Dr. 210. 21. Jahrgang. 2. Iriltp des Jörn W Wim MM Mitwach, 7. September IM. ?Zus Industrie und Handel Rotstandstarif für Futtermittel. Wie der Berliner Handelskammer mitgeteilt wird, erfahren die Anwendungs- bedingungen des nach dem Notstandsgebiet eingeführten Aus- nahmetarifs für Futtermittel in nächster Zeit eine Aenderung, die geeignet ist, die vom Handelsstande gegen die Be- stimmungen dieses Tarifes erhobenen Beschwerden zum Teil zu beseitigen. Nach den bisherigen Vorschriften wurden die ermäßigten Tarifsätze nur für die den Landwirten direkt zugeführtcn Sendungen ohne weiteres berechnet, während der Haudel umständliche Nachweise und Bescheinigungen beibringen muhte, wenn er in den Genutz des Ausnahmetarifes gelangen wollte. Der Minister hat nunmehr an- geordnet, daß für den Fall, wo der Empfänger die Ware an einen oder mehrere Verbraucher abgegeben hat, die Erstattung des Unter- schiedes zwischen der gewöhnlichen und der ermäßigten Fracht nach- träglich auf Antrag erfolgt, wenn der Empfänger folgende Erklärung abgiebt: „Ich erkläre hiermit auf Pflicht und Gewissen, daß die in dem Monat..... für mich auf dem Bahnhof..... eintz getroffenen, an mich ausgelieferten und in der nachfolgenden Empfangsnachweisung aufgeführten Güter in den daselbst bezeichneten Mengen an die nachstehend benannten Landwirte oder landwirt- schaftlichen Verwaltungen im Notstandsbezirke zum Verbrauch im eignen landwirtschaftlichen Betriebe abgegeben worden sind." Dem Antrag ist der Originalfrachtbrief beizufügen. Die vom Empfänger selbst aufzustellende EmpfangSnachwcisung mutz die Bc- Zeichnung der Sendung nach Tag des Eingangs, Inhalt, Versand- station und Gewicht sowie die an die einzelnen Verbraucher ab- gegebene Menge nebst Namen der Verbraucher enthalten. Profite der Stahlindustrie. Der Stahlwcrksverband, der von den Vertretern der Großindustrie als Rettungsanker der Stahlindustrie angepriesen wird, erweist sich immer mehr als Vernichter derjenigen Iluternehmungen, deren Eristenz er angeblich sichern soll. Kaum war die Gründung perfekt, so mutzten diejenigen, denen auf ihre Klagen über die schädliche Wirkung der Praktiken des Halbzeug- Verbandes immer wieder das Allheilmittel eines uinfassenden Stahlverbandes angepriesen worden war, erfahren, daß es jetzt erst recht mit ihrer Eristenzfähigkeit vorbei war. Der Verband begünstigt die Ausdehnung kombinierter Werke, drängt auf Ver- schmelzung verschiedener Betriebe zu einem Unternehmen und schaltet die reinen Werke aus. In der Generalversammlung des Hasper Eisen- und Stahlwerks führte z. B. Direktor Klöckner aus. daß der Stahlwerksverband für daS Unternehmen zweifellos von Vorteil sei, aber die Festsetzung der Beteiligungsziffer habe doch zunächst die ungünstige Wirkung einer Erhöhung der Selbst- kosten, da bei der zugestandenen Quote die Leistungs« fähigkeit des Werkes nicht voll ausgenützt werden könne. Die Gesamtlage des Unternehmens gestatte jedoch für den Ausfall einen genügenden Ausgleich zu finden durch eigne Beschaffung der Rohmaterialien und durch eine erweiterte Aufnahme der Fertig- Produktion, kurzum, durch die Umgestaltung des Werkes zu einem regelrechten kombinierten Betriebe, mit kontinuierlichem Produktionsprozeß. Die Anlage eigner Hochöfen erbringt nach den von ihm vorgelegten Berechnungen eine Verzinsung des Anlage- kapitals von 1b Proz. Der Gewinn wird erzielt durch Frachtkosten- Ersparnis, geringeren Coaksverbrauch und Ausnutzung der Hochofengase. Daß die reinen Halbzeugwerke und die Fertigmdustrie, die' mit solchen Ersparnissen nich: rechnen können, durch die Konkurrenz der kombinierten Werke schließlich erdrückt werden, liegt auf der Hand. Einige interessante Angaben machte dann Herr Klöckner noch über die bisherige Entwicklung des Werkes in de» letzte» zehn Jahren. In dieser Zeit sind S'/. Millionen Mark für Neu-Anlagen verbraucht, und von dieser Summe rund vier Millionen Mark aus den Betriebsgewinnen entnommen. Die Produktion pro Kopf der Arbeiter stieg in der angegebenen Periode um 43 Prozent. Der Umschlag pro Kopf der Beschäftigten stieg um 44 Prozent; die Zahl der Arbeiter von 629 auf 1090. Wenn nun auch eine Lohnsteigerung uin 22>/, Prozent angegeben wird, so geht doch aus den mitgeteilten Zahlen deutlich hervor, daß die auf den Kopf der Arbeiter herausgewirtschaftete Gewinnquote ständig gestiegen ist. Das Münchener Brauereigewcrbe. Der Bicrabsatz der Münchencr Brauereien hat sich im letzten Geschäftsjahr nicht vermehrt, sondern eher einen geringen Rückgang erfahren. Nach einer Zusammen- stellung der„Allg. Ztg." haben die 23 Brauereien Münchens in 1993/04 insgesamt nur 1 318 Sb4 Hektoliter Malz verbraucht gegen 1 3S6 438 Hektoliter, 1 445 144 und 1 545 438 Hektoliter in den drei letztvorausgegangenen Jahren. Verläßlichen Mitteilungen zufolge hat aber, wie das Blatt hinzufügt, die in den Münchener Brauereien verwendete Gerste größere Ausbeute als im Vorjahre geliefert, sodatz die Biererzeugung kaum hinter der vorjährigen zurückgeblieben sein dürfte. Aber auch das wäre, verglichen mit dem Mehrabsatz, den die Brauerei-Jndustrie im ganzen infolge der dem Bierverbrauch günstigen Witterungsverhältnisse im abgelaufenen Jahre sicher zu verzeichnen hatte, an sich kein gutes Resultat. Der Export Münchencr Biere war größer als im Vorjahr, der Konsum in München selbst kleiner. Der schon einige Jahre andauernde Verbrauchsrückgang in München wird zu großem Teil auf die dort betriebene Anti-Alkohol- bewegung zurückgeführt. Der Ausfall verteilt sich auf fast alle Be- triebe, große wie kleine. Den größten Malzversud hatten: Löwen- bräu 232 769(1902/03: 237 646, 1901/02; 251238) Hektoliter, Spatenbräu 163 468(165 376, 177 508) Hektoliter, Lcistbräu 134 250 (142180, 157 025) Hektoliter, Augustinerbräu 114 530(125 754, 147 295) Hektoliter, Pschorrbräu 100 272(105 701, 112 105) Hekto- Itter, Bürgerbräu 89 895( 91 254, 92 963) Hektoliter, Hackerbräu 64 878( 68 804, 69 450) Hektoliter. Fette Dividende. Die Bleistift-Fabrik vorm. Johann F a b e r. Aktiengesellschaft in Nürnberg , erzielte im letzten Geschäftsjahr einen Rohgewinn von 768 919 M.<i. V. 764 344 M.). Nach Absetzung der Abschreibungen verbleibt ein Reingewinn von 560 556 M.<549 146 M.), wozu der Vortrag aus dem Vorjahre mit 47 583 M.(48 146 M.) tritt. ES. wird die Verteilung einer Dividende von 15 Proz. wie im Vorjahre vorgeschlagen, 43 487 M. sollen auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die wichtigsten Außenhandels« Verbindungen der Bereinigten Staaten von Amerika . Eine Betrachtung des Anteiles, welchen die einzelnen Weltteile mid Länder an dem Außenhandel der Vereinigten Staaten von Amerika haben, läßt erkennen, daß der Handelsverkehr der letzteren sich in der Hauptsache mit Europa abspielt. Europa bezieht fast drei Viertel der von der Union exportierten Waren. Etwas verzweigter sind die Wege des amerikanischen Einfuhrhandels. aber auch von ben eingeführten Waren lieferten die Länder Europas die reichliche Hälfte. Die Werte de« AuS- und Einfuhrhandels mit den zehn meist- beteiligten Ländern sind folgende: Ausfuhr Einfuhr In 1000 Dollar 1904 1903 1904 1903 Großbritannien ... 537 731 524 263 164 282 190 022 Deutschland... 213 724 193 842 109129 119 772 Kanada .... 131274 123 267 51406 54 781 Frankreich ...' 85006 77 235 81 134 90050 Niederlande .. 72148 73 246 19 593 22 869 Mexiko 45901 42257 43627 41314 Belgien ..... 49 841 47 088 23 232 22 567 Italien ...... 85 714 35 033 33 278 86 247 Kuba ...... 26 909 21 762 76 983 62 943 Britisch Australien .. 27 344 32 749 7 134 6 063 Einige sehr auffällige Unterschiede zwischen dem Ausfuhr- und dem Einfuhrverkehr mit einzelnen Ländern treten in vorstehenden Zahlen hervor. Thatsächlich sind die Unterschiede meist nicht so groß, sondern die Ungenauigkeiten der statistischen Erfassung der Herkunft und Bestimmung der Waren spielen dabei eine wichtige Rolle. Länder mit bedeutenden Umschlagshäfen werden nüt viel größereu Teilen der Ausfuhr oder Einfuhr statistisch belastet, als ihnen in Wirklich- keit zukommt. So wird ein großer Teil der Ausfuhr nach Rußland aus Rechnung Deutschlands , derjenigen nach Deutschland wiederum auf Konto der Niederlande gesetzt. Auch Großbritannien giebt einen großen Teil der nach seinen Häfen deklarierten amerikanischen Güter an andre Länder weiter. Immerhin ergiebt sich mit Sicherheit aus den obigen Zahlen, daß ungefähr die Hälfte der ganzen Ausfuhr der nordamerikanischen Union nach Groß- britannien und Deutschland geht, während beide an der Einfuhr der Vereinigten Staaten nur mit etwas mehr als einem Viertel be- teiligt sind._" Vermischtes. In der Angelegenheit der Prinzessin von Koburg schreibt unser Parteigenosse Reichstags-Abgeordneter Dr. Südekum der Frankfurter „Volksstimme" unter cmderm: „Im Jahre 1902 trat eines Tages ein bleicher und offenbar körperlich hart mitgenommener Mann in mein Zimmer in der Dresdener Redaktion, der mir einen Brief von Austerlitz in Wien übergab. Ich wußte sofort, daß ich Herrn Mattasich vor mir hatte, der damals gerade, zwei Jahre vor dem Ablauf seiner „Strafe", begnadigt worden war. Begnadigt, weil unsre öfter- reichischen Parteigenossen die Schande dieses Justizmordes den herrschenden Cliquen so schrill ins Gesicht geschrien hatten, daß sie Angst bekommen hatten; man wollte rasch verhüten, daß M. im Zuchthause zu Agram starb und daß damit dem naheliegenden Vcr- dachte eines direkten Mordes Thür und Thor geöffnet wurde. Mattasich wollte in Dresden eine Verbindung mit der Prinzessin Luise herzustellen suchen, da er ihr das Versprechen gegeben hatte, sie nicht aufzugeben. Aber für ihn kam es nicht darauf an, die Prinzessin zu befreien, sondern auch, sich ihre Zeugenaussagen für eine Wiederaufnahme seines skandalösen Strafprozesses zu sichern; eS mußte also versucht werden, mit Hilfe von Attesten unbefangener psychiatrischer Autoritäten die Entmündigung der Prinzessin auf- zuhcben. Dies das Ziel. Die Versuche, die Mattasich und ich im Jahre 1902 machten, der Prinzessin Luise zur Flucht aus Koswig zu verhelfen, hatten nur teilweise Erfolg: nach einer Unterredung, die die beiden mit- einander im Walde hatten, wurde die Internierte mit so großer Sorgfalt bewacht, daß ihr ein Entweichen unmöglich war. Aber eine Verbindung war doch hergestellt worden, und sie ist auch nicht wieder ganz unterbrochen worden— trotz des geradezu komischen Eifers, den das offizielle Sachsen auch bei dieser Gelegenheit an den Tag legte. Ich habe im Walde bei Koswig manche heitere Stunde verlebt, wenn ich aus sicherem Versteck die schnauzbärtigen Gendarmen aus der halben Amtshauptmannschaft Meißen auf ihren Streifen beobachtete. Mit welchen Mitteln man übrigens arbeitete, mag man daraus ersehen, daß der Prinzessin in Koswig, wie ich natürlich prompt erfuhr, Briefe übergeben wurden, die an- geblich ich ihr geschrieben hätte. Ich habe ihr nie auch nur eine einzige Zeile gesandt I Wie nach dem ersten Versuche dann immer neue unternommen wurden, wie neue Helfer sich zusammenscharten, das wird später einmal zu erzählen sein. Während ich die Angelegenheit nach meinem Wegzuge aus Dresden (Juli 1903) mehr aus dem Auge verlor, muß es Hern Mattasich gelungen sein, immer mehr Terrain zu ge- Winnen; darauf deutet die unwidersprochene Notiz in den Zeitungen, daß er neulich eine Unterredung mit der Prinzessin in der Dresdener Kunstausstellung gehabt hat; auch die allmählich bekannt werdenden Umstände lassen darauf schließen. Uebrigens hat dabei auch die Gefangene— denn das war sie— eine Geschicklichkeit und Entschlossenheit gezeigt, die nicht gerade zum Bilde eines„vcr- blödenden" Menschen passen." Vielleicht auf diese Mitteilungen stützt sich eine Wiener Nachricht, wonach die Prinzessin sich auf ihrer Flucht in Berlin in der Wohnung cincS socialdemokratischen Ab- geordneten aufgehalten haben soll. Diese Nachricht beruht auf einer Mystifikation. Zur Zeit sollen Ausgleichs- Verhandlungen schweben, deren Zweck ist, daß Prinz Philipp in die Ehescheidung willigt und die Prinzessin unbehelligt ihres Weges ziehen läßt. Man versichert, daß diese Lösung vom Kaiser Franz Joseph gewünscht werde. Zur Flucht der Prinzessin lesen wir in den„Münch. N. Nachr.": „Ter Aufenthaltsort der Prinzessin und ihres Verbündeten Herrn Mattasich ist zetzt festgestellt worden. Wie uns ein Privattelegramm aus Wien meldet, haben beide im Städtchen Winterthur in der Schweiz Aufenthalt genommen. Der Vertreter MattasichS, Advokat Dr. Stimmer, ist dort eingetroffen und überbringt, wie es heißt, Vorschläge für eine friedliche Lösung der Angelegenheit. Zugleich wird uns aus Dresden von zuverlässiger Seite gemeldet, daß die sächsischen Gerichte die Prinzessin unbehelligt lassen werden und auch Mattastchs nicht verfolgen lassen. Prinzessin Luise von Koburg, die angeblich schwachsinnige Tochter des Königs Leopold, hat durch ihr ganzes Verhalten in der letzten Zeit, durch die mehr als intelligente Art, wie sie ihre Flucht mit vorbereiten hals, ihrer Sache erheblich genutzt. Diese„Schwach- sinnige", die scharfsinnig genug war, auf Grund einer komplizierten Zeichensprache die Basis zu einem gewagten Fluchtunternehmen zu schaffen, hat ihre Begutachter glänzend widerlegt. Der Graz « Nervenarzt Dr. Paul Stiefvater ertlärt, daß man es mit einer Fehldiagnose zu thun haben müsse. Aus der ganzen wechseln- den Bchandlungsweise, die man der Prinzessin angedeihcn ließ, — tuan behandelte sie gut, wenn sie artig war, ließ sie die Land- straßen Sachsens per Kutschierwagen und Automobil durchrasen, wenn sie sich fügte, sprach ihr aber sofort jedes Recht von Bewegungs- freiheit ab, sobald ihren Wächtern etwas gegen den Strich ging— zieht Dr. Stiefvater den Schluß:„DaS Vertrauen, das man dieser „Schwachsinnigen" zeitweilig entgegenbrachte, spreche dafür, daß man an einen Schwachsinn, der die Notwendigkeit der AnHaltung in einer geschlossenen Anstalt dauernd bedingte, selbst nicht glaubte, denn kein seiner hohen Verantwortlichkeit bewußter Irrenarzt würde einer so„Schwerlranken", wie die Prinzessin es sein sollte, daS Vertrauen entgegengebracht haben, das die Prinzessin zeitweilig genoß. Zum Schluß sagt Dr. Stiefvater, daß der am meisten inZ Gewicht fallende Begutachter der Prinzessin, der Wiener Professor Dr. Wagner von Jauregg, sonst schroff den Standpunkt vertrete, daß geistig bloß minderwertige Individuen nicht in die Irrenanstalt gehören. Umsomehr müsse es auffallen, daß er den moralischen Scb»vachsinn der Prinzessin dauernd hinter die Mauern des Irren- Hauses wies."— Das Befremden über die Behandlung der Prin. zessin durch Herrn Dr. Pierson, der die Patientin bisweilen ganz ruhig in Konzerte, Theatervorstellungen, Läden und zu sonstigen Ausflügen entließ, ivar in der That von je gerade in Aerztekreiscn sehr groß. Unter diesen Umständen ist es interessant, die©ach. verständigen-Kommission wieder namhaft zu machen, die am 29. Februar 1004 das letzte Gutachten über den Zustand der Prin. zessin fällte. Tie Kommission bestand aus dein Wiener Professor Wagner v. Jauregg, dem Berliner Professor Friedrich Jolly , dem Geh. Medizinalrat Dr. Guido Weber, dem Direttor der sächsischen Landesirrenanstalt, Sonnenstcin, und dem belgischen Oberstabsärzte Dr. Leop. Melis. Aus Brüssel wird uns geschriess-n: Die Nachricht von der Flucht der Prinzessin Luise, der ältesten Tochter des belgischen Königs, hat in unsrem Lande weniger Aus- sehen gemacht, als man glauben möchte. Das sentimentale Drama, daS nun seine Lösung gefunden hat, war in allen seinen Akten längst bekannt und das Publikum hielt seit jeher fest an der Ueber- zeugung, daß sich die Flucht eitles Tage» unausweichlich vollziehen müsse. Die bürgerliche Presse freilich folgt mit weingen Ausnahmen der höstschen Order: möglichst Ivenig von dem Skandal Notiz zu nehmen. Vor der Flucht der Prinzessin hatte die bürgerliche Presse in ihrer Servilität für die Koburger und den köitiglichen Vater der Prinzessin Partei ergriffen. Alles was die Socialistenpresse von der Prinzessin zu erzählen wußte, wurde als antidynastische Verleumdung verschrien. Die Prinzessin, hieß es da, werde nicht festgehalten, sondern in einem angenehmen Hause und in aller persönlichen Freiheit gepflegt. Sie habe nicht die geringste Lust, ihren stillen Winkel zu verlassen und habe alle Beziehungen zu Mattasich abgebrochen, den sie als einen gewöhnlichen Abenteurer betrachte. Der König bekümmerte sich um seine Tochter deshalb nicht, weil sie frei sei und keines Schutzes be- dürfe. Aber die Wahrheit kommt an den Tag, da? Publikum bemerkt. daß eö hiiitergangen worden ist und stürzt sich heißhuitgrig auf die Nachrichten, die die focialistischc» Blätter veröffentlichen._ Man nimmt an dem Schicksal der Priiizessiii lebhaft Anteil._ Alle, die ihre Meinung frei sagen dürfen, ja selbst jene, die es eigentlich� n ich t dürften, sagen laut, daß das Land, das die Prinzessin ausliefern wollte, sich selbst entwürdigen würde. Schon hat auch die belgische Liga der Menschenrechte. an deren Spitze die angeseheusteii Professoren der Brüsseler lluiversität stehen, an unsre Gesandten die Aufforderung gerichtet. sich der Ausliefenmg der Prinzessin zu widersetzen, solange Nicht eine ärztliche Kommission mit kontradiktorischem Verfahren Licht in die Sache gebracht hätte. Auch will ein liberaler Deputierter nach der Wiedereröffnung der Kammer die Regierung über den Fall interpellieren.... Begreiflicherweise fragt sich ein jeder, was der König für seine Tochter thun werde. Jüngst meinte ein sehr geistreicher, aber trotz- dem sehr konservativer Jurist im Justizpalaste:„Wenn die Prinzessin in Sicherheit sein will, soll sie nach Belgien kommen. Das Volk wird dafür sorgen, daß sie nicht ausgeliefert wird, und sie wird länger in Belgien bleiben dürfen als ihr Vater". Das ist so ungefähr die allgemeine VollSstimmung! Wie», 6. September. (B. H. ) Die Gerüchte, die Prinzessin Luise von Koburg beflnde sich auf der englischen Insel Jersey , sind un- zutreffend. Ihre hiesigen Freunde erhielten die telegraphische Ver- ständigung. daß sie das Ziel ihrer Reise erreicht habe und vollständig geborgen sei. Wie», 6. September. (B. H) Von informierter Seite wird be- stätigt, daß zwischen den Vertretern MattasichS und dem Prinzen Philipp von Koburg Verhandlungen wegen Verständigung der beiden Parteien eingeleitet werden. In der Stadt Tesche«(Oesterreich ) ist nach Mitteilung der dortigen BezirkShauptmannschast eine Typhusepidemie aus- gebrochen, welche in Zunahme begriffen ist. Im Anschluß hieran giebt der Polizeipräsident von Breslau bekannt: Die Ursache dieser Massenerkrankungen wird in der Wasserversorgung dieser Stadt vermutet. Da infolge dieser Massenerkrankungen leicht eine vermehrte Verseuchung der Oder durch Typhuskeime eintreten kann, so nehme ich Veranlassung, auf diese Gefahr hiermit besonders hin- zuweisen und vor dem Genuß rohen und unfiltrierten Oberwassers ivicdcrholt eindringlichst zu warnen. Die Typhus -Epidcmic in Detmold nimmt einen immer größeren Umfang an. Ueber zweihundert Personen sind bereits von der Krankheit ergriffen. Alle öffentlichen Unterhaltungen� und Bergiiiiguiigen sind verboten, von der Abendmahlsfeier in den Kircheil wird wegen der Ansteckungsgefahr Abstand genommen. Ein Todes- fall ist glücklicherweise bis jetzt nicht eingetreten. Die Dewiolder Garnison wird im Sennelager bei Paderborn in strengster Isolierung gehalten. Die Baracken der Offiziere und Mannschaften sind mit Draht umzäunt, die Soldaten kommen mit niemand in Berührung. Das Brot wird bis an den Drahtzaun gefahren, die Parole wird über den Zaun hinweg gegeben. DaS OffizierScorps ißt in der Mannschaftskaniine. Eine Köchin ist nicht zu haben, weil an allen Ecken WarimiigStafeln mit der Aufschrift„Typhus " stehen. Der Postbote legt die Postsachen an der ersten Baracke nieder und läuft dann weg; die Briefe, die er abholen soll, werden ihm hingelegt. Im übrige» wird die Verbindung mit der Außenwelt lediglich durch ein Telephon hergestellt. Dienst haben die Mannschaften nicht. In den letzten Tagen sind zehn Mann in daS neue Lazarett in Pader- bonl eingeliefert. Wenn die Seuche nicht bald nachläßt, muß auch die Entlassung der Reservisten verschoben werden. Neber ein Eisenbahnunglück wird aus Metz gemeldet: In der vergangenen Nacht ist der um 1 Uhr 8 Minuten in Metz fällige Schnellzug 124 von Trier bei dem Vorort Montigny auf einen Güterzug gestoßen. Die Maschine liegt quer über dem Geleise. Es sind nur leichte Verletzungen vorgeiommen. Der Berkehr nach Amanweiler, Diedenhofen und Novsant wird durch Umsteigen aufrecht erhalten. Sprengung der Hniigersteiiie. Der„Sachs. Arb.-Ztg." meldet man aus Pirna : Beseitigt sind nnnmehr die vielaufgesuchten Hungersteine, deren Einzeichmingen so manches von schlimmen Zeiten der Trockenheit zu erzählen wußten. Das Wohl der Schiff- fahrt, für welche die Steine ein Hindernis bildeten, gab den Ausschlag, so daß man zur Sprengung und Entfernung der Steine schritt. Dingelstaedt (Eichsfeld ), 6. September. Heute nachmittag brach hier Feuer aus, welches eine große Ausdehnung annahm. Mehrere Straßen stehen bereits in Flammen, die katholische Hauptkirche ist vollständig verloren. Die Feuerwehren können infolge des Wasser- mangels und des herrschenden Windes nicht erfolgreich vorgehen. Marktpreise von Berltn am 5. September. Nach Ermittclungm des kgl. Polizci-Präsidtums. Für t Doppcl-Ccnwer: Weizen"), gute Sorte 17,75—17,72 M.. mittel 17,69-17,66 M.. gering- 17,63—17,60 M. Roggen"), gute Sorte 18.80-00.00 M.. mittel 00,00-00,00 M., geringe 00.00-00,00 M. Futtergerste»), gute Sorte 15,20-14,40 M., mittel 14.30 bis 13,60 M., geringe 13.40-12,60 M. Haler»), gute Sorte 16.60-15,80 M.. mittel 15,70— 14,90 M., geringe 14,80—14,10 M. Erbsen, gelbe, zum Kochen 40,00-28,00 M, Spcisebobnen. weihe 50,00-25,00 M, Linsen 60,00-25,00 M. Kartoffeln, 12.00-7.00 M, Richtstroh, 0.00-0,00 M, Heu 0,00-0,00 M. Für 1 Kilogramm Butter 2,60-2,00 M. Eier per Schock 4,00-2,80 M. ») Frei Wagen und ab Bahn.") W Bahn. Wasserstand am 5, September. Elbe bei Aussig — 0,95 Meter, bei Dresden — 2.18 Meter, bei Magdeburg — 0,07 Meter,— Unstrut bei Stranßsurt+ 0,00 Meter,— Oder bei Ratidor-s- 0,76 Meter, bei Breslau Ober-Pegel+ 4,62 Meter, bei Breslau Unter. Pegel— 1,68 Meter, bei Franksurt+ 0,30 Meter,— Weichsel bei Brahemünde+ 1,96 Meter.— Warthe bei Posen — 0,22 Meter, Netze bei Usch+ 0,30 Meter. Witternngsiiderftcht»am K. September 1004, morgens 8 lltzc. Stationen Äwlnemde. Hamburg Berlin Franks,«, M, München Wien «— 770 768 769 766 766 767 I S Sf SSO OSO OSO NO O N Wetter.Progno Setler üwolkenl 3>vollenl 3wolkcnl 2»volkenl swolkcnl 1 heiter ** S II E'i m a 14 13 14 14 10 14 Stationen Cork Merdeen Paris vi st -i� K». L? ee k> 9 13 14 13 ____ für Mittwoch, de« 7. September IVOS., Vorwiegend heiter, flocken und am Tage wann bei ziemlich lehbaftm südöstlichen Winden.