üt. 229. 21. 3mm 2, Keilllge des„Borinörts" Kerliller Pollislilstl. 29 imEin Bild des Grauens.Die grausige That des Arbeiters Thomas S e u f e r.t, der am26. Februar sein eignes Kind hingeschlachtet hat, beschäftigte gesterndas Schwurgericht am Landgericht I. Den Vorsitz führte Land-gerichtsdireklor V o n h o f f, die Anklage vertrat StaatsanwaltR 0 h d e, die Verteidigung führte Rechtsanwalt G ö r r e s. DieEhe des Angeklagten wurde in einem Grünkramkeller insceniert. Erwar kinderloser Witwer, der 700 M. sein eigen nannte, sie warWäscherin, die nicht ungern hörte, daß der Witwer sich wieder ver-heiraten wollte, die Grünkramhändler vermittelten die Bekanntschaftder beiden, diese gefielen sich und so kam im Jahre 1901 die Ehe zustände. Die Frau brachte ihm ein unehelich geborenes Söhnchen,den jetzt siebenjährigen Arthur, mit in die Ehe, verscbwieg ihm aberdas Vorhandensein einer jetzt siebzehnjährigen unehelichen Tochter,und wenn diese zu Besuch kam, galt sie als die Nichte der Frau.Schon einige Wochen nach der Eheschließung zog der Unfriede insHaus und blieb darin als unliebsamer Gast. Es kam häufig zuZänkereien und Streitereien, die manchmal einen sehr heftigenCharakter annahmen. In einem Fall hat der Angeklagte die Füllungseiner Wohnungsthür zertrümmert, in einem andren Fall hat erseine Frau und diese ihn verprügelt. Er wohnte in der Pappel-allee 39, war bei einem Dachdecker beschäftigt und verrichtete in seinemHause die Dienste eines Portiers. Alach seinen Angaben im gestrigenTermin, deren Richtigkeit nicht zu kontrollieren war, da seine Frauvon dem Recht, ihr Zeugnis zu verweigern, Gebrauch machte, habeihm seine Ehefrau seine Häuslichkeit zur Hölle gemacht Außer demsiebenjährigen Arthur war noch ein in der Ehe geborenes Töchterchenim Hausstande. Wie der Angeklagte, der Grund zur Eifersucht zuhaben glaubte, behauptet, hat ihn seine Frau mit diesem Mädchen,das er sehr lieb gehabt habe, oft geärgert, indem sie ihn verspotteteund ihm immer wieder sagte: er solle sich nicht einbilden, daß dasKind von i h m sei. Er habe sich über solche Reden ganz besondersgeärgert, da er fest davon überzeugt sei, daß er der Vater des Kindessei. Er habe seiner Frau allwöchentlich fast seinen ganzen Verdienstabgegeben, sie habe ihn aber sehr schlecht versorgt und in derempörendsten Weise ihm beinahe täglich ihre Wneigung gezeigt.Diese sei so weit gegangen, daß sie häufig den Wunsch ausgesprochen:er möchte doch bloß mal vom Dache stürzen und tot liegen bleiben.dann würde sie zu einem andren Manne ziehen. Ende Februar warder Unfriede besonders groß. Seufert soll schon am 22. Februar, alswieder eine heftige Scene sich abgespielt hatte, Drohungen aus-gestoßen und gegen das kleine Töchterchen Gertrud gewütet haben.An demselben Abend gab es wieder Streit und als die Frau mit demkleinen Kinde weg ging, lief er ihr auf die Straße nach, suchte ihrdas Kind zu entreißen und soll dabei, ein Messer schwingend, gesagthaben:„Fetzt werde ich ein Mörderl" Die Frau schrie um Hilfeund da schlug ein auf den Hilferuf hinzueilender Mann den Ange.klagten zu Boden. Auf Zureden des Hauswirts vertrugen sich dieEheleute wieder, der Friede dauerte aber nur bis zum 26. Februar.An diesem Tage war die Frau mit dem Mädchen in den Germania-Ausschank gegangen und der Angeklagte hatte sie dort aufgesucht.Die Frau setzte sich aber nicht zu ihm, und als er ihr sein Bier anbot,wieS sie ihn mit den Worten zurück:„Ich trinke nicht mit Dir!" Daskleine Mädchen spielte mit dem Portemonnaie der Mutter, und alsdabei das Portemonnaie aufging, glaubte er darin einen Ring zubemerken, von dem er bis dahin keine Ahnung hatte. Das erregteseinen Verdacht und die Sache ging ihm im Kopf herum, namentlich,als er allein nach Hause ging, um das Gas anzuzünden und sichdann brütend in seine Wohnung begab. Er ließ sich dort von seinemSohn für 10 Pf. Schnaps holen, den er austrank, und setzte sichnieder, um die Zeitung zu lesen, während die beiden Kinder in dasgemeinschaftliche Bett gingen. Trudchen schlief bald ein, der sieben-jährige Arthur aber konnte nicht schlafen und hörte von seinem Bettaus. was im Nebenzimmer vor sich ging. Die Mutter war nachHaus«, gekommen und hchte sich gleichfalls zum Zeitungslesen nieder-gesetzt, dann war es wieder zu Streit gekommen, dessen Mittelpunktder Ring bildete. Die Mutter erklärte dem Vater, daß das, was erfür einen Ring angesehen, der Schlüssel zu ihrer Nähmaschine ge-Wesen sei. Da der Angeklagte sich hierbei nicht beruhigen wollte,ging die Frmwwiederum aus der Wohnung. Der Angeklagte legtesich darauf ins Bett. Nach kurzer Zeit sah der Knabe den Vaterwieder aufstehen. Er ging in die Küche, nahm ein Messer, wetzte esauf einem Schleifstein, den er unter dem Küchenspinde hervorholteund trat dann wieder in das Zimmer zurück. Mit Entsetzen sah derKnabe, wie der Vater mit dem Messer in der Hand an das Bettherankam und hörte, wie er, vor dem Mädchen stehend, sagte:„Trudchen, Deine letzte Stunde ist gekommen!" Der geängstigteJunge stahl sich aus dem Bett, floh um den Vater herum in die Kücheund auf den Flur und durch das Haus gellte sein Angstschret:„Mutter! Mutter! Vater ist mit dem Messer am Bett!" Da stürztedie Mutter, so schnell sie die Füße tragen konnten, die Treppen hin-auf, und als sie die Küche ihrer Wohnung erreicht hatte, trat ihr derAngeklagte entgegen, und mit den Worten:„Da hast Du Dein Kind"überreichte er ihr das von ihm auf ein Kopfkissen gelegte unglücklicheTrudchen, welches bereits tot war und eine furchtbare Schnittwundeam Halse zeigte. Der unmenschliche Vater hatte dem Kinde mit demMesser eine einzige liefe Verletzung beigebracht, die 7 Centimcterlang war und 4 Centimeter weit auseinander klaffte. Die Luftröhrewar glatt durchschnitten und der Schnitt war so tief, daß auch dieeine Zwischenwirbelscheibe noch getroffen war. Die Mutter brachtedas Kind unter lautem Wehgeschrei zur Unfallstation; dort konnteaber nur der Tod konstatiert werden. Als die Polizei kam stürztenNachbarsleute mit in die Wohnung und schlugen in ihrer Empörungauf den Angeklagten ein, den die Schutzleute vor dem Walten einerLynchjustiz schützen mußten.— Der Angeklagte ist nach dem Zeugnisder Polizeibeamten ganz ruhig und ohne ein Wort zu sagen, zurWache gegangen, hat kein Zeichen, das auf Trunkenheit schließen ließ,gegeben, hat auch anfänglich seine Unthat ohne weiteres zugegebenund erst als der Polizeilieutenant auf die Strafe hinwies, die aufMord steht, behauptete er, daß er das Kind nicht habe töten, sondernnur verletzen wollen. Dabei blieb er auch im gestrigen Terminder nur auf Totschlag lautenden Anklage gegenüber. MehrereZeugen stimmten darin überein, daß der Frau die Hauptschuld anden ewigen Zänkereien zuzumessen sei.— Auf Grund der umfang-reichen Beweisaufnahme gaben die Geschworenen ihren Wahrspruchauf schwere Körperverletzung mit tödlichem Er-folge unter Zubilligung von mildernden Umständenab. Der Staatsanwalt beantragte das höchste zulässige Strafmaß— fünf Jahre Gefängnis.Das Urteil lautete auf vier Jahre Gefängnis, wovonvier Monate durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt er-achtet wurden.SerUner Partei-Angelegenheiten.Achtung! Parteigenossen und Parteigenossinnen Berlins! Dienstag,den 4. Oktober, abends 8 Uhr, findet in allen Kreisen Berlins dieBerichterstattung vom Parteitag in Bremen statt. Wir ersuchen umzahlreiche Beteiligung an diesen Versammlungen.Die socialdemokratischen Vertrauensleute.Sechster Wahlkreis. Den Mitgliedern zur Nachricht, daß der2. Kassierer O. Bachgänger nach Prinzen-Allee 82 verzogen ist. DieZahlstelle, welche sich in seinem früheren Lokal befand, ist jetzt beiAug. Löwenstein, Stralsunderstr. 26.lokales.Zu den Stadtvcrordneten-Wahlen.Von den beiden Wahlbezirken dritter Abteilung, in denen eineStadtverordneten-Ersatzwahl notwendig geworden ist, wird der30. Bezirk sich auf einen recht lebhaften Wahlkampf gefaßt machenmüssen. Die Vorbereitungen dazu sind bereits im vollen Gange.Während im 22. Bezirk jGroße Frankfurterstraße und Umgegend)bisher noch alles still geblieben ist, werden im 30. Bezirk(GroßeHamburgerstraße und Umgegend) die Parteien mit der Aufstellungihrer Kandidaten bald fertig sein. Zuerst ist die Socialdemo-kratie auf dem Kampfplatz erschienen und hat unfern Partei-genossen Johannes Sassenbach den Wählern als Arbeiter-kandidaten präfenttert. Sassenbach, der schon bei den Stadt-verordneten-Wahlen von 1899 im 30. Bezirk kandidiert hatte.aber damals noch dem Freisinn unterlegen war, ist amFreitag voriger Woche in einer sehr stark besuchten öffentlichenWählerversammlung(über die wir in der Sonnabend-Nunrmer be-richtet haben) einstimmig von neuem als Kandidat aufgestellt worden.Als zweite rückt nun die sogenannte Bürgerpartei an undempfiehlt den antisemitischen Rechtsanwalt Ulrich, der schon malzwei Jahre hindurch für einen Moabiter Wahlbezirk Stadtverordneterwar, aber Ende 1901 einem Socialdemokraten Platz machen mußte.Am Dienstag ist in einer öffentlichen Wählerversammlung, die nurspärlich besucht war, seine Kandidatur von seinen Freunden proklamiertworden.Die B ü r g e r p a r t e i, die in der Stadtverordneten-Ver-sammlung in den 80 er Jahren eine- ganz stattliche Fraktton ge-bildet hatte, hat im Herbst 1901 ihre vorletzte, im Herbst 1903 ihreletzte Säule im roten Hause fallen sehen, besagten RechtsanwaltUlrich und den Fabrikanten Pretzel. Sie könnten nun eigentlich„genug haben", aber ihre Führer glauben noch einen Wieder-belebungsversuch machen zu sollen. Hierzu haben sie sich den 30. Bezirkausersehen, weil sie diesen einmal besessen haben. Er wurde ihnen späterdurch den Freisinn wieder abgenommen, aber sie rechnen stark darauf,daß sie ihn jetzt, nachdem der Platz durch den Tod deS freisinnigenMandatinhabers frei geworden ist, zurückerobern werden. In derVersammlung am Dienstag suchte Herr Pretzel zu zeigen, bei welchenFragen einer der Seinen im Stadtparlament„unentbehrlich" ge-Wesen sei bezw. sein werde— als Beispiele besprach er in an-mutigstem Durcheinander:„Linden"-Reitweg, Sttaßenschmückungbei Fürstenbesuchen, Straßenhandel, Warenhäuser. Gaspreise.Straßenbahn, Elektricitäts-Gesellschaft, jüdische Lehrer und Lehrerinnen,Hergabe von Schnlräumen an Vereine— und dann versicherte er,mit Hilfe des 30. Bezirks werde sich die Sache machen lassen.Herr Ulrich fügte hinzu, es handle sich hier um keine Zähl-kandidatur. Es solle mit aller Kraft gekämpft werden, und derKampf sei aussichtsvoll. Wer nach der Zahl der Versammlungsteilnehmerurteilen will, wird dem hoffenden Ulrich nicht beipflichten können.Trotz Einladung durch Zeitungen, Säulenanschläge und Briefe warennur 60 Mann gekommen. Man wird indes gut thun, sich durch denkläglich schwachen Besuch der Versammlungen unsrer Gegner nichtin Sicherheit wiegen zu lassen.Der bisherige Vertreter des 80. Bezirks gehörte zu der Stadt-verordneten-Fraktton„Alte Linke". Die„Alte Linke" wird dasMandat weiter beanspruchen, doch ist über den Kandidaten, den siebringen will, noch nichts bekannt geworden. Inzwischen hat sichaber ein ganz aparter Mandatbewerber eingefunden.ein Mann, von dem niemand recht weiß, zu welcher Richtung erhält. Herr Tischendörfer ist es— derselbe, der kürzlich dieallein wahre Wissenschaft für den Arbeiter entdeckt hat. Herr Pretzelwußte zu erzählen, daß Tischendörfer sich an die B ü r g e r p a r t e iherangemacht hat. Der bettiebsame Mann kam gelaufen: er habeals Kandidat die meisten Chancen, er fei auch als solcher bereitsvon seinen Freunden in Aussicht genommen; ob nicht auch dieAnhänger PretzelS ihn unterstützen möchten. Als seine Freundebezeichnete er die„Socialfortschrittliche Gruppe"der Stadtverordneten- Versammlung, jene sieben, die sichim vorigen Jahre von der„Neuen Linken" gettennt haben. HerrPretzel, der Antisemit, nahm keinen Anstoß daran, daß diese Gruppezu fünf Siebenteln aus Inden besteht. Er schlug Herrn Tischen-dörser bor, in einer Versammlung der Bürgerpartei zu sprechen;dann solle entschieden werden, ob man ihn unterstützen könne. DaSwar aber gar nicht nach dem Geschmack unsres Christian, der, wieman weiß, alle Parteibrillen haßt. Der Brave erwiderte, offizielleErklärungen seien ihm nicht erwünscht, da er befürchten müsse, daßdann seine social-fortschrittlichen Freunde auf ihn verzichteten. Erfühlte offenbar, daß es andre Leute als schimpflich empfindenwürden, den Wählern einen Mann zu empfehlen, der von jüdischenLiberalen und zugleich von antisemitischen Konservativen ins RoteHaus geschickt werden soll.Die Bllrgerpartei hat nicht Tischendörfer, sondern Ulrich zun«Mann ihres Vertrauens gemacht. Vielleicht werden nachträglich auchdie„Social-Fortschrittler" Herrn Tischendörfer den Laufpaß gebenund sich nach einer andren Persönlichkeit umsehen. Offen gestanden:uns wäre das lieb. Man muß sich ja im Wahlkampf mit manchemGegner herumschlagen, dem man sonst gern aus dem Wege geht,aber eine Kandidatur Tischendörfer möchten wir uns denn doch er-spart sehen. Stellt uns ehrliche Liberale, ehrlicheAntisemiten entgegen l Da weiß man wenigstens, woranman ist._Jenseits der grauen Wasserwüste des Gegenwartsstaates sucht derkühne Segler das Land der besseren Zukunft. Dieser Gedanke liegtdem schmucken Bilde zu Grunde, das als„Vorwärts"- Plakat jetztdie Anschlagsäulen schmückt. Unter den mannigfachen Erzeugnissender Plakatkunst verdient unser Bild einen Ehrenplatz; ohne sichmarktschreierisch geltend zu machen, lenkt es die Aufmerksamkeit derSttaßenpassanten durch seinen künstlerische» Wert auf sich. Ob eineöffentliche Ankündigung unsrem Blatte nöttg ist. wird sich mancherParteigenosse fragen? Gewiß ist sie das. Allerdings macht der„Vorwärts" der bürgerlichen Presse gegenüber insoweit eine AuS-nähme, als er ständig an Abonnentenzahl gewinnt, während die öffent-lichen Sprachrohre der bürgerlichen Parteien ihre Abonnenten an dieunparteiisch schillernde Sensattonspresse verloren haben und oft nurdurch Zuschüsse aus den Händen der Interessengruppen, von denensie gedungen sind, über Wasser gehalten werden können. Der„Vorwärts" hingegen hat seine Abonnentcnzahl innerhalb achtzehnMonate um fast dreißigtausend erhöht und erscheint jetzt in einerAuflage von weit über achtzigtausend Exemplaren. Kein einzigespolitisches Parteiblatt Berlins kommt dem unsrigen an Verbreitunggleich und nur die sogenannte unparteiische Presse wird stärker ge-lesen. Diese eben erwähnte Thatsache lehrt uns allerdings, nicht zurasten.Wo steht der Feind? der Feind? dahier IDen Finger drauf, den schlagen wir!Unser Ziel muß sein, auch die Sensattonspresse ans dem Feldezu schlagen. Dieser Vorsatz mag vermessen klingen; aberwäre in den siebziger Jahren wenigstens in bürgerlichenKreisen nicht auch der als ein Phantast verschrien worden, der dieProphezeiung gewagt hätte, daß dereinst die fortschrittliche, diekonservattve Presse vor der socialdemokratischen die Segel streichenmüssen? Auch das neue Ziel mutz genommen werden. So soll alsodas„Vorwärts"- Plakat als Anfeuerung dienen im Kampfe gegendie Gesinnungslosigkeit, gegen die Kriecherei, womit die dem Namennach unparteiische, in Wahrheit aber regierungsoffiziöse Sensations-presse die Bevölkerung korrumpiert. Das Plakat sei den akttvcnParteigenossen eine Mahnung zur Agitatton für unser Blatt in denweiten Bevölkerungsschichten, die sich von der oben gekennzeichnetenPresse an der Nase führen lassen, diesen Volksschichten selbst, dieheute noch die Sensationspresse unterstützen, möge es aber dasGetvissen schärfen. Vorwärts im Kampfe gegen die Charakterlosig-keit sei die Parole!Der Grunewald als Bolkspark. Zum„Volke" gehört nach staats-erhaltender Anschauung eigentlich nur der, der an der Auspowerungund Unterdrückung des Volkes ein Interesse hat. DaS Volk bildennach dieser Auffassung nur die Drohnen der Gesellschaft, und soist es durchaus zu verstehen, wenn z. B. in der„Deutschen Tages-zeitung" geschrieben wird, daß das sächsische Volk an der Wahlrechts-änderung lein Interesse habe, oder weit» die„Post" schreibt, daßman im Volke die angeblich gleichgültige Haltung, die die Regierungder„socialistischen Gefahr" gegenüber einnimmt, nicht verstehe.Diese Definition des Begriffes„Volk" scheint der preußischeFiskuS sich in einem besondern Fall zu eigen machen zu wollen.Seit Jahren geht in der Presse das Gerede, daß der GrunewaldVolkspark werden solle, ohne daß eigentlich klar wurde, wasdies neue Stichwort recht zu bedeuten hat. Zwar verlautete, daßder Grunewald als Volkspark großen Klimbim beherbergen solle.Automobil-Rennbahuen und Bierlokale, aus denen der Staat selbst-verständlich hohen Pachtzins ziehen werde. Aber das ist noch nichtalles. Jetzt ist's heraus, was es mit der„Erschließung" für eineBewandtnis hat.In hiesigen Blättern wird zu der Frage gemeldet:ES gilt als sicher, daß der gesamte nördliche Teil desGrunewaldes der Vernichtung anheimfallen wird. Es handeltsich um das Waldgcbiet, das begrenzt wird im Norden von derCharlottenburg-Spandauer Chaussee, im Westen von der Havel,im Süden von der künstigen Heer- und Prachtstraße und im Ostenvon der Villenkolonie Westend und der Trabrennbahn. Die ge-plante Prachtstraße nach Döberitz soll bekanntlich quer durch den•Grunewald führen und als ihr besonderer Vorzug wurde hervor-gehoben, daß dadurch den AuSflüglcrn der Besuch derverschiedenen Teile des Forstes erleichtert werde, besondersdann, wenn es gelingen sollte, durch eine Verlängerungder Hoch- und Untergrundbahn bis Süd- Westend undvielleicht gar bis zur Havel einen Schnellverkehr zu schaffen.Es war zu befürchten, daß die Umwandlung des Grunewalds ineinen„Volkspark" die Zerstückelung und teilweise Zerstörungdes herrlichen Waldes bedeuten würde, und daß namentlich das um-fmrgreiche, zwischen der geplanten Heersttaße und dem SpandauerBock belegene Waldterrain ernstlich bedroht sei. Wenn jetzt dasLandwirtschaftsministerium seine Bereitwilligkeit erklärthat, diesennördlichen Teil des Grunewalds preiszugeben und damit etwa2000 Morgen, also ein Waldgebiet von der doppelten Größe deSTiergartens, der B a u s p e ku l a ti o n auszuliefern, so magder Fiskus dabei ja ein ganz einttägliches Geschäft machen,der Gesanrtheit der Bevölkerung aber wird dadurch derschwerste Schaden zugefügt. Die Angelegenheit soll miteinem auffälligen Eifer betrieben werden. Die Vorarbeitensollen so schnell erledigt werden, daß der Verkauf von Bau-Parzellen schon im Laufe deS Jahres 1906 seinen Anfangnehmen kann.Der Grunewald als Volkspark bedeutet also, daß das Volk deroberen Zehntausend mehr noch als heute Gelegenheit bekommen soll,sich im Grunewald Villen zu bauen und daß bei dieser Gelegen-heit erstens der Fiskus ein glänzendes Geschäft machenund zweitens das Banspekulantentum Beute über Beuteeinheimsen wird. Bleibt dann am Ende noch für das Sonntags-Publikum eine Stätte zum Kaffeekochen und zum Karussellfahrenübrig,— selbstverständlich gegen Eintrittsgeld— dann ist derGrunewald als Volkspark fertig. Ein Stück Socialpolitik, das sichbisherigen Leistungen auf diesem Gebiete gemütvoll anschließt.Das Kuratorium des Vieh- und Schlachthofes genehmigte in derersten Sitzung nach den Ferien den Vorentwurf eines eignen Wasser-turmes, durch den die Kosten der Wasserbeschaffung vermindertwerden sollen, sowie eines neuen Darmhändlerhauses nebst Schweine-stall. Für die über den Viehhof führende Passage nach der Ring-bahnstation„Centtal-Viehhof" wird von der Eisenbahndirektion eineVerlegung geplant. Es sollen bereits Vermessungen stattgefundenhaben; das Kuratorium lehnte es ab, sich mit dieser Angelegen-heit zu beschäftigen, bevor sie von der Eisenbahndirektionentschieden ist. Ein Gesuch der Trichinenschauer um Fortzahlungdes Stücklohns während ihres Erholungsurlaubs wurde bewilligt.Die erforderliche Summe soll in den nächsten Etat eingestelltwerden. Die Anschaffung von Mikroskopen für die Fleischbeschauerauf Stadtkostc» wurde gegen die Stimme unsres Vertreters ab-gelehnt. Als Hauptgrund wurde angeführt, daß die Beschauer miteignen Instrumenten vorsichtiger und gelvisscrhaftcr umgingen.Wie wir seiner Zeit mitteilten, war zur Untersuchung vonMißständen im Schauamt, die durch unser» Vertreter und durchanonyme Zuschriften gerügt worden waren, eine Subkommission ein-gesetzt worden. Sie erstattete jetzt Bericht. Die Beschwerden deranonymen Zuschriften konnten trotz aller Nachforschungen nicht er-wiesen werden. Für die übrigen Beschwerden wurde Abhilfe ge-schaffen, auch wurden Vorkehrungen gegen Wiederholung der Miß-stände getroffen. In einem bestimmten Fall wurde Kündigungeines Vorgesetzten beschlossen. Ein Anonymus hat gedroht, überMißstände am Vieh- und Schlachthof eine Broschüre herauszugeben.Beweise für seine Behauptungen hat er nicht erbracht, eine Unter-suchung ist unmöglich._Mißhandlung eines Arbeiters auf dem Arbeitsnachweis der Kühnemänner.Bekanntlich ist eS die hauptsächlichste Aufgabe der von denOrganisationen der Metallindustriellen unterhaltenen Arbeitsnachweise,eine scharfe Kontrolle über die Arbeiter auszuüben und jeden vonder Arbeit auszuschließen, der sich, vom Unternehmerstandpunkt be-wachtet,„mißliebig" gemacht hat. Wer durch die Arbeitsnachweiseder Metallindustriellen gekennzeichnet ist, der hat in vielen Fällenüberhaupt keine Möglichkeit mehr. als Metallarbeiter inBerlin beschäftigt zu werden. Eine Beleidigungsklage, dieam Mittwoch vor dem Schöffengericht verhandelt wurde, zeigt, daßman auf dem Arbeitsnach loeis der Berliner Metall-Warenfabrikanten in der Dresdenerstraße selbst bor ungcsetz-lichen Kennzeichnungen der Arbeiter nicht zurückschreckt, und daß maneinen Arbeiter, der gegen derartige Kennzeichnungen Einspruch er-hebt, obendrein mit einer Tracht Prügel heimschickt.Der 18jährige Arbeiter L. meldete sich im April d. I.auf dem Arbeitsnachweis der Berliner Metallwarenfnbrikanten inder DreSdcnerstraße. und bei dieser Gelegenheit wurde ihm in seinArbeitsbuch ein Stempel des Verbandes der Berliner Metallwaren-gedrückt. Die Gewerbe-Ordnung verbietet bekanntlich