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Dr. 248. 21. Jahrgang. 4. Itilpjt desAmiirls" Kcrlim AldsM Freitag, 21. Oktober 1904. Genoffen und Genossinnen Berlins und der Vororte! Sonntag früh 8 Uhr Flttgblattverbreitnttg! Eine Schlachten-Pause ist gegenwärtig auf dem mandschurischen Kriegsschauplatz eingetreten. Kuropatlins letzte Nachrichten wissen von neueren erheb- lichen Kämpfen nichts zu melden. Meldungen russischer Korrespondenten über neue große russische Erfolge, bei denen durch einen überraschenden Angriff ans zwei japanische Divisionen 8000 Japaner gefangen genommen worden sein sollen, sind ebensolche Tatarennachcichten wie die Meldungen der letzten Tage über ein Durchbrechen des japanischen Zentrums und eine völlige Wende der Schlacht. Auch General O y a m a meldet leine neueren kriegerischen Vorgänge. Er teilt im Gegenteil mit, daß der 19. Oktober ein Ruhetag gewesen sei und daß diesem Tag der Ruhe aller Wahrscheinlichkeit nach noch nichrere Ruhetage folgen würden. Die Situation ist also die, daß durch die zehntägigen ungeheuer schweren Kämpfe beide Armeen derartig erschöpft worden sind, daß von einer Offensive nicht mehr die Rede sein konnte. Immerhin wird diese Schlachtenpause aller Voraussicht nach nur wenige Tage währen. Dieser Auffassung ist man auch in Petersburg . Dort be- hauptet man, daß die Spitzen des seit Mitte September im Antransport befindlichen achten Armeekorps sich bereits Mulden näherten. Bis zu dem vollen Eintreffen dieses Armeekorps würden jedoch iunnerhin noch drei Wochen vergehen. Es sei des- halb unwahrscheinlich, daß die Japaner warten würden, bis die russische Armee um dies neue Armeekorps verstärkt worden sei. Mit Bestimmtheit wird man allerdings auf eine baldige neue Schlacht nicht rechnen können, da es ja unb ekannt ist, welche Verstärkungen die japanische Armee ihrerseits erwartet. An denr Scheitern der russischen Offensive im vollsten Umfange wird also auch in Petersburg nicht mehr gezweifelt. Die russische Niederlage ist nicht nur wegen der ungeheuerlichen Verluste der russischen Arinee eine vernichtende, sondern vor allen Dingen auch deshalb, weil nicht nur Kuropatkin die siegreiche Offensive prahlend angekündigt hatte, sondern weil man auch in Petersburg selbst der felsenfesten Zuverficht lebte, daß die Japaner durch den Angriff der überlegenen Armee Kuropatlins eine zerschmetternde Niederlage er- leiden würden. Schrieb doch damals, als die russische Offensive ein- setzte, die.N o w o j e W r e m j a": »Es werden Vermutungen ausgesprochen, daß angesichts unseres unbedeutenden numerischen Urbergewichtes, 225 009 gegen 200 000, die Japaner uns entgegentreten und sich nicht auf eine passive Verteidigung beschränken werden. Darauf kann entgegnet werden, daß, erstens, die numerische Kraft der Parteien niemand genau bekannt ist und, zweitens, sollten auch die Japaner in sich genügend moralische Kraft finden, um die Offensive gegenüber dem stärkeren Feind zu wagen, dieses Unterfangen gegenüber unseren, nunmehr erprobten Annecn nicht anders als viel zu riskant erachtet werden dürste. Denn, im Falle einer solchen unsinnigen Waghalsigkeit dcS Feindes, könnten wir. angreifend bis zu dem Augenblick, wo die unvorfichtige Offensive der Japaner offenbar werden würde, Halt machen, den Angriff des Feindes abwarten, an ihm die ganze Stärke unseres Feuers ausnützen, und nachher, wenn der Feind zurückfluten wird, größere Verluste tragend als wir, wieder uns hinter ihm in Bewegung setzen. Technisch, militärisch gesprochen, hätten wir strategisch die Offensive, taktisch die Defensive, und es ist anzunehmen, daß nicht für lange die Energie und die Kräfte des Gegners reichen würden, um sich mit uns zu messen. Mit jedem Kampf würde sich das Verhältnis der Kräfte ändern, eine scharfe Wendung zu unseren Gunsten machend, denn der Angreifende, der den sich Verteidigenden nicht geschlagen hat und ihn nicht verfolgt, hat immer die größeren Verluste im Kampf; die Japaner aber haben selbst bis jetzt, wo sie das Uebergewicht der Kräfte hatten, uns nicht geschlagen und nicht einmal den Ver- such gen, acht, uns zu verfolgen: also ist kein Grund vorhanden zu der Annahme, daß jetzt, w» wir stärker sind, als sie, ihre Offensiv- versuche für sie günstigere Ergebnisse haben könnten: wenn dem aber so ist, könnten derartige unvorsichtige Angriffe nur sehr schlimm für die Japaner enden." Nicht nur die russischen Hoffnungen auf Niederwerfung der sapanischen Hauptarmee haben sich nicht nur nicht erfüllt, sondern die russische Armee hat obendrein derartigeVerluste erlitten. daß mit der größten Bestimmtheit darauf gerechnet werden kann, daß die künftige Offensive der Japaner dir Russe» weit über Mukdcn hinaus zurückwerfe» wird. Die baltische Flotte hat nunmehr wirklich den großen Belt passiert. Ob sie ihre Fahrt nach Ostasien fortsetzen wird, steht trotzdem noch dahin. Auch aus dem Atlantischen Ozean ist die Rückfahrt nach den russischen Ostseehäsen noch bequemer als die Fortsetzung der Reise nach Ostasien . Man rechnet darauf, daß die Reise nach Ostasien infolge des UebernehmenS von Kohlen nicht weniger als 85 Tage dauern würde, daß also die Ankunft ist Ostasien erst im Januar erfolgen könnte. Bis zum Januar kann sich aber in Ostafien noch manches geändert haben. Aller Voraussicht nach wird bis dahin Port Arthur gefallen und damit daS ganze japanische Geschwader dispositionsfähig geworden sein. Der russischen Flotte blieb dann nur die einzige Aufgabe, die japanische Flotte zu schlagen und sich den Weg nach Wladiwostok zu e,-kämpfen. Das Einlaufen in Wladiwostok würde aber um so schwieriger sein, als dann auch der Hafen vollständig vereist sein wird. Nun soll ja nach Meldungen unseres Kieler Partei- Organs die baltische Flotte auch den großen EisbrecherJermak" mit sich führen: allein eS ist fraglich, ob dessen Thätigkeit ausreichen würde, um die Einfahrt in den Hafen zu ermöglichen. Hinzu kommt noch, daß die russische Flotte sich nach Lütägiger Seefahrt jedenfalls nicht im allerbesten Zustande befinden würde, so daß es schon deshalb für sie sehr gewagt wäre, den Kampf mit der japanischen Flotte aufzunehmen. Mit der Ankunft der baltischen Flotte in Ostasien hat es also noch seinegutenWege. London , 20. Oktober. DemNeuterschen Bureau' wird aus dem Hauptquartier des Generals Oku den 19. d. M. telegraphiert: Die rechte und die mittlere Armee hielten während der Schlacht ihre Stellungen und rückten gleichzeitig vor. Das russische Detachement. welches die Flanke der rechten Armee angriff, wurde nach Osten zurückgetrieben. Die Linie der Japaner hat dieselbe Korm. wie bei dem Beginn der Schlacht, st ledoch 24 Kilometer nach Norden vorgeschoben. D,e Armee hatte am 19. d. M. Ruhetag und die Ruhe w,rd wahrscheinlich noch mehrere Tage dauern. London , 20. Oktober. Meldung de«.Neuterschen BureauS' aus Diu« Hauptquartier vom 18. Oktober: Ein japanisches Detachement von fünf Bataillonen und drei Batterien, das auf der Verfolgung zu weit östlich der Eisenbahn geriet, wurde von zwölf Bataillonen der Russen angegriffen und büßte dabei acht Geschütze ein. Das allzugroße Selbst. vertrauen der japanischen Soldaten trägt Schuld an dem Vor- koimnnis. London , 20. Oktober. DemStandard' wird aus Kurokis Hauptquartier vom 17. Oktober gemeldet, Kuropatkin kämpfe ein Rückzugsgefecht. Es erscheine aber nicht unmöglich, daß er trotz der gemachten bösen Erfahrungen noch einmal angreife, da seinen Leuten befohlen worden sei, sich unter keinen Umständen auf Mukdcn zurück- zuziehen. Derselbe Berichterstatter meldet vom 18. Oktober die Vernichtung eines russischen Bataillons bei Ueberschreitung des Taitse-Fluffes. Das Bataillon sei von Japanern eingeholt und durch Maschinen- geschütze fast vollständig vernichtet worden. Dies sei die erste be- merkenswerte Leistung der Maschinengewehre in diesem Kriege. Am Nordufer deS Schaho wird zwar ununterbrochen gekämpft, doch ver- langsamte sich das Feuer. Tokio , 19. Oktober. (Meldung desReuterschen Bureaus".) Die Regierung beschloß, durch die Vermittelung der amerikanischen Botschaft in Peiersburg dagegen Einspruch zu erheben, daß russische Truppen in chinesischer Verkleidung kämpfen. Das japanische Aus- wärtige Amt gibt bekannt, daß am 4. Oktober russische Schützen in chinesischer Kleidung die Japaner auf der Straße nach Mulden angriffen und sie auch an anderen Stellen zu überrumpeln versuchten. Die Anlegung von regelwidriger Bekleidung verstoße gegen das Völkerrecht und fei besonders für die Chinesen gefährlich, da man auf große Entfernungen nicht entscheiden könne, ob man Chinesen oder Russen vor sich habe. Petersburg, 20. Oktober. DerBirshewijaWjedomosti" wird von ihrem Korrespondenten aus Mulden vom gestrigen Tage telegraphiert: Die Kosaken-Abteilung des Generals Mischtschenko kam mit zwei Bataillonen des Feindes ins Gefecht. Das Feuer der russischen Artillerie war so gut, daß der Feind ge- zwangen wurde, das Feuern einzustellen. Die Infanterie auf unserer Westfront ging gestern zurück. Eine Abteilung der Vorposten umzingelte ein Bataillon der Japaner und zwang es zur Uebergabe der Waffen. Die Russen besetzten die Stellungen im Süden des Dorfes Schahe. Die Japaner gehen langsam zurück. Hiid Induftnc und Handel. Oelterrainspeknlation. Das Oclficber hat seit der Erschließung der Petroleumquellen in und um Wietze in der Cellcr Gegend einen gewaltigen Höhepunkt erreicht. Wer ein paar Mark bares Geld zur Verfügung hat, schließt sich flugs einem Konsortium zwecks Oelgcwinnung an. Durch unsinnige Preistreiberei hat der Grund und Boden in der Oelzentrale einen fabelhaften Wert bekommen. Jeder, selbst der kleinste Eigentümer, hält sein Stückchen Land fest, um es demnächst mal gut an den Mann zu bringen. Oder man sucht dasselbe zwecks Anstellung von Bohrvcrsuchen zu verpachten, d. h. mit einem Fachausdruck bezeichnet, die betr. Gesellschaft hat dasMutungsrecht" auf dem und dem Grundstücke erworben. Zu dem Zwecke werden sog. Mutungsverträge abgeschlossen, worin sich die Gesellschaft verpflichtet, gegen ein gewisses Geld auf dem be- treffenden Grundstücke Bohrversuche anzustellen. Sollten dieselben von Erfolg gekrönt sein, so erhält der Besitzer des Grundstücks auch wohl noch eine Extra-Gratifikation, während er bei erfolglosem Bohren nur die vertragsmäßige Summe erhält. Ein solcher Bertrag wird meistens auf eine längere Frist, vielleicht etliche Jahre, ab- geschlossen. Auf diese anscheinend harmlose Weise haben Gemeinden rings um Celle herum ihre Grundstücke solchen Gesellschaften hin- gegeben und sich dadurch eine unvorhergesehene nette Einnahmequelle auf Jahre hinaus gesichert. Die Gesellschaften, die solche Mutungsvcrträge abschließen, haben nun aber, wie vielleicht angenommen werden könnte, keineswegs sämtlich die Absicht, Bohrversuche anzustellen und, wenn sich Erdöl findet, die Oelgewinnung selbst in die Hand zu nehmen. Meist handelt es sich für sie um eine bloße Terrainspekulation. Der Zweck, den sie mit ihren Mutungsvcrträgen verfolgen, ist lediglich, sich das Vcrfügungsrccht über solche Grundstücke zu sichern, um diese alsdann zu passender Zeit und zu höherem Preise wieder loszu- schlagen. Und da diesem Spiel der Passus der Mutungsvcrträge hinderlich ist, daß, wenn bis zu einem gewissen Termin keine Bohr- versuche oder Schürfungen vorgenommen sind, der Vertrag erlischt, so helfen sich die Gesellschaften einfach damit, daß sie vor Ablauf der Frist pro korms irgend welche gar Vicht ernstgemeinten Bohr- versuche bornehmen lassen, die dann den Verfall des Vertrages hindern und ihnen ein weiteres Anrecht aus das betreffende Terrain sichern. Wie derVolkswillc" in Hannover berichtet, dürfte aber jetzt diesen. Treiben ein Ende gesetzt werden, denn die Gerichte haben entschieden, daß solche nur der äußeren Form nach vvr- genommene Bohrversuche nicht als eigentliche Versuche anzusehen sind und das Erlöschen des Mutungsvertrages keineswegs aufheben. Im Flecken Winsen , welcher unmittelbar an die Oelzentrale Wietze anstößt, hatten nämlich 66 Einwohner ihre Grundstücke an eine solche Spekulantengruppe ausgeliefert auf Grund eines wie oben beschriebenen Vertrages. Sie bezogen für das MutungSrecht die Summe von 1500 M. pro Jahr von der Gesellschaft. Da nun die betreffenden Grundstücke, ww gesagt, unmittelbar an das wirkliche Oelgebiet anstoßen, so fanden sich bald Personen und Gesellschaften, welche bedeutend höhere Angebote machten. Aber die Besitzer hatten einen auf Jahre sich erstreckenden Vertrag abgeschlossen und sich damit total die Hände gebunden. Zum Ueberfluh dachte auch die Gesellschaft, welche das Mutungsrccht besaß, gar nicht dariin, schon jetzt Bohrversuche machen zu lassen, um bei etwaigem Erfolg den Besitzern noch einen entsprechenden Gewinnanteil zukommen zu lassen. Kurz vor Ablauf der bezeichneten Frist endlich kam denn ein Arbeiter, bewaffnet mit einer Schaufel und einem Rohr, und bohrte, das heißt, an einer von allen Seiten sichtbaren Stelle grub er ein Loch, versenkte darin das Rohr, so daß es oben aus der Erde heraussah wie die Erdachse am Nordpol , und der Bohr- versuch war gemacht. Hierdurch wurde also der Vertrag aufrecht erhalten. Aber die betreffende Gesellschaft hatte diesen Spekula- tionSkniff doch ein bischen zu offenkundig angebracht. Einer von den 66 sagte sich, er wolle sich nicht mehr länger an der Nase herumziehen lassen. Er klagte, und zwar mit dem Erfolge, daß er von dem Vertrage für seine Person und sein Grundstück loskam. Auch die angerufene Berufungsinstanz kam zu demselben Schluß, daß das Loch mit dem Rohr keinen Bohrturm und auch keinen Bohr- versuch vorstellen konnte und der Mutungsvertrag damit hinfällig sei. Nach diesem Resultat wollten natürlich auch die übrigen 65 dem Vertrag angehörenden Besitzer klagen, traten aber vorher mit dem Konsortium in Verhandlungen, welche denn auch den Erfolg zeitigten, daß das Konsortium von seinem Mutungsvertrag zurücktrat. Zur Geschäftslage im Branereigewerbc. Die starke Steigerung des Bierumsatzcs in den Monaten Juli und August hat die Tätigkeit der Brauereien in Stadt und Land, der Kleinbetriebe ebenso wie der Großbetriebe, so günstig beeinflußt, daß auch gegenwärtig noch, obwohl der Absah wieder matter ist, die Arbeitskräfte voll beschäftigt sind. Der Kampf um den Absatz ist weniger heftig, sodaß die ver- schiedenen neuerdings entstandenen Vereinbarungen über die Kredit- gewährung an Wirte augenblicklich nicht gefährdet erscheinen. Außer der Vereinbarung in Sachsen und in Nürnberg ist auch zwischen den Brauereien des Herzogtums Sachscn-Meiningen ein Uebereinkommcn getroffen worden, um dem übermäßigen Ankauf von Wirtschaften, dem planlosen Hinausgeben von Kapitalien, Dar- lehen, Hypotheken an die Kundschaft möglichst entgegenzutreten. Solche Vereinbarungen der Brauereien eines Bezirks sind nicht nur dadurch gefährdet, daß in Zeiten ungenügenden Absatzes die Teil- nehmer selbst die Bestimmungen zu umgehen pflegen, sondern noch mehr dadurch, daß Brauereien aus Bezirken, die nicht der Verein- barung angehören, durch ihr weitgehendes Entgegenkommen an die Wirte des Bezirks, für den die Vereinbarung ursprünglich getroffen ist, die Aufrcchterhaltung der die Kreditgewährung ein- schränkenden Bestimmungen illusorisch machen. Auch im Brauerei- gewerbe lassen sich keine bestimmten Absatzgebiete abstecken, vielmehr sind die Großbetriebe im eigenen Interesse genötigt, ihren Umsatz ständig zu steigern. Selbst wenn ihnen das heutige Maß des Ent- gegenkommcns an die Wirte verwehrt wäre, so würden sie durch Errichtung cigeucr Wirtschaften, wie dies auch schon vielfach geschieht, den nämlichen Effekt, die Ausdehnung ihres Absatzgebietes zum Nach- teile der mittleren und kleineren Betriebe erreichen. Soweit die Aktiengesellschaften in Frage kommen, hat das Brauereigewerbe im Geschäftsjahr 1903/1904 besser abgeschlossen als im Jahr zuvor. Von 48 Aktiengesellschaften, für die vergleichbare Resultate vorliegen, ver- teilten Dividende» in Nra -ent der Gesellschaften Prozent 4902/03 1903/04 0 11 1-5 9 5 6-10 30 34 11-15 6 6 16-20 2 2 Die Zahl der Gesellschaften, die zwischen 6 und 10 Proz. ver« teilen, ist 1903/1904 gestiegen, während die Zahl der Gesellschaften, die zwischen 1 und 5 Proz. verteilen, abnahm. Die Brauereien in München geben fast genau die gleichen Dividenden wie im Vorjahr, während in den industriellen Bezirken, so vor allem in Rheinlaiid- Westfalen, die finanziellen Abschlüsse durchschnittlich günstiger sind als 1902/1903. Es spiegelt sich in dieser Steigerung die Wirkung des besseren Beschäftigungsgrades im Kohlenbergbau und in der Eisenindustrie wieder. Für die Gesellschaften aber, die ihr Ge- schäftsjahr im August oder September schließen, hat vor allem der erhöhte Absatz in den Sommermonaten noch einen das Erträgnis steigernden Einfluß ausgeübt. Wie stark der Umsatz 1903/1904 gewachsen ist, läßt sich bei dem geringen ziffernmäßigen Material, das bis jetzt vorliegt, noch nicht übersehen. Für acht größere Be- triebe stieg er von 1 039 745 Hektoliter im Jahre 1992/1903 auf 1 123 839 im Jahre 1903/1904 oder um rund 8 Proz. Im Hamburg - Altonaer Bezirk trat freilich infolge des langwierigen Bierbohkotts eine Verminderung ein. Kohlenlieferungen für die russische Flotte. In den Häfen von Emden , Rotterdam , Cardiff , Barry und Newport herrscht eine äußerst lebhafte Tätigkeit, um die zur Kohlenübergabe an die Schiffe des baltischen Geschwader? gecharterten deutschen und englischen Dampfer abzufertigen. Am letzten Montag wurden, wie derBörsen-Courier" meldet, in Barry, Newport und Cardiff 13 Dampfer mit Waleskohlen expediert. Bisher ist erst ungefähr der dritte Teil der gecharterten Dampfer ausgelaufen. Für die noch zur Befrachtung kommenden Schiffe sind in Cardiff durch deutsche Vermittelung gestern weitere 75 000 Tonnen Waleskohle angekauft worden. Hiervon sind 10 000 Tonnen sofort von dem Hamburger DampferDortmund " übernommen worden. Als Reiseziel des Dampfers ist Las Palmas (Kanarische Inseln ) an- gegeben. Die Expeditionen ab Emden und Rotterdam werden ,n der nächsten Woche"aufhören, da die von dort abgehenden Kohlen. transporte nur Ergänzungen der Kohlenvorräte während der Fahrt durch die Ost- und Nordsee sind. Kupferrohr-Syndikat. Wie derFrankfurter Zeitung ' auS Köln gemeldet wird, ist das geplante Kupferrohr-Syndikat, dem sämtliche Kupferwerke Deutschlands angehören, zustande gekommen. In den nächsten Tagen wird das Syndikat mit seinem Sitz und einer Verkaufsstelle in Köln seine Tätigkeit aufnehmen, Soziales. Bon der KonfektionSverordming. Frau Schwarz in Berlin fertigt Volants für Unterröcke an und beschäftigt dabei verschiedene Näherinnen. Die� Unterröcke kommen soweit fertig zu ihr, wo die Näherinnen die Volants ansetzen. Die Näherinneit bewohnen zwei Zimmer im selben Hause, sogenannte Schlafftellen. Mittagessen und Kaffee werden ihnen gegen Entgelt geliefert. Jede Näherin hat ihre eigene Maschine. Die Maschinen stehen in den Räumen der Arbeitgeberin. Monatlich war dafür an Frau Schwarz ein Standgeld von 2 M. pro Maschine zu zahlen. Während der Saison wurde jede Woche eine große Zahl von Unterröcken mit Volants besetzt. Die Arbeitszeit war sehr un- gleich, sowohl bezüglich der einen noch nicht sechzehnjährigen Ar- beiterin, wie auch der erwachsenen Arbeiterinnen. Wenn viel zu thun war, wurde von ganz früh bis in die späte Nacht gearbeitet, öster bis 2 Uhr, und ein paarmal sogar die ganze Nacht durch. Ein Ueberstundenverzeichnis wurde nie geführt. Bestimmte Liuhcpausen während des Tages wurden nicht inne gehalten. Für das zweite Frühstück wurde die Arbeit beliebig, etwa'/« Stunde lang und für das Mittagessen'/e bis a/4 Stunden unterbrochen. Frau Schwarz wurde wegen Ucbertretung der KonfcktionS» Verordnung des Bundesrats angeklagt. Sie bestritt, daß es sich hier überhaupt um einen Werkstattbetrieb im Sinne der Verordnung handele. Ihre Arbeiterinnen seien Heimarbeiterinnen gewesen. Sie ständen nicht in einem festen Verhältnis zu ihr, unterlägen nicht ihrer Konwolle hinsichtlich der Arbeitszeit, müßten sich ihre Maschinen selbst beschaffen, zahlten für sie Standgeld zc. Das Landgericht I Berlin verurteilte die Angeklagte zu mehreren Geldstrafen. ES handele sich nicht um Heimarbeiterinnen. Unter Heimarbeitern verstehe man diejenigen selbständigen Arbeiter, die im eigenen Heim selbständig für einen Arbeitgeber arbeiteten. Eine gewisse wirtschaftliche und häusliche Selbständigkeit werde bei ihnen vorausgesetzt. Eine solche sei aber hier nicht zu finden. In dem Betriebe der Angeklagten sei nach seiner ganzen Art eine Werkstatt zu sehen, in der Kleidungsstückeim großen' angefertigt würden; es finde demnach die BundesratS-Verordnung Anwendung. Es seien übcrweten die Sondervorschriften für die jugendlichen Arbeiterinnen, die Vorschriften über die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeiterinnen sowie die Vor- schrift über die Führung eines Verzeichnisses für zulässige Ueber- stunden. WaS die Arbeitszeit der Erwachsenen angehe, so sei sogar die evenwell zulässige Ausnahme der dreizehn Stunden überschritten worden. Die Angeklagte legte noch Revision ein. DaS Kammer« g e r i ch t erachtete jedoch die Vorentscheidung im wesentlichen für zutreffend und verwarf daS Rechtsmittel, soweit eS sich richtete gegen die Bestrafung wegen Uebertretung der Vorschriften über die jugend» lichen Arbeiter und über die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeiterinnen. Von der Beschuldigung. kein Verzeichnis der Uebsrstunden geführt zu haben, wurde jedochdie Angeklagte freigesprochen. Das Kammer- gericht meint, wenn einer der in Betracht kommenden Arbeitgeber überhaupt kein Ueberstundenverzeichnis führe, so habe er sich über« Haupt nicht um die Vergünstigung, die Arbeit«»