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21. z-w«, j Keilllge desKrivlirts" Kerlilltl Wlksbllltt. Militarismus und Demokratie. Auf uiisere Ausführungen in Nr. 265 des«Vorwärts" erwidert Genosse Kautskh wre folgt: Demokratie und Spitzelei. Wenn ich zu diesem Thema nochmals das Wort ergreife, geschieht eS nicht, um den Versuch zu machen mich mit der Nedakrion des «Vorwärts" zu verständigen. Unsere Standpunkte gegenüber den französischen Dingen sind leider zu sehr geschieden, als daß ein solcher Versuch aussichtsvoll wäre. Ich erwidere auch nicht, um den Eindruck des letzten Artikels desVorwärts" zu verwischen; die Redaktion wird immer das letzte Wort behalten, ich darf aber so viel Selbst» ständigkeit bei den Genossen voraussetzen, daß sie unbefangen die Gründe beider Seiten prüfen und nicht durch diejenigen Argumente sich bestimmen lassen, die sie zuletzt gehört. Aber ich möchte einige Punkte klarstellen, die der Mehrzahl der deutschen Genossen vielleicht nicht genauer bekannt sind. . DerVorwärts" wirft mir ein, ich hätte ihn, wie Jaurss in gleicher Weise Unrecht getan. Beide hätten die Spitzelet abgelehnt: Jaurss hat die Prakttken des Hauptmanns Mcllin gemisibilligt". Das ist richtig und auch nicht richtig, wie maus nimmt. Er hat sie mißbilligt, aber auch gerechtfertigt. Im Anfang der Affäre, als der Kriegsminister Andrs erklärte, er habe nichts von den Spitzeleien gewußt, als die Aussicht bestand, durch die Opferung Mollins das Ministerium zu retten, damiß- brlligte Jaurss die Praktiken" des Hauptmanns. AIS sich aber herausstellte, daß Andro gelogen, daß er diese Praktiken gekannt und an ihnen Teil genommen, da entdeckte plötzlich Jaurös, sie seien durchaus nicht unanständig. In derHuma- nitö' vom 1. November führte er aus, Mollin habe allerdings dadurch gefehlt, daß er die Wichtigkeit seiner Rolle übertrieb, aber, fuhr er fort:Mollin seines Offiziersgrades zu entkleiden, wäre eine bedauerliche und unkluge Konzcssion an die Panik, an den Schwindel, der einen Augenblick lang die Kamnier zu verwirren schien. Denn er hatte nichts Unehrenhaftes begangen, er hatte im Gegenteil seine Pflicht erfüllt, indem er dem Kriegsminister half, Erkundigungen einzuziehen und so mit größerer Sicherheit in dem notwendigen Werl der republikanischen Wiederherstellung und Befestigung fortzufahren." Eine sonderbare Art.die Pralttkeit des Hauptmairns Mollin zu mißbilligen". Man sieht, derVorwärts" hat alle Ursache, meiner Darstellung vorzuwerfen, daß sie.daö Verständnis der französischen Zustände unendlich erschwere". Den Widerspruch, in dein JaurvS sich bewegt, macht der Vorwärts" getreulich nach. Aber wenn>ener emige Tage Zeit brauchte, um von der Mißbilligung zur Rechtfertigung zu kommen, so macht das der.Vorwärts" viel kürzer ab. In demselben Artikel entrüstet er sich in der ersten Spalte über mich, weil ich ihn» Recht- fertigung der politischen Spitzelet vorwarf, um in der zweiten Spalte dieselbe Spitzelei mit einem Hinweis auf die französischen Verhältnisse zu rechtferttgen. Zuerst die Negation der Spitzelei, dann die Negation der Negation. Auch eine Dialektik, aber keine marxistische. Damit bin ich natürlich glänzend geschlagen. Nur ein Trost bleibt nur in der Niederlage. DerVorwärts" hatte erklärt, a n sich seienFührungSzcttel, in denen Bemerkungen über die politische Zuverlässigkeit der Offiziere niedergelegt seten, berechtigt." Ich hatte dem gegenüber die Erwartung ausgesprochen, daß auch nicht e i n Parteigenosse diesen Satz unterschreiben werde, und das wird mir früher, als ich erwartet, vomVorwärts" selbst be- stättgt, da auch er s e l b st diesen Satz nun nicht mehr unterschreibt. In seiner Erwiderung erklärt er fteilich, er halte seinen Satz über die Führungszettel aufrecht, aber dieser Satz hat plötzlich eine ganz andere Fassung erhalten. ES werden die Führungszcttcl nicht mehr an sich, sondern nur nochunter Umständen, wie sie in Frankreich bestehen", als berechtigt hingestellt. Das ist aber etwas ganz anderes. Ich hätte nie die Kühnheit gehabt, zu er- warten, kem einziger Parteigenosse werde die Fllhrungözettel unter den besonderen Zuständen Frankreichs für berechligt halten, denn ich weiß leider nur zu gut. daß es eine ganze Reihe von Parteigenossen gibt, die Frankreich für ein Land halten, in de», alle Dinge so sehr auf den Kopf stehen, daß auch der Sozialismus sich dort nur dann behaupten könne, wenn er seine eigenen Grundsätze ebenfalls auf den Kopf stelle. Welches sind aber diesebesonderen Umstände", die in Frank- reich die politische Spionage zu einer sozialistischen RegierungS- cinrichtung machen sollen? Sie sollen in derHinterlist" der dortigen Feinde des Volkes" bestehen, denen gegenüber meineethischen An- Wandlungen" einpolitisches Verbrechen" seien. In der Tat, hätte ich nurethische Anwandlungen" vorgebracht, so besäße unser sonst so ethischerVorivärts" ein Recht, zu erklären, daß damtt nichts bewiesen sei. Aber ich hatte die politische Spionage verurteilt mit dem Hinweis darauf, daß sie unnütz, ja schädlich sei. Ich hatte gezeigt, daß sie nicht imstande sei, den Charakter des Offizier- korps zu ändern, und seine Gefährlichkeit für die Republik zu be- scitigen, so lange seine Privilegien bestehen bleiben, daß nur das M i l i z s y st c m Helsen kann. Ist die Gesinnungsriecherei also unnütz, so wird ihre Anerkennung aber direkt gefährlich für uns, da sie sich schließlich immer wieder gegen uns richten wird, als der Klasse, welche jede Klassenherrschaft bedroht. Wir schmieden damit Waffen, die, mögen sie augenblicklich angewendet werden, wie sie wollen, schließlich sicher gegen uns gerichtet werden. Eine weitersehende Politik, die nicht von der Hand in den Mund lebt, darf auch unter denbesonderen Umständen Frankreichs " nicht die politische Spitzelei als legitime Waffe anerkennen. Ueber alles das schweigt derVorwärts". Aber hat nicht Jaurss und nrit ihm derVorwärts" anerkannt, daß die Armee nicht so bleiben darf, wie sie ist; rühmen uns nicht beide das große Kulturwerl derDemokratisierung der Armee", das Andro begonnen? Kautskh Übersicht", entgegnete der«Vorwärts",daß die französische Heeresreform, so unzureichend sie für die Sozialdemo- kratie zunächst ist, den Anfang bedeutet einer Aufhebung des Klassen- charakters des Offizierkorps und des Gegensatzes zwischen Armee und Volk. Bisher ist die Armee eine Macht gegen die bürgerliche Ge- Walt und gegen das Volk, aber die geplanten Reformen be- deuten den erste» Schritt nicht mehr, aber auch nicht weniger, die Armee unter die Zivilgewalt zu beugen. Bisher bildete der Gcneralstab eine Neben- und Ueberregierung, bereit zu Staatsstreich und chauvinistischen Abenteuern, jetzt soll er der Re- gierung untergeordnet werden. Diese doch nicht zu unterschätzende Frage steht in Frankreich zur Entscheidung." In der Tat ein gewaltiges Werk. Wäre es nicht ein politisches Verbreche», es durchethische Anlvandlungen" zu hindern? Sicher, wenn es wirklich in Frage stände. Aber leider handelt es sich um alle diese schönen Dinge bloß in der üppigen Phantasie unserer Genossen vomVorwärts". Man sehe sich seinen Artikel nur an; mühsam sucht er alle die geplanten und auch nicht geplantenHeeresreformen" zusammen, und Ivas hat er uns zu zeigen? Jaurss' Borschlag nicht Forderung oder Regierungsplan die Gewährung von Freistellen in der M i l i t ä r s ch u l e zu St. Ehr besser zu regeln unddie Einpferchung der Offiziere an den Offizierstafeln" aufzuheben. Dann noch die Vereinigung der Militärschulen mit den Universitäten, von der er selbst sagt, daß dierepublikanische Majorität" sie ablehnt. Das ist alles. Die Beseitigung der Kriegsgerichte erscheint ihm selbst hoffnungslos I Und das nennt unser Zentralorgan die ersten Schritte, die Armee unter die Zivilgewalt zu beugen, den Gencralstab zu unter- werfen, wo doch an dem Wesen und der Macht des Offizierskorps nichts geändert wird. Aber ist da nicht noch eine gewaltige Heeresreform zu nennen, die demVorwärts" besonders imponiert? In der Tat: Die Er- gänzung eines Teiles der Offiziere aus den Unteroffizieren. Schon sieht derVorivärts"eine große Anzahl der Vorgesetzten" aus den«unteren Volksklassen stammen", ein Hinderdnis, die Armee gegenVäter und Mütter" zu kommandieren. Das Aufsteigen von Unteroffizieren in die Offiziersklasse ist in- des keine Neuerung in der französischen Armee, sie besteht seit der französischen Revolution, es handelt sich hier also um kein neues Prinzip, sondern nur darum, ein paar Unteroffiziere mehr als bisher zu Offizieren zu machen. Das ist alles. Und da- durch soll die Armee demokratisiert werden? Durch den bloßen Wechsel von ein paar Personen soll der Geist der Institution in sein Gegenteil verkehrt werden? Aber der Proletarier, der Offizier wird, hört auf, Proletarier zu sein und unterscheidet sich von seinen Kollegen oft nur noch dadurch, daß er Parvenü ist, alle ihre Eigenheiten nachäfft und besonders hervorzukehren sucht. Schulze-Delitzsch träumte ja auch von einer Sozialisierung des Kapitalismus durch Aufnahme einiger Proletarier in die Kapitalisten- klaffe. Diese Utopie wurde von der Sozialdemokratie mit Hohnlachen aufgenommen. Nun aber will unser Zentralorgan die Armee demo- krattsieren durch Aufnahme einiger Unteroffiziere ins Offizierskorps. Das soll der erste Schritt sein, den Generalstab unter die Zivil- oewalt zu beugen, Staatsstreiche unmöglich zu machen! In Wirk­lichkeit zählte keine Armee mehr gewesene Proletarier im Offiziers- korps, als die Napoleons I., wo sie bis zur Marschallswürde auf- stiegen, während der Offizier gewordene Troupier heute meist als Leutnant den Rest seiner Tage beschließt: aber keine Armee hat leichter Staatsstreiche gemacht und mehr die Zivilgewalt unter sich gebeugt, als die des ersten Napoleon . Die I n st i t u t i o n e n muß man ändern, will man den MilitarisnmS beugen, nicht einzelne Personen wechseln. Aber Vom Knlturwert der deutschen Schule. Die Stimmen gegen die heutige Staatsschule mehren sich auch im bürgerlichen Lager. Wir haben kürzlich die Schulbroschüre des Jenenser Professors Rein einer Kritik unterzogen; heute möchten wir auf eine andere Broschüre überden Kulturwert der deutschen Schule" aufmerksam niachen, die kürzlich bei E. Diederichs in Leipzig herauskam. Sie fcheint uns in gleicher Weise beachtenswert. Auch ihr Verfasser ist ein evangelischer Theologe, der bisherige Pfarrer und Ortsschulinspektor Bonus in Großmuckrow. Wir haben uns schon vor Jahren einmal mit ihm beschäftigt, als er als einer der ersten unter den Theologen, allerdings im Interesse der Religion, deren Beseitigung aus der Schule verlangte. Heute gehen seine Forderungen gegen und seine Kritiken an der Schule ganz erheblich weiter. Ja seine vorliegende Broschüre wirkt als eine sehr wuchtige und umfassende, wenn auch etwas schwerfällige und geschraubte Anklage gegen das heutige Schulsystem. Er läßt eigentlich nichts Gutes an ihm und spricht ihm jedenfalls allen Kulturwert ab. Der Mann geht dabei von einem bisher sehr wenig beachteten Punkte aus. Er ist, was einem Theologen allerdings sehr nahe liegt, ein rabiater Verteidiger dessen, was man die Phantasie im Menschen nennt. Er hält sie nicht nur für den wertvollsten Teil im Menschen, sondern auch für dessen alles entscheidenden. Was in ihr Tätigkeitsgebiet fällt, also Religion. Kunst, literar-ästhetisches Schaffen und Nachschaffen, ist schlechterdings Hauptsache, alles andere, auch das Verstandesmäßige und vor allem das Technische, mehr oder weniger Nebensache. Aber dieser durchaus einseitige und deshalb fehlerhafte Standpunkt war in diesem Falle von Vorteil. Er schärfte dam Manne das Auge, um das heutige Schulsystem einer sehr selbständigen Betrachtung zu unterziehen. Dabei greift er vor allem das klassische Prinzip unserer höheren Schulen, die herrschende Unterrichts- Methode in den unteren Schulen sowie den Mißbrauch der Schule durch den Staat zum Zweck der Züchtunggutgesinnter" Bürger aufs schärfste an und glaubt, indem er die Wirkung dieser drei Faktoren aufzeigt, den Niedergang unseres deutschen Schulwesens erklärt zu haben. Uns will scheinen, daß es noch sehr viel andere Gründe dafür in Betracht zu ziehen gibt, vor allem diejenigen, die in unserer gesamten privatkapitalistisch bestimmten Gesellschafts. ordnung liegen. Doch kommt es weniger auf die erschöpfende Dar- legung aller dieser Gründe, als auf die Tatsache an, daß hier ein Wissender jenen Niedergang überhaupt und rückhaltlos konstatieren muß, mit einem Beweismatcrial, das so auch in unserer Presse bisher noch nicht vorgelegt worden ist. Man Isöre folgende Absätze S- B. über die heutige Unterrichtsmethode:' Nachdem der Lehrer sich mit den einzelnen... Kindern vertraut gemacht, stellt er nun auf sokratische Methode einmal fest, was an Erfahrungen in der Richtung auf die Geschichte oder das Lied, das behandelt werden soll, das Kind bereits hat. Von da aus geht es vorbereitend auf die innere und äußere Situation des Lehrstückes hin; möglichst alles in Frage und Antwort, damit in jedem Augenblick der Lehrer Herr aller Gc- danken bleibt und alle Gedanken, die schweifen wollen, immer wieder abfangen und zurücklciten kann. Die so vorbereitete Stimmung soll nun nach der Meinung der Pädagogen die interessierteste Erwartung sein, geradezu eine Art Hunger und«Verzweiflung der Unwissenheit", und wir zweifeln nicht, daß es, wenn auch nicht Schüler, so doch Lehrer gibt, welche ehrlich glauben, daß sie mit dieser Methode dem Schüler nichts aufgezpungen, sondern seinenHunger" geweckt haben. Nun folgt das Gedicht und dann die eigentliche Arbeit. Wieder muß nun der Schüler ganz von selbst und ohne jeden Wang in Selbsttätigkeit alles dasherausfinden", was der ehrer an guten Lehren allerlei Art in dem Gedichte gefunden hat,und wenn wir zu einem Resultat gelangt sind, dann faßt einer von den besseren Schülern das Ganze zusammen, und nun wird es in dieser Form eingeprägt". Zuguterletzt kommt dann noch eine Zusamenstellung und Verknüpfung der auf diese Weise aus den einzelnen Lehrstoffen frei gefundenen und dann ein- geprägten Resultate zu einem zusammenfassendenSystem". Wer nun, da immerfort betont wird, daß alles frei ge- fundcn und ohne jeden Zwang in Selbtätigteit erarbeitet ist, doch noch Zwang sieht, dem ist eben nicht zu helfen..Das ist viel- mehr gerade das Große an dieser modernen Pädagogik, daß eS hier mit freiem Finden doch schließlich zu festen Resultaten und gar zu ganzen Systemen kommt!" Oder eine andere Charakteristik dieser Pädagogik: «Die Peitsch- und Zuckerbrotmethode des körperlichen und geistigen Knuffens von hinten und der Berechtigungen von vorne, dieser Schrauben- und Zangengcist, der darein seinen Stolz setzt, Dinge aus den Schülern hcrauszufragen, die nie in ihnen waren, und sich deshalb genötigt sieht, die Antworten in die Fragen zu verstecken und sich und anderen etwas vor- zumachen, dieserAnschauungsunterricht", der alle An- schauung durch Begriffe ersetzt und unter Begriffen erstickt diese Religionsstunden, in deren chemischsokratischcr" Luft kein Geheimnis mehr atmen kann, in denen alles Höchfie und Tiefste platt gefragt und nichts mehr auf Hoffnung gesät wird: denn es muß allesverstanden" sein, und das von zwölfjährigen Kindern! dieser Naturwissenschaftsunterricht, in dem die Kinder gewaltsam von der Natur entfernt werden, diese alt­klassische Lektüre, in der die Klassiker als Bcispiclsammlungen zur Grammatik verständlich werden. diesesDeutsch ", in dem an die Institutionen wagt das heutige Regime in Frankreich nicht zu rühren, es wagt nicht, dem Militarismus zu Leibe zu gehen, und weil es eine durchgreifende Reform weder will noch mag, den be- stehenden Zustand aber unerträglich findet, müht sich mit elendem Flickwerk ab, das es durch den hochtrabenden NamenDemokratisierung der Armee" aufzuputzen sucht. Aber nicht einmal in der Erneuerung des Personals wagt man dort einzugreifen, wo sie einigermaßen Erfolg verspräche und als erster Schritt" zur Unterwerfung der Armee und ihres General- stabs unter die Zivilgewalt betrachtet werden könnte: im General st ab selbst. Das beweist erst jetzt wieder der Prozeß Dauttiche, der einen neuen Sieg des Generalstabs darstellt. Freilich, dessen Ueberlegenheit über die Zivilgewalt war schon damals entschieden, als diese am Ende der Dreysiisaffäre vor ihm zusammenknickte und ihm für seine Verbrechen Straflosigkeit zu- sicherte. Sie hat gerade Kurage genug, klerikale Leutnants geheim bespitzeln zu lassen und ihnen die Beförderung zu versagen, wenn sie Betschwestern geheiratet haben; aber sie wagt nicht, offen die überwiesenen Verbrecher deS Generalstabes zur Verantwortung zu ziehen, sondern übergibt ibnen noch die höchsten Kommandostellen. Alles das übersieht unser Zentralorgan, es sieht nur die ge- planten winzigen Reförmchen, übertteibt ihre Bedeutung und kommt so dazu, uns die beginnende Demokrattsierung der Armee an- zuprcisen, wo tatsächlich die Kapitulation der Zivil-gewalt den ministeriellen Sozialismus inbegriffen vor dem Militarismus vorliegt. Die Spitzelei ist nur ein Produkt der Schwäche, die dem Gegner hinterrücks einige Nadelstiche zu versetzen sucht, dem sie von vom nicht entgegenzutteten wagt. Wenn ich von der Reforintätigkeit des Kabinetts CombeS sprach, habe ich auch ganz andere Reformen im Auge gehabt, als seine .Armeereformen". DerVorwärts" wird wieder meinen, diese Kritik seiun- gerecht und erbittert", sie erschwere durchmaßlose Bezichtigungen" das Verständnis der französischen Zustände.Auch die französischen Sozialdemokraten, und zwar nicht nur die ministeriellen, haben diese Vorgänge anders cnipfunden, als Kautsky ." Eben erst erscheint die erste Nummer vonLa Vie Socialiste", herausgegeben von Mitgliedern des Larti Socialiste Franyais ssogenannte Jaurösisten), aber zum Teil nicht auf das Ministerium Combes eingcschworen. Da finden wir auch einen Artikel von Emil Burs über die parlamentarische Situation. Er lohnte ganz die Wiedergabe, ich muß wegen Raummangel darauf verzichten, wie auf vieles andere, was noch zu sagen wäre, aber einige Zitate daraus werden zeigen, wie französische Sozialisten, die Jaurös nicht feindselig gegenüberstehen,diese Vorgänge empfunden haben". Es heißt da: Wir anderen Sozialisten müssen gegen das Regime der ge- Heimen Führungslisten suotss) protestieren, möge es in der Armee, in der Universität, oder der ganzen Verwaltung sein Un­wesen treiben. Ehemals, unter demGroßen Ministerium" Gambetta , hatte Waldeck-Rousseau den Präfetten den Auftrag ge- geben, die Freunde der Regierung zu begünstigen. Die radikale Presse hatte eine heftige Polemik dagegen geführt. Man muß aber zugeben, daß heute die Dinge viel schlimmer liegen. Wenn man sie entschuldigen will mit dem Recht der Wiedervergeltung, den alten Praktiken des Generalstabs, so mag das Hingehen; sie p r e i s e n, verrät eine bedenkliche zäsaristische Gesinnung. Uebrigens, werden die Offiziere. deren klerikale Gesinnung nian jetzt unterstrichen hat, nicht eines Tages um so rascher avancieren? Welch beunruhigende Unsicherheit herrscht nicht heute im Kriegsministerium, wo man einen Kameraden verdächtigt, weil seine Frau zur Messe geht, und ein hohes Kommando Herrn Geslin de Bourgogne gibt, der den Landesverrat der Emigranten pries I Man wirke rasch dahin, daß niemand Offizier werden kann. der nicht Soldat gewesen, und die Junker werden schon etwas weniger zahlreich in der Armee werden. Man entwickelt nicht den demokratischen Geist, wenn man die nationalistischen Methoden eines entwürdigenden SpitzeltumS anwendet, durch die nur Intriganten begünstigt und alle edlen Naturen abgestoßen werden; man muß die Institutionen an­packen, will man wirklich nützlich wirken." Man sieht, mein«politisches Verbrechen"ethischer Anlvand- lungen" wird auch unter denUmständen, wie sie in Frankreich be- stehen", von dortigen Sozialisten begangen wenn sie nicht vom Ministerialismus hypnotisiert sind. Auch derVorwärts" würde anders empfinden und urteilen, wäre er nicht für diebesonderen Umstände Frankreichs " gar zu ministerialistisch. Das Ministerium Combes war in Gefahr, das erklärt seine wie Jaurös Haltung; es war gefährdet nicht durch die Spitzeleien seiner Gegner, sondern durch die eigenen Spitzeleien, durch die Verachtung, die alle anständigen Menschen gegen die politische Spionage empfinden, eine Verachttmg, welche die Masse der Regrerungsanhänger selbst teilten. Das Ministerium war verloren, wenn sich nicht ein ein armes Gedicht solange erklärt wird, bis poetische Anschauung und künstlerische Empfindung zum Teufel sino, und die öde, graue Schulqual aus ihm herausgrinst wie auS allem, was die Schule bisher angefaßt hat; dieser umgekehrte König Midas , unter dessen Fingern alles Gold zu Staub wird." Eine Schilderung vom Gymnasium: Diese Zeit, in der Menschen, die aus eigenem Antriebe nie im Leben zwei Seiten Isias lesen würden, zwei Jahre lang Isias stümpern, weil-- ja weil sie das Recht ersitzen müssen, auf irgend eine Weise, die mit der Isias nichts zu tun hat, ihr Brot zu verdienen! diese Zeit, in der das Lügen gelernt und täglich und reichlich geübt wird vom Ultimus bis zum Primus! diese Zeit, in der unter dem Tische der fingerfertige Betrug herumkriecht, während über den Tisch hin die gewichtigen Worte schreiten: Ocki profarnim vulgus et arceo: ich hasse das gemeine Volk und halte es mir vom Leibe jenes Volk nämlich, das nur aus Not betrügt, statt aus praktischem Idealismus! Li iractue illabatur ordis, impa- vickum ferient ruinae: wenn der Erdkreis schwankt und zerbricht, so werden die Trümmer einen Unerschrockenen-- Herrje, da hätte der Lehrer ihn beinah ertappt! Integer vitae scelerisque purus: wohl dem, der frei von Schuld und Fehle diese Zeit, in der achtzehn- bis zwanzigjährige Männer dumme Jungen heißen und sind und für ehrlos und rechtlos gelten und mit aufeinandergebissenen Zähnen alles über sich ergehen lassen: nur noch ein bißchen Geduld, nur noch ein bißchen weiter heucheln! bald wird kommen der Tag und die Freiheit! diese Zeit, aus deren Folter und Qual und sittlicher und seelischer Not der, welcher sie erlebt hat, seine nächtlichen Angst- träume nährt! Ja, wir sind ein geduldiges Volk. Wir sind das Volk des praktischen Idealismus." Der Staat aber fördert diese ganze Methode, für die er durch seine Fuktionäre den Lehrstoff passend verschneidet: Die neue Pädagogik läßt kein Plätzchen, kein Häkchen für eigene Gedanken und Gefühle frei. Ihr ganzer Unterricht ver» läuft gerade in einem fortwährenden Zurückholen und Ein- stampfen der freien Gedanken und Gefühle. Und dazu kommt nun, daß der Staat all diesem methodischen Zwang mit der roheren Gewalt der Gesetze erst die Möglichkeit gibt, sich auszuwirken... Und so konimen denn Krcisschulinspektorcn und Schulrat in regelmäßigen Absätzen, um das Wachsen der guten Gesinnung abzuhören, und von Rechts wegen soll der OrtSschulinspeltor diese große Revisionstätigkeit ins Wöchent» liche und Tägliche hineinvertiefen. Wenn dieses System sich programmäßig auswirken könnte, so müßte ein halbes Jahrhundert später das Volk wie eine einzige Armee vonGutgesinnten" dastehen, von Urwählern, die zur W.ghl marschierten im.Gardeschritt, um den Mgnn ihrer