Nr. 253. 21 Jahrgang. 2. Stilnfjf Ks Jotnütte" fictlintt Bollistiliitt. Dounerstag, 27. Oktober IM. berliner Partei-)Znge!egenkeiten. Reichstags-Wahlkreis Nieder-Barnim. Am Sonntag, den 30. Oktober, nachmittags 1 Uhr. findet im Restaurant Weigelt, RumnielSburg, Türrschmidtstr. 43, die Kreis- konfercnz statt. Tages- Ordnung: 1. Jahresabrechnung und Jahresbericht des Kreis-Vertrauens- manneS. 2. Neuwahl des Kreis-Vertrauensmannes. 8. Jahresbericht der Funktionäre. 4. Neuwahl der Preß-, Agitations- und-Lokalkommission sowie eines Mitgliedes der Neunerkommission. 5. Referat des Genossen Stadthagen über:»Nach Amsterdam und Bremen ". 6. Kreisangelegenheiten. Die Organisationen des Kreises werden auf die§ 5—7 des Kreisstatuts auftnerksam gemacht. I. A.: Georg Freiwaldt, Pankow , Fkorastr. 66, Kreisvertrauensmann. HermSdorf . In einer Volksversammlung spricht Montag. abend V Uhr Reichstags-Abgeordneter Stadthagen über dre Frage: Was droht dem deutschen Volke? Handzettel werden Sonntag früh verbreitet. WaidmannSlust. Heute ist bei Schmidt Diskutierabend. Lohales. Was ein Kalender enthält. Man kann nicht sagen, daß der von der Buchhandlung Vorwärts herausgegebene Arbeiter-Notizkalender für das Jahr 1903 äußerlich anspruchsvoll hervortritt. Sein Titelbild ist dem bekannten „Vorwärts"-Plakat nachgebildet, und der Name Notizkalender weckt eher den Argwohn, daß zu wenig als zu viel Drucker- schwärze an ihm verwendet worden ist. Doch auch hier gilt, was Goethe in einem stimmungsvollen Gedicht von der Dorfkircke sagt: Aber schaut nur erst'mal hinein! Da wird in Wort und Bild so viel gegeben wie wohl sonst nirgendwo in einem für 60 Pf. erhältlichen Buch. Schon die ersten beiden Seiten bringen in zwar kleinen, aber überaus deutlichen Bildern die gesamte sozial demokratische Reichstagsfrakti ostu Dann folgt das eigentliche Kalendarium mit dem bei unseren Gegnern so verschrienen historischen Kalender, der doch schlinnnsten Falles weiter nichts registriert als die Großtaten der deutschen Staats retter. Wenn diese Taten nicht ihren Urhebern, sondern denen, gegen die sie gerichtet waren, zum Heile ausgeschlagen find, so ist das eine Unannehmlichkeit, die kein ehrlicher Mann der Sozial demokratie zur Last legen sollte. Weiter folgt auf 23 Seiten eine ungemein wertvolle Statistik der Reichstagswahlen von 1903, aus der jeder Parteigenosse unterrichtet sein sollte. Auf ferneren neun Seiten finden sich biographische Rotizen über die gegen- wärtigen Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstags- Fraktion und im Anschluß hieran eine gedrängte, aber durchaus instruktive Lebensbeschreibung unserer toten Reichstags- Abgeordneten. Es sind ihrer 22, von denen 21 auch im Bilde vorgeführt sind. Namen wie Försterling, Mende und Reincke, die der jüngeren Generation kaum noch bekannt sind, werden der Mit- Welt wieder ins Gedächtnis zurückgerufen. Dann folgt eine längere Abhandlung über die Frage: Wie wird man ein guter Redner? Die Lehren, die un diesem Beitrag gegeben sind, verdienen überall in der Arbeiterschaft beherzigt zu werden. Weiter folgt ein im kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeitetes Alkohol-Merk- blatt mit Illustrationen, das der Schnapspest dort, wo sie noch herrscht, gewiß entgegenwirken wird. Eine Uebersicht der sozialistischen wie der Gelverkschaftspresse, ein Ver- zeichnis der deutschen Gewerbe-Jnspektoren. die Adressen der Vor- sitzenden der deutschen Gewerkschaften, der ausländischen Landes- sekretariate und der deutschen Arbeitersekretariate, eine S t a t i st i k der deutschen Gewerkschaften, eine Uebersicht über die von ihnen gezahlte Arbeitslosen-Untcrstützung, eine Streikstatistik, eine Münz- Tabelle bilden neben zahlreichen kleinen Notizen den Beschluß des Textes, dem als zweite Hälfte der eigentliche Notizkalender angefügt ist. Das Buch ist auf der Rednertribüne und sonst in der Agitation nicht minder als in der Fabrik und in der Häuslichkeit ein vortrefflicher Ratgeber. Jeder denkende Arbeiter sollte es bei sich führen._ In der gestrigen Sitzung der städtischen Hochbau- Deputation unter dem Vorsitz des Stadtrats Ramslau legte Stadtbaurat Ludwig Hoffmann die Entwürfe für sechs Gemeinde- Doppelschulen, für den Neubau des Friedrich- Werderschen Gymnasiums, einer Feuerwache und einer technischen Mittelschule mit den Kostenanschlägen vor. Diese erreichten ohne die Grunderwerbskosten den Betrag von 6 614 200 M. Sämtliche Entwürfe w. wurden e i n st i m m i g ge- nehmigt. Der erste Entwurf behandelt den Neubau einer Gemeinde- Doppelschule in der Scherenbcrgstraße, in der Nähe des Ring- bahnhofeS Schönhauser Allee , der zu 728 000 M. Kosten veranschlagt worden ist. Der zweite betraf den Neubau einer Gemeinde- Doppelsckule in der Scnefelderstraße, am Ringbahn- Hofe Prenzlauer Allee, der mit 733 000 M. veranschlagt ist. Der dritte Entwurf bezog sich auf den Neubau einer Gemeinde- Doppelschule in der Frankfurter Allee 140. Dieser soll 726 000 M. kosten. Der vierte umfaßte drei Remisen für Wagen(Wäsche-, Speise- und Müllwagen) beim Rudolf Virchow -Krankenhause. Diese Remisen sollen 33 800 M. kosten. Der fünfte Entwurf war der umfangreichste und bezog sich auf den Neubau des Friedrich- Werderschen Gymnasiums, das sich jetzt in der Dorothcenstr. 13/14 befindet und nach Moabit verlegt werden soll, und den Neubau einer Gemeinde-Doppelsckule in der Bochnmerstraße in Moabit . Die Kosten dieser beiden Bauten sind mit 1323 000 M. ver- anschlagt. Der sechste Entwurf betraf den Reubau einer Feuerwache ftir den noch fehlende» vierten Dampfspritzenzug der ersten Kompagnie in der Straße 31a. in der Nähe der Schulbaracken in der Olivaerstraße bezw. bei der Elbingerstraße. Diese Feuerwache soll 466 400 M. kosten und eine Wohnung für einen Offizier und Vier Oberfeuermänner umfassen. Der siebente Entwurf bezog sich auf den Neubau einer Gemeinde-Doppelschule in der Littauerstraße im Osten, nahe der Romintenerstraße. Der Bau ist mit 727 000 M. veranschlagt. Der achte Entwurf für den Neubau einer Gemeinde- Doppelschule in der Eckertstraße(Osten) sieht 781000 M. Kosten vor. Für den Neubau einer technischen Mttel- schule in der Millerstr. 146, gegenüber der Nazareth-Kirche. wurden die Entwürfe und Kosten in Höhe von 890000 M. genehmigt. Stadtbaurat Ludwig Hoffmann teilte weiter mit, daß er in der nächsten Sitzung die speziellen Entwürfe für die große Siechenanstalt in Buch, für die Tun, halle des Sophienrealgymnafiums in der Steinstraße und die Zentralapotheke in Buch vorlegen werde. Auch der besondere Entwurf für die neue Bolksbade-Anstalt auf dem Wedding , in der Gerichtstraße, die ein Schwimmbassin für Männer und eins für Frauen erhalten soll, werde in einer der nächsten Sitzungen zur Vorlage kommen. Die städtische Schuldcputation hat unter dem Vorsitz des Stadt- schulrats Dr. Hirsekorn beschlossen, bei drei Genieindeschulen fo- genannte Gemeindeschulgärten anlegen zu lassen und zu diesem Zlveck eine kleine Summe in den Etat einzustellen. An der städtischen Taubstummenschule soll eine Lehrerinnenstelle in eine Lehrerstelle umgewandelt werden. Die städtische Grundeigcntiims-Dcputation verwaltet gegenwärtig 34 Mietsgrundstücke, welche einen Jahresertrag von 258 262 M. bringen. Am besten rentieren sich die beiden Hallesche Thor-Grund- stücke, die für zusammen 44 100 M. vermietet sind. Für die schon längere Zeit leerstehenden Geschäftsräume im Hause Königstr. 7 haben sich Mieter noch nicht gefunden; der Ueberschuß aus dem Grundstücke Weberstr. 9(rund 3731 M.) mußte zur Deckung der vom früheren Miteigentümer, Magistratsbeamten Bartusch begange- nen Veruntreuungen verwendet werden. Die 21 innerhalb des städtischen Weichbildes belegenen städtischen Grundstücke, die zu Holz- ze. Plätzen vergeben sind, brachten im letzten Jahre 204 317 M.; die in acht Vorortgemeinden belegenen nahezu 66 000 M. Miete bezw. Pacht. Außerdem wurden aus verschiedenen Ver- mietungen und Verpachtungen noch 30 227 M. vereinnahmt. Der„Ilmschwung im Schulkonflikt"» den wir im Scherz als nahe bevorstehend angekündigt hatten, weil unter den vier Schüler- abteilungen des Arbeiterturnvereins„Fichte" eine bisher von der Turnhallensperre noch verschont geblieben ist und seit drei Wochen ihre schul- und staatsgcfährliche Turnerei vergnügt weiterbetreiben darf, wird vom„Berliner Börsen-Courier" im Ernst für möglich gehalten. Das Blatt teilt als'„Vorwärts"-Nieldung mit, es werde nicht nur diese eine Abteilung Iveiterturnen dürfen, sondern man werde auch den drei ausgewiesenen Abteilungen die ihnen ver- schlossenen Turnhallen wieder öffnen, und fügt dann hinzu:„Warten wir ab. ob diese Mtteilung sich bestätigt� und hoffen wir, daß sie sich bestätigt!" Man soll doch wirklich keinen Spaß mehr machen, weil man nie wissen kann, ob sich nicht irgend einer findet, der ihn falsch auffaßt und darauf hineinfällt. Die„Fichte"-Turner iverden nach diesem neuesten Stücklein doppelt herzlich lachen. Gegen die Rauchbelästigung, wie sie von den großen Fabriken ausgeht, wird in Berlin nur selten Einspruch erhoben, weil man sie hier als unvermeidlich hinnehmen zu sollen glaubt. In einem bc- stimmten Fall soll jetzt aber doch einmal die Behörde um Abhilfe gebeten werden. Es handelt sich um eine große Holzschneidcmühle am Küstriner Platz, die zwar schon seit mehr als 30 Jahren besteht, deren Betrieb aber erst in neuerer Zeit bedeutend vergrößert worden ist, so daß die von ihr ausgehende Rauchbelästigung von den Be- wohnen, der benachbarten Straßen erst jetzt recht empfunden wird. Es wird ein genieinsames Vorgehen geplant. Eine an das Polizei- Präsidium zu richtende Eingabe foll zur Unterzeichnung in Umlauf gesetzt werden. Das alte Haus des Georgenhospitals an der Westseite des Georgenkirchplatzes steht nun schon feit anderthalb Jahren leer— es wurde in, Frühjahr 1903 von den Mietern geräumt— und noch immer harrt es des Abbruches. Inzwischen betreibt die Straßen- jngend eifrig den Sport, die Fensterscheiben durch Steinwürfe zu zcrtrünimern. Schon sind die meisten in Scherben gegangen, sodaß das altersgraue Gebäude jetzt einen trostlosen Eindruck macht. Be- sonderS arg mitgenommen sind die nach de», Platz hinaus gelegenen Fenster. Die beiden Stockwerke dieser Front haben zusammen 16 Fenster mit 128 Scheiben, und von diesen ist buchstäblich nicht eine einzige unversehrt geblieben. Bei der städtischen Sparkasse wurden im letzten Geschäftsjahr <1. April 1903 bis 31. März 1904) insgesamt 113 620 Sparkassen- bücher neu ausgefertigt. Abgehoben wurden 88 167 Stück. Am 31. März dieses Jahres waren 764 464 Sparkassenbücher im Umlauf, gegen 739 011 Stück am gleichen Tage des Vorjahres. Die Zahl der Sparbücher hat sich also in, Berichtsjahre um 23 433 Stück ver- mehrt. Im Borjahre betrug die Zunahme 19862 Stück. Die Gut- haben der 764 464 Sparkassenbücher ergaben 293 340 982,31 M.; es entfiel somit auf ein Sparkassenbuch ein durchschnittliches Guthaben von 336,34 M.(gegen 379,90 M. im Vorjahre).— Die Spargelder werden bekanntlich mit 3 Prozent verzinst. Die Gesamtsumme der den Sparern vergüteten Zinsen betrug im Berichtsjahre 8 330 313,43 Mark, davon wurden auf die 88 167 abgehobenen Bücher 305 443,10 M. Zinsen ausgezahlt und 8 023 070,35 M. den einzelnen Sparern zu- geschrieben. Die Einzahlungen an Spargeldern bezifferten sich auf 39 688 011,66 M., die Rückzahlungen auf 33118 986,73 M. Die Summe der Einzahlungen überstieg mithin dje Rückzahlungen um 6 369 024,93 M. Während des Verwaltungsjahres erforderte die Sparkasse einen Kostenauflvand von 501 482,09 M., so daß die Ver waltung eines einzelnen Sparkassenguthabens 63s/5 Pf. betrug. Der fiskalische Licblingsrestaurateur. Von einer auffallenden Bevorzugung weiß die„Volkszeitung" zu berichten: Bei den Be- Hörden scheint nur ein einziger Gastwirt als„erstklassig" zu gelten. Das ist Herr Vogel. Wer ist dieser Herr Vogel? Manche haben ihn in Potsdam gekannt, als er dort bei den Leibhusaren seiner Militärpflicht genügte. Andere haben ihn in Berlin gekannt, als er hier als Kriminalschutzmann tätig war. Wieder andere haben ihn kennen gelernt als den Besitzer des„Spatenbräus" in der Friedrichstraße , der doppelter Hoflieferant wurde. Die Be- Hörden scheinen ihn in dieser seiner zuletzt erwähnten Eigenschaft für unentbehrlich zu halten zum Betriebe fiskalischer Wirtschaften oder Kantinen. Denn als kürzlich das beliebte Ausflugslokal der Berliner in, Grunewald . Paulsborn, ver- pachtet' wurde, wer erhielt die Pacht? Der Besitzer des Spatenbräus, Herr Vogel. Wer ist der Pächter der Kantinen des Truppenübungsplatzes bei Döberitz ? Der Besitzer des Spateubräus und Pächter von Paulsborn, Herr Vogel. Wer ist der Pächter verschiedener der einträglichsten Kantinen der Berliner großen zentralen Post- ä m t e r? Der Besitzer des Spatenbräus. Pächter von Paulsborn und der Kantinen in Döberitz , Herr Vogel." Die„Volks-Zeitung" beklagt eine solche Mittelstandspolitik des Staates. Gewiß hat der ftühere Kriminalschutzinann ganz imniense Verdienste um den Staat, die in der Oeffentlichkeit nur nicht be- kannt sind. Der Mörder der Wascher in Ben» verhaftet? Auf Ersuchen de� hiesigen Kriminalpolizei ist der frühere Bäcker und Konditor, spätere Stallschweizer August Mühlethaler in seiner Heimat Bern unter dem Verdacht des Mordes an Frau Wascher verhaftet worden. Mühle- thaler wurde am 13. Juli 1877 in Bern geboren, hielt sich aber schon seit Jahren in Berlin auf. Seinen ursprünglichen Beruf gab er bald auf und ernährte sich als Stallschweizer. Allmählich jedoch geriet er auf die Bahn des Verbrechens und wurde gewerbsmäßiger Einbrecher. Als er für seinen letzten Einbruch vier Jahre Zuchthaus erhielt, wurde er plötzlich geisteskrank. Aus der Strafanstalt kam er nun in die Irrenanstalt Dalldorf. Von dort brach er am 27. Juli dieses Jahres aus. Aus dem Boden, auf dem die Kleider der Kranken liegen, schlüpfte er in seinen Anzug und gelangte durch einen kühnen Sprung vom Dach auf den Hof. Hier fiel ihn ein Bernhardiner an und verletzte ihn an der Nase und in, Gesicht. Er fand aber dam, seinen Weg ins Freie. Seitdem hielt er sich abwechselnd in Berlin und auf dem Lande auf. In Berlin wurde er auch in den Kreisen der Zu- hälter und mit Frau Wascher bekannt. Die Polizei hat nun fest- gestellt, daß Mühlethaler am 13. d. Mts., neun Tage vor der Ermordung der Frau Wascher, mit seiner Geliebten ein Stelldichein verabredet hatte, aber nicht erschienen war. vielmehr an, Sonntag, dem Mordtage, verschwand. Wie wir schon mitteilten, erzählte nun Sonntag um 9 Uhr 30 Minuten vornnttags ein Fremder dem Schiffs- zimmermann Mittag in Züllchow von dem damals noch nicht cut- deckten Morde. Die Beschreibung dieses Fremden paßt aus Mühle- thaler und auf jenen Mann, den die Kriminalkommissare Weiß und Nasse als verdächtig verfolgten. Besonders bemerkenswert sind die Wahrnehmungen, die Mittag in Bezug auf Verletzungen im Gesicht des Fremden machte. Es wurde weiter ermittelt, daß ein Gendarm in Neuendorf in der Stettiner Gegend einen Mann vom Aussehen Mühle- thalers sah. Der Mann tauchte als„Bäcker Mahlbrand" plötzlich auf und war ebenso plötzlich wieder verschwunden. Mahlbrand ist aber ein falscher Name, den Mühlethaler sich beigelegt hat. So heißt einer seiner Freunde. Am Dienstag, den 18. d. M., befand sich Mühlethaler plötzlich lvieder in Berlin . Obwohl die Kriminal- Polizei ihn hier eifrig suchte, blieb er unbemerkt. Einem Bekannten erzählte er, er habe eine Sache machen wollen, sie sei ihm aber nicht gelungen. Ebenso rasch, w,e er gekommen war, verschwand er wieder aus Berlin . Die Kriminalpol, zei ließ nun in seiner Heimat Bern Erkundigungen über ihn einziehen, und da ergab eS sich dem,, daß er plötzlich nach seiner Heimat, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, gekommen war, um seine Braut zu besuchen. Auf Ersuchen der hiesigen Kriminalpolizei nahm ihn gestern seine Heimat- behörde vorläufig fest. Sie wurde telegraphisch gebeten, die Photo- graphie des Verhafteten hierher zu senden, damit sie dem Schiffs- zimmermann Mittag, dem Gendarmen und anderen vorgelegt werden könne. Ist der Verhaftete der Mörder, so wird er von seinem Heimatlande nicht ausgeliefert, sondern dort wohl in einer Irren- anstalt untergebracht werden. Zu der Verhaftung wird noch gemeldet: Die Kriminalpolizei rechnete von vornherein damit, daß ein Geisteskranker den Mord begangen habe. Auch nach dieser Richtung kam Mühlethaler in Betracht. Es wurde auch ernüttelt, daß er pervers veranlagt ist und daß er stets mit mehreren Weibern zu gleicher Feit enger ver- kehrt hatte. Von der Strafe, die ihm der letzte Einbruch brachte, hatte er S'/s Jahre in Moabit verbüßt. Dann bekam er de» Zuchthaus-Kuall,.wie er nach den, neuesten torminus tsokiuious heißt. In Dalldorf lernte er mehrere„geisteskranke" Verbrecher kennen und verabredete mit ihnen einen gemeinsamen Ausbruch. Der Plan wurde aber verraten und der einzige, der entkam, war Mühlethaler. Er entsprang aber nicht, wie es erst hieß, in seiner eigenen, sondern in der Anstaltskleidung. Das Messer, mit de», er den Bernhardiner unschädlich machte, hatte er sich in der Anstalt zu verschaffen gewußt. In Dalldorf hatte er sich stets sehr widersetzlich gezeigt. In der Freiheit fand er sofort Helfer, die ihn mit anderer Kleidung und Geld versahen. Bald nach der Flucht wandte er sich nach Dresden . Dann begann er seine Wanderung durch Norddeutschland um schließlich lvieder in Berlin ein- zutreffen. wo er plötzlich wieder verschwand. Die Berner Polizei, die von hier aus auf ihn aufmerksam gemacht lourde, ermittelte ihn in seiner Heimat und nahm ihn fest. Mühlethaler hat unter den verschiedensten Namen Einbrüche und Betrüge« reie» aller Art verübt und wurde von den Staatsanwaltschaften zu Güstrow und Hannover und vom Amtsgericht zu Oranienburg steckbrieflich verfolgt. Seine Spezialität war es, sich auf den Gütern, auf denen er als Stallschweizer diente, an die Mädchen heranzu- machen und durch diese Gelegenheiten zu Einbrüchen und Dieb- stählen auszubaldowern. Hatte er Glück, so kam er mit der Beute nach Berlin , kleidete sich nen ein und verbrauchte das Geld im Ver- kehr mit neuen Geliehten. Auf die Namen, die er sich beilegte, ver« schaffte oder fälschte er sich auch Papiere. Außer den Narben im Gesicht ist Mühlethaler auch an Tätowierungen auf den Annen kenntlich. Mitteilungen über Mühlethaler, Graber uslv. nimmt die Kriminalpolizei jederzeit entgegen. Es ist möglich, daß er sich auch noch andere als die bisher bekannt gewordenen Namen beilgelegt hat. Aufklärung auch in dieser Richtung ist sehr erwünscht. Eine feste Wohnung hatte der Verhastete in Berlin niemals; er hielt sich unter diesem oder jenen, Namen bald bei dem einen, bald bei dem anderen Bekannten auf. Eine Talerzählung wird jetzt auch vdn der ReichS-Postverwaltung veranstaltet. An die Verkehrsanstalten und die Ober-Postkassen ist sdeben eine Verfügung ergangen, nach welcher diese Stellen am 31. Oktober feststellen sollen, welche Beträge an Talern bei Schluß der Dienststunden unter ihren Geldstücken vorhanden sind. Das Ergebnis der Zählung soll den kaiserlichen Ober-Postdirektionen „unverzüglich" mitgeteilt werden. Die letzteren werden dann eine Zusammenstellung veranlassen und die Schlußsumme dem RechnungS- bureau des Reichs-Postmntes bis zum 8. November d. I. zugehen lassen. Wer will kommunale Butterbirnen kaufen? Der Magistrats- berichterstatter meldet: Die städtischen Gutsverwaltungen haben in diesem Jahre viel gutes Obst geerntet. Sie geben edle Sorten Winteräpfel, z. B. Goldparmäne, Reinetten, Birnen, wie z. B. Gute Luise, Neue Poitnau, Butterbirnen:c. zu billigen Preisen ab. Zur Bequemlichkeit des Publikums sind Proben Neue Friedrichstr. 9/10 II, Zimmer Nr. 3, wo auch Bestellungen entgegengenommen werden. ausgelegt. Die Gutsverwaltimgen in Falkenbcrg, Blankenburg und Osdorf nehmen direkte Bestellungen, auch schriftliche, entgegen. Die gestern im Gerichtsgcbäude verbreitete Nachricht von dem Ableben des Landgerichtsrats Dr. Timme hat sich nicht bestätigt. Der deutsche Kaiser hat in der archäologischen Abteilung der Weltausstellung zu St. Louis für die Saalburg -Ausstellung den großen Preis zuerkannt erhalten. Es scheint somit, daß die Amerikaner den Gegenständen, die nach Deutschland zurückgeschafft werden, mehr Verständnis entgegenbringen als denen, die in Amerika bleiben sollen. Siehe die Geschichte der Alten Fritz-Statue. Die Feuerwehr wurde am Mittwoch nachmittag nach dem Hause Unter den Linden 48/49 ai, der Friedrichstraße gerufen, wo eipe Katze sich in die über dem Hause angebrachten Telephondrähte verwickelt hatte, jämnlerlich miaute und schließlich von der Feuerwehr, die ihre große mechanische Leiter auffuhr, befreit wurde. Dieser seltene Vorfall erinnert an einen ähnlichen, der in einer hiesigen höheren Schule noch oft besprochen wird. Gegenüber der Schule steht ein kleines Gebäude zwischen zwei hohen. Ein Schornsteinfeger war auf dem Dache des kleinen Hauses beschäftigt. Die Gymnasiasten ver- folgten das Tun und Treiben des Schwarzenmannes natürlich mit größerem Interesse, als den Vorträgen der Lehrer, besonders aber als sie merkten, daß der Kehrer des Rußes mit seinem langen Besen einen großen Kater zagte. Als dieser sich vor dem langen schwarzen Besen nicht mehr retten konnte, sprang der Dach« Hase mit einem Satze auf die Straße und gerade einen, Passanten auf seinen Zylinder. Der hohe Hut saß dem Ahnungslosen, der sich von dem Schrecken erst gar nicht erholen wollte, gleich über den Ohren. Die Gymnasiasten stimmten über das Gebaren des Mannes und der Stratzenpassanten ein solches Jndianergeheul an, daß die Lehrer entsetzt gewesen sein sollen. Sie sollen alle Schorn- steinfeger und Katzen zun, Teufel gewünscht haben. Die Angelegenheit der ehemaligen Kammerfrau der Prinzessin Amalie von Schlesivig-Holstein wird voraussichtlich schon im nächsten Termin eine sensationelle Wendung nehmen. Bekanntlich behauptet die des Diebstahls und der Unterschlagung an ihrer Herrin An- geklagte nicht nur, sich leiner dieser Straftaten schuldig gemacht zu haben, sondern sogar aus e i g en e n Mitteln der Prinzessin öfters pekuniäre Hülfe gewährt zu haben, da sie im Besitze eines Vermögens von 80 000 M, gelvesen fei, Ausklärung über den Ursprung dieses Vermögens verweigerte sie indessen bisher noch, und daher erklärte die Anklagebehörde diese Angabe für unwahr. Hier ist der springende Punkt der ganzen Affaire, denn mit dem Nachweise dieses behaupteten Vermögens fiele die Anklage natur- gemäß in sich zusammen. Wie nun gemeldet wird, soll der Nach- weis im nächsten Termin erbracht werden. Es ist behauptet worden. der Prozeß sei deshalb vertagt, weil die Vernehmung des Herzogs Ernst Günther zunächst erfolgen solle. Das ist nicht richtig. Die Verteidigung legt auf das Zeugnis des Herzogs wenig Gewicht, da die bekannten merkwürdigen Tatsachen, über die er sich zu äußern hätte, durch andere Zeugen genügend erhärtet lverdcn können und
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