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Nr. 167.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags: Beilage ,, Neue belt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr.Monat. Gingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

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Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgefpaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fern spred- Anschlußt: amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Ein Interview mit Reir Hardie.

Mittwoch, den 20. Juli 1892.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

der Ablösung des städtischen Grund besizes zu Gunsten der stätten, Eisenbahnen und Bergwerke; besserer Schutz für einzelnen Bächter*), wogegen ich entschieden bin, afzeptive Seeleute; Einrichtung eines Arbeitsbureaus( im Ministe­ich das ganze Newcastler Programm und werde für das- rium); gewerbliche Schiedsgerichte; Koalitionsrecht für alle selbe eintreten. Aber das Newcastler Programm genügt Staatsbeamten. Ein Berichterstatter des radikalen Londoner   Daily nicht, und wenn in Zukunft irgend ein Bersuch gemacht Das ist eine etwas lange Liste." Chronicle" hat fürzlich den neugewählten sozialistischen   werden sollte, die Arbeiterfragen in den Hintergrund zu Abgeordneten Keir Hardie   interviewt, und wir denken, es drängen, so werden wir jedes mögliche Mittel ergreifen, wird die Leser des Vorwärts" interessiren, die Ant- sie, unbekümmert um Parteirücksichten, vor das Haus zu worten, welche derselbe auf die ihm gestellten Fragen gab, bringen." tennen zu lernen. " Fragen wie-?"

" Ja, aber die Ereignisse vollziehen sich heuzutage schnell. Es sind nur einige Jahre her, seit ich die Frage des Acht­stundengesetzes blos für Bergarbeiter auf dem Trades Unions­tongreß zur Sprache gebracht habe und ausgelacht wurde. Heute bildet sie eine Frage, von der man fast sagen kann, Keir Hardie  , dies sei vorausgeschickt, ist von Geburt die der Arbeitslosen z. B. Wir werden vielleicht daß sie das Schicksal von Regierungen entscheidet." Schotte und von Beruf Bergarbeiter. Sein Wohnort war schon in nächster Zeit einer neuen allgemeinen Geschäftsstockung Damit endete das Interview. Die deutschen   Genossen bisher Cumnock   in der Grafschaft Ayrshire, und als Ver- gegenüber stehen. Was soll mit den Hunderttausenden ge- werden in dem Programm Keir Hardie's   manches vermissen, treter der dortigen Bergarbeiter ist er seit einigen Jahren schehen, die alsdann außer Arbeit geworfen werden? Sie was auf unsern Programmen steht, und manche Forderung eine bekannte Persönlichkeit auf englischen Gewerkschafts- können sich darauf verlassen, daß dieselben nach dem Umsich finden, deren Werth für die Arbeiterklasse ihnen proble Aber es würde zu weit führen, hier schwung in der hiesigen Arbeiterbewegung zeugt nichts mehr, nicht stillschweigend werden Hunger sterben wollen. Wir darauf einzugehen und darum sei nur kurz auf die ver­als die Thatsache, daß während jetzt keir hardie   ins werden versuchen, welche Regierung immer das Heft in die schiedenartigen Verhältnisse hingewiesen, sowie auf die That­Barlament einzieht und Henry Broadhurst aus dem Hand bekommt, sie zu zwingen, die Frage anzupacken und sache, daß wir im Wesentlichen hier immer noch im Anfang selben verschwindet, dieser noch vor vier Jahren Keir zwar ernsthaft. Ferner wäre zu nennen die Landfrage, die der sozialdemokratischen Bewegung stehen. Hardie auf einem Gewerkschaftskongresse unter der Mehr Frage der gesetzlichen Beschränkung der Arbeitszeit und die heit als unbefugten Eindringling" abfanzeln durfte. Errichtung von munizipalen( Gemeinde-) Werkstätten. Alle Nun das Interview des Chronicle": diese Dinge beabsichtigen wir beständig auf der Tagesordnung " Haben Sie diesen großen Triumph erwartet?" zu halten." " Ja. Ich war fest von unserem Erfolg überzeugt. Was würde unsere langjährige Agitation und unser Ein­treten für das Prinzip der von der Kontrolle der( bürger lichen) politischen Parteien unabhängigen Arbeitervertretung für Nuzen gehabt haben, wenn wir nicht einmal in einem Wahlkreise wie West Ham   siegen und zwar mit Leichtigkeit fiegen könnten?"

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Lord Croß ſigt."

" Und welches ist Ihr Programm?"

Hier haben Sie eines mit drei Rubriken, das ich für Politische Lebersicht. ein Wahlflugblatt aufgestellt habe:

Politisch. Homerule; Stimmrecht für alle Er­

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Berlin, den 19. Juli.

wachsenen; Reform der Wahlregistrirung; Zahlung von Diäten Magdeburger Meineidsprozeß Fritsche und Genoffen. Erst Peus, dann Fritsche! Unsere Leser kennen den an die Abgeordneten und Deckung der Wahlfoften aus öffent- Das Urtheil der Straflammer ist vom Reichsgericht bekannt­lichen Mitteln; Festsetzung der Wahlen auf den Sonnabend und lich aufgehoben und eine neue Verhandlung anberaumt Aber Ihr Triumph ist ein Triumph für den bürgerlichen Erklärung des Wahltages zu einem geschlichen Feiertag; worden. Während Fritsche's Haft ist seine Frau entbunden Radikalismus." dreijährige Parlamente; Einführung von Stichiahlen; Refe- worden. Die Niederkunft war infolge der furchtbaren Auf­Ja, bis zu einem gewissen Grade; aber er zeigt auch, rendum; Abschaffung des Hauses der Lords; Neberweisung regungen eine sehr schivere. Die Wöchnerin erkrankte am daß die Arbeiter der Schlagworte vom Grand Old Man" der Kontrolle über Polizei, Wasser, Gas, Trambahnen, Kindbettfieber und lag 14 Tage darnieder. und dem Großen Regenschirm" müde sind. Sie sind es Docks zc. an die Grafschaftsräthe; alle progressiven Forde Entlassungsgesuch Fritsche's, der an das Sterbelager seiner Ein Hafts fatt, sich heiser zu schreien, weil Lord Kimberley Lord Cadogan im Sesse I Gattin eilen wollte, wurde abgelehnt. Am 12. Juli Bobogan verdrängt hat oder Herr Shaw Lefevre inner rungen des Londoner Graffchaftsraths. Sozial. Das direkte Veto in Bezug auf den Handel hatte er Termin vor dem Staßfurter   Schöffengericht, mit geistigen Getränken; Keine Entschädigung an die Schant- und hier hatte er Gelegenheit, auf turze Zeit sein sterbendes Und welche Wirkung erwarten Sie von Ihrem Erstätten Juhaber; Schließung der Schaukstätten an Sonn- Weib ihr Tod erfolgte am 18. d. M.­folge?" noch einmal zu tagen; Vermehrung der öffentlichen Anlagen und Spielplätze; sehen. Nach dem Fall Peus der Fall Fritsche!- " Ich hoffe, daß wir bald die Bildung einer neuen und Bau von Lese- und Erholungshallen, von gesunden Woh­durchaus unabhängigen Arbeiterpartei im Parlament er nungen und Bade- und Waschhäusern; Veranstaltung öffent- Konservativer Parteitag. Wird die Durchsicht und leben werden; wir mögen zuerst wenige sein, aber wir licher Konzerte; Unentgeltliche Erziehung; Entstaatlichung Umgestaltung des Programms der Rechten, von der so un­werden eine große Zahl von Radikalen neuerer Richtung, der Kirche. die sich endlich viel gesprochen und geschrieben worden ist, nun doch Dom laissez- faire Liberalismus emanzipirt Dekonomisch. Rückerstattung des Bodens an die vorgenommen werden? Die Konservative Korrespondenz" haben, zu uns herüber ziehen. Ferner wird die Nachricht Nation; Achtstundengeset; Beschäftigung für die Arbeits- theilt mit, daß ein allgemeiner konservativer Parteitag statt­meiner Wahl auf andere Wahlkreise, wo Arbeiterstimmen losen; Alters- und Juvaliditäts Pensionen für die Ar- finden müsse und werde; unbestimmt sei vorläufig nur der überwiegen, zurückwirken, und ich werde wahrhaftig nicht beiter'; Progressive Einkommenftenter; ein sehr überrascht sein, wenn dies die letzte Allgemeine Wahl Haftpflicht Gesetz; wirksame scharfes Beitpunkt der Einberufung. Dann werde der Zweikampf ist, die auf Grund der bisherigen Parteischablonen aus­Inspektion der Werk Helldorf- Hammerstein wohl auch zum Austrage kommen.- gefochten wird." Nur immer hübsch deutlich. In einer Privat­beleidigungsfache wird der Angeklagte verhaftet und erst gegen die unerhört hohe Bürgschaft von 15 000 m. auf freien Fuß gesetzt. Eine höhere Instanz verfügt die Wieder­

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*) Die sogenannte" Leasehold Enfranchisament". Dieselbe liberalen Brogramims?" Aber Sie sind kein Gegner der Hauptpunkte des würde an Stelle der heutigen großen Grundbesitzer eine Menge fleiner Grundbefizer sehen, während die Sozialisten natürlich den Dnein, sicherlich nicht. Mit alleiniger Ausnahme Boden für die Allgemeinheit reklamiren.

Feuilleton.

Macbrud verboten.)

Das schlagende Wetter.

Roman von Maurice Talmeyer.

Uebersetzt von B. und A. G  .

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Und er fügte mit dem Tone endgiltiger Entscheidung hinzu:

Ich mag die Arbeiter nicht, über die sich alle Welt be­schwert, und die viel von sich reden machen. Alle Welt! Und von sich reden machen! Herr Bürgermeister... Warum schicken Sie mich fort?

Deshalb.

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Eine noch intensivere Röthe begann in Herrn Roqueberts Geficht zu steigen. Aber Jacquemin, der fühlte, wie die Verzweiflung ihm ins Gehirn stieg, wurde dadurch nur noch mehr erbittert und wiederholte:

Also, wahrhaftig, Sie jagen mich fort, Herr Bürger­

Jacquemin war so erregt, daß er die Müze, die er in seiner zitternden Hand hielt, an sein Bein anschlagen meister!... Mich!.

fühlte.

Der bin ich, Herr Bürgermeister.

Herr Roquebert fuhr fort:

Gemeindehause holen. Sie werden sich unverzüglich Ihr Arbeitsbuch vom

Sie und Ihre Tochter, unterbrach ihn plöglich Roque­bert schreiend.

Und er drehte sich um und wies ihm mit dem Finger die Thür.

Jacquemin wieder zu sich gebracht. Er nahm seine Müze ab, neigte den Kopf und sagte zitternd:

Ich werde gehen. Ich bitte Sie um Verzeihung, Herr Bürgermeister.

Und während er ging und von dem Lakaien begleitet wieder in den Hof kam, schien es ihm, als ob er aufwache in einem Abgrund.

V.

Als Jacquemin sich allein in dem tiefen Schweigen des Waldes fand, das zwar trübe stimmt, zugleich aber be ruhigt, setzte er sich am Fuße eines Baumes nieder und blieb dort stundenlang in verzweifeltes Grübeln ver­funken sitzen.

Er zögerte, nach Hause zurückzukehren; er wagte nicht, sein Heim zu betreten.

Was war eigentlich geschehen? Was hatte er gethan? War er wahnsinnig? Er hätte sich am liebsten in die Erde eingewühlt, wenn das möglich gewesen wäre, er wollte ver­sinken, verschwinden, sterben. Es wurde Nacht; er stand

Jacquemin erblaßte. Er hatte verstanden. Aber in seinem Innern regte sich der Geist des Widerspruchs und Herz, zugleich aber hatte ihn ein furchtbarer Muth erfaßt. auf und ging wieder in das Dorf zurück.

er sagte furz aber ehrerbietig: Weshalb?

Jacquemin's Geduld war durch die lange moralische Fieberglut erschöpft, es war ihm so unendlich weh umis Er fühlte sich fast wahnsinnig, und blieb mitten im Zimmer Er hatte keinen Tabak mehr bei fich und trat, um sich stehen, ohne sich von der Stelle zu rühren, setzte seine Mütze welchen zu kaufen, in eine Gastwirthschaft. Der Wirth Bei dieser Frage sah er, wie der Fleischwulst, der vom fah plötzlich hoch Jaufgerichtet und blaß den Mann vor und es war im Gegensaße zu der sonstigen Schweigsamkeit auf den Kopf, kreuzte die Arme und Herr Roquebert fegte gerade einigen Bürgern ihre Schoppen auf den Tisch, feines Anzuges hinüberquoll, sich flammend roth färbte. Starrheit angenommen hatte. feiſten Stiernacken des Bürgermeisters über den Kragen sich stehen, dessen sonst so bescheidenes Auge eine unheimliche der Belgier ein furchtbares Stimmengewirr in der Kneipe, Herr Roquebert kehrte ihm den Rücken und sagte grob: Sie werden aus der Grube weggejagt.

dem aber die Ankunft des Steigers ein plögliches Ende Erschrocken erhob er sich hastig und drückte mit dem machte. Bei seinem Erscheinen wurde es todtenstill und der Finger auf den Knopf einer elektrischen Klingel. Ein Wirth, mit dem er sonst recht gut bekannt war, that, als Stimme, die bittend und zornig zugleich flang, tönnen Sie Herr Roquebert sagte mit teuchender Stimme: Herr Diener erschien sofort in der Thür des Arbeitszimmers und ob er ihn nicht mehr kenne. Sehr beunruhigt, nahm sich über meine Dienste beklagen? Jacquemin seinen Tabat und ging, ohne aufzusehen, hinaus. Und nun, als er die Straße hinabschritt, überkam ihn erst recht tief schmerzlich das Gefühl völliger Berlassenheit.

Bürgermeister, sagte Jacquemin mit einer

Herr Roquebert brummte, ohne sich umzuwenden:

Scheeren Sie sich!

Werft diesen Mann sofort hinaus!

Das Läuten, das er vornommen, die Thür, die sich geöffnet hatte und der Lakai, der erschienen war, hatten

Augenscheinlich wußte man schon, was ihm passirt