Messer zustach. Schüre erhielt einen Stich in die Brust, der ihn aufder Stelle tötete. Deckert wollte in Notwehr gehandelt haben, aberdas wurde von den Zeugen entschieden bestritten. Der Held wurdeau der geringen Strafe von 8 Monaten Gefängnis verurteilt.—Der Wasserwerks-Prozcß.(Privat-Depesche des„Vorwärts".)Esse», 28. November. Der Staatsanwalt liest die Anklagefallen bis auf§ 1b Absatz 2 des Nahrungsmittel- Gesetzes. DerStrafantrag lautet auf 2 Monate gegen Hegeler, 3 Monate gegenSchmitt und Pfudel und 500 Mark gegen Kiesendahl.Schließlich betonte der Staatsanwalt in seinem Plaidoyer, derProzeß werde in hygienischer Beziehung große Bedeutung erlangen.£liisUnd.Frankreich.Das Ende des Marinestreiks.Paris, 27. November.(Gig. 93er.) Ter Streik derArsenatarbeiter hat ein rasches Ende genommen. Wie ge-meldet, waren nur die Arbeiter von Brest massenhaft in denSolidaritätsstreik getreten. In Lorient dagegen, demUrsprungsort der Bewegung, blieb der Streik auf eine kleineMinderheit beschränkt, nachdem die.Arbeiter der Pulverfabrik,die Urheber der Bewegung, ihre sechs gemastregelten Uottegenverraten hatten. Das war die Zolge eines e r st e n Ukasesdes Mariireministers Pelletan, der die Feuerwerker von Lorientebenso mit der Brotlosmachung bedrohte wie einige Tagespäter die Arsenalarbeiter von Brest. Ter Solidaritäts-st r e i k verlor aus diese Weise für die Brester Arbeiter denbesten Teil seiner Anziehungskraft. Das übrige besorgte derberüchtigte Ukas Pelletans.In der Brester Versammlung, die zu dem von Pelletanbestimmten Datum die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossenhat, erklärte Vibert, Generalsekretär der Arsenalgewerrschaftund Bürgermeister-Adjunkt von Brest, daß die diesmal ge-scheiterte Bewegung nur aufgeschoben sei. Zugleichforderte die Versammlung von Pelletan die Wiederanstellungder sechs Gematzregelten von Lorient.— Unter diesen letzterenbefinden sich vier Frauen, Familienväter.Inzwischen mutzte Pelletan wegen seines Ukases sicheinige bittere Wahrheiten sagen lassen— von feiten des ge-schickten nationalistisckzen Demagogen, Abg. L a s i e s, dereine brühwarme Interpellation über den Ukas einbrachte. Ersagte in der Begründung seines sofortigen Jnterpellations-btzgehrens unter dem Beifall aller reaktionären Parteien:„Wenn unser Kollege, Herr Motte(Tertilkönig vonRoubaix) an seine Fabrik depeschiert hätte:„Lassen Sie durchAnschlag bekannt machen, datz jeder Arbeiter, der zu einer be-stimmten Stunde die Arbeit nicht wieder aufgenommen hat,entlassen werden wird,"— so würdet Ihr alle gegen denunternehmerlichen Druck protestieren... Jetzt aber opfertIhr die Interessen der Arbeiter Euren politischen Jnter-essen..."Pelletan:„Ich antworte Herrn Lasies einfach, datz,wenn er sich wundert, datz ich jene Depesche geschickt habe, sowundert es niich nicht minder zu hören, datz ein ehemaligerOffizier in Fragen dieser Art die Interessen eines Unter-nehmers der Sache der Landesverteidigung gleich-stellt."(Beifall auf der äutzersten Linken undauf mehreren Bänken der Linken.)Lasies:„Herr Minister, Sie haben die Arbeiterunserer Kriegshäfen zu politischen Werkzeugen machen wollen.Sie haben ihnen gestattet, Gewerkschaften zu bilden. DasStrcikrecht ist mit dem Gcwerkschaftsrecht verknüpft, und daSie ihnen das Recht, sich zu organisieren, zuerkannt haben,haben Sie kein Recht, ihr Streikrecht zu verletzen."(Lärmauf der äutzersten Linken.— Beifall im Zentrumund rechts.)?lbg. D e j e a n t e, revolutionärer Sozialist, sprach zurGeschäftsordnung in dem Sinne, datz Lasies' Jnterpellations-begehren ordnungsmätzig erst am Schlutz der Sitzung zuberaten wäre, und bemerkte im übrigen:„Wir haben vorHerrn Lasies von den Zwischenfällen erfahren, von denen ersoeben gesprochen hat. Wenn wir aber nicht geglaubt haben,ein sofortiges Jnterpellationsbegehren einbringen zu sollen...(Ironische Zurufe und Lärm im Zentrum und rechts.— Rufim Zentrum:„Zu spät!") so nicht, wie Herr Lasies, zumZwecke einer politischen Kundgebung, sondern im Interesse derArbeiter selbst."Lasies' Kundgebung hat jedenfalls ihren Zweck erfüllt. Erzog daher seine Interpellation zurück, nachdem der Marine-minister ihre Vertagung verlangt hatte.Nach den neuesten Meldungen haben die Arsenalarbeitervon Lorient eine Versammlung abgehalten, wo sämtlicheRedner ihr Vertrauen aussprachen, datz die Gematzregeltenwieder angestellt werden.Italien.Das Gesetz gegen das Streikrecht und Giolitti.Rom, 26. November.(Eig. Ber.)Die Undnrchsichtigkeit der durch die Wahlen geschaffenenministeriellen Lage bringt es mit sich, daß die widersprechendstenGerüchte über das nächste Verhalten des Ministeriums in Umlaufgesetzt werden.Man spricht von einem Ausscheiden der antiklerikalen MinisterauS dem Kabinett, das sich dann ganz nach rechts retirieren soll. Wirhalten diese Gerüchte für absolut unwahr, da Giolitti zu klug ist. umseine ganze politische Zukunft für eine kurze Herrschast mit der Rechteneinzutauschen. Andere sagen, Giolitti werde mit einigen allen Teile»annehmbaren Reformen beginnen, an erster Stelle mit der Herab-setzung der Zivilliste, die schon in der Thronrede verkündigt werdendürste. Auch das Listenwahlrecht und die Verminderung der Ver-zehrungssteuern sollten in das nächste Programm fallen. Be-denkt man, daß bei Listenwahl mit Proportionalvertrctungdie Sozialisten, die fast ein Fünftel aller abgegebenen Stimmen(19.0 Proz.) erhielten, aus 100 Sitze Anspruch hätten und sieht mandie große Erregung, mit der die Börse das Gerücht einer Herab-setzung des Zuckerzolls beantwortete— die Zuckcraktien fielen sofortum 30 Punkte— so wird man hier sehr skeptisch sein. Die un-ruhige Börse versteht einen sehr ruhigen Widerstand zu bieten, istdoch der Hauptbesitzer der Zuckeraktien der Graf Raggio, Mit-besitzer der.Tribuna". der italienischen Schiffahrts-Gesell-schaft, der Mittelmeerbahnen. Hauptlieferant bei Staats-submissionen, künftiger Bürgermeister von Genua und für den Titeleines»Herzogs von Novi" vorgemerkt I Mit diesem italienischenRockfeller wird Giolitti sich hüten, anzubinden!In dieser Zeit der Gerüchte wollen wir aber von einem cm ckitberichten, das als»zu phantastisch" von keinenr Blatte aufgenommenwurde, aber durchaus nicht ohne innere Begründung zu seinscheint. Danach hätte Giolitti schon jetzt eingesehen, daß er mit derneuen Kammer nicht regieren kann. Er wolle sich darum einen»guten Abgang' sichern und lieber für eine Zeit zurücktreten, alsseine Zukunft verspielen. Der Ministerpräsident würde dein Gesetzgegen die Streikfreiheit, das aus parlamentarischer Initiativeeingebracht werden wird, entgegentreten und bei seiner Berück-sichtigung durch die Kammer demissionieren. Dann gingealso Giotitti, weil er zu freisinnig war für das gegenwärtige Parlament, er ginge, in Erwartung besserer Zeiten und ließe niemandin der Patsche als die Krone und die konservative Opposition.Der Plan ist schlau genug, um von Giolitti zu sein. Nach demMißgriff der Wahlen ist er übrigens eines der wenigen Manöver,die Giolitti eine politische Auferstehung ermöglichen. Nur wenn ersich von den klerikal-konservativen Elementen der Kammer besiegenläßt— oder so tut, als wäre er besiegt— wird er von der selbst-gewollten Mehrheit nicht zum politisch toten Mann gemachtwerden.—Niederlande.Die Kolonialgrencl im niederländischen Parlament. Wie gerietenall die stammen Christen und humanitätsduselnden Liberalen außerdem Häuschen bei den vernichtenden Tatsachen, welche endlich auchvon nichtsozialdemokratischer Seite i» Sachen der Kolonialgreuelvorgebracht wurden! Als die Sozialdemokraten diese Scheußlich-leiten vorbrachten, konnte man noch sagen, daß diese bösen Leute jakeine Vaterlandsliebe kannten und darum die tapfere holländischeArmee verleumdeten. Als aber nun endlich aus dem bürgerlichenLager der sozialdemokratische Ruf widerhallte, da war man' entsetzt.Die vernichtende Rede des Herrn de Stuers hatte wie eine Bombeeingeschlagen. Alle bürgerlichen Parteihäupter, der eine hinter demandern, erklärten, wie sehr unrecht ihr Kollege gehabt habe und vor-nehmlich, mit wie wenig Vaterlandsliebe er vorgegangen sei. EinFührer der Regierungspartei, Herr Lohmann, erklärte, solche Sachenmüsse man in geheimer Sitzung abtun!Die katholische Partei ließ eine Erklärung verlesen, worin sieHerr» de Stncrs desavouierte!Im Parlamente herrschte eine Panik, erzählt die Presse, undman kann sagen, im Lande ebenfalls. Endlich werden auch dembürgerlichen Publikum einmal die Augen gewaltsam geöffnet, fürdiese kolonialen Greuel, die Augen, die so ost, als es Van Kolgelungen war, sie halb wach zu rütteln, wieder in tiefen Schlafgepredigt� wurden.Dreiste Heuchelei nannte der Herr de Stuers die Mostvierungder Regierung. In einer vernichtenden Rede ergänzte T r o e l st r adie Ausführungen des Herrn de Stuers, nachdem der„unabhängige"Sozialist Van der Zwaag nut schneidender Ironie die„Christlichkeit"unserer Kolonialpolitiker gegeißelt hatte. Es gibt ein Gebiet, schloßVan der Zwaag, wo eine„Christliche Mission" am allernotwcndigstenist, und das sind die N i e d e r l a n d e s e l b st!Troelssta wies darauf hin, daß mit denselben Redens-arten,, womit die Resterung die Expedistone» in Indien ver-teittgt, England und Deutschland die Annektion Hollands ver-leidigen können, was auch schon geschehe» sei: in England durchdas Blatt„Straits Times", in Deutschland durch ProfessorErnst v. Haller. Jetzt sage die Regierung, die taufend er-mordeten Frauen und Kinder der Gajoes feien be-waffnet gewesen und dadurch Kombattanten geworden, welche manniedermachen mußte; aber in der Thronrede werde bedauert, daßUnbewaffnete gefallen seien! In einer Anzahl von Gefechtenseien 1K47 Gajoes gefallen, gegenüber 6 Holländern!Die meisten Holländer seien gefallen, als die GajoeS sahen, daßman sie doch ermordete!Die Moral der Regierung sei E i n b r e ch e r- M o r a l.„Ichhabe gemordet, das ist wahr, aber es ist nicht meine Schuld, derErmordete nebst seiner Frau und Kindern standen mir im Wege, estut nur schrecklich leid, aber ich mußte doch meine Beute in Sicher-heit bringen." Das ist die Regierungsmoral und dasnennt man heute— Christentum!Das politische Christentum hatte einen zweiten schlechten Tag lAfrika.Folgen des Kuli-Jmports.Die Ruhestörungen, die sich infolge eines Zusammenstoßeszwischen Kaffcrn und chinesischen Kulis am Donnerstag auf derNew-Kleinfontein-Mine ereigneten, waren ernster Natur. ZwischenKaffern und Kulis entstand ein Streit, in dessen Verlauf eine Scharvon 800 Chinesen, mit Bohrern und Hebeln bewaffnet, eine Abteilungvon 50 Kaffern angriff, die schwere Zkniippel zur Verteidigung hatten.Es kam zu einem allgemeinen Kampf, der sich bald so ernst ge-staltete, datz die starke Abteilung Polizei, die sofort auf denSchauplatz entsandt wurde, sich genötigt sah. unverzüglich aufsentschlosfenste einzugreifen, um ein großes Blutvergießen zu ver-hindern. Die Polizisten gingen schließlich mit aufgepflanztemBajonett gegen die Kulis vor. und auch dann gelang es ihnennur unter großen Schwierigkeiten, die Ruhe wieder herzustellen.Im Kampf ivurden acht der daran Beteiligten so schwer verletzt, daßsie ins Krankenhaus geschafft werden mußten, während viele andereleichtere Verletzungen erlitten. Die Rädelsführer wurden fest-genommen. Eine Anzahl Bürger, mit Revolvem bewaffnet, unter-stützten die Polizei.Nach einer amtlichen Mitteilung sollen weitere große AbteilungenKulis eingeführt werden, bis 60000 Chinesen in den Rand-minen arbeiten. Bisher sind 21 000 Kulis nach Südafrikaverschifft worden.—Die wirtschaftliche Lage in Südwestafrika ist nach der englischenEroberung eine traurige. Der Import der Kulis erhöht zwar dieProfite der Minenbesitzer,' aber die Masse des Volkes befindet sichin viel traurigerer Lage, als mährend der Burenherrschaft. DieKaffern, die ehedem in den Minen arbeiteten, sind in voller Er-bitteruug. Kommt es schließlich zu einem allgemeineren Ein-geborenen-Aufstand, so wird England in'neuem Vlutigen Krieg dieKafferu niederwerfe». Kapitals st ischeKolonialpolitik!—Parlamentanfckes.Gegen das Kalisyndikat. Konservative, freikonservattve undZentrums-Abgeordnete haben im preußischen Abgeordnetenhausefolgenden Antrag eingebracht: Das Haus der Abgeordneten wollebeschließen: die königliche Staatsregierung zu ersuche», ihren Einflußauf das Kalisyndikat dahin geltend zu machen, daß den landwirt-schaftlichen Bezugsverbänden ihre bisherige Vorzugsstellung beiBezug der Kalisalze erhalten bleibt.Das Klassendrama von Clnses.Paris, 26. November.(Eig. Beck)Der Prozeß von Cluses hat nach zweiwöcheutlichen Ver-Handlungen mit einem Liompromiß-Urteil geendet. Das klein-bürgerliche bezw. bäuerliche Schwurgericht von Annecy(Ober-savoyen) hat die sechs wegen Plünderung angeklagten Arbeiterglatt freigesprochen und den vier kapitalistischen Meuchel-niördern, den Fabrikantensöhnen C r e t t i e z, den„ent-schuldigenden" Umstand der Herausforderung durch ihre Opferzugebilligt. Daraufhin hat der Gerichtshof drei der Mörderzu e i n e m Jahre und den vierten zu a ch t MonatenGefängnis verurteilt. An Schadenersatz wurde den An-gehörigen der drei Gemordeten und der neun Schiverver-mundeten im ganzen der Betrag von 12 766 Frank zu-erkannt.Dieses Urteil kann das proletarische und einfach mensch-lichc Gerechtigkeitsgefühl nur halbwegs befriedigen. Es istgemilderte, sich ihrer selbst schämende Klassenjustiz. Drei Jahreund acht Monate Gefängnis für einen dreifachen Arbeiter-mord und-11 verwundete Arbeiter, worunter mehrere zuKrüppeln geschossene! Man denke sich den umgekehrten Fall:Mordschüsse, abgegeben von Arbeitern und gar von streikendenArbeitern auf ihre wehrlosen und ahnungslosen Arbeitgeber— wo wäre die Jury zu finden, die in diesem Falle dieAngeklagten nicht der ganzen Strenge des Strafgesetzes aus-geliefert hätte? Wozu übrigens Hypothesen? In Frankreichselbst kann aus der jüngsten Zeit ein tatsächliches Beispieldieser Art angeführt werden. Der Arbeiter Spano wurde vonder Pariser Jury zum Tode verurteilt wegen der Ermordung eintzs Werkführers, der ihn b r o t l o s gemacht hatte.Doch das verschämte Klassenurteil der Geschworenen vonAnnecy ist auf die unverschämte kapitalistische Rechtspflege derGerichtsbehörden zurückzuführen, des Untersuchungsrichtersund ganz besonders der Anklagekammer. Diese letztere hat esfertig gebracht, über die kapitalistischen Mörder und ihre prole-tarischen Opfer in einem und demselben Prozeß aburteilen zulassen. Umgekehrt hatte man im neulichen Weberprozeß vonNeuvilly die angeklagten Arbeiter künstlich in zwei besondereGruppen geteilt und vor zlvei verschiedene Gerichtsinstanzenverwiesen. In beiden Fällen wurde mit entgegengesetzten, abergleich widerrechtlichen Mittelchen derselbe kapitalistische Klassen-zweck verfolgt: dort die Verurteilung der Arbeiter, hier dieFreisprechung der kapitalistischen Mörder, gedeckt durch diegleichzeitige"Freisprechung ihrer Opfer,— nein! verschärftdurch die Verurteilung der Opfer. Die Anklagckammer hatsich nämlich direkt zum Anwalt der Mörder herabgewürdigt!In ihrem Verweisungsbeschluß hat sie—„entgegen allenGepflogenheiten, entgegen dem Wunsche des Gesetzes, einelange Darstellung der Tatsachen gegeben, die keineswegs ausdem Gesamtergebnis der gerichtlichen Untersuchung hervor-geht... Ich wäre versucht zu glauben, daß der Verfasserdes Beschlusses die Angelegenheit lediglich aus dem sehr ge-schickten Memorandum der Verteidiger der SöhneC r e t t i e z gekannt bat. Ich will nicht untersuchen, was fürBeweggründe die Richter(von der Anklagekammer) bestimmthaben, aus der ihnen vom Gesetz vorgeschrie-benen Rolle herauszutreten..."Wer spricht so? Etwa ein Verteidiger der Arbeiter?Nein! Der Generalstaatsanwalt Gcnsoul in seiner Anklage-rede vor den Geschworenen von Annecy, die er so ausdrücklichdem Eindruck des zynischen Anklagekammer-Beschlusses zu ent-ziehen suchte, ebenso übrigens wie dem Eindruck der zynischenHätz der kapitalistischen Presse.Daß aber die Jury es wenigstens zu einem Kompromiß-Urteil gebracht hat, erklärt sich in erster Linie— neben derrechtlichen Haltung des Staatsanwalts und der talentvollenVerteidigung der Arbeiter durch den linksradikalen Abgeord-neten David, den ministeriell-sozialisttschen AbgeordnetenBriand und die sozialistischen Rechtsanwalt? Lafont undWillm— aus denr tatsächlichen Ergebnis der gerichtlichenBeweisaufnahme. Alles, was die sozialistische Presse seinerzeitüber den Uhrmacherstreik und den Arbeitermord von Clusesveröffentlicht hatte, wurde in den Gerichtsverhandlungen all-fettig zehnfach, hundertfach bestätigt.Cluses ist im wesentlichen ein Seitenstück vonNeuvilly,.wie der Uhrenfabrikant C r e t t i e z einKonterfei der N'euvilly-Beherrscherin C a y e z ist. Ein harterEmporkömmling, suchte Vater Crettiez„seine" Arbeiter imkleinen Landstädtchen unter ein patriarchalisch-despotischesRegiment zu beugen. Die Gewerkschaft war ihm ein Dornim Auge, desgleichen die selbständige 9Vahlaktion der organi-sierten Arbeiter. Nach den Gemeindewahlen vom Mai 1964maßregelte er sieben Arbeiter, die sich an der Agitation für die— übrigens unterlegene— Proletarische Kandidatenlistebeteiligt hatten. Auf diese Weise Provozierte er den Streik,mit kühlem Vorbedacht, in der Absicht, die Gewerkschaft zuvernichten. Demgemäß lehnte er starr alle von den Arbeiternangebotenen Vermittelungsversuche ab. Nach zwei Monatendes Kampfes dehnte sich der. Streik auf alle Uhrmacher desOrtes aus. Das Paßte gerade dem Crettiez. Er wollteden Generalstreik, um so die kleinen Konkurrenten zu schädigen,nachdem er für seinen Teil votsorglich ein reiches Warenlagerangehäuft hatte.Der Verlauf des Streiks war ein durchaus friedlicher.Der bündigste Beweis dafür ist der Umstand, daß der Mairevon Cluses, D r o m p t. der mit Crettiez unter einer Deckesteckte, die häufigen Straßenumzüge der Streikenden gestattete.Auch den Umzug am verhängnisvollen Tage des 18. Juli.Die Crettiez und ihre Verteidiger haben alles Möglicheund Unmögliche getan, um ihr Mordschießen durch den Zu-stand der Notwehr zu rechtfertigen. Die Gerichtsverhandlungenhaben das gerade Gegenteil bewiesen. Es war keine Not-wehr, sondern ein vorbedachter Uebcrfall aus einem geschütztenHinterhalt auf friedliche und wehrlose Arbeiter.Die Crettiez hatten sich schon seit längerer Zeit Gewehreund Munition(grobes Schrot) angeschafft.. Und der MaireDrompt, der den Umzug vom 18. Juli gestattete, hatte amVorabend desselben die Mutter eines der ermordeten Arbeitervor den Dingen, die da kommen können, gewarnt. Weiter.Die Fabrik war militärisch geschützt. 1 16 Soldaten wachtenüber dem nicht bedrohten Eigentum und Leben der Fabrikanten-familie. Und wie stark war der schreckliche Umzug? Er zählte146 Teilnehmer, darunter 66 Frauen und Greise. Nach-gewiesen ist ferner, daß die Manifestanten— entgegen denAussagen der Crettiez und ihrer Falschzeugen— keineFenster eingeworfen haben. Höchstens kann angenommenwerden, daß ein einziger Stein gegen die Wand des Hausesgeworfen wurde, ehe das Mordschießen begann. Der bezüg-liehe Tatbestand wurde durch die Aussagen des KorporalsDavid, des Hauptmanns Lapierre, der den Militärposten derFabrik befehligte, und des Gendarmerie-Leutnants Chatin fest-gestellt, welch' letzterer die Aussagen seiner Gendarmen, dieim Sinne der Notwehr-Fabel zugestutzt waren, als falsch nach-gewiesen hat durch die Feststellung, daß die Gendarmen vonihrem Platze aus die Vorgänge unmöglich haben �beobachtenkönnen. Einer der Mörder schützte noch vor, sein Töchterchenwäre im Zimmer durch einen Stein verletzt worden, was ihntoll gemacht hätte. Der Gerichtsvorsitzende mußte ihm sagen,daß der Arzt nicht die leiseste Spur einer Verletzung am Kindeentdeckt hat... kurz, alle Notwehr-Beweise stellten sich samtund sonders als grobe Lügen heraus.Es war ein vorbedachtes und kühles Morden. DieFabrikantensöhne zielten auf die Arbeiter mit fester Hand.Ter polizeiliche Spezialkommissar Moury ist— allzu spät!—»ins Haus der Fabrikanten eingedrungen. Erhörte folgendes Gespräch zwischen dem zarten Bruderpaar Jeanund Marcel. Dieser letztere war daran, wieder in den oberenStock hinaufzugehen, mit neuer Munition versehen. Derältere, Jean, sagte nun zu ihm:„Vor allem ziele gut!" Ant-wort des Marcel:„Sei ruhig, mein Bruder, ich habe gutgezielt." Worauf Jean:„Das ist gut, meine Glückwünsche!"Derselbe Spezialkommissar konnte erst mit vieler Mühe dieCrettiez zum Einstellen der Metzele- zwingen.Es war ein vorbedachtes und entsetzlich langes und feigesMorden. Das Schießen dauerte zwanzig Minuten