gt-m 21. mmi. 2. Keilte des„Dömiilts" Kttlintt WldsdlM.>«..m. Gefchäftsordnungs-Reform in Ungarn . Aus Budapest wird uns vom 14. November ge- schrieben: Ohne daß man recht weiß warum, befindet sich das ungarische Abgeordnetenhaus in der heftigsten Krise. Nach dem großen Friedensschluß im Frühjahr, worin durch den Appell des alten Koloman Thaly der einjährige Kampf in einer Stunde beschwichtigt wurde, ist die Arbeitsfähigkeit des Hauses keinen Augenblick gestört worden. Wohl ist die Opposition sehr wenig erbaut davon, daß sie sich an Stelle des konzilianten und liebenswürdigen Szcll den hochmütigen und schroffen Tisza eingewirtschaftet hat, aber einesteils fehle zum Obstruieren das notwendige Objekt und andernteils liegt der lange und schwere Obstruktionskampf gegen die Militär- vorlagen mit allen seinen Nachwirkungen der Opposition wie Blei in den Gliedern. Schon aus psychologischen Gründen war es klar, daß die Obstruktion auf Jahre hinaus gebannt ist, wenn auch kleine Plänkeleien nach der Sachlage unvermeidlich waren:- aber die zu überstehen und zu überwinden ist eben Sache der Geschicklich- keit des Ministerpräsidenten, und Szell ist mit ihnen immer in aller Gemütsruhe fertig geworden. So war die Sachlage, und niemand ahnte, daß das ungarische Parlament„gerettet" werden müßte. Aber TiSza scheint es sich in den Kopf gesetzt zu haben; und aus der fixen Idee, der Möglichkeit der Wiederkehr des vorjährigen Zustandes müsse vorgebeugt werden, schrieb er einen Monat vor Eröffnung des Reichs- tages seinen Wählern einen Brief, worin er als erste und unerläßlichste Aufgabe seines Regierens die Reform der Ge- schäftsordnung bezeichnete. Der Plan war freilich aufgebaut auf die— positive oder stillschweigende— Unterstützung des namhaftesten Teiles der Opposition, der Kossuthschcn Unab- hängigkeitspartei, der„besonnenen Elemente", wie sie Tisza in Erinnerung an die vielen Gefälligkeitsdienste, die ihm Franz Kossuth erwiesen, schmeichlerisch nannte. Da die unter Führung Apponyis stehende Nationalpartei die Anwendung obstruktionistischcr Mittel überhaupt verschmäht, wäre nur der Widerstand der klerikalen Volkspartei und der ganz wilden Malcontentcn, die unter Führung Ugrons stehen, zu befürchten gewesen— Parteien, die numerisch zu schwach und moralisch zu diskreditiert sind, um sich lange gegen eine intensive Belagerung behaupten zu können. Der Plan ging also dahin, einen Ausschuß einzusetzen, der dem Hause über die Reform der Geschäftsordnung Vorschläge machen solle. Graf Tisza hat sich aber vollständig verrechnet. Vor allem lehnten es alle Oppositionsparteien rundweg ab, in den Aus- schuß einzutreten. Und der Antrag auf Wahl eines solchen Ausschusses selbst wird im Plenum seit vierzehn Tagen nach allen Regeln obstruktionistischcr Kunst totgcredet. Die Hoff- nung also, die Revision gleichsam als eine Notwendigkeit des Parlaments im Einvernehmen mit allen maßgebenden Parteien des Hauses durchzuftihren, diese Hoffnung Äszas hat sich als völlig trügerisch erwiesen. Graf Tisza will nun morgen einen andern Weg ein- schlagen, und zwar nach allem, was man über den„cnt- scheidenden Schlag" vernimmt, den Weg der G e w a l t. Er wird die ihm als„notwendig" erscheinenden Aenderungen selbst vorschlagen, und zwar in einem einzigen Paragraphen zusammengefaßt, und ihn als„provisorische Geschäfts- ordnung" mit allen Mitteln durchzusetzen suchen. Ursprünglich hieß es, der neue Antrag werde sich als ein sogenannter„An- trag zur Tagesordnung" geben, zu welchem geschäftsordnungsmäßig nur vier Redner das Wort nehmen dürfen; aber das wäre ein so frecher und unverhüllter Rechtsbruch, daß er die Opposition zu jeder Gegenwehr legitimieren, mit dem sich also der Ministerpräsident vorweg ins Unrecht setzen würde. Das wird also Tisza wohl nicht riskieren; vielmehr wird sich die Aktion so abspielen, daß der Ministerpräsident nun statt des Antrages auf Einsetzung eines Ausschusses die Revision selbst zur Verhandlung bringen und den Kampf um sie mit der Obstruktion aufnehmen wird. Große Aussicht auf Er- folg hätte also dieser Kampf für die Regierung gerade nicht. Denn so lange die Aenderung nicht durchgesetzt ist, gilt eben die alte Ordnung und in dieser ist das Arsenal der obstruktio- nistischen Waffen schlechthin unerschöpflich. Wenn also eine Gesetz- Verletzung nicht geplant ist und wenn die Opposition fest und »ntschlossen bleibt, so kann Tisza zur Verwirklichung seiner Pläne auf keinem Wege gelangen. Die Schlacht würde dann, da Tisza mit der Geschäftsordnung steht und fällt, mit einer Auflösung des Abgeordnetenhauses enden, mit einem Appell an die Wähler, zwischen der arbeitseifrigen Regierung und den obstruktionslüsternen Oppositionsparteien zu wählen und zu entscheiden. Aber zu der Auflösung hat niemand die rechte Lust: nicht die Regierung, nicht ihre Partei. nicht die Opposition, und am wenigsten der alte Kaiser, der alle gewagten und unfriedlichen Mittel scheut. Es ist also gar nicht ausgeschlossen, daß die Regierung mit Hülfe des, skrupellosen, ihr unbedingt ergebenen Präsidenten Pcrczcl in einem geeigneten Moment einen Gewaltstreich unternimmt und daß sich die Opposition— vergewaltigen lassen wird. Doch ist hier jede Voraussage unmöglich; sicher ist es jedoch, daß sich Tisza ohne ersichtlichen Grund und zu keinem prak- tischen Zweck eine geradezu komische Fährlichkeit bereitet hat. Denn es ist wirklich nicht einzusehen, was Herr Tisza eigentlich will. Anfänglich schien es. als ob sich der nngarischc Ministerpräsident für den schweren Augenblick rüsten Ivollte, da er dem Reichstag den in Oesterreich mit dem Z 14„Per- fektuierten" Ausgleich plausibel zu machen haben wird, daß es also ein tiefer, auf weithin berechneter Plan ist, die Obstruktionsmöglichkeit in Ungarn zu beseitigen, um von der 8 �-Wirtschaft in Oesterreich den gefährlichsten Angriff abzu- wehren. daß der Feldzug für die Revision der Geschäfts- ordnung ein Feldzug für die Fortfristungsmöglichkeitcn des wirtschaftlichen Dualismus sei. Aber nachdem, was TiSza über den Umfang seiner Revisionspläne berichtet hat— daß sie jetzt weiter gehen dürften, ändert daran gar nichts—, hat man es weniger mit einem für die Zukunft vorbauenden Plane, als mit einer fixen Idee zu tun. Nach seinen Darlegungen wollte TiSza die Geschäftsordnung lediglich in drei Beziehungen„revidieren": durch Einftihrung des Schlusses der Debatte über das Budget, durch Ausinerzuna der Be- stimmungen. welche die sogenannte„technische Ob- strnktion"(mittels Abstimmungen) ermöglichen und schließ- lich durch Verhängung der Disziplinargewalt des Vorsitzenden. Aber all dieses würde an dem eigentümlichen Zustand des ungarischen Abgeordnetenhauses blutwenig ändern. Die eigentliche Waffe der Obstruktion waren nie die Ab- stimmungen, sondern immer das Reden; die Beseifigung der technischen Obstruktionsmittel sowie die Bestrafung der in dem hitzigen Parlament üblichen„stürmischen Szenen"— obwohl man gerade hier anerkennen muß, daß sich die Leute im Budapester Reichstag doch ungleich manierlicher aufführen, als etwa im Wiener Rcichsrat— wird also die Möglichkeiten der Obstruktion fast unversehrt belassen. Und oblvohl man schon zweimal das Budget obstruiert und den Lx-I-ex-Zustand herbeigeführt hat— der in der Unzulässigkeit der Einmahnung und Eintreibung der direkten Steuern besteht— und beide Regierungen— Banffy und Szell — denen das Mißgeschick beschieden ward, daran zu Grunde gegangen sind, so war der Kampf gegen die Indemnität (wie sie hierzulande die vor- läufige Ermächtigung zur Eintreibung der Steuern nennen) doch immer nur ein Zwischenfall, der eigentliche Kampf ging und geht stets gegen die aus der Gemeinsamkeit mit Oesterreich, gegen die aus dem Dualismus entspringenden Gesetze, Die„Retterei" des Tisza hat also ebenso wenig einen zureichenden Grund wie ein verständliches Ziel. Damit soll natürlich nicht bestritten werden, daß die Geschäftsordnung des ungarischen Abgeordnetenhauses ein wahres Unikum ist; sie ist, wie alles so Seltsame und West- enropäcrn Unerklärliche dieses Landes nur aus der avidischeu Verfassung Ungarns zu verstehen. Die ungarische Geschäfts- ordnung hat zwei kardinale Merkwürdigkeiten: erstens be- grenzt sie den Verhandlungstag und zweitens eröffnet sie der , Rederei unbegrenzte Möglichkeiten. Jede Sitzung beginnt um 10 Uhr vormittags und muß um zwei Uhr nach- mittags geschlossen werden— nur durch Beschluß des Hauses kann für bestimmte Gegenstände eine Verlängerung um eine Stunde eintreten. Dagegen gibt es keinen Schluß der Debatte; jedwede Verhandlung dauert so lange, als eben Redner auftreten. Die Opposition kann also jede Debatte so lange fortführen, als sie Redner aufbringt; und da sich der Redner durch Einreichimg eines„Beschlußantrages"(so viel wie eine Resolution, die natürlich fabrik- mäßig erzeugt werden können) auch ein Schluß- wort sichert, kann die Opposision, wenn sie will, in jeder Debatte alle ihre Redner zweimal reden lassen: was das bei vier Sitzungsstunden bedeuten kann, versteht man schon. Dazu kommen noch andere Wunderlichkeiten. Eine namentliche Abstimmung herbei- zuftihrcn genügt der Wille von zwanzig Abgeordneten; wenn sie wollen, muß die Abstimmung sogar aus den nächsten Sitzungstag verschoben werden. Ein von zwanzig Abgeordneten gestellter Antrag reicht auch aus, in jedem Augenblick eine „geschlossene Sitzung", eine nichtöffentliche herbeizuführen, in der über die„Frage" der Notwendigkeit der NichtÖffentlichkeit wieder eine endlose Debatte geführt werden kann. So seltsam ist diese ganze Ordnung, daß gewisse Aeußerungen rein mechanisch begrenzt werden; so dürfen„zum Protokoll" oder „vor der Tagesordnung" nur vier Redner das Wort nehmen. Auf der anderen Seite ist wieder der Lässigkeit Tür und Tor geöffnet; verhandlungsfähig ist das Hans schon bei Anwesenheit von vierzig Mitgliedern, und nur die Verkündi- gung der nächsten Tagesordnung bedingt die Anwesenheit von hundert Abgeordneten— die aber natürlich selten da sind. Die ungarische Geschästsordnnng strebt eben keine Ver- teilung der Rechte zivischen Mehrheit und Minderheit an, sondern entstand in einer Zeit, in der sich daS Parlament alle Mittel sichern wollte, um sich eines äußeren Feindes, nämlich seines Königs, zu erwehren. Für Kämpfe innerhalb eines Parlaments taugt sie freilich schlecht. Aber die Bilanz steht doch günstig für die Obstruktion. Das Eigentümliche dieser ungarischen Obstruktionen— und der Grund, warum sie stets siegreich blieben— besteht darin, daß sie nie für die Partei, sondern im Wesen immer für das Vaterland geführt wurden, daß sie sich nur scheinbar gegen die Regierung, in Wirklichkeit aber nur gegen Wien gerichtet haben. Ein Verglich mit den Obstruktionen in Oester- reich(oder auch mit den zum vergleichen so oft angezogenen der Iren im englischen Unterhaus) wäre also einfach töricht. Wenn in Oesterreich die Deutschen die Tschechen obstruieren, so kämpfen sie für ihre Nation gegen den Staat; wenn in Ungarn die Unabhängigkeitspartei für die magyarische Kommandosprache obstruiert, so kämpft sie für den ungarischen Staat und bekriegt im Wesen nur die Wiener Hofburg . Daß im übrigen der Marasmus des einst so angesehenen und in gewisser Hinsicht ganz rühmlichen ungarischen Reichstages eine unentrinnbare Folge des lächerlich engherzigen Wahlrechts ist, welches die Abgeordneten des Zu- sammenhanges mit den Volksmassen völlig beraubt und sie einfach zu Gewählten durch Korteschkünste macht, ist ein Grund mehr, dieser rein äußerlichen Reform durch Abänderung der Formen des parlamentarischen Lebens zu widerstreben. Ungarn braucht eine Erneuerung seines Parlaments, und die kann ihm nur eine Wahlreform schaffen. Graf Tisza will aber alten Wein in neue Schläuche gießen. Serlmer partei-)Zngelegenkeiren. Genossen und Genossinnen! Am Dienstag, den 22. November, abends 8 Uhr, findet im.Eiskeller", Thausseestr. 88, eine Bolls» Versammlung statt. Es ersucht um recht rege Agitation für den Besuch derselben Die Vertrauensperson. Pankow . Achtung 1 Gewerbegerichts« Wählerl Bis zum 24. November er. liegen im Nalhause, Zimmer 21. wochentäglich 8—3, Sonntags Ö— 12 Uhr. die Listen zur Eintragung der Wähler aus I Wer sich nicht eintragen läßt, hat kein Wahlrecht. lokales. Die arbeitschwänzenden Herren Lehrlinge. Die Einführung der Pflicht-Fortbildungs- schule in Berlin soll nun die Stadtverordneten zum letztenmal beschäftigen. Der Ausschuß, dem das vom Magistrat entworfene Statut zur Vorberatung überwiesen worden war, wird der Versammlung am Donnerstag den Bericht erstatten, und die Versammlung wird dann Über seine Vorschläge beschließen. Diese Vorschläge enthalten nichts, was ein emsichtiger Arbeitgeber als übertriebene Forderung be- zeichnen könnte. Es fehlt in ihnen sogar noch manche sehr not- wendige Bestimmung, die im Ausschuß von sozialdemo- k r a t i s ch e r Seite empfohlen worden war, aber von den Freisinnigen verworfen wurde. Im Plenum werden am Donnerstag ein paar extra rückständige„Vertreter des Hand- Werks", die in der Stadtverordneten-Versammlung sitzen, vielleicht noch einmal ihre Jeremiaden anstimmen. Doch sie können es nicht hindern, daß die Zeit über sie hinwegschreitet. Eigentlich sollte ja nun der Niedergang deß Handwerks beginnen, der früher in der Stadtverordneten- Versammlung als unvermeidliche Folge der Einführung einer Pflicht-Fortbildungsschule angekündigt wurde, so oft die sozial- demokratische Fraktion diese Forderung aufstellte. Der alte Bertram warnte einmal bei einer solchen Gelegenheit, vielen Meistern würde es dadurch erschwert werden, Lehrlinge zu halten, und mancher Meister werde überhaupt darauf verzichten müssen, noch Lehrlinge anzunehmen. Einer gewissen Sorte von Handwerksmeistern, die ohne den aus ihren Lehrlingen herausgeholten Profit nicht bestehen können, dürfte die Pflicht-Fortbildungsschule in der Tat ein bißchen sehr unbequem werden. Wer solche Meister haben überhaupt keine Existenzberechtigung. Wie in den Köpfen mancher Handwerksmeister sich die Welt des Lehr- lings malt, das zeigt die Antwort, die einer dieser Meister dem Leiter einer Berliner Fortbildungsschule gab, als dieser bei ihm über die Unregelmäßigkeit des Schulbesuches eines Lehr- lings Kluge führte. In dem Schreiben des Meisters hieß es unter anderem:„Auf Ihre Karte kann ich Ihnen erwidern, daß bei mir die Arbeitszeit um 7 Uhr beendigt ist, und werden Sie wohl nicht verlangen, daß die Herren schon am Nachmittag der Schule wegen die Arbeit schwänzen. Ich werde in Zukunft dafür sorgen, daß niemand vor Schluß der Arbeit die Räume zu verlassen hat. Wenn die Herren Schule besuchen wollen, so steht ihnen der Sonntag von früh an zur Verfügung, oder was sie sonst nach Schluß der Arbeit macheu." Der Schulleiter übergab diese Antwort dem Vater des Lehr- lings und fügte ein erläuterndes Begleitschreiben bei, das also schloß:„Ich halte es für sehr bedauerlich, daß junge Leute verhindert werden, vorwärts zu streben und sich auszubilden. Hoffentlich gelingt es Ihnen, für Ihren Sohn die Zeit zum Schulbesuch zu erwirken." Der Vater hat uns jetzt die Post- karte des Meisters und den Brief des Schulleiters zur Ver- fügung gestellt. Man kann es nur mit Genugtuung begrüßen, daß Arbeit- gebern mit solchen Anschauungen endlich durch die Einführung der Pflicht-Fortbildungsschule„d a s H a n d w e r k g e l e g t" wird. Gerade diese Menschensorte pflegt dann freilich am lautesten über die Sozialdemokratie zu schimpfen, die ihnen „die persönliche Freiheit beschränken" will— die Freiheit schrankenloser Ausbeutung der Arbeits. kraft._ „Gewerkschaftlich organisierte Metallarbeiter." DaS„Berliner Tageblatt" hat sich neuerdings durch eine Agi- wtion gegen die drohende AbHolzung des Grunewaldes nützlich ge- macht. Wir haben gestern darüber berichtet. Daß das Blatt auch für sich aus dieser Agitatton Kapital zu schlagen sucht, verdenken wir ihm nicht. Nur sollte die? mit etwas besserem Geschmack geschehen als in der letzten Morgennummer. Darin wird-eine Zuschrift veröffentlicht, die„Mehrere gewerkschaftlich organisierte Metallarbeiter" unterzeichnet ist. Von diesen organisierten Arbeitern läßt das Blatt des Herrn Masse sich folgende Anklage bereiten: „Die meisten Berliner scheinen noch gar nicht zu begreifen, was alles ans dem Spiel steht, hier handelt es sich um Gesundheit und Sittlichkeit, denn daß die Gesundheit durch das Wohnen in einer Steinwüste untergraben wird, ist kein Geheimnis. Und die Sittlichkeit kann nicht durch Theater st ücke und andere Verbote geschützt werden. sondern ein Volk, tvelches Verbindung mit Gottes freier Natur hat, kommt nicht auf schlechte Gedanken und bleibt von selbst sittlich. Für uns Arbeiter hat die Sache aber noch eine andere Seite; wir bedauern nämlich, daß der„ V o r w ä r t S", der sich immer als „Berliner Volksblatt" und einziges patentiertes Arbeiterblatt be- zeichnet, in der ganzen Angelegenheit keinen Finger gerührt hat. Hier, wo eS galt, anstatt der üblichen Phrasen p r a k t i s ch e n Sozialismus zu zeigen, versagte das Blatt sowohl wie die Partei. Massenversammlungen, von der Sozial- demokratte einberufen, hätten vielleicht ihren Eindruck nicht ver- fehlt, ja wenn es sich uni Steuervorlagen, Militär- und Marine- forderungen gehandelt hätte, dann. Bauer, wär's was anderes. Aber mit solchen Kleinigkeiten wie V o l k s w o h l haben sich unsere „Arbeitcrstihrer" nicht abgegeben. Das soll ihnen aber nicht v er g e s s en werden, denn schließlich haben wir es satt, uns mit hochtrabenden Redensarten abspeisen zu lassen und außer öder Krittk nichts PosittveS zu sehen. Das Geschrei von der„einzigen reaktionären Masse' außerhalb der Sozialdemolratte wollen wir unseren„Führern" auch jetzt mal wieder als Lüge ins Gesicht reiben und ihnen zeigen, daß. wenn sich die Berliner Arbeiterschaft nur a u f s i e verlassen wollte, sie wirklich verlassen ist." Hat der Mensch Worte I Uns ist manches schon passiert, aber gewerkschaftlich organisierte Arbeiter, die von„Theaterstiickcir und anderen Verboten" Blödsinn reden, Arbeiter, denen Steuervorlagen, Militär- und Marineforderungen Hekuba sind gegenüber„GotteS freier Natur" im Grunewald , die ihre bedrohte Sittlichkeit nur an dieser Stelle in einigermaßen sicherem Schutz wissen— solche Arbeiter sind uns allerdings noch nicht auf die Bude gerückt. Und wir müssen bekennen, daß»ns ein Gefühl der Erleichterung über- kommt, wenn wir an unsere schwere UntevlassungSsünde denken. ES wäre wirklich eine peinliche Geschichte gewesen, wenn wir Arm in Arm mit so seltsamen Arbeitern in Massenversammlungen hätten aufmarschieren sollen. Aber ein Vorschlag. Kein Mensch hindert doch die Herren L e v i s o h n und Masse, mit ihrer schätzbaren Neuerwerbung Massenversammlungen einzuberufen und der Sozial- demokratte den Wind auS den Segeln zu nehmen- Wir übernehmen, soviel an uns liegt, gern alle Gewähr für einen geordneten Verlauf dieser Versammlungen, sofern man un« nur die zum„Tageblatt" schwörenden Arbeiter vorstellt und uns weiter gestattet, diese Herren darauf aufmerksam zu machen, daß ihr Vonourf, wir hätten in der Grunewaldfrage„keinen Finger gerührt," sich mehr durch Kühnheit als durch Richtigkeit auszeichnet. Also, liebes „Tageblatt", zeige uns die auf dich vertrauenden gewerkschaftlich organisierten Metallarbeiter, zeige sie uns, auf daß wir nicht ent- täuscht in den Klageruf ausbrechen müssen:»So was gibt'S ja gar nicht!"_ Tagesordnung für die Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung am Donnerstag, 17. d. M.. nachm. 6 Uhr. Zur Beratung stehen u. a.: Bor - schlüge des Ausschusses für die Wahlen von unbesoldeten Gemeinde» beamten.— Berichterstattung über den Jahresabschluß der städtischen Gaswerke für das Etatsjahr 1802.— Berichterstattung über die Vorlagen betreffend die Einführung der Pflicht-FortbildungS« schule in Berlin. — die Regelung der ferneren Verwaltung und baulichen Unterhaltung der in den Häusern Klosterstraße 73 und 74 belegenen B Lehrerwohnungen bei dem Berlinischen Gymnasium, der Direktorwohnung und der Räume der Slreitschen Kommunität— sowie über den Antrag von Mitgliedern der Versammlung betr. die Her- stellung einer Verbindung der Stadtteile Moabit und Wedding durch ein Ueberführungsbauwerk über die Eisenbahngelcise im Zuge der Jtutlitz- und der Föhrerstraße.— Vorlagen bettefsend: die Etats- berschreitung bei Spezialverwaltung Nr. 86, Abschnitt I, Extra- Ordinarium, Titel IVB, Position 4,— die Bejchaffuirg einer Amts-
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