Nr. 164.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Buschhoff.
Sonnabend, den 16. Juli 1892.
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mit
der Obmann das Urtel gesprochen jetzt gerade erst an- zuführen, einen elenden Frieden mit den bei uns nur zu hübe? Wie, wenn diese Händel blos ein Zwischen- lebensfrischen und zähen Mächten des Feudalismus und der Geht ein geschichtliches Zeitalter zur Rüste, so mehren spiel gewesen wären, für die Gleichgiltigen ein Selbstherrschaft geschlossen und die Massen schutzlos der fich die Zeichen des Niederganges. Noch peitscht der Wirbel- die Neugier aufstachelndes Reizmittel, für die Be- geistigen und politischen Unterdrückung ausgeliefert hat. Sturm die Fluth nicht auf, doch schon ballen sich die Wolken theiligten eine Auseinandersetzung unter vielen, ein Nachdem das Bündniß mit Pfaff und Junker dräuend zusammen. Ehe das große Wetter die alte, längst Wint, eine neue Lehre für uns, die kühlen, unbefangenen Staatsschreiber und Korporal verbrieft und besiegelt war, zermorschte, in ihren Grundvesten zerrüttete Ordnung mit Buschauer? verkam die bürgerliche Klasse bei dem gewinnreichen Geeinem einzigen Schlage darniederwirft, drückt die Luft ge- Nicht darauf kommt es an, mag auch diese Seite der schäft der wirthschaftlichen Ausbeutung. Was die Bourgeoisie witterschwül, und das nahende Verhängniß lastet wie ein Frage noch so lebhaft herausgerückt werden, daß der Jude anderer Gemeinwesen ruhmvoll erkämpft und zum dauernden Alp auf der halb träumenden Menschheit. nicht verbrannt worden ist. Vielmehr, daß überhaupt die Gemeinbesitz gemacht, das ist ein verhängnißvolles Ver
Anders empfinden und denken die, welche Träger der Frage aufgeworfen, daß zum Scheiterhaufen schon das Holz mächtniß, den deutschen Arbeitern zugefallen, und sie haben neuen Gedanken, Vorkämpfer der Zukunft find, als jene, herbeigeschleppt wurde, das ist der Kern der Sache. Nichts die Boltsrechte erst zu erringen. In schmählicher Flucht die mit klammernden Organen an dem Gegenwärtigen anderes. hat der satte Bürger den Schild fortgeworfen und ist haften, weil dieses allein ihre Macht, ihren Einfluß, ihre Im letzten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts entwichen: so haben wir auf der Wahlstatt auch diese Schlacht Borrechte, ihr Glück ihnen verbürgt. So gewiß für die wandelt sich ein Mordprozeß in einen Religionsprozeß, und zu schlagen. herrschende Klasse ihr eigenes Bestehen oberste Voraussetzung dieser Religionsprozeß spielt sich vor einem deutschen Ge- Aber der Verrath der Bourgeoisie zerstörte nicht nur ist, so sicher ist es auch, daß sie die Vorzeichen des Unterricht ab. Sachverständige müssen dazu berufen werden, die Grundlagen für ihr politisches Dasein. Er übergab das gangs, die Merkmale der Auflösung nicht als solche versteht, um nachzuweisen, daß die Juden feinen Ritualmord Volk auf Gnade und Ungnade der Reaktion, die, in Schule weil sie dieselben nicht verstehen kann, nicht verstehen darf. So begehen. Man schreibt das Jahr 1892, der Schau- und Kirche allmächtig, mit sicherer Hand ihr Meisterstück regt sich in ihrem Lager geschäftig und trügerisch der Haufe play des Ereignisses ist eine preußische Stadt? Aber machte, die Verdummung der breiten Schichten als gutes der Zeichendeuter, und, betrogene Betrüger, wandeln die in Wirklichkeit find wir int ein halbes Jahr Werkzeug der Knechtschaft zum leitenden Grundsatz ihres lächelnden Wahrsager der Gewalthaber, den Flug der Bögel tausend zurückversetzt. Das sei ein Unding? Aber Wirkens erhob und mit Nägeln und Zähnen gegen jeden zu Gunsten der Herren auszulegen. Sollen sie etwa den der Prozeß hat wirklich im Jahre 1349 stattgefunden. Zum Versuch sich wehrte, die Geister aufzurütteln, die Vorurtheile Busammenhang der Dinge erfassen und künden das was ist? Osterfest brauchen die Hebräer das Blut von Christenkindern. und verrotteten Ueberlieferungen zu entwurzeln, eine neue Hinter ihnen rüstet sich die Arbeiterklasse zum Entscheidungs- Heimlich locken sie das unselige Geschöpf in das Haus. Weltanschauung zu verbreiten. Weil die Lohnknechtschaft lampje, und die Wahrheit sagen hieße die Abdankungs- hat nicht der brave Christ, der auf dem Wege von der den Besitzenden nothwendig war, billigte und nügte sie die urkunde unterzeichnen. Darum mit angstblaffen Lippen ein Schenke durch das Judenviertel eilte, die weiße Hand ge- geistige Knechtschaft. Nur daß ihre Verbündeten, flüger und Jubellied fingen und einen Reigen auf dem Grunde tanzen, sehen? Und die arme, blasse Leiche findet ihr nahe beim weitsichtiger als jene, ihre Macht rasch befestigten und die Volksben unterirdische, nicht mehr zu bändigende Kräfte grollend Judenhaus. Das Volt steht auf, es schlägt und zerstört. bildung bis zu einem Punkte hemmten und beengten, daß erschüttern, das ist der Weisheit letzter Schluß. Was? Nicht nur unsere Kinder tödten sie, der schwarze dem Bürgerthum, das für seine ökonomischen Zwecke einer Hat nicht die bürgerliche Klasse allen Grund, sich dieser Tod verheert das Land. Haben nicht die Juden unsere bestimmten Wissensstufe der Arbeiter bedarf, vor seiner Welt zu freuen? Nahm nicht der Prozeß Buschhoff den Brunnen vergiftet? Sahst du nicht den alten Hebräer Gottähnlichkeit bange wurde. ach! so heiß ersehnten Ausgang? Feiert nicht die Auf- Abends an dem Marktbrunnen vorüberschleichen? Ja, ich, Ist es nöthig nachzuweisen, daß bei einer gewissen tlärung, die Bildung, die Menschlichkeit, der erhabene wir alle sahen's. Ein weißes Pulver hat er hineingestreut, Höhe der Aufklärung die Vorgänge in Xanten unmöglich Grundsatz der Duldsamkeit, die Nächstenliebe einen angstvoll schaute er sich um, seine Lippen murmelten Flüche sind? Bedarf es einer Darlegung dafür, daß in den Beglänzenden Sieg? Hat nicht der Wahrspruch der gegen uns, und die Arme streckte er zum Gebete aus. zirken, wo die Arbeiterschaft sich zum Klassenbewußtsein erGeschworenen die die Mächte der Finsterniß gebannt? totten wir uns zusammen! Schlagt sie todt, die Mörder! hoben hat, das Xantener Ereigniß nicht denkbar ist? Denn Run, so öffnet euch euch, ihr Schleusen unversieg- Geplünderte Häuser, erschlagene Juden. Die Ueberlebenden für den vom Geist der Arbeiterbewegung erfüllten Prolelicher Beredtsamkeit, thut euch auf, unerschöpfliche werden aus der Stadt vertrieben und schmunzelnd beschlag- tarier ist der Vorstellungskreis, innerhalb dessen sich ein Betteltästen, Die den strebsamen Zeitungsschreiber nahmt der ehrbare Rath ihr Hab und Gut, und die Geschlechter überwältigend großer Bruchtheil jener niederrheinischen etwas wadren Sinnsprüchen mit Naturnothwendigkeit bewegt, Sinnsprüchen versorgen, so des Patriziats seßen sich in den Judenhäusern fest, weiter zu Boltsmasse Und dies Bei allen längst Üeberwundenes. lasse dich wieder ausplündern, guter Nathan! Das willküren und zu herrschen über das Volk. gerade verleiht lichte neunzehnte Jahrhundert trug es über das finstre Schutzgeistern der Mächtigen, die Geschichte von Xanten und ihm die Möglichkeit, die Verkettung der Dinge, die Mittelalter davon, Pfaffen und Junker fielen unter den Cleve ereignete sich 1349. Ihr sagt 1892, aber das ist nur hier in Betracht kommen, zu erkennen und statt hageldichten Streichen der liberalen Kämpen, der Aber ein Schreibfehler der Weltgeschichte. über die verblendeten Eiferer sich wohlfeil zu entrüsten, die glaube ist wissenschaftlich vernichtet. Denn Buschhoff ist Ein Schreibfehler der Weltgeschichte? Jedennoch die Ent- Ursachen bloßzulegen, unter deren Zwang die Bevölkerung freigesprochen. wickelung irrt sich nicht. Wie nach unwandelbarer Regel jenes weltentlegenen Erdenwinkels dachte und handelte. So wäre in der That dieser Streithandel für das die kleinsten Theile um den krystallischen Mittelpunkt an- Da die bürgerliche Kafte die Bedingungen hat Bürgerthum erfolgreich ausgetragen? In dem Schmelz - schießen, so geht jene ihren Weg unter dem ehernen Zwange schaffen helfen, unter denen der Prozeß Buschhoff erft mögtiegel der peinlich genauen Untersuchung, die vor den geschichtlicher Naturgesetze. So mußten unsere Besitzenden lich wurde, hat sie nicht das geringste Recht über den AberEchranken des Clever Gerichts stattgehabt, wäre nur das ihr 1349 erleben, weil sie das geworden sind, als glauben, die Verfolgungswuth, die Unwissenheit zu Lautre Gold des gesellschaftlichen Fortschritts zu Tage ge- was sie heute sich darstellen. Unfertig, verkümmert, schmälen und Himmel und Hölle gegen die Fürsprecher tommen? Die Schlacken, die dabei ausgeschieden wurden, entartet erscheint das deutsche Bürgerthum unserer Tage, und Bamierherren des jüngsten Kreuzzuges zu bewegen. ei nun, auf die Schutthalde mit ihnen! Aber wenn mun da es in feigem Verzicht auf die ihm zugefallene Sie übergab die Volksschule der Geistlichkeit, den Feinden Der Prozeß noch gar nicht zu Ende wäre und trotzdem Aufgabe, das Werk nämlich der bürgerlichen Freiheit durch der Aufklärung, den Anwälten des Rückschritts. Erntet
reichlich
mit
Feuilleton.
Nadbrud verboten.]
Das schlagende Wetter.
Roman von Maurice Talmeyer.
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im Schlafe von einer Explosion überrascht wird. Mit nachdem er die Schwelle überschritten hatte, unbemerkt einem Schlage regte sich in ihm die Erinnerung fast an im Dunkel stehen blieb, sagte sie wieder wie zu sich selbst: Alles, was er erlebt. Sein Gedächtniß war eingetreten in Er schläft, er ist frank; wenn er wieder gesund ist, die Arbeit der Auferstehung. wird er seinen Vater suchen.
Es giebt phantastische Kupferstiche, auf denen man die Diese Worte waren für Toubeau wie ein Bliz, der in Todten sich abquälen sieht, den Deckel ihres Sarges aufzu- dunkler Nacht plößlich das bisher Unsichtbare tragisch heben und dem Grabe zu entfliehen, das sie zermalmt. beleuchtet. Alles tauchte in seinem Gedächtniß wieder Etwas Aehnliches ging in diesem Augenblick im Geiste auf ein Schimmer des Lichtes ging in seinem Toubeau's vor. Die Vergangenheit regte sich, düstere Bilder Kopfe auf. Diese Worte, mit denen ihn seine Mutter einUebersetzt von B. und A. G. lebten unter dem Schleier der Vergessenheit in ihm auf, er geschläfert, die er von frühester Jugend an immer und ewig glich einem Menschen, der aus dem Grabe aufersteht und gehört, dieser tragische Refrain des Jrrsinns seiner Mutter Aber dieses schwache Geräusch konnte in ihr keinen von seinem Dunkel noch umfangen ist. Anfänglich stand er die für ihn die Welt und das Leben bedeuteten, hallten so Gedanken erwecken, und es hatte sich mit dem anderen ba wie geblendet, wie vom Blige getroffen. Dann kam furchtbar in ihm wieder, daß sie sein verschwundenes GeLärm von der Dorfstraße vermischt. Damn, als Jacquemin Leben in ihn, ex erbleichte, hob die Arme auf, als ob er sie dächtniß wachriefen. Und aus seinem Wunde kam es nicht stärker anklopfte, war sie erschrocken und hatte einen Schrei seiner Mutter entgegenstrecken wolle. Er ahute wohl wie ein Schrei, sondern mehr wie ein Todesröcheln: Bei dem Licht, das durch die offene Thür in das Erd- Vergangenheit gegenüberstand, aber er mußte es in Er wankte, streckte die Arme aus, warf die beiden geschoß fiel, sah der Steiger den mageren Schattenriß seinem Gedächtniß erst wieder finden. In seiner Stöcke, auf die er sich gestützt hatte, von sich und sand im Bhilaines, die am Kopfende des Bettes saß und strickte und Gedankenblindheit tappte er Schmutz des Kellerlochs zusammen. bei einem Kranken Wache zu halten schien. seine zitternden Hände
ausgestoßen.
dunkel, daß ihm da ein großes Stück seiner eigenen
umher;
Die Mutter.
Dunkel int Ghilaine stand auf, aber ruhig und seltsamer Weise schienen die unbestimmten Erinnerungen ergreifen und festhalten zu wollen, die ihn ohne Ueberraschung. Sie faltete ihre mageren zitternden Hände, neigte sich zu Toubeau und sagte mit weicher Stimme:
umschwebten.
Bist Du es, Kind? Warum bist Du aufgestanden? Dann bengte sie sich nieder, nahm seine Hand, 30g ste
sah weder Jacquemin, der wie versteinert auf der Schwelle Aber die Blödsinnige wandte den Kopf nicht um; sie der elenden Behausung stehen geblieben war, noch Toubeau, Bebend schritt er vorwärts; den Blick starr auf die in dem eben die Erinnerung wachgerüttelt ward und der am ganzen Leibe zitterte. weibliche Gestalt gerichtet, die er da sizen sah. Die Asche, Ein geheimnißvoller Kampf erschütterte in der That die die vom Ofen herabgefallen war, fuisterte unter seinen an sich und der Verwundete richtete sich auf, als ob eine Seele des Schleppers. Es war ein Kampf gleich jenem, noch nicht bemerkt zu haben, daß Jemand da war. Als es holfen hätte, ihren Sohn vom Boden zu erheben. Füßen, und trotz dieses Geräusches schien die Wahnsinnige geheimnißvolle Macht dieser armen schwachen Mutter ge der da ausgefochten wird, wenn ein zur Flucht aber schärfer knisterte, sagte sie mit heiserer Stimme, ohne
bereiter Geist
im
ringt,
der
ihn zurückhalten
dent Todeskampf mit Das will.
Körper
elende fich zu rühren:
Loch, die schon fast ganz vergessene Mutter, all das Elend
und
Macht keinen Lärm, weckt ihn nicht.
Und nach einem Augenblick des Schweigens, während auf, und es war ihm zu Muthe, wie einem Menschen, der dessen der Schlepper sich nicht mehr rührte und Jacquemin,
Da plöglich funkelten ihre Augen und ihr wachsgelbes Gesicht nahm einen wilden Ausdruck an.
Jacquemin war im Schatten näher gekommen, er war es, der Tonbeau aufhob und jetzt erblickte ihn die Wahns sinnige. Und sie zeigte mit ihrem leichenhaften Finger auf