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Nr. 231. 21. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonnebrud, 1. Oktober 1904.

Die Wahl der Arbeitervertreter zu den unteren

Verwaltungsbehörden.

In nächster Zeit vollzieht sich ganz unmerklich, fast unter Aus­schluß der Deffentlichkeit eine höchst wichtige Wahl im Rahmen unsrer Versicherungsgefeße. Am Schluß des Jahres ist die fünfjährige Wahlperiode der Beisiger zu den unteren Verwaltungsbehörden ab= gelaufen und es erfolgen nunmehr die Neuwahlen.

Die Beifizer zu den unteren Verwaltungsbehörden werden zu gleichen Teilen aus dem Kreise der Arbeiter und Unternehmer ge= wählt. Die Funktionen dieser Vertreter bei den unteren Ver­waltungsbehörden sind für die Arbeiter von nicht unerheblicher Be­deutung. Die untere Verwaltungsbehörde bildet in dem Verfahren zur Erlangung einer Invaliden- oder Altersrente die erste vor bereitende Instanz, sie hat die Anträge auf Bewilligung einer Jn validen- oder Altersrente entgegenzunehmen, Anträge auf Renten­bewilligung oder Entziehung der Invalidenrente zu begutachten und zu prüfen. In allen diesen Fällen sind die Beifizer zur unteren Berwaltungsbehörde heranzuziehen, üben also einen Einfluß auf die Begutachtung solcher Rentenanträge aus. Es bedarf feines Hin weises, wie wichtig gerade diese Funktion bei der Rentenfestsetzung für die versicherten Arbeiter ist.

Die Bedeutung der Wahlen tritt aber noch mehr in den Vorder­grund, wenn wir berücksichtigen, daß die Beisiger bei den unteren Verwaltungsbehörden den Wahlkörper für die Wahlen der Vertreter zum Ausschuß der Landesversicherungsanstalt bilden. Der Ausschuß der Landesversicherungsanstalt wählt sodann die Vertreter zum Vor­stand der Landesversicherungsanstalt, die Beisitzer zu den Schieds­gerichten für Arbeiterversicherung, sowie die Arbeitervertreter, die von den Berufsgenossenschaften bei Erlaß der Unfallverhütungs­vorschriften hinzugezogen werden; und endlich wählen die Beisizer der Schiedsgerichte die nichtständigen Mitglieder zu den Landes­bersicherungsämtern und dem Reichsversicherungsamt.

Diese Wahlen vollziehen sich so, daß in allen diesen Körper­schaften die Vertreter der Unternehmer auf der einen Seite, die Ver­treter der Arbeiter auf der andern Seite einen geschlossenen Wahl­körper bilden, der je für sich seine eigne Vertretung bestimmt.

Es erhellt aus dem Dargelegten, daß die Arbeitervertretung einen Einfluß auf die Rentenfestseßung, die Rentenaufhebung, die Rechtsprechung und auch auf die Regelung zahlreicher wichtiger innerer Verwaltungsangelegenheiten der Versicherungsanstalten aus­zuüben vermag.

Es kommen bei diesen Wahlen 1406 untere Verwaltungsbezirle in Betracht, die nach dem Gesetz in der Regel je vier Beisiger aus den Kreisen der Unternehmer und der Arbeiter erhalten sollen, darüber hinaus hat die Versicherungsanstalt die Zahl der Beisizer zu bes stimmen. Nach der letzten Bekanntmachung waren bei den unteren Verwaltungsbehörden 12 380 Beisiger, mithin 6190 Arbeiterbeifizer zu den unteren Verwaltungsbehörden berufen.

Die Wahl der Beifizer vollzieht sich nun in einem sehr kompli zierten und sonderbaren Verfahren. Das Wahlrecht üben die Vor­stände der Krankenkassen aus, und zwar ist hierbei folgendes zu beachten:

Die Beisitzer zu den unteren Verwaltungsbehörden werden von ben Vorständen der im Bezirk der unteren Verwaltungsbehörde vor handenen Orts-, Betriebs-, Fabrik, Bau- und Innungs- Kranken­faffen, Knappschaftstassen, Seemannsfassen und andern zur Wahrung der Interessen der Seeleute bestimmten obrigkeitlich genehmigten Vereinigungen der Seeleute, sowie von Vorständen der freien Hilfs­tassen gewählt, welche die Rechte aus§ 75a des Krankenversicherungs­Gesetzes befizen( es scheiden also sogenannte Zuschußkassen aus). Das Recht haben aber auch nur die freien Hilfskassen, die ihren Aus­breitungsbezirk nicht über den der unteren Verwaltungsbehörde

GEWERBLICHE

HEISTUNGEN

ausdehnen. Es sind mithin nur die Vorstände der lokalen freien Hilfskassen, nicht die centralisierten Hilfskassen wahlberechtigt.

Sodann erhalten die Vertreter der Sommunalverbande sowie die Vertretungen der Gemeindekrankenversicherung*) ein Wahlrecht, das sich bestimmt nach der Zahl der Arbeiter, die keiner Krankenkasse angehören, aber versicherungspflichtig nach dem Invaliden­versicherungs- Gesez sind.

Das Stimmenverhältnis bei der Wahl wird entsprechend der Mitgliederzahl der Krankenkasse, für die der Vorstand wählt, be= rechnet.

Die Leitung der Wahl liegt der unteren Verwaltungsbehörde ob, in der Regel in den Landgemeinden dem Landrat, in größeren Städten, die einen eignen Bezirk der unteren Verwaltungsbehörde bilden, der Gemeindebehörde. Nachdem die Verwaltungsbehörde an die Krankenkassenvorstände die nötige Anordnung erlassen hat( Auf­forderung zur Wahl, Beigabe der Stimmzettel), hat der Vorsitzende der Krankenkasse den Vorstand zusammenzuberufen und im ge­sonderten Wahlgang für die Unternehmer und die Arbeiter die Wahlen vorzunehmen. Gewählt gilt vom Vorstand der Krankenkasse derjenige Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich bereinigt, bet Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Um nun unnötige Zersplitterungen bei der Wahl zu vermeiden, wird es notwendig sein, daß sich die Gewerkschaften oder Ge­werkschaftskartelle im Bezirk der unteren Verwaltungsbehörde mit den Vorständen der Krankenkassen über die gemeinsame Aufstellung von Kandidaten verständigen.

Das Central- Arbeitersekretariat hat bereits vor Monaten die An­regung zu den Vorbereitungen für diese Wahl durch Cirkular an die Gewerkschaftskartelle gegeben und es darf wohl die Hoffnung aus­gesprochen werden, daß nunmehr die Vorbereitungen beendet, die Auf­stellung der Kandidaten vollzogen ist.

Bemerken wollen wir, daß es auch nicht aussichtslos erscheint, in einigen Bezirken für die Wahl der Unternehmervertreter Vor­bereitungen zu treffen, da in einer Anzahl von Krankenkassen­vorständen socialpolitisch wohlwollende Unternehmer vertreten find. Was die Wählbarkeit der Vertreter anbetrifft, so bestimmt darüber das Gesez, daß die Hälfte der Arbeitervertreter am Siz der unteren Verwaltungsbehörde oder nicht in einer Entfernung über 10 Kilometer wohnen dürfen. Es kommt also nicht die Arbeits­stätte des aufzustellenden Kandidaten in Betracht, sondern der Wohnort. Es kann dabei eintreten, daß jemand zu einer Ver

*) Die Beteiligung an der Wahl ist übertragen in: Bahern: Verordnung vom 14. Dezember 1899§ 8: den Magi­straten der unmittelbaren Städte und den Distriktsräten, bei der ersten Wahl den Distriktsausschüssen.

Preußen: Bekanntmachung vom 24. August 1899 Biffer 7: den Kreisausschüssen, in Stadtkreisen den Magistraten.( Als weitere Kommunalverbände gelten hier die Kreise und in Hohenzollern die Oberamtsbezirke.)

Württemberg : Verfügung des Ministers des Innern vom 25. November 1899§ 14( Reg.-Bl. S. 1043): den Berivaltungen der Gemeinde Krankenversicherungen und Krankenpflege= Ver­sicherungen. Hessen : Ausführungsverordnung vom 13. Oktober 1899§ 8: Bürgermeisterei und Streistage. Oldenburg : Verordnung vom 14. November 1899§ 1: Amts­räten( Fürstentum Lübed: Regierung für den Landarmenverband, Fürstentum Birkenfeld ), Bürgermeistereiräte, nach Verordnung vom 15. November 1899,

Braunschweig : Magistrat Braunschweig , Kreisausschüssen. Gotha : Bezirks- Verwaltungsbehörden.

Schwarzburg- Sondershausen : Bezirksausschüssen. Lippe- Detmold: Amtsgemeinderäten, Magistraten.

sicherungsanstalt äge leistet, für die er in dem Bezirk der unteren Verwaltungsbehörde nicht gewählt werden kann, weil er nicht dort wohnt. Die Kandidaten dürfen nicht dem Vorstand der Landesversicherungsanstalt oder einem Schiedsgericht für Arbeiter­versicherung angehören.

Wählbar sind nur deutsche, männliche über 21 Jahre alte Personen; nicht wählbar, welche zum Amt eines Schöffen unfähig sind, d. h. welche durch strafrechtliche Verurteilung die Befähigung zu diesem Amt verloren, oder gegen welche das Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens eröffnet ist, das die Ab­erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, oder welche infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind.

Was den Wahltermin anbetrifft, so ist dieser fein einheitlicher für das Reich. Die Wahlverordnungen für Preußen und für den Bezirk der hanseatischen Versicherungsanstalt Lübed bestimmen, daß die Wahl vom 1. Oktober bis 15. November stattzufinden hat. In Baden finden die Wahlen im Monat Dezember statt; im Groß­herzogtum Hessen beginnen die Wahlen am 1. November d. J. Die übrigen Bundesstaaten haben feinen bestimmten Termin in ihrer Wahlverordnung festgesetzt, wahrscheinlich wird der Wahltermin hier durch die amtlichen Publikationsorgane noch bekannt gegeben; sicher ist, daß er im letzten Vierteljahre angesetzt wird. Zu beachten ist, daß die Wahlen nicht an einem Tage stattfinden, sondern sich über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen ausdehnen.

Wir möchten nun nochmals an unsre Organisationen das dringende Ersuchen richten, da wo die Vorbereitungen noch nicht er­ledigt sind, mit allem Eifer an die Erfüllung dieser so wichtigen Auf­gabe heranzugehen. Unfre Arbeiterorganisationen haben die Vers pflichtung, alles daran zu sehen, um eine Arbeitervertretung au schaffen, die den invaliden und hilfsbedürftigen Arbeitern helfend zur Seite steht.

Das Central- Arbeitersekretariat.

Wafferstand am 29. September. Ibe bei Auffig 0,53 Meter, bet Dresden 1,97 Meter, bei Magdeburg +0,22 Meter. Unstrut bet Straußfurt +0,75 Meter.Dber bei Ratibor +1,34 Meter, bei Breslau Ober- Begel+4,76 Meter, bei Breslau Unter- Begel 1,55 Meter, bei Weichsel bei Brahemünde+2,88 Meter, Frankfurt +0,62 Meter. Barthe bei Bosen 0,14 Meter. Neze bei Usch+0,39 Meter.

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