landtagswähler 40,—, Summa 216,80. Berlin , den 1. August 1904. Für den Parteivorstand: A. Gerisch, Kreuzbergstr. 30. Der ostasiatische Entscheidungskamps hat nunmehr begonnen. Nach offiziellen russischen Meldungen fanden am 31. Juli schwere Kämpfe statt. Ein Teil der Russe » wurde zum Rückzug auf Haiffcheug gezwungen, andre Teile behaupteten am Abend deS 31. noch ihre Stellungen. Doch haben die Russen den Tod eines ihrer tüchtigsten Generale, des Gräfe» Keller zu beklagen. Die Verlustliste mehrt sich unheimlich: Admiral Makarow tot, General Keller tot und General Rennenkamp schwer verwundet. Wahrscheinlich haben die Japaner am 1. August ihre Angriffe erneuert. Wahrscheinlich werden schon die nächsten Tage das Schicksal der russischen Hauptarmee entscheiden! Die russischen Telegramme lauten: Petersburg , 1. August. Wie General Kuropatkin dem Kaiser von gestern meldet, emeuerten die drei japanischenArmeen am 31. Juli den Vormarsch auf der Südfront. Die russischen Arrieregarden verteidigten sich hartnäckig, bis der Gegner bedeutend überlegene Streitkräfte vor- schob, und zogen sich dann allmählich in der Rich- tung auf Haitscheng zurück.— Auf der Ostfront begann ain Morgen desselben Tages der Vormarsch der Japaner gegen die Stellung bei T h a w u a n.— In Jnkou werden zahlreiche japanische Truppen unter Deckung mehrerer Kriegsschiffe gelandet. Petersburg, 1. August. (Meldung der Russischen Telegraphen- Agentur.) Vom Kriegsschauplatz kommt dir Meldung, daß General Graf Keller gestern abend durch ein» Granate getötet worden ist. Petersburg, 1. August. Ein Telegramm Kuropatkins an den Kaiser von gestern besagt: Auf der S ü d f r 0 n t ging die linke Vorhut uach einem hartnäckigen Kampfe beim Dorfe S a n t s ch e n in der Richtung auf Haitscheng zurück. Gegen die rechte Vorhut hat der Feind keinen Angriff unternommen, sondern sich auf ein Artillerie- g e f e ch t beschränkt. Nach Meldungen aus S i m u t s ch e n war dort der Kampf am 31. Juli um 73/4 Uhr abends eingestellt worden. Die Russen behaupteten alle ihre Stellungen. Meldungen über die Vorgänge auf dem äußersten rechten Flügel sind jedoch noch nicht eingegangen. Die russische O st a b t e i l u n g hat ebenfalls alle ihre Stellungen behauptet. Im Janselinpaß wählte General Graf Keller, der Führer dieser Abteilung, die am meisten dem Feuer ausgesetzte Batterie als Beobachwngspunkt und wurde um 3 Uhr nachmittags tödlich verwundet. 20 Minuten darauf starb er.— Auf der Linie Saimatsi-Liaujang haben die Japaner anscheinend große Streitkräfte zusamnien- gezogen, die Verluste in dem dort am 31. Juli statt- gehabten Kampfe sind noch nicht festgestellt. Die russischen Truppen haben sich auf ihren Stellungen behauptet. Graf Keller» seiner Abstammung nach ein Deutscher, ivar eitler der verdientesten russischen Heerführer, der auf eine glänzende Laufbahn zurückblickte. Nachdem er zuerst bei der Garde-Kavallerie gestanden hatte, kam er in den General st ab und fand Gelegenheit, sich im türkischen Kriege besonders auszuzeichnen. Er machte den berühmten Balkan Übergang im Stabe Skobelews mit, wurde in der Schlacht am Schipkapaß schwer verwundet und erhielt für persönliche Tapferkeit vor dem Feinde den Sankt Georgs-Orden. Im Jahre 1887 schied er aus nicht ganz aufgeklärten Gründen aus dem aktiven Dienst, wurde aber 1894 von Nikolaus II. wieder mit einer hohen Stellung im Seere betraut. Im Frieden bekleidete er zuletzt den Posten des ouverneurS von Jekaterinoslaw. AlS er zum Kriegsschauplatz ab- ging, folgten ihm die größten Hoffnungen. General Kuropatkin stellte ihn den Offizieren mit dem Bemerken vor, sein Name sei vor allem geeignet, die Erinnerung an Skobelew wieder aufleben zu lassen. In Ostasien war er dann besonders an den Känrpfen beim Motienpaß und dann jetzt an der Verteidigung der Südfront beteiligt. Die japanischen Verluste bei Taschitschiao. Tokio , 30. Juli. Die Verluste der Japaner bei Taschitschiao betragen der endgültigen Aufstellung zufolge: 12 Offiziere und 136 Mann tot, 47 Offiziere und 848 Mann verwundet. London , 1. August.„Daily Telegraph " meldet vom 29. Juli aus Tokio : Nach einem Telegramm des Berichterstatters der eitung„Asagi" verließen am 24. Juli zwei große russische ' a m p f e r von je 6000 Tonnen unter dem Schutze des Nebels und in Begleitung eines Torpedoboots-Zerstörers Port Arthur; sie hatten viele Civilpersonen an Bord. Japanische Torpedoboots-Zerstörer vom Blockadegeschwader entdeckten jedoch die Schiffe, als der Nebel sich verzog. Die Russen hißten die weiße Flagge. Beide Dampfer und der russische Torpedoboots-Zerstörer wurden nach der japanischen Flottenbasis gebracht. Tokio , 31. Juli. Meldung des„Reuterschen Bureaus".) Ein ver spätet eingelaufener Bericht des Admirals Togo erwähnt ein Gefecht zwischen Torpedobooten und andren kleineren Fahr- zeugen, das am 24. Juli stattgefunden hat. Die Japaner schössen dabei drei Torpedos ab, die auch explodierten. Das Er- g e b n i s des Kampfes ist unbekannt, da Nebel herrschte. Togos SBericht fchemt das von Chinesen verbreitete Gerücht zu bestätigen, daß drei russische Torpedobootszerstörer gesunken seien. Niutschwang, 30. Juli. (Meldung des„Reuterschen Bureaus".) Das russische Kanonenboot„S i w u t s ch" soll auf dem Linn Flusse 30 Meilen oberhalb der Stadt z e r st ö r t worden sein. Die Kriegslage in japanischer Beurteilung. London , 30. Juli. (Eig. Ber.) Gestern war ich mit meinen japanischen Freunden zusammen, um den Tod Plehwes und die Kriegslage im allgemeinen zu besprechen. Das erfolgreiche Attentat gegen den allmächtigen Minister Rußlands hat nach Ansicht der Japaner den psychologischen Moment beschleunigt, an dem der Haupt- schlag gegen Kuropatkin und Port Arthur geftihrt werden soll. Kuropatkin verfügt jetzt über 160 000 Mann, die zwischen Haitscheng und Mulden stehen, mit starken Vorschiebungen gegen den Motienpaß. Wie stark die Armeen Kurokis, OkuS und Nodzus sind, konnte ich nicht er- fahren. Sie können zusammen ebenso gut aus 200 000 wie aus 300 000 Mann bestehen. Die Siegeszuversicht der Japaner, die von Anfang an groß war, ist nach den Erfahrungen der letzten Monate unerschütterlich geworden. Und was noch wichtiger ist, die japanischen Offiziere in der Mandschurei sind, wie aus ihren Briefen an ihre Londoner Freunde zu ersehen, von derselben Zuversicht getragen. Das nächste Treffen wird bei Haitscheng oder bei Anfantsen, etwa 15 Kilometer südlich von Liaojang, erwartet. Die Russen haben an diesen beiden Ortschaften sehr starke Postttonen inne, die leicht zu verteidigen sind. Auf meine Frage, warum Admiral Kamimura, der im japanischen Meer so viel Mißerfolge hatte, noch immer seinen Posten behält, wurde mir geantwortet:„Unsre Heerführer, Admirale und Civil- Beamten werden nicht durch kaiserliche Gunst oder Hofeinflüsse ernannt und befördert. Ihre Ernennung geschieht stets auf Grund der Tüchtigkeit und Kenntnisse, die sie bewiesen haben. Kamimura wurde nach reiflicher Ueberlegung auf seinen Posten geschickt. Und wenn er Mißerfolge hat, so ist dies einzig und allein den ungenügenden Mitteln zuzuschreiben, die ihm das Reich zur Ver- fügmig stellte. Sein Unglück ist, daß unsre Flotte nicht die erforder- liche Zahl von Kreuzern besitzt, um Wladiwostok blockieren zu können. Dieser Hafen hat zwei Eingänge. Angesichts der Stärke des Wladiwo- stoker Geschwaders hätten wir noch acht Kreuzer haben müssen, um eine Blockade vornehmen zu können. Unsre Flotte ist noch sehr jung und kann nicht alle Aufgaben lösen. Aber die Aufgaben, die uns der Krieg stellt, sind nicht gleichwersig. Die große Aufgabe ist, das Port Arthur-Geschwader zu paralysieren und schließlich aufzubringen und zu vernichten. Und dieser Aufgabe weihten wir unsre Flotte. Alle andren maritimen Aufgaben sind untergeordnet� und wir müssen sie vorläufig unberücksichttgt lassen. Und wenn das Wladiwostoker Geschwader noch so viele Verheerungen anrichten sollte, würden wir von unsren Plänen nicht ab- gehen. Kamimnra hat nur die Aufgabe, die Straße von Korea zu bewachen, was er auch gewissenhast thut. So lange Port Arthur nicht gefallen ist, hat Skrydloff freien Spielraum. Nach einem Siege Togos bei Port Arthur wird Wladiwostok an die Reihe kommen. Und je mehr Siege Skrydloff über Kauffahrteischiffe erringt, desto stärker wird sich die Ueberzeugung in Japan festsetzen, daß Rußland aus dem Pacifischen Ocean vertrieben werden muß.— Die japanische Bombe. Der Tod Kellers hat für die russische Regierung nicht nur militärische, sondern auch inncrpolitische Bedeutung. Er wurde als Gouverneur von Jekaterinoslaw im Jahre 1901 berufen; sein Vor- gänger hatte sich als treffsicher Plehwe- Geselle bewährt, indem er bei friedlichem Stteik fürchterliche Arbeiterauspeitschungen veranlaßte, er wurde belohnt, indem er zum Chef der Gendarmerie und danach als Gehilfe Plehwes in dessen unmittelbare Nähe versetzt wurde- Keller zeigte sich dieses Vorgängers würdig. Als in Charkow 1901 die Studenten in Verfolg einer Demonstration gegen die Einreihung ihrer Kameraden in das Militär furchtbar mißhandelt wurden, da fanden in andren russischen Städten, so auch in Jekaterinoslaw seitens der Studenten der dortigen Bergakademie sowie seitens der Arbeiter Sympathiekundgebungen statt. Keller übernahm das Oberkommando gegen die durchaus friedliche Demonstratton und ließ durch seine Kosaken fürchterliche Sceuen anrichten; zahlreiche Männer und Frauen wurden mit Nagaikas geschlagen, viele wurden auf lange Zeit in das Gefängnis geworfen. Im Jahre 1902 wurde wiederum eine Demonstration von Arbeitern und Studenten veranlaßt, wiederum ließ Keller einhauen, 40—50 Menschen verhaften. Diese Verhasteten, darunter auch Frauen und Mädchen, wurden auf dasbrutalste gepeitscht. Keller hat allerdings den mildemden Umstand seiner Schand- thaten, daß er ein notorischer Trunkenbold war. Er, der Arbeiter und Studenten wegen ihrer freiheitlich edlen Ziele mißhandelte, ließ in der Stadt, die seinem Befehl unterstellt war, jeder Unsittlichkeit freien Lauf; er befahl die Einrichtung von Schanklokalcn niedrigste! Art und er selbst trieb sich auf der Straße mit Dirnen umher. Das waren die Heldenthaten dieses Generals im Frieden! Er war noch zu„großem" ausersehen. Aber die japanische Bombe hat ihn zu seinem Meister Plehwe geworfen.— Der diplomatische Bruch mit dem Vatikan . Paris , 31. Juli. (Eig. Ber.) Pius X. und sein Staatssekretär, der Spanier Merry del Val , haben sich um den französischen Anttklerikalismus verdient gemacht. Ihrer herausfordernd aggressiven Taktik ist es in erster Linie zu ver- danken, daß der halbe diplomattsche Bruch zwischen der Republik und dem Vatikan nunmehr zu einem ganzen geworden ist. ES war ein hartes Stück Arbeit, die papstfreundliche Minderheit des Kabinetts Combes, die angesehenen und einflußreichen Minister Delcasss, Rouvier und Chaumiö, wie übrigens auch den schwankenden Ministerpräsidenten selbst für eine radikale Lösung, fei eS auch nur auf diplomatischem Gebiete, zu gewinnen. Das war desto schwerer. als die ministeriellen Wortführer im Parlament und in der Presse— mit ein paar Ausnahmen, darunter namentlich Clömenceau— in allen Stadien des Konflikts eZ für das beste hielten, sich eng an die Haltung und die Entschlüsse des Ministerpräsidenten anzupassen, anstatt ihn vorwärts zu treiben. Nur die draufgängerische In- transigcnz der römischen Kurie konnte jene schwere Leistung voll- bringen. Aeußerlich betrachtet, ist der Verlauf des Konflikt« unlogisch bis zur Lächerlichkeit. Der päpstliche Protest gegen LoubetS Romreise, obendrein in der Form eines Rundschreibens an die katholischen Mächte, war die denkbar schwerste Herausforderung an die Adresse einer auf ihre Selbständigkeit und Ehre haltenden Nation. Wie wurde aber der Protest beantwortet? Mt einem halben, heuchlerischen Bruch mit dem Vattkan: der französische Botschafter wurde abberufen, aber die Botschaft beibehalten,— noch mehr, die Ab- Berufung dem Vatikan offiziell nicht zur Kenntnis gebracht, so daß der päpstliche Nuntius in Paris ruhig bleiben konnte. Dann kam der Streit um die Bischöfe, eine Lappalie im Ver- gleich mit der päpstlichen Anmaßung, in die aus- wärtige Politik Frankreichs dreinzureden. Im Bischofsstreit handelt eS sich formal doch nur um eine Verletzung des Konkordats seitens des Vattkans, die nicht die erste und nicht die schwerste ist. Zudem war der„Heilige Stuhl " in der Lage, dem Disciplinarvergehen gegen die Bischöfe von Laval und Dijon rein geistliche Gründe unterzuschieben. Auf diesem Boden kamen die Proteste der französischen Regierung in den ketzerischen Geruch des Gallikanismus. Was ferner die konkordat- widrige Form ihrer direkten Aufforderungen an die Bischöfe betrifft, so erinnerte die römische Kurie daran, daß sie niemals die sogenannten„organischen Artikel" anerkannt hätte, die Napoleon I. dem eigentlichen Konkordat einseitig angehängt hat. Mit einem Wort, der Bischofsstreit war für die französische Regierung ein ebenso nachteiliger und Heister Anlaß zum Bruch wie die päpstliche Beleidigung Frankreichs ein vorteilhafter und fest be<
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