Einzelbild herunterladen
 
Kcemmer d' r Abgeordneten� Die Kammer ge- nehmigtie heute das Finanzgesetz mit 131 gegen 13 Stimmen. Danach wird die jahrliche Gesamteinnahme der nächsten Finanz- Periode auf 141 825 326 M. veranMagt. Die nächste Sitzung findet Mittwoch zur Entgegennahme der letzten Beschlüsse der Kammer der Rerchsräte statt. Den Landtagsschlutz wird der Prinz-Regent am Dosnerstag vormittag 11 Uhr vollziehen., Edelste und Beste. München  , 7. August.  (Eig. Ber.) Vor der vierten Civilkammer des Landgerichts München I ist zur Zeit ein Prozeß anhängig, den der bayrische Reichsrat und Oberlieutenant Freiherr Eduard Poschinger von Frauenau   gegen seinen Pater, Freiherrn   Eduard v. Poschinger von Franenau sen., angestrengt hat und der in derbessern Gefells chaft" das Tagesgespräch bildet. In dein Prozesse handelt es sich um das aus zehn Millionen gcschnytc Poschiiigcrschc Fideikoiiimis!, das der edle Sohn mit allen Mitteln an sich zu bringen sucht. Um nun seine Absicht verwirklichen zu können, schreckte der edle Sprosse derer v. Poschinger   selbst davor nicht zurück, seinen Vater des B e t r u g s zn bezichtigen. Die An- gelegenheit erregt schon deshalb Aufsehen, da die Poschingersche Familie zu eineni der ältesten bayrischen Adelsgcschlcchtcr zählt und als Kronzeuge in deni Prozesse der bayrische ReichSrat und königliche Kämmerer Freiherr v. Cramer-Klett  austritt, der vom Protestantismus   zum Katholicismus übertrat und längere Zeit sich um die Gunst einer Prinzessin bewarb. Schon im Dezember v. I. wurde der Kännnerer Freiherr v. Cramer- Klett   unter Eid als Zeuge in diesem Prozesse vernommen. Seit dieser Zeit hatte nun Freiherr Eduard Poschinger   sen. wiederholt öffentlich, schriftlich und niündlich gegen den königlichen Kämmerer den schweren Vorwurf des Meineids erhoben, den der hohe Herr bisher ruhig mff sich sitzen ließ, was um so anffalleiider, als gerade blaublütige Herrschaften in Punkts Ehrbegriff sehr empfindlich sein sollen. Jüngst kam es vor dem Landgericht, gelegentlich eines Termins zwischen Vater und Sohn abermals zu erregten Auseinandersetzungen. Freiherr v. Poschinger sen. warf seinem Sohne vor, daß er, um ihn(den Vater) des Betruges bezichtigen zu können, dein Zeugen Cramer-Klett   bei seiner Vernehmung erinuuternd zunickte, als dieser wider besseres Wissen die Unwahrheit sagte, daß der Freiherr v. Poschinger   jnn. also den kgl. Kämmerer Cramer-Klett   anstiftete, zu seinen Gunsten die Unwahrheit zu sagen. In Abwesenheit des Sohnes ließ nun die Gattin des Freiherrn   v. Poschinger   sen. einen Schreibtisch öffnen und nahm daraus mehrere an den Sohn gerichtete Briefe des Freiherrn   v. Cramer-Klett   an sich, um ihren Gatten von dem Vorwurf des Betruges zu reinigen. Der Inhalt dieser Briefe st e h t der Zeugenaussage des Kämmerers thatsächlich diametral gegenüber. Eine gar heikle Geschichte I Die Verhandlung wurde abermals, und zwar in die zweite Hälfte des Oktober vertagt. Herren aus denhöchsten Kreisen" machen nun alle erdenklichen Anstrengungen, über die Affaire den Mantel der christlichen Liebe zu decken. Ob ihnen das gelingt, ist zunächst abzuwarten. Würde der Staatsanwalt aber einmal die Akten prüfen, so dürfte er Arbeit in Hülle und Fülle finden. Oder sollte hierfür kein öffentliches Interesse vor- Händen sein? Hueland. Die Internationale der Reaktion. Z a r e n s ch u tz in Dänemark  . Der Redakteur O p f f e r des radikalen Äopeuhagener Nach- nnttagsblattesKlokken 12" mußte am Freitag vor der Polizei- kammer erscheinen, wo ihm folgendes Schriftstück vorgelesen wurde: Infolge Ersuchens des kaiserlich russischen Beauftragten in Kopenhagen   hat das Jystizministerium kriminelle Untersuchung gegen den Redakteur Opffer angeordnet wegen Beleidigungen gegen den russischen Kaiser und das Kaiserreich Rußland, enthalten in sieben näher bezeichneten Artikeln im BlatteKlokken 12", für welches Opffer als Verantwortlicher genannt wird." Redakteur Opffer sollte dann die Namen der oder des Verfassers der Artikel angeben. Er verweigerte dies, worauf er entlassen wurde. Obgleich wirklich freigesinnte Leute den Justizminister Alberti schon lange nicht mehr für einen liberalen Mann ansehen, hat man es doch nicht für möglich gehalten, daß er sich zu einem derartigen Schergendienst für den russischen Kaiser hergeben würde. Der Fall liegt um so krasser, als es sich in den Artikeln hauptsächlich um die Vorgänge in Finnland   handelt und sie auf eine Warnung an die russischen Gewalthaber hinauslaufen, im Interesse Rußlands  nicht in der Weise wie bisher gegen die Finnen vorzugehen, da es sonst dem neuen Generalgouverneur ergehen könnte, wie es Bobrikow  erging. Die Anklage stützt sich ans folgenden Paragraphen des dänischen Strafgesetzbuches: Der, der einen fremden, mit dem König in Freundschaft lebenden Regenten mit persönlichen Angriffen bedroht, ihn mit Schelt- Worten überfällt oder in andrer beleidigender Weise über ihn redet, wird mit Vcrbcsserungshausarbeit, Staatsgefängnis oder andrem Gefängnis bestraft, doch nicht unter drei Monat einfaches Gefängnis."_ Frankreich  . Die Stichwahlen für die Gencralrate. Die Stichwahlen, die am Sonntag ausgefochten wurden, ver- künden den Sieg des Ministeriums Combes vom vorigen Sonntag. Gewählt wurden 67 Ministerielle, 18 Antiministerielle und SKonser- vativc. Die Ministeriellen gewinnen 17 Sitze und verlieren acht. Nach dem nunmehr vorliegenden Gesamtergebnis der Gcneralratswahlen haben die Ministeriellen 109 Sitze gewonnen. Im ganzen wurden 883 Ministerielle gewählt. Paris  , 7. August.  (W. T. B.) Gruppen von Frei­denkern versammelten sich heute nachmittag auf dem Platze vor dem Stadthausc und zogen von dort vor das Denkmal E t i c n n e Dolets. Sie sangen die Internationale und riefen:Nieder mit der Geistlichkeit!" Sie entfalteten drei rote Fahnen. Als diese von der Polizei weggenommen wurden, kam es zum Hand- gemenge. Italien  . Russische   Polizei in Rom  . Rom  , 6. August.(Eig. Ber.) Es besteht in Rom   eine russische Polizeiabteilung zur Ueberwachung der in Italien   lebenden Russen, obwohl natürlich die Sorge für die Sicherheit aller ans italienischem Boden lebenden Bürger sowie jede Art von Polizeidienst ausschließlich der italienischen Regierung zusteht. Ueber diese Polizei-Abteilung bringt der A v a n t i" folgende Einzelheiten: Chef dieser Abteilung ist Johannes M a n n u i l e f f, der sich für einen Verwandten P l e h w e s ausgiebt und offiziell Agent ist für geistliche Angelegenheit am heiligen Stuhl und Direktor der kaiserlich russischen Verivaltungsämter von St. Stanislaus, die den zahlreichen russischen Kirchengüteru Roms und Italiens   vorstehen. Mannuileff kam nach Rom   mit dem spcciellen geheimen Auftrag, die Kongregation der Polen   in P a l o m b a r a Sabina zn zerstören. Diese Kongregation hat ihren Sitz in einem ehemaligen Franziskaner- kloster auf den Namen des heiligen Josaphat und hatte die Auf- gäbe, die katholischen Polen   unter russischer Herrschaft zu unter- stützen und in Schutz zu nehmen. Prior der Kongregation war der Pater G i s c a r d, von dessen Verhaftung und Verschickung nach Sibirien   ivir bereits berichteten. Auf Giscards Verhaftung hatte die russische   Regierung 50 000 Rubel(nicht Lire, wie wir irr- tümlich geschrieben haben) ausgesetzt. Giscard wurde von nie- nrand geringerem als dem Kardinal Rampolla  verraten, der sich ein Bild des greisen Geistlichen verschafft hatte und von seiner vorübergehenden Rückkehr nach Polen   wußte und so Giscard den russischen Schergen in die Hände lieferte. Rainpolla hat sich natürlich den Schergendienst nickt mit 50 000 Rubel bezahlen lassen. Als er diese That beging(Anfang 1900) war Leo XIII.   ein alter Mann, und als er starb, st i in m t e N u tz- I n n d i m Konklave bekanntlich für Rampolla  . Präfekt der Propaganda Fide war damals der Pole Kardinal Ledochowski  . In Verfolgung seines edlen Zieles ließ Mannuileff Briefe, die an notorisch national gesinnte Polen   in Rom   gerichtet waren, unterschlagen. Er bestach zn diesem Zweck die Briefträger und die Portiers, denen er 3 Lire täglich gab. Unterschlagen wurden Briefe an die Kongregation der polnischen Resuniptiouisten sowie an viele Geistliche. Diese Briese beantwortete Mannuileff, indem er fingierte, daß .der Empfänger bettlägerig sei und ihm Anftrag zum Schreiben er- teile. In diesen Antworten fragte er nach Details, nach Namen und Adressen. Um Beziehungen zu den später ausgelieferten Russen G o n- s i e r r o w s k i und F i l i p p o w s k i anknüpfen zu können, sandte Mannuileff zwei seiner Agenten zu ihnen mit einem gefälschten Briefe eines polnischen Patrioten Z a g o r s k i. Die größte Infamie Mannuileffs, die überhaupt ivohl das höchste erreicht, was ans deni Gebiete feiger Gransamkeit zu leisten ist, be- stand aber in folgendem Verfahren. Er ließ iralienische Manifeste drucken, die auf eine Verschwörung für die Befreiung Polens   deuteten, und ließ sie an polnische Bürger versenden. Dann telegraphierte er an die russischen Polizeibehörden, sie sollten auf die Post achten, aller Wahrscheinlichkeit nach würden der und der revolutionäre Manifeste erhalten. Ein solcher Aufruf ist in unfern Händen; er hat folgenden Wortlaut: ?ro Polonia. Genossen! Das Komitee von London   beantwortet unser gestriges Tele- gramm und dankt im Namen der revolutionären Partei für die Ünabhängigkeit Polens  . Die telegraphische Censur ließ ans Veranlassung der deutschen  und russischen Gesandtschaft in Rom   die Telegramme konfiszieren. Wir protestieren energisch gegen diese That und senden die wärmsten Wünsche für Erfolg den von der fremden Tyrannei be- drückten Genossen mit der nochmalige» Versicherung unsrer Solidarität mit allen Kämpfern für das Ideal. Da? Komitee. Diese Zettel wurden aufgesetzt von einem gewissen L., einem Individuum norwegisch-italicnischcr Abstammung, das viel in socia- listischen Kreisen verkehrte und in diesem Frühjahre viel in Gesell- schaft Björnstjerne Vjö ni s o n s, der natürlich keine Ahnung von seinem Charakter hatte, in Rom   gesehen wurde. Gedruckt wurden sie in einer Druckerei von Porta Cavalleggeri. Sie wurden unter anderm an folgende Personen versandt: an den Priester Jungowski, Professor Stoka, Dr. Kojews ki, Graf P i v t r o>v S k i, Dr. Baranowski, Joseph B u l l o ch, sämtlich in Warschau  , ferner an den Ingenieur Alexander Malinowski in L o j dz. Mannuileff verfolgte mit diese Sendungen, durch die zahllvse Personen ins Unglück kamen, ili erster Linie den Zweck, sich als einen gewandten Spitzel zu zeigen, dem nichts verborgen blieb! Ferner weiß man von deni Hallunkeii, daß er zwei italienische Polizisten bestocken hat. Es wird gegen ihn wegen Bestechung von Beamten in Ausübung ihres Amtes vorgegangen werden. Mannuileff ist nach dem auf seinen Bericht hin unterbliebenen Besuck des Zaren in Rom   nach Paris   übergesiedelt. Er ist aber bis heute Chef der russischen Polizeiabteilung in Rom   und der an seiner Stelle wirkende russische   Agent ist nur sein Stellvertreter. England. London  , 8. August. Unterhaus.(Forts.) Auf eine An- frage erklärt der Unterstaatssekretär des Auswärtigen E a r l o f P e r c y, es sei zwischen England und Deutschland   kein Pertrag über die Egypten betreffenden Artikel des englisch-franzosischen Ab- kommens abgeschlossen worden. Deutschland  , Oesterreich-Ungarn   und Italien   hätten aber nicht nur wie Rußland   dem Khedivialerlaß zu- gestimmt, sondern sich auch verpflichtet, das Vorgehen Englands in Egypten nicht durch das Verlangen nach Festsetzung einer Frist für die englische Okkupation Egyptens oder in irgend einer andern Weise zu behindern. Diese Mächte hätten auch ihre Zustimmung dazu gegeben, daß die Ausführung des letzten Satzes der Paragraphen 1 und 2 des Art. 8 des Vertrages vom 29. Oktober 1388 untcroleibcn solle. Andrerseits habe die englische   Regierung diesen Mächten die Versicherung gegeben, daß sie ihrem Handel die Behandlung der meist- begünstigten Nationen auf 30 Jahre verbürgen und daß sie auf Grund von Verträgen Konventionen und Gelvohnhcitsrecht genießen. Ferner sollen die Schulen der erwähnten Mächte dieselbe Freiheit wie in der Vergangenheit fortdauernd haben und die Beamten dieser Nationa- litäten, die'gegenwärtig in cgyptischen Diensten stehen/ nicht Be- dingungen unterworfen werden, die weniger vorteilhast seien als die- jenigen, die sich auf englische   Beamte in denselben Diensten bezögen. Aincrika. Montevideo  , 7. August.  (Meldung des Rcuterschen Bureaus.) Als Präsident Battle v. Ordonez gestern durch die Stadt fuhr, explodierte unter seinem Wagen eine Mine, die in einem Tunnel unterhalb der Straße lag, welcher von einem un- bewohnten Hause ausging. Das Stratzenpflaster und die darüber führenden Straßcnbahnschicnen wurden aufgerissen, der Präsident unl seine Familie blieben unverletzt; auch niemand anders kam zu Schaden. Ueber die Urheber des Anschlages ist nichts bekannt. Huö Industrie und Handel. Tie Hibernia-Angclegenheit spitzt sich immer mehr zu einem er- bitterten Jntercssenkampf zwischen den beteiligten Bankgruppen zu. Auf der einen Seite steht die Interessengemeinschaft Dresdner Bank- Schaafhausenscher Bankverein, die als Eingeweihte in das Verstaat- lichungsprojekt seit Wochen bedeutende Ankäufe in Hibcrnia-Aktien vorgenommen haben nach Schätzung in Börsenkreisen sollen sie jetzt an ca. 20 Millionen Mark Aktien im Besitz haben und daher bei der Verstaatlichung etliche schöne Millionen verdienen würden, auf der andern Seite die Firma S. Bleichröder und die Berliner   Handels- gesellschaft, unterstützt von der Dskonto-Gesellschaft und Darmstädter Bank, die als bisherige Baukiers der Hibernia- Gesellschaft(die Firma Bleichröder ist seit der Gründung der Hibernia im Jahre 1873 an diesem Unternehmen beteiligt) darüber erbost sind, daß die Re- gierung sie beim Geschäft umgangen hat und ihnen der schöne Profit der Dresdnerin aus der.Nase gehen soll. Eine neutrale Stellung nimmt vorläufig die Deutsche Bank ein, wenngleich die Ablehnung der ihr von der Dresdner Bank angetragenen Gewinnbeteiligung, die ihr wahrscheinlich einen Nutzen von einer halben Million eingebracht haben würde, darauf schließen läßt, daß sie mit dem Vorgehen der Gruppe Bleichröder-Handels- gesellschaft-Darmstädter Bank sympathisiert. Schließlich haben doch alle diese Großbanken ein entschiedenes Interesse daran, daß ihnen durch Verstaatlichungen nicht ihr Geschäftsgebiet eingeengt wird. Das reguläre Bankgeschäft genügt heute ihren Ansprüchen nicht mehr; sie sind in Anbetracht der Größe ihrer Kapitalien darauf angewiesen, durch großfinanziellc Unternehmungen, namentlich industrielle Grün- düngen und Fusionen ihrem Gewinn nachzuhelfen, und das günstigste Gebiet für solche Unternehmungen ist heute, nachdem durch die Ver- siaatlichung der Eisenbahnen ihnen dieses frühere Ausbeulungsobsekt entzogen worden ist, die Montanindustrie. Sich nun dieses Gebiet ebenfalls einengen und abgraben zu lassen, paßt ihnen natürlich recht wenig in ihren Plan. Um diese führenden Vankgruppen aber schlängeln sich gewisse Aktionärkreise. Zu der Dresdner Bank steht ein Teil der kleinen Aktionäre, der die Offerte der Regierung für annehmbar hält und denkt, daß preußische Konsols doch ein sichereres Papier sind als Kohlenaktien; zu der Gruppe Bleichröder  -Handelsgcsellschaft halten dagegen die Großaktionäre aus den Kreisen der rheinischen Kohlen- und Hüttenindustrie, da sie befürchten, daß nach der Verstaatlichung der Hibernia noch andere Bergwerke an die Reihe kommen und ihre Zukunftsrechnungcn dadurch gestört werden könnten. So hat denn auch der Vorstand des Vereins für die bergbau- lichen Interessen im Oberbcrgamts-Bezirk Dortmund  , in welchem die letztgenannten Elemente dominieren, am Sonnabend sich mit der Verstaatlichung der Hibernia beschäftigt und nach dem Bericht der Rhein.-Wests. Ztg." eine Resolution angenommen, in welcher aus- geführt wird, daß die in derBerliner Korrespondenz" zur Be- gründung des Anerbietens angeführten, die Schaffung eines um- fassenden Trusts vermutenden Pläne thatsächlich nicht bestehen. Die darunter verstandenen, die Hebung der gegenwärtigen Absatzschwierig- keiten verfolgenden Erwägungen hätten weder mit dem Trust etwas zu thun, nach bezweckten sie, den Fiskus von Erlverbungen im nieder- rheinisch-westfälischen Bergbau auszuschließen. Der weiter aus- geführte Anlaß des Anerbietens, damit einen müßigenden Einfluß auf die Preispolitik des Kohlcnsyndikats gewinnen zu wollen, könne nicht überzeugen, wenn man die Preispolitik in Betracht ziehe, welche der Bergfiskus im Saargebiet der dortigen Industrie gegenüber be- obachte. Für das Anerbieten ausschließlich an die Gesellschaft Hibernia könne diese Begründung um so weniger Geltung bean- spruchen, als der Fiskus im vorigen Jahre wiederholt sich weigerte, durch Beitritt zum Syndikat mit seinem derzeitigen Besitzstand den angestrebten Einfluß zu gewinnen. Das gegenwärtige Vorgehen, heißt es in der Resolution weiter, kann deshalb trotz des Dementis derBerliner Korrespondenz" nur dahin gerichtet sein, die Ver st aatlichungdesniederrheintsch- westfälischen Bergbaues einzuleiten, worin wir eine Gefähr» dung aller unserer Erwerbs st ände erblicken. In dem seit der Eisenbahnvcrstaatlichung fast verflossenen Viertcljahrhundert sei die Zusage einer mit der wirtschaftlichen Ent- Wicklung fortschreitenden Tarifreform bisher nur zum Teil erfüllt. Wie bei jener, so würde bei der Verstaatlichung des Bergbaues zahl- reiches Kapital, das d.en Bergbau zum Blühen gebracht hat, nun» mehr, wo sich Erfolg zeigt, aus seinem Besitz her- ausgebracht werden und gezwungen sein, in minderwertigen Anlagepapieren, wahrscheinlich auch des Auslandes, wiederum seine Verzinsung zu suchen. Die Niannigfache Arbeitsgelegenheit, die der Bergbau mit seinem verteilten Besitz biete, würde bei der Verstaatlichung einem Zwange Platz machen, welcher die Verwertung der Arbeitskräfte der Beleg- schaffen zu beschränken drohe. So weit die Resolution, die höchst charakteristisch für die Motive der Herren ist. Man braucht sich nur die oben gesperrt gedruckten Stellen des Beschlusses anzusehen und erkennt sofort, woher der Wind weht. Preissteigerung wichtiger Lebensmittel. Die Dürre des letzten Monats hat bereits eine nicht unbeträchtliche Preissteigerung ver- schiedcner Nahrungsmittel bewirkt. Nach derStatist. Korrespondenz" kostete in 24 größeren Städten Preußens der Weizen im Juli d. I. durchschnittlich 172 Mk. für 1000 Kg. gegen 169 Mk. im Juni d. F. und 158 Mk. ini Juli v. I. Der Roggenprcis ist von 131 auf 136 Mk. gestiegen, während er vor einem Jahre 133 Mk. betragen hatte. Der Gerstenpreis betrug durchschnittlich 134 Mk. gegen 132 im Juni d. Ii und 135 im Juli v. I. Am bedeutendsten ist die Preissteigerung beim Hafer, der im Vormonat 130, im Juli aber 137 Mk. kostete. Tie Ehkartoffeln erhöhten ihren Durchschnittspreis von 52, 9Mk. für 1000 Kg. auf 64,6 MI., während sie im Juli von 52,9 Mk. für 1000 Kg. auf 64,6 Mk., während sie im Juli 1903.66,3 Mk. gekostet hatten. Auch der Preis des Schweine- fleisches ist von 1,30 auf 1,32 Mk. gestiegen. Ansfichrvergütungen des Kohlen- und RoheiscnsyndikatS. Wie dieKölnische Volkszeitung" berichtet, lehnte es das Kohlensyndikat ab, über den 31. Dezember hinaus noch denjenigen Werken Ausfuhr- Vergütungen zu zahlen, deren Zusammenschluß zu Verbänden bis dahin noch nicht erfolgt sein sollte. Das Kohlensyndikat, das Roh- eisensyndikät, der Verein für Verkauf Siegerländer Roheisens und der Stahlwerksverband setzten für die im letzten Vierteljahr dieses Jahres zur Ausfuhr gelangenden Waren nachstehende Höchstvcr- gütungen fest:, für Kohlen 1,50 Mk., für Roheisen 4,36 Mk., für weiches Halbzeug 15 Mk. und für Formeisen 20 Mk. per Tonne, bei den beiden letzteren einschließlich Vergütung auf Kohle bezw. Roheiseg. Der Zweck der Maßregel ist. diejenigen kleinen Branchen der Eisen« und Stahlindustrie, die noch nicht kartelliert sind, zur Grün- dung von Kartellen und Syndikaten zu zwingen- Sozialcd. Schadenersatz für Boykott. Das Landgericht Bremen   hat in einer Civilklage wegen Schaden- crsatz entschieden, daß die Anwendung des Boykotts gegen die guten Sitten verstoße und zum Schadenersatz verpflichte. Der C.entralverband der Civilberufsmusiker hatte in Bremen  ein Flugblatt verbreiten lassen, worin die Arbeiter aufgefordert wurden, das Lokal von Brüggemann zu meiden, weil dort die Musiker wegen Lohnforderungen streikten. Die Inhaberin dcS Lokals klagte gegen die Herausgeber des Flugblattes auf Schaden- ersah und erzielte die Anerkennung des Ersatzanspruches Vorbehalt- lich späterer Feststellung des Schadens. Das Gericht stützt die Ver- urteilung darauf, daß der Boykott gegen die guten Sitten verstoße. Allerdings nur die besondere Art des hier geübten Boykotts. In dieser Beziehung heißt es in der Begründung des Urteils: Das Zwangsmittel, welches die Beklagten gegen die Klägerin anwandten, bestand darin, daß der Wirtschaftsbetrieb der letzteren infolge Ausbleibens von Gästen ins Stocken geraten, die Klägerin also ihre einzige Erwerbsquelle verlieren und dadurch zum Nach- geben gezwungen werden sollte. Diese Art des Zwanges ging in doppelter Beziehung über das Maß des bei derartigen Boykotts gewöhnlich zur Anwendung kommenden Drucks hinaus. Während bei diesem in der Regel nur die Mitwirkung der interessierten Arbeiter, d. h. der Arbeiter eines bestimmten Berufszwcigcs, in Anspruch genommen wird, indem diese aufgefordert werden, bei dem boykottierten Arbeitgeber nicht in Arbeit zu treten, sollten in diesem Falle nicht nur die interessierten Arbeiter, nämlich die Musiker, zu dem Boykott mitwirken, sondern es sollte das gesamte in dem Lokal der Klägerin verkehrende Publikum, obwohl es an sich bei den Lohnverhältnissen der in dem Lokale an einzelnen Tagen spielenden Musiker gar nicht interessiert war, zur Erreichung des Zweckes mitwirken. Daß dieses Publikum größtenteils aus Arbeitern bestand, macht für diesen Gesichtspunkt keinen Unterschied. Während ferner bei den Boykotts in der Regel nur eine vorübergehende geschäftliche Be» einträchtigung des davon Betroffenen als Mittel angewendet wird, um diesen gefügig zu machen, mußte im vorliegenden Falle das Vor­gehen der Beklagten   die Folge haben, daß der Wirtschaftsbetrieb der Klägerin wegen Mangels an Gästen völlig aufhörte, die Klägerin also ihre einzige Erwerbsquelle verlor und ruiniert wurde. Ein solches Zwangsmittel, welches auf eine Vergewaltigung des Gegners