Borläufig hat Frau KreisphysikuS an andrer Stelle niedergelegt,Was sie über ihr letztes Dienstmädchen zu sagen hat, im Gesindedieust-buch. Sie hat eingetragen:„Anna ist ein ehrliches Mädchen". Nicht mehr,nicht weniger. Sie lobt nicht; denn die Bescheinigung der Ehrlichkeitist ja weiter kein Lob, da von einem Dienstboten, dem man seinHauswesen anvertraut, Ehrlichkeit als etwas Selbstverständliches ge-fordert werden muß. Aber Frau Kreisphysikus tadelt auch nicht IFand sie nichts ernsthaft Tadelnswertes an Anna? Vielleicht wirdman hier einwerfen, Frau Kreisphysikus habe der Wahrheit zuwiderden Tadel unterdrückt. Nicht wir sagen das; bei ihren V e r-teidigerinnen wird Frau Kreisphysikus sich gegen diesen Ver-dacht der Täuschung zu wehren haben. Wir glauben, daß sie dievolle Wahrheit gesagt hat. Wir glauben das deshalb, weildie früheren Zeugnisse Annas noch besser sind. In dem einenwird bescheinigt, daß sie ehrlich und bescheiden war, in einemandern, daß sie ehrlich und freundlich war, in einem dritten, daßsie sich musterhast geführt hat, daß sie ehrlich, sauber und immerfreundlich war.Das Los der Herrschaften, die sich mit solchem Mädchen behelfenmußten, kann wohl so schrecklich nicht gewesen sein. Warum aberfand gerade Frau Kreisphysikus nichts weiter an Anna zu loben?Und warum empfand Anna gerade die Behandlung durch FrauKreisphysikus als unerträglich?„Wir Hausstauen," sagt jene Er-widerung,„sind bei dem herrschenden Dienstbotenmangelschon heilstoh, wenn wir mal ein einigermaßen brauchbaresMädchen bekommen, nur einigermaßen soll sie sein, dann werdenwir uns schon die größte Mühe geben, sie so lange wie möglich zubehalten, nicht aber ihr das Leben unnütz schwer machen." AuchFrau Kreisphysikus war gewiß„heilstoh", ein Mädchen zu be-kommen, das als„ehrlich, sauber, freundlich, bescheiden" empfohlenwurde. Sie gab sich auch„die größte Mühe, sie so lange wie mög-lich zu behalten". Aber das Mädchen, das anderswo Jahre hin-durch geblieben war und im ganzen schon 14 Jahre Dienst hintersich hatte, schrieb über Papes schon nach 14 Tagen dem Bruder, daß„die Behandlung nicht mehr zu ertragen" sei. Da Frau Doktor sienicht sofort wieder ziehen lassen wollte und einer Flckcht durch Ab-schließung der Thür vorbeugte, machte das Mädchen den Versuch, sichdurch einen Sprung aus dem Fenster zu besteien.Es ist eben das Los gewisser Herrschasten, daß kein Mädchenlange bei ihnen bleiben will, und daß bei ihnen selbst die beste dieLust verliert. Sie haben darin kein Glück! Allerdings gilt für dasHerrschaften-Glück dasselbe, was sich vom„Glück" überhaupt sagenläßt. Es hängt nicht vom Zufall allein ab, sondern ebenso sehroder noch mehr von Dingen, die im Menschen selber liegen. Manmuß„Talent zum Glück" haben, und in Punkto Dienstbote fehltdas leider sehr vielen Herrschaften. Dauerndes Pech ist immer ver-dächtig. Sieht man von den Fällen gelegentlichen Pechs ab, sodarf man getrost behaupten, daß jede Herrschaft die Dienstbotenkriegt, die sie verdient.Dienstmädchen-Los und Herrschaften-Los erklären sich aus demeigenartigen Verhältnis zwischen Herrschaft und Gesinde, das sichaufbaut auf der veralteten Anschauung, der Dienende sei ein Unter-gebener. Daß Herrschaft und Dienstbote sich als Gleich-berechtigte gegenüberstehen sollen, will gewissen Gnädigen nichtin den Sinn. Im Handel heißt es:„Hier die Ware, hier dasGeld I" In der Industrie:„Hier die Arbeit, hier der Lohn!" Beipersönlicher Dienstleistung aber will man immer noch nicht abgehenvon der mittelalterlichen Auffassung eines Untergebenen-verhältttdffeS. Wir haben ja auch immer noch das besondere.Gesinderecht", das sogar Prügel erlaubt.Das Ueble für die Herrschaften ist nur, daß bei persönlicherDienstleistung auch dem Gesinde sein Stachel gegeben ist. Keinungeschickter, lässiger Arbeiter kann einem Unternehmer soviel Aergerbereiten, wie der Herrschast ein schlechter Dienstbote. Es kann aberauch kein brauchbarer Arbeiter für erlittenes Unrecht sich so nach-drücklich rächen, wie ein Dienstbote. Das begreift selbst dasdümmste, gefügigste Mädchen sehr rasch. So erklärt sich die Neigungder Dienstboten, die Herrschaft zu chikanieren, was schlechte Elementedann auch ohne Grund thun. Wo Tyrannei ist, ist auch Auf-lehnung, namentlich dann, wenn die Gebietenden von ihren Unter-gebenen abhängig sind.Gegen den Achtuhr-Ladenschlußeifert ein Flugblatt des„Vorstandes des Vereins der Geschäfts-inhaber aller Branchen zur Abwehr des Achtuhr-Ladenschlusses". EinGeschäftsmann unsres Leserkreises findet die Argumente dieses Flug-blattes nicht durchschlagend genug und bittet uns daher, die nach-stehende ausführlichere Begründung der Ablehnung des Achtuhr-Ladenschlusses unsrcn Lesern zugänglich machen zu wollen:„Den Sonntag, die ersten Feiertage gönnt man uns sonst soglücklichen Ladenbesitzern nur halb, die zweiten Feiertage wie dieAbend- und Nachtzeit nach 9 Uhr ganz und gar nicht, und nunsollen wir an den sechs Wochentagen nur noch je 13 Stundenden modernen Warenverteilungsdienst ausüben dürfen! Jedes Tier,sagt man, verlangt seine Ruhe, wir aber wollen mit ihnen nichtauf eine Stufe gestellt werden I Und welche Folgen wird der Acht-uhrschluß haben? Nun. dieselben, die der Neunuhrschluß gehabt, inverstärktem Maße. Wahre Schreckenscenen werden die Oeffentlichkeitin ständiger Aufregung halten, denn wer sein Geld nach 8 Uhrabends in den geschlossenen Läden nicht los werden kann, der hatam andern Tage absolut keine Verwendung mehr dafür. Die Ver-zweiflung an seinem Dasein packt ihn, und kann er keine Waren mehrkaufen, so rast er in die Kneipe und kauft sich— einen Affen!—Weiter I Jeder Ladenbesitzer kennt aus seiner Praxis die Gewohn-heiten des konsumierenden Publikums. Hier stürzt bei Thoresschlußnoch atemlos ein Dienstmädchen nach einem Briefbogen und einerneuen Feder herein, auch eine Briefmarke will sie noch kaufen, dortbraucht ein Jüngling noch schnell einen Kragenknopf oder gar einenPapierkragen, wieder ein andrer bringt eine Reparatur, aber„so-fort", während irgendwo ein Vierter einen Gegenstand, der vorvier Wochen bestellt war, jetzt beim Herunterrollen der Jalousieabholt, mit der Motivierung, daß er täglich dreimal vorbeigeht.Und auf die Damen mit ihren dringenden Besorgungen, beidenen sie auf der Straße in Unterhaltungen verwickelt werden; siehaben ja noch Zeit,„es ist ja noch nicht 9 Uhr". Sollten wir dieseKunden alle durch den Achtuhrschluß in Verlegenheit bringen? Nein!das ist keine Ordnung!—Die Ordnung erfordert, daß wir die Zeit zum Abendessen demöffentlichen Wohl opfern, und daß der Käufer es nicht merkt, wennwir bei der Bedienung den Bissen im Munde herumwürgen; dieOrdnung erfordert, daß unsre Kinder uns des Abends nicht miterzieherischen Angelegenheiten belästigen und daß wir so etwa nach10 Uhr sehen können, wie süß sie alle schlafe»; die Ordnung erfordert,daß auch wir nach Ladenschluß schnurstracks unter die Federn kriechenund unsren Nebenmenschen nicht die frische Luft fortnehmen. Amallerwenigsten aber wollen wir uns von einer sogenannten Kulturbelecken lassen und gar an politischen oder socialen Bestrebungen—ausgenommen die gegen jeden Ladenschluß— teilnehmen, Bücherlesen oder Geselligkeit pflegen; Theater und Konzerte, selbst wennwir das Nötige dazu einmal aufbringen könnten, Kunst und Wissen-schaft, die das Volk interessieren, überlassen wir ruhig denen, die umS oder um 7 Uhr frei sind.Müßiggang ist aller Laster Anfang! Wir aber wollen zwischenunsren vier Mauern Wacht halten, so lange sich noch ein Mensch aufder Straße blicken läßt— es könnte ein Käufer sein. Auch unfern jungenMann oder das Ladenfräulein wollen wir vor den bösen Folgendes Müßiggangs bewahren, damit auch sie dermaleinst das Glückeiner kleinen bürgerlichen Selbständigkeit genießen können.Das Gefährlichste aber bei dem drohenden Achtuhrschluß ist,daß es mit dem Neunuhr schluß dann Ernst werdenkönnte, denn bis jetzt ist diese Verordnung noch immer mitinnigem socialen Verständnis gehandhabt worden, man behandeltuns als Stützen von Staat und Gesellschaft gottlob nicht etwa, wieman Streikposten behandelt, um Polizeiverordnungen energisch durch-zuführen. Stören wir also nicht das solide Geschäft und demonstrierenwir gegen die Warenhäuser, indem wir die Brosamen auf-lesen, die sie uns kleinen Ladenbcsitzern übrig lassen, dannwerden wir schließlich im Kampf mit den Riesenbazarenden Sieg davontragen! Dazu genügt es aber nicht,nur 13 Stunden am Tage zur Disposition zu stehen, nein14 Stunden müssen es wenigstens sein, und schließlich müssen wiruns auch die Nacht wieder erobern, den Sonntag und die Feier-tage!—Ja. stei wollen wir sein! Das hat schon Heinrich Heine unsDeutschen angesehen, indem er ganz in unsrem Sinne, im Sinnedes bürgerlichen Mittelstandes begeistert ausrief„der Deutscheliebt seine Freiheit wie seine Großmutter!"—Legen wir deshalb allen Ladenbesitzern unsre Gründe gegen denAchtuhrschluß wann ans Herz, und der Pleitcgeier wird durch dieStunde von 3—9 am sichersten verscheucht werden. Auch ihr,Arbeiter im Handelsgewerbe, helft unS und euch gegen jede Reform— für die unbeschränkte Verlängerung der Arbeitszeit!"Die Versorgung Berlins mit Trinkwasser ist jetzt so geregelt,daß von der gesamten Wassermenge, die aus den Werken Friedrichs-Hägen und Tegel in die Stadt(einschließlich einige Vororte) hinein-gefördert wird, rund drei Siebentel auf das Tegeler Werk und vierSiebentel auf das Friedrichshagener Wert entfallen. Dieses Ver-hältnis ist im Winter wie im Sommer, bei geringem wie starkemVerbrauch, ziemlich genau festgehalten worden. Im Januar 1994zum Beispiel, der im letzten Winter den geringsten Monatsverbrauchaufwies, wurden täglich 136 426 Kubikmeter, im ganzen Monat4 229 201 Kubikmeter gefördert. Von dieser Wassermenge kamenaus dem Tegeler Werk 1 841 263 Kubikmeter, aus dem Friedrichs-Hagener Werk 2 387 933 Kubikmeter. Im Juni 1904, bis zu demdie Zusammenstellungen des städtischen Statistischen Amtes über dieBerliner Wasserversorgung reichen, wurden täglich 192 981 Kubik-meter, im ganzen Monat 5 789 419 Kubikmeter gefördert, und ander Lieferung war das Tegeler Werk mit 2 460 893 Kubikmeter,das Friedrichshagener Werk mit 3 328 521 Kubikmeter beteiligt.Diesmal sind übrigens im Juni reichlich 425 000 Kubikmeter mehrgeliefert worden, als in demselben Monat des vorigen Jahres. Auchdiesen erhöhten Anforderungen hat das Tegeler Werk mit seinenTiefbrunnen zu genügen vermocht; auf Tegel entfiel sogar der größteTeil der oben angegebenen Mehrlieferung.Der Fchrbelliner Kanal ist bei Km. 14,0 seit einigen Tagenauf mehrere Wochen für den Schiffahrtsverkehr gesperrt. Die Fahrtwird auf den märkischen Wasserstraßen immer schwieriger. DasWasser ist immer noch im Fallen begriffen.Ei» schweres Straßenbahnunglück ereignete sich am Montagabendgegen 8 Uhr. Der„Berliner Zeitung" wird von einem Augenzeugendarüber berichtet:„Der Motorwagenzug der Linie 37(Reinickendorf— Kreuzberg),der dem Prenzlauer Thor zufuhr, begegnete an der Ecke der AltenSchützenstraße dem nach dem Alexander-Platz fahrenden Wagen derLinie 49(Pankow— Rixdorf). An der Ecke der AltenSchützenstratze hat die Linie 37 eine Weiche zu passieren.Hier verirrte sich der Anhängewagen des Zuges Reinickendorf—Kreuzberg und lief, anstatt seinem Motorwagen zu folgen, in dasGeleis des entgegenkommenden Zuges 49. Da beide Züge mitvoller Geschwindigkeit fuhren, war der Anprall ein furchtbarer. DerAnhängewagen wurde zerschmettert. Die Insassen waren unter denTrümmern begraben, und schreckliche Angst- und Wehrufe erschollen.Von Passanten und der sofort alarmierten Feuerwehr wurden dieUnglücklichen aus ihrer furchtbaren Lage besteit."Nach einer weiteren Meldung wurden bei dem Zusammenstoßsiebzehn Personen verletzt.Es haben erlitten: Quetschungen am rechten Oberschenkel: KarlGroßmann, Provinzstr. 76, Franz und Ludwig Apel, beide Provinz-straße 84; Verletzungen am linken Auge: Emma Fleckcnstein, GroßeFrankfnrterstr. 63; Bruch des Nasenbeins: Ernst Schör, Skalitzer-straße 74; Quetschung der Nase und der linken Stirnseite: RichardBrandner, Joachimsthalerstr. IIa; blutende Fleischwunden an beidenSchläfen: Franz Voigt, Brunnenstr. 94; ferner leichtere Kontusionenund Hautabschürfungen: die Herren Karl Lange, Brunnenstr. 9, WilliTreptow, Putbuserstraße, Hans Schüler, Prenzlauer Allee 94, J�iusPülccke, Drontheimerstr. Ick, Hermann Pohl, Bergmannstr.�31,Friedrich Wegener, Putbuserstr. 45, Otto Albertin, Provinzstr. 82,Wilhelm Kliem, Badstr. 21 und Frau Anna Gedanke, Biesenthaler-straße 15. Ferner erlitt der Schaffner des Anhängewagens 2623,Gritefin, Rißwunden im Gesicht, Quetschungen des linken Armesund der linken Hand und Kontusionen an beidon Schienbeinen. Wieuns auf unsre Anfrage seitens der Unfallstation mitgeteilt wird, er-wiesen sich sämtliche Verletzungen als solche leichterer Art. AlleVerunglückten konnten sich, nachdem sie ordnungsgemäß verbundenwaren, nach ihren Wohnungen begeben.Eine einheitliche Neuregelung des Mcldewesens für den Landes-polizeibezirk Berlin soll am 1. Oktober d. I. in Kraft treten. Dadurch die zu diesem Zwecke zu erlassende Polizei-Verordnung demVernehmen nach auch die zur Zeit gebräuchlichen Meldeformularceinige Abänderungen erleiden werden, wird es sich empfehlen, Neu-Herstellungen von Formularen nach altem Muster nicht mehr vor-zunehmen. Die neuen Formulare sollen rechtzeitig bekannt gegebenwerden.Auf einen Gitterzaun gespießt wurde am Montagabend um6 Uhr der 4 Jahre alte Sohn Albert der Arbeiter Krügerschen Ehe-leute aus der Wrangelstraße 57. Vor dem linken Seitenflügel be-findet sich ein kleines Vorgartengitter. Der Knabe war aus einemFenster der im Erdgeschoß belegenen Wohnung auf das Brett hinaus-geklettert, glitt dort ab und fiel auf das Gitter. Der Knabe riß sichden Leib auf und wurde zunächst auf der Rettungswache amGörlitzer Bahnhof verbunden, dann besinnungslos nach Bethaniengebracht. Die Mutter war während des Vorganges in einemNebenzimmer beschäftigt, um für das Abendessen Vorkehrungen zutreffen.Am Sonnenstich erkrankte gestern nachmittag am Pappelplatz, ander Ecke der Invaliden- und Ackerstraße, der 32jährige ArbeiterBecker. Ein im Samariterdienst ausgebildeter Schutzmann brachtedem Zusammengebrochenen die erste Hilfe, und bei sachgemäßer Be-Handlung gelang es ihm auch, den Besinnungslosen ins Leben zurück-zurufen. B. wurde dann mittels einer Droschke dem Krankenhausezugeführt.Mutterliebe. Ein aufregender Vorfall alarmierte, wie uns nach-träglich mitgeteilt wird, am Sonntagnachmittag gegen 6 Uhr dieHunderte von Ausflüglern in der Kolonie Hirschgarten. Ein sieben-jähriger Knabe badete in der Spree, während seine Mutter amUfer stand und darauf achtete, daß der Kleine nicht zu ttef insWasser ging. Dennoch geriet das Kind an eine ttefe Stelle undverschwand plötzlich in den Fluten. Ohne sich nur einen Augenblickzu besinnen, sprang die des Schwimmens unkundige, entsetzte Mutterin voller Kleidung ins Wasser, ging aber ebenfalls sofort unter.Die Zuschauer der schrecklichen Scene waren wie gelähmt, undniemand dachte daran, den in Erstickungsgefahr Befindlichen Hilfezu bringen. Zufällig näherte sich in diesem Augenblick der Zimmer-mann Miersch, in Hirfchgarten, Berlinerstr. 6 wohnhast, der Unfall«stelle. Er übersah sofort die Situatton, entledigte sich seines RockeSund sprang in die Fluten. Obwohl die mit den Wellen Kämpfendensich verzweifelt an ihren mutigen Retter anklammerten, gelang esdiesem doch, mit großer Ansttengung und Gefährdung des eignenLebens Mutter und Kind zu retten. Beide erholten sich nachkurzer Zeit.Einbrecher haben am Montag in den frühesten Morgenstundendas Bureau des Verbandes der Bäcker heimgesucht. Als die Frauam Morgen das Bureau behufs Reinigung betrat, war die Thür undein Fenster geöffnet, fast sämtliche Spinde waren erbrochen, ebensobeide Kassetten. Glücklicherweise haben die Diebe nur etwa 130 M.erbeutet, da am Sonnabend Abend noch eine Rechnung von 700 M.bezahlt worden war. Außer einer wertlosen Nickeluhrkette haben dieGauner noch 200 Marken des Wahlvereins für den 6. Wahlkreis.die zufällig in einem Schrank aufbewahrt wurden, mitgehen lassen,verwerten können sie diese natürlich nicht. Weitere Verluste sindnicht festgestellt worden. Die Spitzbuben müssen sich sehr sicher ge»fühlt haben, denn sie haben vermutlich den Raub sofort geteilt.10 einzelne Pfennige lagen nach aufgezählt auf dem Tisch, die siegeringschätzig liegen gelassen haben. Das nennt man Gaunerstolz.—Die Untersuchung ist auf Verdachtsgründe im Gange.Ausgesetztes Kind. Am 23. Juli cr.. abends gegen 10V, Uhr.wurde auf der Treppe des Hauses Krautstraste 26 ein etwa zweibis drei Wochen altes Kind weiblichen Geschlechts aufgefunden.Das Kind war bekleidet mir einem weißleinenen Hemd und einemgestrickten Jäckchen und in zwei Wickeltücher und ein Wickelband ein-geschlagen. Personen, welche zur Sache irgend welche Angabenmachen können, wollen sich im Polizeipräsidium, Zimmer 324, znJ. Nr. 7004 IV./27. 04 melden. �Der deutsche Arbeiter-Abstinentenbmid, Ortsgruppe Berlin, hatheute Mittwoch im„Englischen Garten", Alexanderstr. 27c, eine Versammlung, in der Genosse S. Katzenstein über„Kassenhygiene undSocialpolitik" spricht. Diskussion. Herren und Damen als Gästewillkommen.Das Gebrüder Herrnfeld-Theatcr hat am Montag seine neueSpielsaison eröffnet. Es ist die dreizehnte in Berlin.„Ich hattenichts als diesen Stab, als ich über den Jordan ging, und jetzt sindunser neunundsiebzig l" Dies biblisch-klassische Citat könnte über derThür des Hauses stehen, allwo sogar zur heißen Sommerszeit sichein Publikum zusammenfindet, das die alten, oft gehörten Späßebelacht, als ob sie von heute wären, und wo auch jemand, den dieberühmten Schlager kühl lassen, an den selbst in der Uebertreibungnoch echt jüdischen Charakterfiguren und ihrer famosen Darstellungseine Freude haben kann. Jüdisches Wesen und Unwesen wird seitMenschengedenken auf der Bühne verulkt, nicht ohne daß empfindsameSeelen in Israel darob ein mörderisches Geschrei erheben. Aberunter den Königskolonnaden giebt es keinen Streit über die Frage,ob das Judenthum bei den von den Gebrüdern Herrnfeld fabriziertenStücken gut oder schlecht wegkomme; das Geheimnis dieser neutra-lisierenden Wirkung mag darin liegen, daß dem übertriebenen Blöd-sinn immer eine Messerspitze voll Sentimentalität beigemengt ist.Das stimmt den ohnedies zur Selbstironie neigenden Juden gemüt-lich, läßt dem Antisemiten die kindische Freude an dem vermeint-lichen Spott über die Schwächen der Kinder Israel und verschafftden Direttoren die unnennbaren Wonnen eines stets gut besetztenTheaters. Die Herren wissen sich jetzt ebenso sicher in der Gunst desPublikums wie die großen Zirkusdirektoren und sind wie diese längstBesitzer des Hauses geworden, in welchem sie ihre Künste vorführen.Das Theater ist mit den beiden Schlagern der vorigen Saison„Nur eine Nacht" und„Am andern Morgen" wiedereröffnet worden. Die Besetzung war die alte, der Beifall nichtminder lebhaft als bei der ersten Aufführung.Eine Unannehmlichkeit im Zuschauerraum giebt es zu rügen.Die Rücksichtslosigkeit vieler Damen, mit ihren mehr oder minderenormen Hüten anderen Leuten die Aussicht zu versperren, wirdauch von ungezogenen Exemplaren des starken Geschlechts nachgeäfft.Das führt zu sehr unbehaglichen Aufttitten. Die Direttion brauchtbeileibe keinen Garderobenzwang einzuführen, wohl aber sollte sieanordnen, daß die Besucher ohne Unterschied des Geschlechts die Kopf-bedeckung abzunehmen haben.Im Gartenvariete des Belle-Alliancc-Thcaters stellten sich amMontag eine Reihe neuengagierter Specialitäten vor, die sichsämtlich des regen Beifalls des Publikums erfreuten. Der japanischeJongleur G o d a i g o verblüffte durch sein erstaunliches, mühelosesSpiel mit Bällen. Höchst drollig wirtte der Malerathlet F i g l i o l a,der. während er allerhand athletische Kraftleistungen produzierte.als Schnellmaler Landschaften aufs Papier zauberte. VioladelaSera bewies als Excentrik-Soubrette ihre munteren Künste,während Mlle. Harold durch Vorführung ihrer brillant dressiertenMöpse die vielfach verkannte Intelligenz dieser Hunderasse in hellstesLicht setzte. Ter Besuch des prächtigen Gartens ist durchauslohnend.Niedliche Löwcn-Puppieö werden im Berliner Nord-Park, Müllerstraße 148, dem Publikum gezeigt. Die überausniedlichen kleinen Bestten sind vor einigen Tagen von einer Löwinzur Welt gebracht worden, die den Dompttsten Gebrüder Büglergehört, die in dem genannten Park mit ihrer dressierten Löwen-gruppe Vorstellungen geben. Wer sich gefahrlos den Genuß ver-schaffen will, lebendige Löwen streicheln und in den Arm nehmenzu können, findet im Nordpark dazu Gelegenheit.fluo den Nachbarorten.Friedrichsfelde. Von der letzten Gemeindevertreter«Sitzung ist noch folgendes nachzutragen: Da in der Mädchen-schule mit dem System der fliegenden Klassen nicht mehr aus-zukommen ist, stand zur Beratung: Aufbau eines Stockwerkes aufdas Mädchenschulhaus Dieser Antrag wurde zum Beschlutz erhoben;die Arbeiten sollen sofort ausgeschrieben werden. Den leiderchronischen Mangel an Lehrkräften sucht man dadurch zu mindern,daß Durchgangsthüren zwischen zwei Klassen angebracht werdensollen, damit eventuell ein Lehrer zwei Klassen beaufsichtigen kann.Genosse Pin fei er meinte sarkastisch:„Wenn ein Saal gebautwürde, der circa vier Klassen aufnähme, würden drei Lehrkräftegespart." Vorher hatte letzterer den Antrag gestellt, an Stelle desAufbaues ein neues Doppelschulhaus zu bauen, da in der Knaben-schule auch fliegende Klassen vorhanden sind, so daß die Aula schonständig als Unterrichtsraum benutzt werden muß. Der Gemeinde-Vorsteher bestritt das, mußte sich aber von unser» genauer in-,formierten Genossen eines Bessern belehren lassen. Auf unsre An-srage teilte der Gemeindevorsteher noch mit. daß Verhandlungenmit Lichtenberg betreffend Zweckverband wegen Erbauung einesKrankenhauses noch nicht stattfinden konnten, da der dortige Ge-meindevorsteher verreist sei. Genosse B o r s d o r s regte an, aufdem Wilhelmsplatz Sitzbänke aufzustellen, damit Erholungsbedürftigenicht das Eiscngitter als Sitzgelegenheit benutzen müssen. Un-begreiflicherweise wurde ein Bedürfnis hierfür nicht anerkannt.Rixdorf. Eine Schießaffaire spielte sich in der Lauben-kolonie an der Herrfurth- und Weisestraße in Rixdorf ab. DerAxbeiter Max Walter, Steinmetzstraße 33 wohnhaft, besitzt in derbezeichneten Kolonie eine Laube, die er sich vor circa 2 Jahren ge-mcinsam mit dem Schlächter August Nathcr aus der Ziethenstraße 37erbaut hatte. Später war die Freundschaft der beiden in die Brüchegegangen und so bewirtschaftete Walter das Laubenland allein. Ineiner der letzten Nächte nun war die Laube erbrochen und aus der-clben verschiedenes gestohlen worden, was den W. veranlagte, sicheinen Revolver und Munition zu kaufen. Inzwischen stellte sich her-aus, daß der Einbruch in die Laube von Nathcr ausgeführt wordenwar, der sich noch als Mitbesitzer fühlte. Als N. nun vorgesternnachmittag wiederum in der Kolonie erschien, um weitere Sachenaus der Laube fortzuschaffen, kam es zwischen ihm und Walter zueinem Streit, in dessen Verlauf W. den Revolver aus der Taschezog und aus demselben einen Schuß abfeuerte, nach seiner Angabe