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ir. 208. 21. Iahrzaas. 1 KeilU des Jormätls" ßtrlintt WlksdlM Zomltag. I. September 1904. Berliner partei-Hngelegenbelten. Zweiter Wahlkreis. Die Parteigenosien feiern am Sonntag, den 11. September, in den Gesamträumen der Bockbrauerei, Tempel- hoferberg, ihr diesjähriges Sommerfest und bitten um recht rege Beteiligung.(Siehe heutiges Inserat.) Das Komitee. Dritter Wahlkreis. Dienstagabend 8'/z llhr: Versammlung des Wahlvereins in Frankes Festsälen, Sebästianstraße 3g. TageS- ordnung: Vortrag des Gen. H. Ströbel über:.Ostasiatisches Menetekel". Dislusfion. Gäste willkommen. Achtung, 6. Wahlkreis! Am Dienstagabend findet bei Schmidt, Gartenstr. 6, eine Versammlung statt, in welcher der Reichstags- Abgeordnete Fritz Kunert ein äußerst aktuelles Schema in seinem Referat behandeln wird. Es ersucht deshalb um recht zahlreichen Besuch Der Vorstand. Charlotteuburg. Die Frage des General st reiks sowie der Internationale Kongreß von Amsterdam werden in einer Volksversammlung, die am Dienstag. 6. September, abends SVs Uhr, im Volkshause, Rosinen st r. 3, stattfindet, erörtert werden. Das Referat hat Genosse Wilhelm Buchholz übernommen; als hervorragender Kenner der russischen Verhältnifie scheint er besonders geeignet, die Frag« des Generalstreiks zu beleuchten; sind doch, wenn überhaupt irgendwo, gerade in Rußland die Verhältnisse derart gestaltet, daß die Idee des politischen Massen- stteiks zur Besserung der Zustände sich aufdrängen könnte. Wir rechnen auf zahlreichen Besuch der Versammlung seitens der männ - lichen und weiblichen Parteigenossen. Der Wahlverein für Mariendorf und Umgegend hält seine Ver- sammlung am Dienstagaben?) 8 Uhr bei Reichardt, Mariendors, Chausseestr. 16, ab. Auf der Tagesordnung steht der Bericht von der Kreis-Generalversammlung. Gleichzeitig verweisen wir auf den Beschluß der Volksversammlung vom 26. August im«Tempelhofer Tivoli":.Sämtliche Lokale find gesperrt, außer Martin Müller, Berlinerstt. 41/42; Tempelhofer Tivoli; Hermann Reichardt, Marien- dorf, Chausseestr. 16; in Marieuselde: Staffelt, Berlinerstr. 1; Dittmann, Berlinerstr. 48. Tempelhof . In unserm Orte wird der Wirt des Tempel- bofer Tivoli, Berlinerstraße 60, der seine Räunie der Arbeiter- schaft zur Verfiigung stellt, durch Tanzverbot und Herabsetzung der Polizeistunde gemaßregelt. Die Berliner Arbeiterschaft wird dringend ersucht, dies Verfahren zu durchkreuzen und das schöne Lokal mit großem schattigen Garten zahlreich zu besuchen. Die Lokalkommisston. Ruppiu-Templiner Wahlkreis. Dienstag findet für die Genossen dieses Kreises, welche in Berlin beschäftigt sind, eine wichtige Ver- sammlung bei Wille, Brunnenstt. 188, statt.(Siehe Inserat am Dienstag.) Der Vertrauensmann. Steglitz . Die Generalversammlung des Wahlvereins findet Mittwochabend 8'/z Uhr bei Schellhase statt. Da wichttge Punkte, vor allem Neuwahl auf der Tagesordnung stehen, wird guter Besuch erwartet. Ohne ordnungsmäßig geklebtes Mitgliedsbuch kein gutritt. Wilmersdorf . In der Mitgliederversammlung, die am Mittlvoch- abend S Uhr bei Witte stattfindet, spricht Max Schütte über: .Der Krieg in Ostasien ". Außerdem erstatten die Delegierten von der Generalversammlung Bericht. Alle Mitglieder müssen ani Platze sein. lokales. Japan in Berlin . Seit über sechs Jahren bereits erscheint in Berlin die von dem Japaner Kisak Tamai herausgegebene Monatsschrift.O st- A s i e n". Sie ist namentlich zur jetzigen Kriegszeit, wo sie mit Eifer die Interessen Japans vertritt, eines Blickes wert und giebt von den? Kulturzustande des Landes der aufgehenden Sonne im bunten Mosaik interessante Kunde. In einem besonderen Arttkel wendet sich die Zeitschrist gegen die Blätter, die kürzlich die Behauptung aufgestellt haben, daß der tapfere General K u r o k i aus Lothringen oder aus Polen stamme. ES fließe rein japanisches Blut in seinen Adern und die Berichte. welche ihm eine andre Abkunft zuschrieben, gehörten ins Reich der Fabel..Ost- Asien " bringt dann die auch von uns veröffentlichte Schilderung über das Elend, in dem die von der russischen Regierung gewaltsam zurückgehaltenen Japaner ihr Dasein fristen, und stellt dem die Annehmlichkeiten gegenüber, mit denen die russischen Gefangenen in Japan überhäuft werden. Es sei unbegreiflich, weshalb die Bekösttgung der gefangenen Russen besser sei als die der im Felde stehenden Japaner und der in Japan befindlichen japanischen Verwundeten..Auf dem Kriegsschauplatze erhalten alle japanischen Soldaten vom General bis herab zum Gemeinen die gleiche Nahrung und nach den neuesten Nachrichten aus Hiroshima wird auch im dortigen Militär- lazarett keinUnterschied zwischen kranken Offizieren und Gemeinen gemacht. Jeder Japaner auf dem Kriegsschau- platze erhält außer Reis täglich Nahrung für 6 Sen 0 Rin(mit Reis etwa 1011 Sen. das ist 22 Pf.), wogegen für die gefangenen Offiziere 42 Sen und stir die Gemeinen 25 Sen täglich bestimmt sind. Die Nahrung der Gefangenen besteht aus Reis, Fleisch, Fisch. Eiern, Gemüse usw. und ist gut und kräftig." Ein russischer Gefangener steut sich so sehr über seinen Auf- enthalt in Japan , daß er sich enttchlossen hat, auch nach dem Kriege dort zu bleiben. Die meisten der von den Gefangenen abgesandten Briefe enthielten, wie die Zeitschrift boshaft bemerkt. Aufforderungen zur Zahlnng der rückstandigen Löhnung. Die Aussage eines andren Gefangenen geht dahin, daß die Japaner die Russen gewiß besiegen würden, denn die japanischen Soldaten hätten Bildung und fortschrittliche Grundsätze, das Volk habe Freiheit und in Japan sei alles erlaubt, was der Zar in Rußland verbiete. Viele Soldaten sehnen ihre Gefangennahme herbei, weil auf russischer Seite hinsichtlich der Nahrung, Kleidung, sanitären Ein- richtungen usw. schrecklich unordentliche Zustände herrschen. Warum sollen wir uns eigentlich für den Zaren opfern? Wenn er gut wäre, dann würden wir eS gern thun. aber in Friedenszeiten werden wir beständig aufS ärgste bedrückt und eS ist für un« deshalb ein Ding der Unmöglichkeit, für ihn zu kämpfen, nur zwangsweise sind wir auf den Kriegsschauplatz bo fördert worden." Auch ein gefangener Pole habe gesagt:Der russische Kaiser ist nicht unser Kaiser, deshalb brauchen wir uns nicht für ihn zu opfern, und wir hoffen, daß Japan siegen wird." Sehr bedauert wird in.Ost- Asien ", daß die javanische Regierung eine an einen russischen Gefangenen gerichtete Postsendung zurückgeschickt habe, weil sie revolutionäre Aufrufe enthielt. Man sollte den Gefangenen �gerade solche Schriften z u lesen geben,.denn Aufklärung und Neuerungen thun in Nuß- land dringend not". Zum Lächeln regt in seiner gesunden Naivität die Aufforderung zur Kapitulation an, die von den Japanern an die Russen ,n Port Arthur gerichtet ist. ES heißt am Schluß dieser Aus forderung: .Ihr lieben russischen Soldaten. Ihre Zukunft wird eme un- glückliche sein; Sie haben sich von Ihren Familien getrennt unter dem Zwange der russischen Regierung und viel kostbares Blut ganz zwecklos vergossen. Das wird Ihnen jedenfalls selbst klar sein. Diejenigen Ihrer Kameraden, die das gut verstanden haben, Häven sich uns ergeben und sind als Gefangene nach Japan Gebracht worden, ihre Zukunft wird eine bessere sein als die finge. Wir behandeln jeden, der uns nicht mit Waffen Wider- stand leistet, menschlich und als Freund. Die 500 Ge- fangenen aus der Schlacht am Ualu befinden sich bereits in Japan , sie erfreuen sich an den herrlichen landschaftlichen Reizen und ruhen aus von ihren Strapazen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß der Krieg mit unsrem Siege enden ivird. Wir empfinden es sehr schmerzlich, daß so viele brave Soldaten für eine unmenschliche Regierung sich opfern und wissen nicht warum. Ueber legen Sie alles gut, was oben gesagt ist. legen Sie die Waffen zur Seite und ergeben Sie sich uns!" Beachtenswert ist auch ein S o l d a t e n b r r e f, der in.Ost- Asien " abgedruckt wird: .Auf dem langen Marsche in Korea und in der Mandschurei haben wir an Cigaretten und Tabak die meiste Not gelitten. Anfangs konnte man Cigaretten hier kaufen zum Preise von 20 Sen(1 Sen etwa 2 Pf.) für 10 Stück, die in Japan nur 6 bis 6 Sen kosten. Für uns Soldaten ist das außerordentlich schmerzlich, denn wir bekoniinen alle zehn Tage nur 60 Sen. Zu Geldausgaben ist kein Anlaß vorhaudeli. weil wir sonst alles bekommen, was wir nötig !>aben. Wenn ein Tabakgeschäst ausfindig gemacht wird. ind nur die Zuerstkommenden in der Lage, ihren Bedarf zu decken und dann ist alles ausverkauft. Zufällig habe ich einmal eine Cigarette in meiner Tasche gefunden, aber sie war mir zu schade, sie selbst zu rauchen, deshalb gab ich sie einem Kollegen, der sich darüber besonders gefreut und, wie ich später hörte, sie mit 16 Kameraden gemeinschaftlich geraucht hat. Später hat ein Offizier in der Mandschurei 50 Cigaretten einem Soldaten ge- geben, der, wie ich nachher erfuhr, dieselben an 250 Mann ver- teilt hat." Dem zweifelhaften Gnadenerlaß, den der russische Kaiser bei der Geburt des Thronfolgers erlassen hat. wird der japanische Brauch gegenübergestellt:In Japan werden bei freudigen und traurigen Ereignissen, die das Kaiserhaus berühren, namentlich beider Geburt eines kaiserlichen Prinzen und bei Todesfällen in der kaiserlichen Familie, Amnestien erlassen. Die politischen Ver- brecher werden ganz begnadigt, während die Strafen der gemeinen Verbrecher ermäßigt werden, beispielStveise von zehn aus sechs oder von fünf auf drei Jahre. Außerdem erhalten die- jenigen Leute, welche ein Alter von 80 oder 100 Jahren erreicht haben, vom Hofe Geschenke. Hieran möge die russische Regierung sich ein Beispiel nehmen." Zum Schluß sei eine drollige Warnung angeführt, die ein in Berlin lebender Japaner für den Fall an seine hier wohnenden Landsleute ergehen läßt, daß sie Deutsche beschenken wollen: «Die unter dem Namen Chirimen in Japan hergestellte Krepp- seide wird in Europa meist für Baumwolle gehalten, und dem- entsprechend wird den Geschenken, die Japaner Europäern machen, fast gar kein Wert beigemessen, wenn dieselben aus Chirimen be­stehen. Wir warnen deshalb alle unsre Landsleute dringend vor derartigen Geschenken; es ist viel besser, irgend einen ganz billigen Gegenstand zu schenken als die teure Seide, diese gebe man nur dann, wenn der betreffende Empfänger ein Kenner ist und den Wert zu würdigen weiß. Vor etwa 2 Wochen hat ein Landsmann einem Deutschen ein Stück Chirimen im Werte von etwa 20 Jen und außerdem einen kleinen Gegenstand aus einer Berliner Japanwaren- Handlung, der etwa 1.502 M. gekostet hat, geschenkt. Die teure Seide wurde für Baumwolle gehalten und kaum beachtet, der gering- wertige Gegenstand verursachte dagegen große Freude und Bewun- dcrung." Es versteht sich, daß inOst-Asien " alle Artikel eine pattiotische Färbung haben; in nianchen Fällen mag ein wenig stark aufgettagen sein. Alles in allem zeugt der Inhalt der Zeitschrift nicht von einer besonderen H o ch a ch t u n g vor europäischer Kultur. Und das Unangenehme ist, dag diese Einschätzung durchweg ihre Berechtigung hat._ Die neuesteReform". Die Hoch- und Untergrundbahn hat schon wieder.reformiert" und dabei sorgfältig darauf geachtet, daß ihr der Ruf des schlechtcst- verwalteten Verkehrsinslituts weiterhin gesichert bleibt. Wenn es sich nicht darum handelte, das Leben und die Gesundheit der Passagiere vor der Möglichkeit der Venrichtung zu schützen, würden wir den, ZickzackkurS in der Hochbahnverwaltuug nur ein sehr geringes Interesse entgegenbringen; so aber müssen wir uns notgedrungen damit befassen. Als wir vor einiger Zeit Gelegenheit hatten, einem Amerikaner die Einrichtungen der Hochbahn zu schildern, unterbrach er uns mit den brüsken Worten:Aber halt mich doch nicht zum besten mit Deinen Coupees II. und III. Klaffe, mit den Raucher« und Nicht- raucher-Abteilungen d a s wäre ja geradezu närrisch." Wir mußten den Opttmisten erst auf einen Untergrund-Bahnsteig führen und ihm dort die aschgraue Rückständigkeit dieser Bahn- Verwaltung an die Augen demonsttieren; er war fassungslos I Daß man im Zeitalter des intensivsten Stadtverkehrs, nach jahrzehnte- langem Bestehen von Omnibus- und Straßenbahnlinien mit Einheitswagen und Rauchverbot im Innern noch eine solche Scheidung vornehmen können, hätte er schlecht- weg für unmöglich gehalten. Unser Amerikaner steht mit seinen Anschauungen natürlich nicht allein, sondern hat so ungefähr jeden verständigen Menschen auf seiner Seite. Aber als er die Bahn besichtigte, verkehrten immerhin für die verschiedenen Klassen verschiedene und verschieden gefärbte Wagen; das erleichterte noch einigermaßen das Zurechtfinden in der Hast des Aufenthalts der Züge auf den Stattonen. Nachdem aber die siebengescheidte Direktton der Hochbahn endlich begriffen hat. was ihr ein jeder Mensch sagen konnte, der die ersten langen Hosen trägt, daß nämlich die II. Klasse sich nicht rentteren werde, jetzt fällt auch noch diese Erleichterung fort. Die Hochbahnzüge führen jetzt nur noch zwei gleichgefärbte Wagen III. Klasse, von denen die Hälfte des einen als II. Klasse durch ein winziges Schild be- zeichnet ist. Bei der Genialität, durch die sich bisher die Direktion der Hochbahn schon ausgezeichnet hat, war von vornherein darauf zu wetten, daß sie den Nichtraucher-Wagen teilen werde! Dieser ist unzweifelhaft der am stärksten besetzte, wird deshalb also jetzt noch um die Hälfte verkleinert. Man sollte so etwas schlechtweg nicht für möglich halten! Wir ftagen nunmehr hierdurch öffentlich an, ob die staatliche Aufsichtsbehörde diese Veränderungen genehmigt hat und wie sie die Verantwortung dafür tragen will? Der fast regelmäßig über- normal besetzte Nichttancherwagen ist jetzt durch eine feste und ver- s ch l o s s e n e Thür geteilt: in beiden Hälften steht den Passagieren also nur ein Ausgang zur Versügung. Wird dieser im Falle eine? Unglücks zufällig gesperrt, so ist die Flucht ganz unmöglich und die Insassen der einen Hälste köimen jammervoll zu Grunde gehen. Man komme uns nicht mit dem albernen Einwand, es ließen sich die Fenster einschlagen usw. Gerade den Frauen und Kindern, die daS Hauptkontingent der Passagiere in den Nichtraucherabteilungcn stellen, dürfte ein Entkommen auf diese Weise unmöglich sein. W i r halten es für ein unverantwortliches Beginnen, die Insassen der geteilten Wagen deS einenAuS- gangeS zu berauben. Im Falle eines Unglücks, das dadurch geschieht, würden wir den Behörden und der Direktton den Vor« wurf eines leichten Spieles mit Menschenleben nicht ersparen und wir sind sicher, daß wir die Zustimmung der weitesten Kreise dabei finden würden. Die unsterblichen Maurer. Die konservattve Presse schmückte ihre Spalten gestern mit folgender Paradeneuigkeit:Etliche Maurer eines Neubaues in der Friedrichstraße legten bei der Parade ruhig ihre Arbeit hin und machten sich's sehr bequem in den Fenstern. Als im Sechsgcspann dann die Kaiserin nahte, ersttegen die Genossen sozusagen den Gipfel ihres Zielbewußtscins: so frech und flegelhaft als sie es nur irgend nach ihrer Schulung in Dresden vermochten, setzten sie sich in Positur und glotzten die Kaiserin an. Während die Kaiserin freundlich lächelnd grüßte und alle Hüte aufflogen, behielten die Genossen demonstrativ ihre Mützen über den Ohren. Bei den Um- stehenden erregte diese absichtliche Verletzung nattonaler Em- pfindmigen natürlich Unwillen. Mit dem stolzen Bewußtsein, einmalimponiert" zu haben, nahmen diese würdigen Genossen wahrscheinlich ihre freiwillig niedergelegte Arbeit wieder auf wenn sie sich nicht etwa zur Belohnung vorher noch einige Nord- Häuser gegönnt haben sollten." Diese Maurer gehören zu den Leuten, die reine nicht tot zu kriegen sind. Fast immer, wenn der Kaiser in Berlin einzieht, er- scheinen sie prompt auf dem Neubau in der Absicht, den Monarchen durch freche Nichtachtung zu beleidigen. Allerdings hat sich im Laufe der letzten Zeit ihre Natur verändert, leider zum schlechteren. Zuletzt traten sie in die Erscheinung, als der Kaiserleinmal im Südosten in die Stadt einzog. Auch damals hatten sie den bösen Willen, frech die Mützen aus dem Kopfe zu behalten. Als dann aber im gegebenen Moment der sttenge Blick deS Monarchen sie traf, zogen sie bettoffen die Bedeckung vom revoluttonär angehauchten Haupte. Ihr besseres Ich, ihr patriottsches Bewußtsein war geweckt worden, denn es giebt in allen Menschen gute Sphären. Das war, wie gesagt, vor wenigen Jahren. Im Anblick deS alten Wilhelm traten die un- sterblichen Maurer bereits mit ähnlichen Rcue-Auwandlungen auf. und gewiß werden sie auch schon 1848 sür die mysttsche Gewalt des monarchischen Gedankens Zeugnis abgelegt haben. Leider muß trotz alledem dieser Gedanke in den letzten Jahren an Wirksamkeit eingebüßt haben, denn anders ist es nicht gut zu erklären, daß das unsterbliche Inventar der konservattven Presse jetzt seinen beleidigenden Vorsatz stramm durchgeführt hat und das sogar einer Dame, der Kaiserin gegenüber. DaS ist ungehörig, wie wir hiermit gern anerkennen. Auch gereicht solches Verhalten dem monarchischen Gedanken, der doch besonders von konservativer Seite zu schützen ist, wenn es sich nicht gerade um ungenügende Getrcidezölle handelt, gewiß nicht zum Vorteil. Wir empfehlen da- her der monarchisch gesinnten Presse für kommende Fälle die An- Wendung des früher beliebten Verfahrens. Es wirkt lvirklich mehr aufs Gemüt, wenn die unsterblichen Maurer bei der nächsten Gelegen- heit die Mützen wenn auch nur zögernd wieder abnehmen. Eingemeindung. Im Nordwesten soll der Gutsbezirk Plötzen- see eingemeindet werden, im Norden ist das Brehmesche Grundstück an der W o l l a n k st r a tz e eingemeindet und nun sollen abermals an der Grenze von Pankow beim Gesundbrunnen einige Um- gemeindungen stattfinden. Die alte Weichbildgrenze zwischen Pankolv und Berlin an der Schönhauser und Prenzlauer Allee, zeigt dort mehrfache Krümmungen und Knicke. Sie verläuft von der Schönhauser Allee bis zur Behmstraße auf dem Gesundbrunnen nicht im Zuge einer Straße, sondern durchschneidet quer die da- zwischenliegcndcn Bauquartiere. Dieser Zustand muß bei fort« fchreitendcr Entwicklung der Gegend zu Mißständen Veranlassung geben, weil die Grenze örtlich nicht genau sestgelegt werden kann; sie würde eventuell quer durch ein Gebäude oder gar ein Zimmer gehen, wodurch Zweifel entstehen müssen, welche Behörden eventuell zuständig sein würden. Auch für die Pflasterung, Kanalisation ec. können Unzmräglichkeiten entstehen. Die Eigentümer (Jnunobilien-Verkehrsbank, Baugesellschast Bellevue, die Gnebenow- scheu Erben u. a.) sind deshalb um Verschiebung des Weichbildes vorstellig geworden. Im Einverständnis mit der Gemeinde Pankow soll nun die Grenze dort stets in der Bordkante der Bürgersteige der Straße» und Promenaden verlaufen. Berlin erhält einen Zu- wachs von 41,75 Quadratmeter Bauland und rund 7S80 Quadrat­meter Sttaßenland von der Baugesellschaft Bellevue. Viel ist das gerade nicht. Bei der LandeS-BersicherunaS-Anstalt Berlin find im ersten Halb- jähr 1004 die Ablehnungen von Invalid enrentenanträgen um 16'/, Proz. gegen das Vorjahr gestiegen. Von Jahr zu Jahr treten immer mehr die Ablehnungen ivegen Erlöschens der Anwartschaft in den Vordergrund. Die Versicherten»verde» deshalb auf die regelmäßige Einbringimg der Marken aufmerksam gemacht, da sie sonst ihrer Anrechte verlustig gehen. Die Einnahmen der Anstalt bewegen sich immer noch in aufsteigender Richttmg. Im Juli d. I. wurden 28S29 M. mehr an Markenbciträgen eingenommen als im Juli 1903. Insgesamt hat die Anstalt in den ersten sieben Monaten 406 758 M. mehr als im vorigen Jahre vereinnahmt. Die Einnahine aus den herrenlosen Erbschaften, die der Stadt- gemeinde zufallen, gehört zu den ungewisseften Einnahmen des Stadtsäckels, aber trotz aller Schwankungen bringt sie doch in jedem Jahre wenigstens ein paar tausend Marli Im Etatsjahre 1902/03 be« lief sich der Ertrag der herrenlosen Erbschaften auf 4972 M. Das ist sogar wenig, wenn man es mit den ErbschastSeinnahmen»nancher frliheren Jahre vergleicht, aber eS ist freilich andrerseits auch schon vorgekommen, daß ein Jahr mal noch iveniger brachte. In den fünf vorhergehenden Etatsjahrcn von 1901/02 zurück bis 1897/98 flössen aus herrenlosen Erbschaften dem Stadtsäckel zu: 6539 M.. 10 456 M. 4008 M., 11867 M., 7165 M. Auch JahreSvettäge von 15 000 M.. 19 000 M., 29 000 M. sind manchmal eingenommen lvorden. In den letzten Jahrzehnten war die höchste Einnahme aus herrenlose» Erbschaften die deS Etatjahres 1883/84 mit 51 080 M. Das Recht auf diese Einnahme ist übrigens ziemlich 400 Jahre alt. ES wurde der Stadt Berlin vom Kurfürsten Joachim I durch Ver- leihungsurkunde voin 27. Dezember 1508 übertragen. DirBerliner Kartenwiischer" gehören wohl zu den seltsamsten Großstadtexistenzen. Sie kaufen in den besseren Kaffeehäusern. den Spielllubs sc. die gebrauchten Spielkarten, die vielfach nur ein ein- ziges Mal benutzt ivurden, für 2030 Pf. das Spiel auf, waschen und säubern sie mit vieler Mühe und verkaufen dann die fast wie unberührt aussehenden Karten an kleinere Gastwirte, Kaffceklapven und dergleichen für den Preis von 40 bis 50 Pfennige. Die Spiel- karten- Aufkäufer und-Reiniger haben meist ihre bestimmten Einkaufsquellen und Absatzgebiete, die selbst nntunter Gegen- stand eines Tausch- oder BerkaufSgeschäfteS sind. Die Ein- nahmen fließen meist in die Tasche der Oberkellner, um deren G»mst sich dann auch die Kartenwäscher bemühen. Ob- Ivohl das Kartenloaschen ein wenig einträgliches Gewerbe ist, bei dem man sich mit einem Tagesverdienst von 1,20 1,60 M. im besten Falle zufrieden geben muß. herrscht auch auf diesem Gebiete starke Koulucreuz und gegenseitiges Unterbieten. Einzelne Kartenlväscher betreiben ihr Geschäft im großen, haben besondere Reinigunas- Methoden, die sie»oie ein.Fabrikgehcimnis" hüten und exportieren die gesäuberten Karten verschiedentlich auch nach außerhalb. Es sind meist ältere, invalide Leute,»velche einst bessere Tage gesehen, die sich auf diesen eigenartigen Geschäftszweig gelegt haben und davon mühselig ihr Leben fristen. Vielfach ist auch der Kartenhandel und das Kartenwaschen nur ein Nebcnerlverb von Kolporteuren, Stadt- reisenden und andren Leuten, die viel mit Kaffeehäusern zu thun haben. Der Borfitzende de» BereinS derSchlauen". Der RaritStenNub der Briefmarken-Jntereffenten, welcher, aus Sammlern und Händ-