»t. 2B5. 21. mm* i. Stilllgt k$.lonörts" Kerlilltl Mlksdllllt.«-««- Nenes Material zum Herero-Aufstande. (Schluß.) Der südwestafrikanische Farmer fährt dann in der„Allgemeinen Deutschen Universitäts-Zeitung" fort: .... Damals, vor der Zeit Leutweins, verabfolgten die Ein- geborenen an Ort und Stelle betrügerischen Händlern ihre ge- bührende Tracht Prügel, indem sie solche Leute über die Wagendeichsel zogen.?robatum est! Später, wo geordnete Verhältmfse geschaffen werden mußten, mußte dieses probate Mittel leider aufhören. Und wie segensreich hätte es sich erwiesen, wenn dieses Mittel für solche Leute Gesetz geworden wäre! In den meisten Fällen hat wohl die Polizei von den Uebergriffen nichts erfahren; denn der Eingeborene, Haupt- sächlich der im Felde, erträgt dummerweise viel eher ein ihm zu- gefügtes Unrecht, als daß er die Sache der Polizei zur Anzeige bringt. Und so kommen wir zum zweiten Punkte: „Der Eingeborene vor Gericht." Wie viel mal hörte ich die Klagen:„Du sagst, wir sollen zur Station gehen und uns beschweren, wenn jemand uns Unrecht tut. Was hilft's? Wir sind ja nur Eingeborene, uns glaubt man nicht!" Welcher Vorwurf liegt nicht für uns Weine darin?! Wenn auch die Eingeborenen die Engel nicht sind, als welche sie sich ihren Missionaren gegenüber gewöhnlich vorstellen, das Empfinden hatten sie, daß ihrer Aussage, wenn überhaupt, doch nur ein verschwindend geringer Wert beigelegt zu werden pflegt. Nehmen wir zu Gunsten der höheren, mit Strafgewalt versehenen Beamten an, daß trotz dieser Klage von ihnen Recht als Recht gesprochen wurde ohne Ansehen der Farbe. Der Angriff richtet sich wohl mehr gegen die niederen Polizeiorgane, die in Unkenntnis der Sprache bei möglicherweise noch schlechtem Dolmetscher manches auf sich luden; zudem waren oft nicht die Edelsten bei der mangelhasten Bezahlung Polizisten. Mißverständnisse und mangelndes Interesse waren die notwendigen Folgen.... Wie gesagt, die Eingeborenen empfanden, daß von vornherein Polizisten, sofern sie in einer Aussauger- zone atmeten, darunter litten und ihren Aussagen weniger Glauben beizumessen beliebten wie denen von Weißen.... Nur kommt zu all dem, was meines Erachtens ein Kernpunkt der Gährung bildete, hinzu, daß in den letzten Jahren unter dem Zeichen des'Alkohols stehende Individuen Eingeborene aus nichtigen Gründen wie tolle Hunde niederschössen. Statt solche Leute dauernd unschädlich zu machen durch Einsperren in eine I r r e n a n st a l t oder in Zuchthäusern, gehen sie nach 1—2 Jahren bequemer und kostenfreier Unterkunst im Gefängnis als Gentleman wieder einher. Wo bleibt das Blut, das Blut verlangt? Diese Sühne verlangt das Hererogesctz für einen Mord und mehr oder minder kann ein Riederschießen doch nicht sein, wenigstens nicht in den Augen der Eingeborenen. Der letzte derartige Fall war der des verkrachten Kaufmanns Dittrich auf Omaruru . Statt solchen Mann nach Vollbringung seiner Tat in Haft zu b e h a l t e n, ihn den Augen der Herero zu entziehen, läßt ihn der Richter auf freiem Fuße, der Gentleman arbeitet als Buchhalter der Firma Nösemau» unter den Augen derer, deren Zlnverwandte er erschossen, auf Karibib weiter und findet nachher ein Gericht, das ihn— freisprach. Draußen vor der offenen Türe standen, die beteiligten Eingeborenen— die Kapitäne Zacharias und Michael mit ihren Großlcuten— denn um die leibliche Tochter des KapitänS Banju, die Frau des Stief- sohnes Zacharias handelte es sich, sie hörten, daß das Niederknallen ungesühnt bleiben sollte. Wenn ob dieses Spruches eine allgemeine Empörung nicht nur unter den Eingeborenen, fondern auch den rechtlich denkenden Weihen Platz griff, so dürfte es erklärlich sein, — die blutige Quittung, von welcher der als Staatsanwaltschafts- Vertreter amtierende Distriktschef von Karibib damals gesprochen, die angesichts solcher Fälle nur eine Frage der Zeit wäre, w i r haben sie drei Monate nachher erhalten. Was gilt noch die Aburteilung in höchster Instanz zu drei Jahren Gefängnis in den Augen der Eingeborenen, wenn ein solcher Zeitraum vom Tage des Mordes bis zur endgültigen Aburteilung ihrem Empfinden Raum geben konnte, daß ihre Angelegenheiten doch in anderem Lichte von den weißen Beisitzern besehen werden als die der Weißen. Wenn derartige Fälle nur Monate dauern, bis csie abgeurteilt werden, dann konnte noch von Glück gesagt werden; «ich kenne deren andere, wo Jahr und Tag verstrichen sind und sie harren noch immer ihrer Aburteilung. Wenn ferner, was dahin gestellt sein mag, ein Beisitzer unvorsichtigerlveise sich dahin geäußert haben soll, man könne um eines Eingeborenen willen den Dittrich nicht unglücklich machen, dann ist jegliche Erläuterung «überflüssig. Daher die Scheu der Eingeborenen, ihre Sachen vor das Gericht zu bringen. Ohnmächtig stehen solchen Urteilen der Gouverneur und die Polizeiorgane gegenüber, die geballte Faust bleibt ihnen wie den Anklägern. Diese Tatsache läßt sich nicht ab- streiten, sie ist zu offensichtlich, und da sollten ehrliche unparteiische Männer sich nicht�rühren, uni der Wahrheit der Verhältnisse die Ehre zu geben!„So und nicht anders steht es in Südwest, anders wird's nur, wenn den Elementen das Handwerk entschieden gelegt wird, die nur auf Raubbau bedacht sind."... Ueber die Behandlung der Eingeborenen im täglichen Leben kann nur gesagt werden, daß sie viel zu wünsche» übrig läßt. Aus sprachlichen Mißverständnissen erwächst zu leicht, vor allem bei Un- gebildeten, die Gewalttat, und die Folge davon, das Weglaufen der Eingeborenen. Dazu kommt noch das System vieler Weißen, den eingeborenen Arbeiter ebenfalls nur auszunützen, an dessen Wohl zu denken liegt ihnen fern. Der Eingeborene erhält seine Verpflegung, die noch mangelhaft, den Lohn bei Vielen nicht in bar, sondern in Waren, doch lediglich nur, um auch hieran wieder zu verdienen. Das sollte der Eingeborene nicht fühlen? Sollte er Interesse an dem Gut seines Herrn nehmen, wenn ihm selbst nicht das leiseste entgegengebracht wird? Ich habe jahrelang dieselben Arbeiter und sie sind treu, das haben sie in der schweren Zeit bewiesen, sie beweisen es heute noch. Und warum? Nur weil Strenge sich mit Milde paarte, weil ich in ihnen nicht das sah, was andere sahen, den Gegenstand der Ausbeutung.... Ich gehe nun zum letzten Punkt der Klagen über: „Die Farmvcrkäufe." Daß ein Kulturvolk, wie das deutsche, das zur Gründung von Kolonien schritt, nicht nur die Absicht dabei hatte, seine aufgewendeten Millionen lediglich im Sinne der Eingeborenen zu verwenden, sondern daß es von vornherein den Gedanken verfolgte, aus dem Lande nach Möglichkeit Nutzen zu ziehen, ist selbstverständlich. Aller- dings hätte ich es für besser gefunden, statt der.Schutzverträge" von vornherein den Standpunkt des Stärkeren zu vertreten: Wir wollen die Kolonien als unbestrittene» Besitz, ihr Eingeborenen müht zu unserer freien Verfügung all das überlassen, was ihr besitzt.(I) Unter diesem Gesichtspunkte hätte damals unter Aufgebot von 2—3000 Mann die Kolonie erobert werden müssen. Wenn dies zu jener Zeit verabsäumt wurde(d. h. zurzeit der Besitzergreifung), konnte später der Gouverneur im Reichstage, wo er nur mit Versprechungen die Volksvertreter zu vcr- trösten hatte, konnte er zur Entwaffnung der Eingeborenen 3000 Mann Verstärkung verlangen? Ich glaube, man hätte im Reichstage sich nicht wenig darüber entrüstet, vor allem auch schon wegen der Frage der Notwendigkeit der Entwaffnung.... Daß Land von den Herero verkauft werden mutzte, lag in dem Fortgange der Ent- Wickelung und in dem Umstände, daß die Gesellschaften mit Land- konzessionen und im Streben nach Landwucher Farmen zu einem schrecklich hohen Preise anboten und die Regierung Land nur in beschränktem Maße besaß. Die Art und Weise jedoch, wie sich die Farmverkäufe häufig vollzogen, sie war es mit. die böses Blut erregen mußte. Gewöhnlich suchten Händler und auch sog. Kaufleute sich die Gunst der Schnapstapitüne zu erwerben, gaben ihnen bei 3— SOO Proz. Verdienst Kredit, daß, wenn sie eine Ahnung gehabt hätten von dem, was sie damit für ihr Volk taten, ihnen die Haare zu Berge gestanden hätten. Waren die Kapitäne genügend in der Tinte, hatte man mit etwas Schnaps dann noch nachgeholsen und es verstanden, sich einige willige Großleute gleichen Schlages sür die Farmsache zu gewinnen, dann wurde ein Kontrakt aufgesetzt, die Schnapskavitäne und ihr Anhang unterschrieben— und die Folge davon war eine billige Farm. Ich kenne eine Firma, die ein Fürstentum sich, wenn nicht auf gleiche Weise, so doch auf ähnliche Weise„erworben" hatte. Ich kenne dafür andere, allerdings un- parlamentarische Bezeichnungen, die hier am Platze wären. Wenn dann diese Sorte Ansiedler noch„Glück" im Felde hatte, sei es, daß sie selbst handelten oder Händler schickten, dann konnten sie unter 20— 30 000 M. Reinverdienst jährlich ihre Bücher nicht ab- schließen. Bedenkt man das Kapital, das anfangs diesen Leuten zu Gebote gestanden, hört man jetzt, was der einzelne all dieser Leute vor dem Aufstande besessen haben will, dann muß man sagen:„Die wertvollste, die am meisten verkannte Kolonie ist und bleibt doch Süd- wcst", das Land, wo Milch und Honig flieht, das Land, wo man als Schmarotzer der Herero sich mästen konnte. Mit diesen Leuten konnte der ordentliche Farmer, der in bar sein Stück Land laufte, nicht in Wettbewerb treten, weil auf seinem Grund und Boden ihm die Last des baren Geldes ruhte, und er erst diesem das abringen mußte, was ihm zum Fortkommen dienen sollte. Wenn entschädigt werden soll, dann in erster Linie die Farmer, von denen die Wirt- schaftliche EntWickelung der Kolonie Nutzen zieht; denen aber, die als Händler der sonstwie als bessere Betrüger und Gauner unter den Eingeborenen bekannt waren, keinen Heller! Diese durch eine Kommission aus der Heimat an der Hand der Polizeiakten und der Aussagen der Herero selbst festzustellen, ist leichter, als man denkt...." Versammlungen. In der Versammlung des ersten Wahlkreises erfolgte die Bericht- erstattung von der Brandenburger Provinzialtonferenz durch die Genossen B o l z m a n n und Lucht. Ersterer sprach über die Ein- nahmen und Ausgaben sowie den Umfang der seitens der Agitations- Komnlission entfalteten Propaganda; Lucht über Presse und sonstige Verhandlungen sowie das ausgezeichnete Referat Stadthagens. Eine Diskussion fand hierüber nicht statt. Genosse Dr. Ar o u S erhielt darauf das Wort zur Berichterstattung vom Bremer Partei- tag. Er erklärt, daß er auf alle Verhandlungen des Partei- tageS nicht so ausführlich eingehen könne und hat sich zu eingehender Besprechung die beiden wichtigsten Punkte, Partei- Organisation und Kommunalprogramm vorbehalten, ans bereit Besprechung und Behandlung sich viel Neues und Jnter- essantes ergeben könnte. Speziell das Referat des Genossen Linbemanu und das von ihm im Auftrage der Partei aufgestellte lkommunalprogramm Iverden einen vorzüglichen Rahmen abgeben, in dem sich unsere Arbeit in den Gemeinden in Zukunft zu regeln hat. Der zweite Punkt, OrgauisatiouSstatut, zeigte schon durch die große Anzahl der eingegangenen Anträge, daß es nicht möglich sein würde, auf diesem Parteitage diese Sache zu verabschieden. Es wurde deshalb eine Kom- Mission von 23 Mitgliedern gewählt, die spätestens drei Monate vor dem Zusanmientrcten des nächstjährigen Parteitages einen neuen Organisationsentwurf auszuarbeiten und den Partei- genossen zu unterbreiten hat. In dieser Kommission sind alle Laiidesteile geeignet vertreten; besonders glücklich findet Redner die Wahl der beiden Genossen Freythaler für Berlin und Silberschmidt für die Provinz Brandenburg , da in dieser Wahl Gewerkschaft und Partei durch die besten Kräfte vertreten sind. Ilebcr die Mai- feier-Resolution ist nicht viel zu sagen, da sie sich fast Wort- lich mit der Münchener vom vorigen Jahre deckt. Interessant bei den Verhandlungen war, daß verschiedene Gewerkschaftler scharf gegen die Arbeitsrnhe zu Felde zogen. Bei den Berichten über den Amsterdamer internationalen Kongreß zeigten Bebel und Bernstein in ihren Ausführungen keinerlei Abweichung über den Wert der Verhandlungen. B ö m e l b u r g blieb es vorbehalten, interessante Beobachtungen mitzuteilen über das Verhalten der Gewerkschaften der verschiedenen außerdeutschcn Länder zu einander, und die Gegensätze, die dabei zu Tage traten. Das Gehalt der Parteisekretäre wurde auf Antrag Meisters um 60 Mark erhöht, doch sei der Modus der Abstimmung zu tadeln gewesen, der zu einem Zwischenfall Anlaß gab, an dem auch zwei Berliner Delegierte beteiligt waren. Der Fall Schippe! gab unseren Gegnern die Hoffnung, eine Neu-Auflage Dresdens zu erhalten. Wenn nun auch zirka acht Stunden darüber verhandelt wurde, so ist der Fall doch so geklärt, daß sich kein Gegner mehr darauf wird berufen können. Aus den weiteren Aus- führungen des Redners geht übrigens hervor, daß im Fall Schippel die beiden Delegierten des ersten Kreises nicht einer Auffassung waren, was sich auch in der beiderseitigen Abstimmung dokumentierte.— Die Kolonialkredite- Bewilligimg für den Hererokrieg und den abgelehnten Antrag Essen , sowie den Protest deS pommerschen Wahl- kreises gegen die Abstimmung der Fraktion bei der Gesetzesvorlage, betreffend Kaufmannsgerichte zog der Redner nunmehr in den KreiS seiner Erörterung und verteidigt den Standpunkt, den der Parteitag hierbei eingenommen hat, als er beide Antrüge ablehnte.— Zu der Frage des G e n e r a l st r e i k s übergehend, berichtet Arons, daß derselbe allgemein einer ablehnenden Haltung begegnete, trotzdem die Ereignisse in Italien eine Versuchung für die Freunde des Generalstreiks, diese Frage zu neuer ausführ- licher Besprechung zu bringen, nahe legten. Es ist nicht Auf- gäbe des praktischen Politikers, vorher darüber zu debattieren, was bei besonderen Veranlassungen, Aufhebung des gleichen Wahl- rechts und sonstigen Gewaltstreichen der Herrschenden zn geschehen hat. Nur ganz außergewöhnliche Fälle könnten Anlaß zu einer derartigen Abivehr bieten. Die Grundlage für den Erfolg liegt aber einzig und allein in der umfassendsten Aufklärung und Organisation der Massen der Bevölkerung. Der Antrag„Schulfrage', zu dessen Vertretung Redner beauftragt war, ist gefallen und einer Preußeukonferenz überwiesen worden. Es wäre zu wünschen, daß diese Konferenz zu einer dauernden Institution gemacht würde, Material ist reichlich vorhanden.— Antrag 92 des ersten Wahlkreises: Regelung der Gehälter der Buchhaudlungs-Angestellten, fand nicht einmal die Unterstützung der Berliner Delegierten; nur die zwei Abgesandten des ersten Kreises stimmten dafür. Der Antrag 105 der Elbiuger Genossen, den auch der erste Wahlkreis zu dem seinigeu gemacht hatte, nachdem weiter- gehende Anträge gefallen ivaren, gab auf dem Parteitage zu sehr heftigen Ablehnungen seitens verschiedener Redner Anlaß: ES sei unmöglich zu verhindern, daß durch eine derartige Agitation namen- loseS Unglück über eine große Zahl von jungen Leuten gebracht wird. Der Vorschlag AronS, den Antrag dem Partei- vorstände zur Erwägung zu überweisen, wurde ebenfalls von Fischer, Schöpflin und Molkenbuhr sehr entschieden bekämpft und abgelehnt. Das einzige, ivas von dem Antrag 106 übrig blieb, war' eine Resolution, an der dem Redner besonders der Zwischensatz sehr wichtig erscheint, daß die Kameraden sich auch selbst nicht an den Mißhandlungen beteiligen mögen, wie es leider so oft schon seitens der älteren Mannschaften geschehen ist und gericht- lich festgestellt wurde.— Zum Schluß forderte der Redner die Partei- genossen auf. sich das ganze Jahr mit der Arbeit für den nächsten Parteitag zu beschäftigen und zu beraten, welche Forderungen zu stellen sind, und dies nicht solchen Genossen zü überlassen, die sich sonst an der Mitarbeit nicht beteiligen, aber am Tage der Partcitags-Versainmlung erscheinen und nun oft Anträge produzieren, die dem Parteitag, wenn sie Unterstützung finden, nur unnötige Arbeit machen. In der Diskussion tadelte zunächst Hahn, daß Arons gegen die Vebel-Resolution, Schippel betreffend, gestimmt hat, so daß zwischen den beiden Delegierten des Kreises eine Spaltung bestand. Gnttmann wundert sich, daß über den Antrag 106 seitens Bebels und anderer Delegierten in einem solchen Schulmeisterton hergezogen wurde, und machte seinen Unwillen darüber lebhaft und in'längeren Ausführungen kund. Er ist auch einpört, daß Arons jetzt ebenfalls den Antrag 106 fallen läßt, während er v o r dem Parteitag wesentliches nicht dagegen vorgebracht hätte. Auch in der Frage des Generalstreiks steht 65. auf dem Standpunkt, daß es wohl notwendig sei, denselben zu debattieren, und daß wir besonders aus den Vorgängen in Italien unsere Lehren zu ziehen hätten. Genosse Dr. Karl Liebknecht steht ebenfalls im scharfen Gegen- satze zu den Ausführungen des Referenten, besonders inbezug auf den Antrag 106. Wenn auch die Behandlung dieses Antrages auf dem Parteitage eine ganz zweckmäßige war, was er im Gegensatze zu Giuttmann gern anerkenne, so sei doch unverständlich, daß sein Eventualantrag so schnöde behandelt wurde. Er müsse seitens der Delegierten total mißverstanden worden sein, oder die scharfen Worte Fischers und der anderen Redner haben ihnen in den Gliedern gesteckt. Eingehend beschäftigte sich Redner nochmals mir dem Inhalt und Wert der bezüglichen Anträge und Debatten. Wichtiger noch als dieser Antrag ivar die Generalstreikfrage. Auch hier wendet sich L. gegen Arons' Stellungnahme und verirrt sich dabei auf die Vcr- Handlungen des österreichischen Parteitages. Auch er besteht auf die Notwendigkeit der Propagierung dieses Kampf- mittels und weist darauf hin, daß die Gewerkschaftler sich verschiedentlich energisch dagegen ausgesprochen haben und uns gegebenen Falls im Stiche lassen könnten, wenn die Frage der Anwendung an uns herantreten würde und uns unvorbereitet fände. Uebrigens unterscheidet Redner scharf zwischen Generalstreik und politischem Massenstreik, welch letztere Bezeichnung die richtigere und für die politischen Organisationen in Frage komme. Agitation und Organisation seien wohl Waffen, denen aber in besonderem Falle noch eine schärfere Waffe zur Seite stehen müsse, und das sei der Massenstreik. Eine Perspektive für die Zukunft sei diese Idee, von der alle Organisationen durchdrungen werden müsse», dann hat der Bremer Parteitag segensreich gewirkt, Bahn beantragt, sich mit den Beschlüssen des Parteitages einverstanden zu erklären, während ein Antrag Steuermann sich die Miß- billigung der Behandlung deS Antrages Liebknecht, betreffend die änti'militaristische Propaganda unter der Jugend, vorbehält.— Im Schlußwort geht Genosse Dr. Arons in recht ruhiger und sachlicher Weise auf die Angriffe der Vorredner ein lind widerlegt vor allen Dingen die Ausführungen, die auf die guten Erfahrungen mit der sozialistischen Jugenderziehung in Oesterreich hinwiesen. Er wendet sich nochmals gegen die Absicht, den Masseilstreik in langem vorzubereiten und zu diskutieren. Nur Agitation und Organisation sind unsere Waffen. Stach persönlichen Bemerkungen Gutt mannS und Dr. Karl Liebknechts wird der Antrag B o h n angenommen, durch lvelchen sich die Versammlung mit den Beschlüssen des Parteitages ein- verstanden erklärt. Zweiter Wahlkreis. Die Generalversammlung des Wahlveveins tagte in der Bockbrauerei. Den Bericht von der Provinzialkoufcrenz erstattete Genosse R e i m a n n, der einen kurzen Ueberblick über die Verhandlungen der Konferenz gab. H e n s e l, der in der Dis- kusfion das Wort nahm, wünschte, daß sich die Berliner Delegierten mehr au den Debatten, besonders bei der Organisationsfrage, be- teiligt hätten, um die Ansichten der Berliner Parteigenossen zu ver- treten, die ja doch hauptsächlich das Geld fiir die Agitation in der Provinz aufbringen müßten. Eine Zentralorganisation für die ganze Provinz hält der Redner nicht für angebracht, wohl aber eine Zentralisation der einzelnen Kreise.— Nachdem noch Hinze zu diesem Punkte gesprochm hatte, nahm die Versammlung die Berichte der Delegierten vom Parteitage entgegen. Schneider, der über die drei ersten Punkte der Tages- ordniing berichtete, gab eine Uebersicht über die Verhandlungen und bemerkte, daß die Delegierten des Kreises für Antrag 106, eine be- sondere Agitation unter der militärpflichtigen Jugend zu entfalten, nicht stimmen konnten, weil der Antrag, wenn er angenommen worden wäre, voraussichtlich bald wieder hätte aufgehoben werden müssen. A n t r i ck referierte über den parlamentarischen Bericht, die Maifeier und die Kommunalpolitik. In der Debatte über den parla- mentarischen Bericht seien drei Punkte hervorgetreten: Die Haltung der Frakriot» zum Hererokrieg, die Stellung des Pommerschen Provinzialtages zu den Sozialgesetzeu und die Angelegenheit Schippel.— In der Hevero-Angclegenheit habe sich der Parteitag mit der Haltung der Fraktion einverstanden erklärt. Redner be- merkte, daß er persönlich hierin anderer Ansicht sei. Er glaube aber, daß die Kritik, welche die Stimmenthaltung der Fraktion gefunden hat. dazu beitragen werde, daß die Fraktion künftig in allen der- artigen Fragen von vornherein eine Haltung einnehmen werde, die unserer Stellung zur Kolonialpolitik entspricht.— Die Gründe, tvelche Körsten namens des Pommerschen Provinzialtages dafür an- führte, daß wir für a l I e sozialpolitischen Gesetze zu stimmen hätten, seien nicht neu, sie seien von unseren Gegnern oft geltend gemacht worden. Dieser Standpunkt sei ein rückstandiger, den wir uns nicht zu eigen machen dürften.— Ausführlicher ging der Redner auf den Fall Schippel ein. Er erläuterte die Entstehung desselben und sagte dann mit Bezug auf den Beschluß des Parteitages: Es gebe Leute, welche hoffen, daß Schippel aus dem Mißtrauensvotum, welches ihm der Parteitag erteilte, die Konsequenzen ziehen werde. Er, Redner, habe in dieser Hinsicht eine andere Meinung von Schippel. Was er zu dieser Angelegenheit in Bremen sagte, halte er aufrecht.— Ueber die Maifeier brauche er nichts weiter sagen; der Beschluß sei so ausgefallen, wie er der Ansicht der Mehrheit der Parteigenossen entspreche.— Tie Kommunalpolitik sei wegen der vorgerückten Zeit in der Debatte sehr kurz behandelt worden. Gegen die Resolution Lindemann ließe sich manches sagen. Wenn sie zum aktuellen Partei- Programm erhoben werden sollte, dann würde wohl mancher Partei- Ort Bedenken gegen die Durchführung erhoben haben. So kurz die Verhandlung über diesen Punkt auch war, so habe sie doch gezeigt, daß wir auf dem Gebiete der Kommunalpolitik noch viel zu lernen haben.— Auch im allgemeinen sei die theoretische Schulung und systematische Bildung unserer Parteigenossen notwendig. Zu unseren jetzigen Führern könnten wir ja mit Vertrauen aufblicken. Es könne aber die Zeit kommen, wo andere Leute die Führung übernehmen, denen wir nicht mehr unbedingt vertrauen können. Für diesen Fall müßten die Parteigenossen durch gründliche Bildung befähigt werden, sich über alle wichtigen Fragen ein eigenes Urteil zu bilden, so daß sie nicht mehr nötig haben, den Führern mit blindem Vertrauen zu folgen. Der dritte Delegierte, Fritz Karl, besprach die übrigen Punkte der Tagesordnung des Parteitages. Dann folgte die DiS- kussion. Schneider ergänzte seinen Bericht noch, indem er die Haltung der Delegierten des Kreises zu der Erhöhung des Gehaltes der Parteisekretäre begründete. Die Delegierten hätten ihre Er- klärung: Sie würden bei einem anderen Abstimmungsmodus gegen die Gehaltserhöhung gestimmt haben, deshalb abgegeben, weil sie wissen, daß die Berliner Genossen die Gehaltserhöhung, weil sie un- vermutet kam, nicht bewilligt haben würden. Persönlich sei er dafür, daß die Sekretäre wirtschaftlich gut gestellt werden, er meine aber, die Kontrolleure hätten den Antrag früher stellen sollen, damit die Genossen dazu Stellung nehmen konnten. L ü d k e hält die zum Fall Schippel angenommene Resolution für nicht weitgeheied genug. Wer so wie Schippel gegen die Grund- sähe und Gepflogenheiten der Partei verstoßen habe, der dürfe keine führende Stellung in der Partei einnehmen. Zu solchem Führer könne die Masse der Parteigenossen kein Vertrauen haben. Redner
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