Der Eindruck der Trauerbotschaft ist wohl in der ganzen Arbeiter- schaft Italiens der gleiche: das Maß ist voll. So kann und darf es nicht weiter gehen, wenn nicht die italienische Arbeiterbewegung als Symbol der Ohnmacht und Schwäche der Geschichte überliefert Werden soll. Gleich nach Buggeru hatten die organisierten Arbeiter von M o n z a und Mailand angeregt, mit dem allgemeinen Streik auf das Verbreckien zu antworten..Mit der Gewalt soll man Ge- Walt zurückweisen", schrieb der, A V a n t i*. Andre Stimmen meinten, man sei nicht vorbereitet, man solle fiir künstige Fälle den Generalstreik bereit halten. Im heutigen„Avanti" schreibt Dugoni, es sei gräßlich zu denken: Wir warten auf neues Blut, und dann protestieren wir. Nun, wir haben ja nicht lange warten müssen. Es ist schon ver- gössen, das neue Blut, ruchloser, stevelhafter als bei allen andern Konflikten. Die Stunde ist da: jetzt handle man. Die Mailänder Arbeitskammer hat sich mit 109 Arbeitskammern und Organisationen in allen Teilen Italiens in Verbindung gesetzt, um alle Verab- redungen zu treffen. Das Maß war voll. Die neue Blutnachricht aus dem Süden bringt es zum Ueberlaufen. Es ist jetzt genug: um das Leben unsrer Arbeiter, um unser Recht auf Existenz müssen wir uns wehren. Soll etwa das Recht des systematischen Mordes Giolitti durch die thatenlosen Proteste der socialistischen Partei und der Gewerkschaften Italiens verbrieft und sanktioniert werden? Wir stehen am Vorabend ernster, sehr ernster Ereignisse, deren Verantwortung auf die fällt, die sie durch fortgesetzte Verhöhnung der elementaren Menschenrechte der Arbeit heraufbeschworen haben. Auf Befehl von Rom aus wurden die Carabinieri, die geschossen haben, verhaftet. Das ist nur der erste Schritt zur Dekorierung: die Braven werden ihre Orden bekommen.— ••' Dcutfches Reich. Die Gegenseitigkeit im Königsberger Prozeß. In der.D e u t s ch e n Juristen-Zeitung" ist von angeblich unterrichteter Seite be- hauptet worden, daß man in Berlin die amtliche deutsche Ausgabe des russischen Strafgesetzbuchs benutzt und an der. C e n t r a l- stelle" nicht gewußt habe, daß man in Königsberg eine g e- fälschte Uebersetzung des§260 des russischen Strafgesetzbuchs benutzt habe. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß diese angebliche Information falsch ist. Der preußische Justizminister hat eine der drei Uebersetzungen des russischen Konsuls übermittelt erhalten; das geht ans den Prozeßakten hervor. Aber es giebt noch einen andren Beweis, daß der preußische Justizminister nicht nur die amtliche Uebersetzung des Königsberger Generalkonsuls kannte, sondern auch sich mit dieser später vom russischen Botschafter bestätigten Auskunft begnügte. Er Hat'S nämlich selber gesagt, am 22. Februar 190t, im preußischen Ab- geordnetenhauS: .Zunächst jhatj der dortige russische Generalkonsul die amtliche Erklärung abgegeben, daß nach Maßgabe der russischen Gesetzgebung die Gegenseitigkeit für die Verfolgung derartiger Strasthaten auch in Rußland verbürgt sei... Die Staatsanwaltschaft hat dann... an mich darüber berichtet zum Zwecke der Inkenntnissetzung der russischen Regierung. Ich habe den Bericht pflichtgemäß weiter- gegeben an das Auswärtige Amt, das ihn dann der russischen Regierung unterbreitet hat. Die russische Regierung hat demnächst Strafantrag gegen die beteiligten Personen gestellt und dabei aus- drücklich durch ihren Botschafter erklären lassen, daß die Gegen- seitigkeit bezüglich gleicher Strathaten gegen die p r e u ß i s ch e sl) Regierung in Rußland verbürgt sei." Der russische Generalkonsul— der russische Botschafter, das waren die einzigen Gewährsmänner der.Centralstelle". Das Rettungsmärchen der»Juristen-Zeitung" ist demnach er- ledigt.— Ruhstrats Opfer» der Redakteur B i e r m a n n, ist nach Ver- büßung seiner zehnmonatigen Gefängnisstrafe wieder nach Oldenburg zurückgekehrt und, wie beruhtet wird, von einer ungeheuren Menschen. menge mit lautem Hurra empfangen worden. Auch vor seiner Wohnrmg wurden Biermann Ovationen gebracht. Ruhstrat weilt indes auch fern von Oldenburg , und wenn man seine Ankunft rechtzeitig erfährt, darf auch er eines zahlreichen Publikums gewiß sein, daS zu seinem Empfange bereit sein wird. Er wird aber schwerlich Verlangen tragen nach der ihn erwartenden Ovation. Wenn er auch gesagt hat:„Schreiben können Sie, so viel Sie wollen", so wird„Se. Dickfelligkeit" sich kaum dazu aus- schwingen, zu sagen:„Schreien können sie, so viel sie wollen I" Uebrigens tritt in den nächsten Tagen der oldenburgische Land- tag zusammen. Dort wird man unter allen Umständen mit oder über Herrn Ruhstrat reden, ob er will oder nicht.— Den Bericht über die Fraucnkonferenz mußten wir zu unsrem Bedauern infolge seines unerwartet großen Umfanges abbrechen und können den Rest erst in der nächster Nummer geben. Im Anschluß an die öffentlichen Verhandlungen fand am Sonntagnachmittag eine geschlossene Zusammenkunft der Delegierten statt, die von 3— S Uhr tagte und in der interne Organisationssragen besprochen wurden. Mirbach soll den Drang in sich gefühlt haben, sich zu recht- fertigen, aber nur, wie das„Verl . Tageblatt" versichert, vor einigen seiner Vertrauten; diesen habe er eine umfangreiche Schrift gesandt. Die„Vertrauten" des Herrn v. Mirbach haben doch immer behauptet, daß er ohne Fehl sei. Vielleicht sollen die Vertrauten erst ihre Meinung darüber sagen, ob die Oesfentlichkeit die„Rechtfertigung" mit der notwendigen Gutgläubigkeit aufnehmen würde. Leute, die Herrn v. Mirbach dieser Tage gesehen haben wollen, behaupten, daß daS„Herzleiden" dem Herrn vortrefflich bekomme. Er sehe nicht einmal von des Rechtfertigungsgedankens Blässe an- gekränkelt aus. TaS Direktorium des EentralverbandeS deutscher Industrieller hat in seiner Sitzung am 17. September eine Erklärung beschlossen, worin er unter Bezugnahme auf die Angelegenheit der Hibernia sich „mit aller Entschiedenheit gegen die Verstaatlichung bedeutsamer Zweige der privaten Gcwerbethätigkeit" erklärt. Er befürchtet, daß es bei der Verstaatlichung der Kohlenbergwerke nicht bleiben würde, wenn erst damit cmgefangen würde. Herr Jencke ist vom Vorsitz des Direktoriums zurückgetreten. An seiner Stelle wurde V o p e l i u s- Sulzbach gewählt. Als erster Stellvertreter Kirdorf- Rheinelbe und als zweiter Stellvertreter Regierungsrat König- Berlin. Chronik der Majcstätsbeleibigungen. Vom Landgerichte München l wurde die 39 Jahre alt« Wäscherin Anna Oberhauser wegen Beleidigung des Prinzregenten zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt. Sie hat aus Aerger darüber, daß sie nach dem Tode ihres Mannes aus der Schatulle des Re- genten eine geringere Unterstützung erhielt, als sie erwartet hatte, hier nicht wiederzugebende gröbliche Beleidigungen ausgestoßen und winde später von einem Wohnungsnachbarn, mit dem sie sich über- warfen hatte, denunziert. Ter Staatsanwalt hatte 1 Jahr(1) und sofortige Verhaftung beantragt. Die Würde der Gerichte muß ungeheuer gewinnen, wenn sie von dem Worte eines Denunzianten in Thätigkeit gesetzt werden können, ebenso wie die Würde der Majestät sehr gewinnen muß, wenn ihr Schutz nur einem häßlichen Racheakt zu danken ist.— Südwest-Afrika. Eine strenge Depeschen- Censur ist nunmehr auch auf unserm südwest-aftikanischen Kriegsschauplatz eingeführt worden. Gouverneur Leutwcin hat die Anordnung getroffen, daß für die Dauer des gegenwärtigen Aufstandes Veröffentlichungen über Truppen- bewegungen oder Verteidigungsmittel verboten seien, soweit nicht der Truppenkommandeur oder sein Beauftragter zu der Veröffentlichung seine Zustimmung erteilt habe. Zuwiderhandlungen sind mit einer Geldbuße bis zu 300 Mark oder mit Haft resp. Gefängnis bis zu drei Monaten bedroht. Der Erfolg dieser Anordnung hat sich bereits darin gezeigt, daß der Schcrl-Presse keine Originalmeldungen mehr zugegangen sind, während sie früher rascher zu berichten vermochte als die Regierung selbst. Vielleicht übt die Scherl-Presse jetzt deshalb eine so pessi- mistische Kritik an der südwest-afrikanischen Strategie, weil ihr der Nachrichtendienst abgeschnitten oder doch äußerst erschwert worden ist. Es könnte fraglich erscheinen, ob diese Nachrichtensperre hin- reichend begründet ist. Daß die Japaner und Russen eine solche Nachrichtensverre üben, bat seine sehr begreiflichen strategischen Gründe. Den Hereros hingegen dürften Nachrichten der deutschen Presse schwerlich die Möglichkeit geben, sich geplanten Angriffen zu entziehen. Der Erfolg dieser Nachrichtensperre wird deshalb nur der sein, daß die Nachrichten vom südwest-afrikanischen Kriegs- schauplatz nun nur noch spärlicher fließen.— Sehr pessimistisch über die jetzige Kriegslage urteilt auch ein Mitarbeiter der„Frankfurter Zeitung ", der im vorigen Jahre das südwest-aftikanische Gebiet bereffte. Derselbe meinte, daß eS schließlich vernünftiger wäre, die Hereros samt dem Rest ihres Viehes über die Grenze zu drängen, als durch neue wahrscheinlich mißglückende Einkreisungsmanöver nur noch eine größere Zer- sprengung der Hererobanden zu erreichen, wodurch dann die Kolonie in die Gefahr eines jahrelangenverzweiseltenKlein- k r i e g e s gebracht würde. Die Hoffnung, die Haupt schuldigen Häuptlinge zu erwischen, sei ohnehin eine sehr geringe.— Berichtigung. Im Leitartikel der Sonntagsnummer fehlt erste Spalte, dritter Absatz, letzte Zeile hinter„Proletariat" das Wort: „abzuschwächen".— In der zweiten Spalte, Zeile 18 von oben, muß es heißen:„Rechtssicherheit des einzelnen"(statt„Eigentums"). Parteitag der sotialdemokratlslhen Partei Aeiitschlauds. (Schluß aus der ersten Beilage.) Wolf-Bochum: Wenn es richtig wäre, daß das Verlangen nach einem ReichstagS-Abgeordneten als Referenten ein Armutszeugnis be- deutet, so würde auch Berlin sich ein Armutszeugnis ausstellen, denn die Berliner beanspruchen, wie ein Blick in den„Vorwärts" zeigt, nicht nur für öffentliche, sondern auch für Wahlvereins- und Gewerkschafts- Versammlungen häufig RcichstagSabgeordnete. Wie die Dinge ein- mal liegen, verspricht man sich draußen im Lande von einem Reichs- tagsabgeordncten oder, um ein Wort Auers zu gebrauchen, von einem Paradepferd eine große Zugkraft. Man kann es also den zurückgebliebenen Gegenden nicht übel nehmen, wenn sie Reichstags- abgeordnete verlangen. Wir wollen ja. wie ich einmal an einer Konferenz sagte, die Abgeordneten nicht als Parade- Pferde, sondern als Zugochsen.(Stürmische Heiterkeit.) Ich bin nicht derjenige, der glaubt, daß es jetzt, wo unsre Frattion so stark ist, leicht ist, Abgeordnete als Referenten zu bekommen, ich weiß sehr wohl, daß unsre Abgeordneten auch noch ihrem Benff nachgehen müssen, aber man soll eS nicht immer so darstellen, als ob nur von den zurückgebliebenen Gegenden Abge- ordnete gefordert werden. Noch eins: Wir sind seit Jahren in Erwägungen darüber getreten, ob wir für unfern Kreis nicht einen Beamten fest anstellen können, wir brauchen im Kohlenrevier eigentlich für jeden einzelnen Kreis einen Beamten, wir hoffen aber, daß wir bald in der Lage sein werden, aus eignen Mitteln einen Beamten zu besolden; wir wenden uns damit nicht an die Gesamtpartei. Ist aber die Gesamtpartei bereit, uns durch Anstellung eines Provinzial-Agitationsleiters zu Hilfe zu kommen, dann würden wir das dankbar acceptiercn. Die Verhandlungen werden wegen Eintritts der Mittagspause vertagt. Die Delegierten, die sich für die Alkoholfrage interessieren, treten nach der Sitzung zu einer Besprechung zusammen. Schluß 1 Uhr. Nachmittags-Siyimg. Vorsitzender Dieb eröffnet die Sitzung, indem er die aus dem AuSlairde erschienenen Genossen Franz Schuhmeier.Winarski , N e m e z und P'o p p aus Oesterreich und A S k e w aus London herz- lich willkommen heißt. Schuhmeier-Wien dankt fiir die Begrüßung: Wir sind erschienen, um Ihnen namens der österreichischen Genossen Gruß und Handschlag zu entbieten. Wenn wir in Oesterreich auch verschiedene Sprachen haben, so sind wir doch eines Sinnes und Herzens in der Sache, und diese ist es, die uns auch mit Ihnen verbindet. Be- sonders im letzten Jahrzehnt sind Sie sehr erstartt und haben mit Ihrer Entwicklung bewiesen, wie falsch es ist, zu sagen: so war es immer, und so wird es bleiben. Auch wir in Oesterreich sind um ein gutes Stück vorwärts gekommen. Wir haben die deutsche Socialdemokratte immer als Kriegsschule des Proletariats bettachtet. und so wollen wir auch diesmal von Ihnen lernen und dann das Erlernte für uns ausnützen. Und wenn man irgendwo zu lernen bestrebt sein muß. dann in Oesterreich , wo polittsche und Wirtschaft- liche Zustände herrschen, wie kaum in einem andren Lande Europas . Gegenwärtig ist das Regiment in Oesterreich ja etwa? lockerer. Daraus dürfen Sie aber keinen weitergehenden Schluß ziehen. In Oesterreich gelten nicht Gesetze, sondern Personen. Bei uns herrscht der Absolutismus , jetzt aber mit besonderer Schlamperei.< Heiterkeit.) Wir sind jetzt auf einer Sttlfe angelangt, wo unser ganzes politisches Leben zu versumpfen droht. Nur eine Partei hat bei uns immer ihr Programm hochgehalten, das ist die internationale Socialdemokratte. Personen zahlen bei uns nicht, die Sache steht oben an. Nock ein paar Worte im Auftrage der österreichischen ReichSratS -Fraktion. Wir haben ja nur ein Scheinparlament in Oesterreich . Wir haben nur ein Parlament, so lange es der Re- gienmg den Willen thut. Mit Neid sehen wir auf Ihr Parlament. i Heiterkeit.— Bebel ruft: Da sind Sie aber bescheiden!) Ja. denn Sie haben wenigstens die Möglichkeit, zu arbeiten, und die haben wir nicht. Ob wir in Oesterreich überhaupt einmal zum parlamentarischen Leben kommen werden, ist sehr fraglich. Gegen eine Forderung wie daS allgemeine geheime und direkte Wahlrecht, die die Zeit mit schreiender Notwendigkeit erheischt, sträubt man sich mehr und mehr. Es scheint, als ob wir heute von der Regelung dieser Frage entfernter sind als je. Unser Bürgertum fürchtet, seine Sitze im Parlament zu verlieren. Die Regierung ist überhaupt bei uns nicht gewöhnt, vor- wärtS zu schreiten. So kommen wir in Oesterreich absolut nicht vom Fleck. Bei uns strebt alles nicht zueinander, sondern auseinander. — Doch die Kurze ist des Witzes Würze. Ich will schließen mit dem Wunsche: Viel Glück zur Arbeit, die wir alle zusammen ver- richten wollen im Namen der Freiheit für die Arbeiterschaft und fiir das gesamte Volk.(Lebhafter Beifall.) Genosse A s t e w- London überbringt die Grüße der Social vemooratio?selsration. Zunächst erstattet nunmehr den Bericht der MandatsprüfungS- Kommission Frau Z i e tz- Hamburg. Auf Grund der Mandate, die unS zugegangen, und der An- Meldungen, die uns geworden sind, stelle ich fest, daß 279 Besucher deS Parteitages hier weilen, darunter als Gäste: Genosse Popp- Wien, Neinez-Prag und Askew-London . Es sind 225 Delegierte mit 258 Mandaten anwesend. 59 Abgeordnete, von denen 5 außerdem ein Mandat besitzen und von denen 5 weitere auch als Funktionäre der Partei anwesend sind. Außer diese» Funktionären der Partei, die gleichzeitig Abgeordnete sind, sind noch 7 anwesend, entweder in ihrer Eigenschaft als Partei- Vorstandsmitglieder, als Konttolatt«. oder als Vertreter der Presse oder von Parteigeschästen. Ferner sind unter den Delegierten 15 Frauen, und zwar eine als Gast, Genossin Popp aus Wien , ferner 13 Genossinnen mit Man- daten und eine als Parteisnnktionärin, Genossin Zetkin als Konttolleurin. Ich habe namens der Mandatsprüfungs-Kommission zu beanttagen, sämtliche Mandate für gültig zu erklären. (Bravo !) Allerdings ist uns ein Protest zugegangen aus dem neunten badischen Reichstags-Wahlkreise gegen das Mandat deS Genossen Fendrich. Er stützt sich darauf, daß in der Wahlkreis- Konferenz dieses Kreises zum ordentlichen Delegierten Genosse Horst- Durlach ernannt worden sei, daß dann aber außerdem dem Genossen Fendrich ein Mandat ausgestellt worden sei in dieser selben Wahl« kreis-Konferenz, weil Genosse Fendrich um das Mandat nachgesucht und versprochen habe, es unentgeltlich auszuüben. Die Partei- genossen erklären in demselben Protest das Mandat für ein sogenanntes Gcfälligkeitsmandat. Sie führen aus, daß die Ausstellung eines solchen Mandats die Würde des Parteitags herabsetze.(Sehr richtig!) Ein solches Verfahren würde dazu führen, daß Genossen, welche Geld genug zur Verfügung haben, um auf eigne Kosten zum Partei- tag zu gehen, Gelegenheit gegeben werde, einfach em Mandat kaufen zu könne».(Sehr richtig!) Die Mandate zum Parteitag würden so ihren Charakter als Vertrauensausträge verlieren. Diese Begründung des Protestes ist der Kommission schriftlich zugegangen. Eine weitere mündliche Anfechtung dieses Mandats stützt sich darauf, daß Genosse Fendrich gar nicht organisierter Parteigenosse sei. Auf unsre Anfrage hat Genosse Fendrich erklärt, er sei seit März-April d. I. wieder organisiert; inzwischen habe er allerdings 1'/, Jahre keiner Organi- sation zugehört und entschuldigt das damit, daß er damals abseits von der großen Heerstraße in einem kleinen Orte gewohnt und deshalb seine Parteimitgliedschaft nicht auftecht erhalten habe. (Lachen.) Auf eine Erkundigung beim Landesvertrauensmann ist ein Bescheid noch nicht eingelaufen. Bevor das geschieht, können wir das Mandat unter keinen Umständen für ungültig erklären. Das Rlandat ist ordnungsgemäß in der Kreiskonferenz ausgestellt. Wir sind allerdings in der Kommission einstimmig der Meinung gewesen, daß die Prorestler Recht damit haben, daß auf diese Weise zu stände gekommene Mandate nickt den Ausdruck des Vertrauens involvieren. (Sehr richtig!) Wir geben deshalb dem Parteitag anheim, bei der Beratung des Organisationsstatuts einen Passus ins Statut zu bringen, der derartige Ausstellungen von Gefälligkeitsmandaten unmög- lich macht. Zur Zeit haben wir eine solche Bestimmung im Statut nicht. Es ist auch noch nicht erwiesen, daß Fendrich zur Zeit der Ausstellung des Mandats nicht Parteigenosse war, obgleich es einen eigenartigen Eindruck macht, wenn jemand kurz vor den Wahlen znm Parteitag erst wieder Mitglied der Partei wird und dann gleich ein Ehrenrecht der Partei ausüben will.(Sehr richttg!) Aus rein formellen Gründen aber beantragen wir, auch dieses Mandat für gültig zu erklären. Eichhorn-Mannheim : Unser Organisattonsstatut giebt uns keine Handhabe, daS Mandat von Fendrich für ungültig zu erklären, wenn man nicht von dem geschriebenen Buchstaben absehen und den Geist gelten lassen will. Zweifellos will es der Geist des Statuts nicht, daß solche Gefälligkeitsmandate zu stände kommen, daß ein Genosse, dem etwas daran liegt, mal auf oen Parteitag zu erscheinen, auf diese Weise ein Mandat erhält. Wollten wir nach dem Geist des Statuts verfahren, dann müßten wir das Mandat für ungülttg erklären. Ich weiß nicht, wie die Genossen darüber denken und bin schon voll- ständig zuftieden, wenn die Debatte dahin führt, daß für die Zu- kunft im Organisationsstatut Fürsorge gettoffen wird dagegen, daß solche Gefälligkcitsmandate ausgestellt werden können. Es muß das Niveau des Parteitages herabdrücken, wenn die Delegierten sich auf eigne Kosten von Kreisen hierher entsenden lassen, die sonst keinen Delegierten schicken können.(Sehr richttg!) Das ist nicht die Art, wie wir den Parteitag zusammengesetzt zu sehen wünschen. Darüber, ob er endlich im Augenblick der Ausstellung des Mandats organisiert gewesen ist, ist noch keine Auskunft erteilt. Unser Statut giebt uns ja auch keine Handhabe zum Eingreifen, denn hiernach ist jeder, der die Partei dauernd unterstützt, Partei- genösse. Ich weiß aber, daß in Mainz diese Bestimmung dahin deklariert ist, daß diejenigen, die nicht durch zwingende Gründe abgehalten sind, sich zu organisieren— und solch« Gründe liegen bei Fendrich nicht vor— selbstverständlich organisiert sein müssen.(Zustimmung.) Ans diesem Grunde waren die Genossen in Pforzheim der Meinung, daS Mandat für ungülttg zu erklären. da Fendrich zur Zeit seiner Wahl nicht organisiert gewesen sein s»ll. Vielleicht empfiehlt es sich, die Beschlußfassung so lange auszusetzen, bis eine Antwort auf die Frage der Organisattonszugehörigkeit ein- gegangen ist. Genosse Fendrich: Es widerstrebt mir natürlich, in eigner Sache zu sprechen, deshalb nur wenige Worte. Eichhorn, der die Situatton so genau kennt, wie keiner, hätte manches sagen können, um die Sache in objektivem Lichte erscheinen zu lassen. Ich bin jetzt 16 Jahre in der Partei thättg und ich meine, wemr ein Genosse etwa anderthalb Jahre nicht organisiert ist, so muß das doch seine ganz besonderen Gründe haben. Ich war zwei Jahre schwer krank, dreiviertel Jahr lag ich fast tatäglich zu Bett in einem weltfremden Orte, nicht einmal in einem Dorfe, oben im Schwarz- wald, wo man leine Verbindung hat. Die Aerzte hatten mich auf» gegeben. In dieser Lage kann man doch wohl vergessen, einmal die Beittagsmarken zu kleben. In diesem Früh- jähr, als ich halbwegs wieder gesund war, zog ich nach Freiburg und hatte mich hier selbstverständlich organisiert. Ich bin seit dem 1. April in Freiburg organisiert. In dam Gefälligkeitsmandat erblicke auch ich eine Gefahr. Aber erstens trifft es gar nicht zu. daß mein Wahlkreis nicht in der Lage war. eine Vertretung aus eignen Mitteln zu schaffen. Zweitens gehöre ich nicht zu denen, die aus Ueberfluß an Geldmitteln nach Bremen reisen. Die Sache liegt doch so: Ich habe den Genossen in Durlach ganz ehrlich geschrieben: ich habe mich auf daß Feuilleton zurückgezogen. Es liegt in Bremen eine Anzahl Anträge auf Herausgabe einer Jugendzeitschrift vor. Das ist eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt. Wollt Ihr mir die Möglichkeit geben, für mich zu ivirken, dann gebt mir ein Mandat. Ich zahle die Kosten. Die Genossen in Durlach haben darin keine Gefahr gewittert und mir das Mandat gegeben. An Ihnen ist es zu entscheiden, ob das eine des Parteitages unwürdige Art der Ausübung eines Mandats wäre. Nicht aus eignen Interessen, sondern um Partei-Jnteressen willen bin ich hierhergekommen, um in einer Specialftage, von der ich etwas verstehe, mitzureden. Schöpflin beantragt, die Gülttgkeitserklärung des Mandats des Genossen Fendrich so lange auszusetzen, bis die Antwort vorliegt, ob Fendrich einer Organisation angehört. Vorsitzender Dietz glaubt, daß die gettennte Abstimmung über alle übrigen Mandate und das Fendrichsche Mandat den Schöpflin- che» Antrag überflüssig machen würde. Eichhorn-Mannheim hält es für richttger, über den Schöpflin- che» Antrag abzustimmen, da ja eine sofortige Ungülttgkeitserklärung des Fendrichsche» Mandats nicht beabsichtigt sei. Vorsitzender Dietz erklärt, nach diesem Abstimmungsmodus verfahren zu wollen. Damit schließt die Diskussion. In ihrem Schlußwort hebt Frau Zietz hervor, daß es fiir Fendrich, auch wenn er krank gewesen sei, Ehrenpflicht hätte sein sollen, der Partei- organisatton treu zu bleiben.(Zustimmung.) Es geht unmöglichan. daß «mand. der so lange seine Pflichten gegen die Partei vernachlässigt hat, kurz vor der Delegicrtenwaht sich wieder aufnehmen läßt.(Zuslinimung.) Fendrichs Getundheitszustand verbot ihm, an den Partei-Versamm- lnngen teilzunehmen, aber er erlaubte ihm. auf dem Parteitage zu erscheinen. Uebrigens stand seiner Wahl in der Wahlkreis-Konserenz eine starke Oppositlon gegenüber: er wurde ffnt U gegen 11 Stimmen zeivählt.(Hört, hört!) Ich hatte den Austtag, zu beantragen, ämtliche Mandate für gültig zu erklären aus formalen Gründen. auch daS Fendrichsche Mandat, falls es sich ergeben sollte, daß er organisiert ist. Daraus ergiebt sich von selbst, daß die Abstimmung über die Gültigkeit des Fendrichsche» Mandats so lange ausgesetzt werden innß. bis- die Auskunft des Landesvorstandes vorliegt. Der Parteitag beschließt, alle Mandate für gültig zu erklären mit Ausnahme des Mandates
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