profitieren und recht viele seiner Mitglieder für sich einfangen könnte. Unsere Leser wissen, wie wir über das Rabatt-Sparwesen denken. Wir halten alle diese Sparvereine für überflüssig— gleichgültig, ob sie von den Handel- und Gewerbetreibenden oder von den Konsilmenten gegründet sind und geleitet werden. Im eigentlichen Sinne„gespart" wird dabei nichts. Die Geschäfts- inhaber werden den sogenannten Rabatt, den sie gewähren müssen, in der Regel durch höhere Preisberechnung oder minder reichliches Gewicht wieder herauszuschlagen suchen. Der Verein„Südost" hatte im Interesse der Konsumenten den Versuch gemacht, durch Einrichtung eigener Geschäfte die Kon- sumenten davor zu bewahren, daß ihnen der Rabatt durch die Geschäftsleute hinten herum wieder abgeknappst wird. Der Versuch ist bei den Schlächtereien mißglückt; sie haben sich nicht rentiert, und der Verlust mutz nun statutengemäß aus dem Guthaben der Sparer gedeckt werden. Das Endziel war, den Sparvereiii einmal in einen Konsum- v e r e i n umzuwandeln, um die Gewinne den Konsumenten direkt zuführen zu können. Geldschrank-Einbrechcr statteten in der vergangenen Nacht einer Goldwarenfabrik im Südosten der Stadt einen erfolglosen Besuch ab. Das Gold und Silber, das zu Fassungen von Edelsteinen usw. nicht verarbeitet ist, wird abends im Kontor in feuersichere Schränke gelegt. Drei Einbrecher versuchten mit allen möglichen Werkzeugen, zu diesen Schätzen zu gelangen. Schwierigkeiten machten ihnen die eisenbeschlagenen Türen zur Fabrik und zum Kontor. Mit Feilen und Sägen gelangten sie aber durch. Im Kontor rückten sie die Geldschränke von der Wand, um sie von der Rückseite anzugreifen. Es gelang ihnen auch, die äußere Schutzwand zu durch- brechen. Die inneren Stahleinlagen aber leisteten allen ihren Werk- zeugen Widerstand. Als sie die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen ein- sahen, zertrümmerten sie alles, was sie an zerbrechlichen Sachen fanden, und verließen dann wieder die Räume und das Grundstück. Einen Bohrer und Papier, in das in Eisenhandlungen solche Waren eingewickelt zu werden pflegen, bergaßen sie mitzunehmen. Ccntral-Theater.„D ä u m e l i n ch e n"(Märchenspiel von Konstan-tin Pohl) hieß die Kindervorstellung am Mittivoch nach- mittag. Das kleine Volk konnte den Beginn des Weihnachtsstückcs gar nicht abwarten. Unruhig rückte und rutschte es auf seinen Plätzen hin und her, bis das Glockenzeichen ertönte und sich der Vorhang hob. Dann lautlose Stille. Das bunte Leben da oben auf der Buhne war auch zu interessant. Es brachte die Geschichte zur Darstellung, wie Däumelinchcn mit noch sieben anderen kleinen Kindern in das Haus des Waldhüters gebracht wurde— und zwar vom Klapperstorch selbst. Die gute Blumensee und die böse Eis- Prinzessin haben nun beide ein Auge auf Däumelinchen geworfen. Jede möchte das gute Kind an sich fesseln. Ten Sieg aber trägt— wie dies ja in Märchen immer so sein mutz— schließlich die Blumenfee davon, die dem Kinde Glück und Segen für sein ganzes Leben schenkt. Mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschten die kleinen Zu- schauer dem Gang des Spieles. Ihren besonderen Beifall fanden die mitwirkenden Tiere: der„junge Ochse", der Storch, die Maikäfer. die Frösche und schließlich auch noch her tanzende Schneemann. Die einschmeichelnde Musik des Kapellmeisters Arthur Peisker, sowie die prächtige, nicht überladene, dafür aber dem Verständnis der Kinder vorzüglich angepaßte Ausstattung des Ganzen, halfen dem hübschen Märchenspiel zu dem vollen, wohlverdienten Erfolg. Ruq den Nachbarorten. Teltow-Kanal und Grnndwertstener. Der Landrat des Kreises Teltow , v. Stubenranch, hat in einer der letzten Sitzungen des Kreistages die überraschende Mitteilung gemacht, daß dem Abgeordnetenhause eine Vorlage über Einführung der Grundwertsteuer zugchen werde. Darauf werde es möglich sein, den Grundbesitz, der durch den Teltow- Kanal eine erhebliche Wertsteigerung erfahren hat, zu den Kosten des Teltow -Kanals heranzuziehen. In der Tat ist durch diese kulturelle Veranstaltung eine bedeutende Erhöhung der Bodenpreise im Kanalgebiete eingetreten. Dies gilt ins- besondere auch für die Kreisstadt Teltow und deren Um- gebung. Das kleine Städtchen, das bisher sich einer idyllischen Ruhe erfreute und nur durch seine landwirtschaftlichen Produkte speziell seine„Rübchen" über einige Postzonen hinaus einen gewissen Ruf besaß, wird aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb weniger Jahre zu einem bemerkenswerten Jndustrieorte werden. Heute bereits sind zwei große industrielle Etablissements, die voraussichtlich tausende von Arbeitern beschäftigen werden, dort entstanden: die große Elberfelder Papierfabrik und die„Berliner Porzellan-Manufaktur". Der Bau einer Maschinenfabrik und Eisengießerei wird in Kürze folgen. Es braucht wohl nicht weiter betont zu werden, daß die Terraingcscllschaften, die juristischen Organi- sationen des Grundstückswuchers, sich in den Besitz des größten Teiles des Kanalgeländcs gesetzt haben und ungeheure Profite einheimsen werden. Da ist zunächst die Zehlendorf — Klein-Machnower Gesellschaft, die zwischen Zchlendorf und Klein-Machnow sich häuslich niedergelassen hat. Mit zahllosen Prospekten überschwemmt sie gegenwärtig das Berliner und das Vorort- Publikum und empfiehlt Villen-Terräin„schon zum Preise von 100 M. an pro Quadratrute". Immerhin ein respektabler Preis für ein Terrain, auf dem nur landhausmäßige Bebauung gestattet ist. Das Gebiet zwischen Stahnsdorf — Teltow hat eine Gesellschaft gleichen Namens mit Beschlag belegt, während jenes zwischen Teltow und Ruhlsdorf von der„Vorort- Terrain-Gesellschast" beherrscht wird. Die letztere wird aller Voraussicht nach den Löwenanteil an der Beute erhalten. Das Dreieck Teltow— Ruhlsdorf— Stahnsdorf wird seiner ganzen Lage nach das eigentliche Industriegebiet werden und die ermög- lichte Ausnutzung des Grund und Bodens durch die Errichtung von Mietskasernen wird die Profit-Rate der Gesellschaften um ein Erkleckliches erhöhen. Heute schon kostet der Morgen Land am Ruhlsdorfer Platz in Teltow und an der Stahnsdorfer Chaussee 10 000 M.. an der südlichen Teltower . Gemeinde- grenze, unmittelbar an der Gemeinde Ruhlsdorf 4000 M. Die Jndustrieproletarier, die in den kommenden Jahren sich in dieser Gegend niederlassen, werden aufs neue den Segen des Privateigentums am Grund und Boden in Form hoher Mietspreise und schlechter Behausung empfinden, indessen die bereicherten Bodenspekulanten den Schauplatz ihrer bisherigen ethisch-sozialen Tätigkeit verlassen und ausziehen zu weiteren ergiebigen Beutezügen._ Schöneberg . Eine Stadtverordnete»- Ersatzwahl hat gestern in Schöneberg stattgefunden. In der II. Abteilung deS 8. Bezirks hatte der bis- herige Vertreter, Stadtv. Ernst Treugebrodt sein Mandat, welches nur bis Ende kommenden Jahres lief, niedergelegt und dafür eine Neuwahl im 2. Bezirk(Friedenauer Ortsteil ) angenommen. Es mußte daher für das sreigewordene Mandat im 8. Bezirk eine Neu- besetzung erfolgen. In der gestrigen Ersatzwahl standen sich Zimmer- meister Fröhlich(Hausbesitzer) und Kaufmann Buchholz(Mietcrpartei) gegenüber. Gewählt wurde Fröhlich mit 145 Stimmen. Auf den Gegenkandidaten entfielen 84 Stimmen. Die Einwohnerzahl unseres Ortes betrug am 1. Oktober 126 526 Personen, ist mithin gegen den Vormonat um 860 gestiegen, neben der Zunahme im April die höchste dieses Jahres. Der Ge- burtsüberschuß stellte sich auf 138 Personen(263 bezw. 125). 4174 Fortzügen standen 4736 Zuzüge gegenüber. Auf dem städtischen Arbeitsnachweis war im September die Zahl der eingeschriebenen Gesuche etwas größer als im Vormonat; sie betrug 1411(647 männliche, 764 weibliche); davon wurden erledigt durch Einstellung resp. Streichung 940(403 männliche, 532 weibliche). Arbeitsangebote waren gemeldet 1903(471 männliche, 1432 Weib- liche). Dem Gewerbegericht lagen im September 59 Streitsachen vor, von denen erledigt wurden durch Zurücknahme 2, Vergleich 14. rechtskräftiges Vertäumnisurteil 6, anderes Endresultat 16 und auf andere Weise 2; unerledigt blieben 17 Sachen. Der Armenpflege unterlagen im September 935 Personen(276 männliche, 659 weibliche). An Unterstützungen wurden gezahlt 13 127 M., 1000 M. weniger als im vorhergehenden Monat. Die Bautätigkeit war im Berichtsmonat eine regere als im August. 17 Bauerlaubnissen stehen 21 fertig gestellte Neubauten gegenüber mit 420 Wohnungen bezw. 1258 Zimmern(im Vormonat 171 resp. 651). Der Gruudbesitzwechsel erstreckt sich ans 13 bebaute und 8 unbebaute Grundstücke mit einem Gesamtumsatz von 3 462 500 bezw. 886 274 M. Die städtische Sparkasse verfügte im September bei 38 000 aus- gegebenen Büchern über einen Bestand von 21 373 364 M. Adlershof . Die Konsumgenossenschaft von Adlershof und Umgegend hat auch in ihrem vierten Geschäftsjahr einen bedeutenden Aufschwung ge- nommen. Sie war in dem verflossenen Jahre in der Lage, ihre dritte Verkaufsstelle in Grünau zu eröffnen und es hob' sich der Umsatz von 124 773 M. im letzten Fahre auf 133 810 M. in diesem Jahre. An diesem Umsatz waren beteiligt: Adlershof mit 75 958 M., Alt-Glienicke mit 44 429 M. und Grünau in 3>/„ Monaten mit 13 422 M. Der Durchschnittsumsatz des einzelnen Mitgliedes betrug 233 M. Rege Unterstützung fand auch die„Großeinkaufs-Gesellschast Hamburg ", indem von ihr für 35 100 M. Ware bezogen wurde. 6228 M. sind dem Privatkapital als Gewinn entzogen worden, wo- von 5910 M. den Mitgliedern rückvergütet und 317 M. dem Reserve- fonds zugeschrieben wurden. Die Mitgliederzahl stieg trotz der großen Fluktuation der Bevölkerung von 492 auf 569. Der Geschäftsbericht läßt erkennen, daß die Verwaltung eifrigst be- müht ist, den Genossenschaftsgedanken in immer weitere Kreise zu tragen. Charlottenbnrg. Die Lysolvergiftungen häufen sich in letzter Zeit in unheimlicher Weise. So suchte sich am Mittwoch nachmittag hier in der Wilmers- dorfersrraße III eine Frau mit ihren zwei Kindern mit dieser Flüssigkeit zu vergiften. Ueber den aufregenden Vorfall er- fahren wir folgende Einzelheiten: Die in der Potsdamerstraße zu Berlin wohnende Restaurateursfrau Franziska D. war Mitt- woch vormittag hier in der Wilmersdorferstraße III mit ihrem 13jährigen Sohn und ihrer 17jährigen Tochter zu ihren Verwandten, der Schuhmachermeisterfamilie Sch., auf Besuch gekommen. Frau D. war sehr erregt und erzählte, daß ihr Mann sie fortgesetzt mißhandele. Höre dies nicht auf, so werde sie sich mit ihren Kindern das Leben nehmen. Die Familie Sch. glaubte dieser Drohung selbstverständlich nicht, sollte jedoch bald eines besseren belehrt werden. Als Frau D. mit ihren beiden Kindern in einem Zimmer allem Ivar, machte sie den Vorschlag, gemeinsam zu sterben und hielt den Kindern einen Becher mit Lysol hin. Der Knabe weigerte sich jedoch, das dar- gebotene Gift zu nehmen und lief weg. Dagegen trank die Tochter Frieda das Gift zur Hälfte aus, während die Mutter den Rest nahm. Beide wurden bewußtlos sofort nach einer Unfallstation ge- bracht, wo die Aerzte Gegenmittel anwandten und den Vergifteten den Magen auspumpten. Da ihr Zustand aber äußerst bedenklich war, so schaffte man beide nach dem Westender Krankenhaus, wo in ihrem Befinden jetzt bereits eine kleine Besserung eingetreten ist, so daß die Aerzte sie am Leben zu erhalten hoffen. Spandau . Durch den Einsturz eines Erdschachtcs bei Kanalisationsarbeiten in Spandau sind drei Arbeiter verschüttet worden: ein Mann kam mit leichten Verletzungen davon, der ziveite ist schwer verletzt, und der dritte, der 54jährige verheiratete August P a u st i a n. wurde als Leiche unter den Erdmassen hervorgezogen. Sein Tod war infolge Genickbruchs eingetreten. Mangelhaste Absteifung der Erdgrube wird als Ursache des Unfalls angesehen. Die Staats- anwaltschaft hat die Untersuchung angeordnet. Gerickts-Deining. Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelte uie 7. Strafkammer gestern gegen den Privatdozenten, Professor an der hiesigen Universität Dr. Martin Mendelsohn, die unverehelichte Anna I a r o t k e und die unverehelichte Marie Hahn wegen Anstiftung zur Kuppelei. Der Angeklagte Professor M. ist schon seit einiger Zeit mit Rücksicht auf diesen Prozeß von seiner Lehr- tätigkeit suspendiert. Der gestrigen Verhandlung wohnte der Universitätsrichter Geheimer Regierungsrat D a u d e bei.— Der Staatsanwalt beantragte gegen Professor Dr. Mendelsohn 6 Wochen, gegen die beiden Mitangeklagten je eine Woche Ge- fängnis. Die Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Rosen stock, Leonh. Fr'iedmann, Dr. Löwenstein und Leop. Meyer II be- antragten die Freisprechung. Wie der Vorsitzende Landgerichts- dircktor K a n z o w bei der Verkündung des Urteils mitteilte, ist Professor Dr. M. auf die Anschuldigung des Verbrechens gegen die Sittlichkeit außer Verfolgung gesetzt worden, weil angenommen wurde, daß er vielleicht doch nicht gewußt habe, daß die beiden Mädchen, zu denen ihm die beiden Mitangeklagten den Verkehr vermittelt hatten, noch unter 14 Jahre alt waren. Der Gerichtshof hielt durch die Beweis- aufnähme für festgestellt, daß Professor Dr. M., obwohl verheiratet und Vater eines achtjährigen Kindes, ein Mann ist, der vielfach Ver- kehr mit 14— 16jährigen Mädchen suchte. Vom moralischen Stand- punkt aus könne dieses Verhalten eines Ehemannes, Vaters, Privat- docenten und Titularprofessors natürlich nicht gebilligt werden. Der Gerichtshof habe aber nur über die zur Anklage stehenden zwei Fälle zu befinden und da sei er nach langer Beratung wesentlich aus juristischen Gründen zur Freisprechung der Angeklagten gekommen. Demgemäß erkannte der Gerichtshof und beschloß gleich- zeitig, auf Grund des§ 56 die noch jugendliche Angeklagte Hahn ihrer Familie zu überweisen. Die„öffentliche Versammlung" im Restaurationsgarten. In Anger münde war es im Sommer dieses Jahres beim Stein- setzermeister Bürger zu gewerkschaftlichen Differenzen gekommen, weil der Arbeitgeber zwei Steinsetzer nach Meinung der Kollegen zu Unrecht entlassen hatte. Im Austrage der übrigen Arbeiter der Firma hatte der dortige Filialleiter des Steinsetzer-Verbandes, Balow , den Verbandsvorsitzenden Knoll aus Berlin nach Angermünde kommen lassen, um, wenn möglich, die Differenz durch Rücksprache mit dem Meister auf gütlichem Wege zu erledigen. Um nun ihren Verbandsvorsitzenden über die Ursachen der Differenz zu informieren, setzten sich die Arbeiter mit diesem, nichts Böses ahnend, alles in allem etwa 10 Mann hoch, in den schattigen Garten des Restaurants„Stadtpark" und erzählten den Hergang der Dinge. Nach einiger Zeit erhielten aber Knoll sowohl wie Balow Plötzlich einen gerichtlichen Strasbefehl über je 20 M. wegen AbhaltenS einer nicht angemeldeten öffentlichen Versamm- l u n g, die Balow geleitet haben und in der Knoll als Referent auf- getreten fein sollte. Auf eingelegte Berufung hin hatte sich kürzlich das Schöffengericht zu Angermünde mit der Sache zu befassen. Tie Beweisaufnahme ergab den Tatbestand so wie er hier geschildert ist. Ja, die als Belastungszeugen geladenen Polizeibeamten bekundeten, daß sie von der ganßen Geschichte überhaupt nichts wüßten. Unter diesen Umständen erkannte das Gericht auf Antrag des Verteidigers Dr. Heine mann- Berlin auf Freisprechung, weil es sich hier um eine einfache Werkstattbcsprechung gehandelt habe und nicht um eine Versammlung, in der irgendwie öffentliche Angelegen- heiten erörtert worden seien. Sowohl die Kosten des Verfahrens wie auch die den Angeklagten erwachsenen baren Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt.— Auf wessen Veranlassung der sonderbare Strafbefehl erlassen war, blieb leider unaufgeklärt. Chronik der Streikpostcnprozesse. Vor einigen Tagen wurden von Berliner resp. Charlottenburger Gerichten wieder eine Anzahl Arbeiter wegen angeblicher Stieikvergehen freigesprochen und zwar der Glasschleifer Sch., der Glaspolierer P., der Gürtler I., der Dreher G. und die Arbeiterin Z. Die Sachen spielen sich mit längst gewohnter Regelmäßigkeit stets nach ein und derselben Schablone ab. In Ausübung ihres gesetzlich gewährleisteten Rechtes stehen die Leute Streikposten. Da kommen die Polizeibeamten und verbieten das Streikpostenstehen unter irgend einem Vorwande. der ihnen von ihren Vorgesetzten eimnstruiert worden ist. Natürlich weigern sich die Streikposten, der unberechtigten Aufforderung der Beamten, fortzugehen oder sich„w e g z u s ch e r e n", wie der Polizei- technische Ausdruck häufig lautet, Folge zu leisten. Es erfolgt die Sistierung mit all ihren ebenfalls polizeitechnischen„Annehmlich- leiten" und schließlich die Zustellung des Strafmandats. Auch in obigen Fällen mußten die als Belastungszeugen geladenen Schutzleute einfach zugeben, daß sich die angeklagten Streik- Posten keinerlei Gesetzwidrigkeiten hatten zu- schulden kommen lassen und auch keine Besorgnis irgendwelcher Ausschreitungen vorlag. Infolge- dessen nahmen die Gerichte wiederum an, daß die Angeklagten lediglich deshalb fortgewiesen waren, weil sie Streikposten gestanden hatten. eine Tätigkeit, die als Ausfluß des Koalitwnsrechtes anzusehen sei und deshalb nicht verboten werden könne. Wie oft werden die Gerichte noch ähnliche Entscheidungen fällen müssen, bis die Polizei von ihren gesetzwidrigen Schikanierungen der Streikposten endlich Abstand nimmt! Künstlcrpseudonym und unbefugte Namensänderung. Der Ballett« meister Jungschat vom Stadttheater in Bonn hat sich vor vielen Jahren den Namen Tomasini beigelegt und führte ihn seitdem un- behindert, nicht nur als Ballettmeister, sondern auch als Inhaber eines Tanzlehrinstituts, welches er nebenbei unterhielt. Er nannte sich Tomasini in Inseraten, worin er sich als Tanzlehrer empfahl, und auf Empfehlungskarten. Als er sich in einem Schriftstück, das an die Polizei« behörde gerichtet war. Jungschat-Tomafini nannte, wurde er wegen Bei- legung eines ihm nicht zukommenden Namens angeklagt. Er machte dagegen geltend, er sei als Bühnenkünstler zur Führung eines Pseudonyms berechtigt. Das Landgericht als Berufungsgericht sprach den Angeklagten skbon deshalb frei, weil er infolge der viel- jährigen nicht behinderten Führung des Pseudonyms habe glauben können, die Führung des Namens sei unbeschränkt gestattet. — Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein. Das Kannner- gericht verwarf indessen das Rechtsmittel mit folgender Be- gründung: Das Recht des Pseudonyms sei in verschiedenen neueren Gesetzen anerkannt worden, zum Beispiel im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und im Urheberrecht. Künstler pflegten sich gewohnheitsmäßig ein Pseudonym beizulegen. Soweit sich Au- geklagter als ausübender Künstler Tomasini nannte, sei nichts dagegen einzuwenden. Er sei aber auch berechtigt gewesen, sich in Geschäften, die zu seinem Äünstlerberuf in Beziehung stehen, das Pseudonym zu gebrauchen, also in seinem Falle auch bei den Geschäften, betreffend die Erteilung des Tanzunterrichts. Schauspieler, Ballettkünftler, Schrift« stcller ec. seien jedoch verpflichtet, Behörden gegenüber nur ihren wirklichen Namen zu gebrauchen. Angeklagter würde sicher zu bestrafen sein, wenn er sich in Zukunft einer Behörde gegenüber wieder Jnngschat-To masini nennen sollte. Im vorliegenden Falle sei er aber auch in dieser Beziehung mit Recht fteigesprochen ivorden, weil ohne Rechtsirrtum der Mangel eines subjektiven Verschuldens festgestellt sei. Wegen Sittlichkcitsverürechen, begangen an einer im Gefängnis fitzenden Kindcsmörderin, hatte sich am Mittwoch vor der Potsdamer Strafkammer der Hülfsgefangenen-Auffeher und Schuhmachenneister August Mangelsdorf aus Jüterbog zu verantworten. Der Angeklagte ist 64 Jahre alt und betritt mit den Kriegsdenkinllnzen angetan die Anklagebank. Er hat bisher ein vorwurfsfreies Leben geführt und wurde in Jüterbog öfter aushülfsweise als Gefangenen-Aufseher benutzt, auch als solcher vereidigt, so daß er dann die Beamtenqualifikation hatte. In der Zeit vom 7. Mai bis 28. Juni d. I. hat sich M. wiederholt an weiblichen Gefangenen vergangen. Es saß damals im Jüterboger Gefängnis die 21jährige Dienstmagd Minna Wache wegen Kindesmordes, begangen am 1. April er. im Pfarrhause zu Meins- dorf, in Untersuchungshaft. Mit dieser machte sich nun der An- geklagte in unsittlicher Weise unter Einsetzung seiner Autorität als Gefangenenaufseher zu schaffen und näherte sich auch anderen weib- lichen Gefangenen in unlauterer Wesie. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Der Staatsauwalt be- antragte gegen MangelSdorf zwei Jahre Gefängnis. Der Gerichts- Hof nahm drei Fälle von Sittlichkeitsverbrechen und einen Fall tätlicher Beleidigung als erwiesen an und erkannte auf ein Jahr vier Monate Gefängnis. Eue der frauenben>egung. Die Einführung des kommunalen Franeuwahlrcchts forderte die sozialdemokratische Fraktton des württcmbergischen Landtags in einem Antrag zu dem Entwurf einer Gemcinde-Ordnungsreform. Das Bürgerrecht in der Gemeinde und damit das R-cht, in die Kommunal« Vertretung zu wählen und in sie gewählt zu werden, wie die Be- fähigung zur Uebernahme unbesoldeter Aemter in der Kommunal« verwalttmg sollte danach auch jeder ledigen und verwitweten Ein« wohnerin zustehen, vorausgesetzt, daß sie deutsche Reichsangehörige sei, das 25. Lebensjahr zurückgelegt habe und seit einem Jahre in der Gemeinde wohne. Daran übt die„Gleichheit" berechtigte Kritik, indem sie söhrctzbt: „Es springt in die Augen, daß der Antrag sich einer Halbheft und schweren Inkonsequenz schuldig machte. Er unterließ es, da? volle Bürgerrecht in der Gemeinde auch ftir die verheiratete Frau zu heischen. Und dies angesichts der Tatsache, daß eine große und stetig steigendeZahl von verheirateten Frauen auf Grund ihrer Erwerbsarbeit wirtschaftlich unabhängig vom Manne, von der Familie ist und daher genau wie er wirtschaftlich zum Gedeihen und zu den Ein« künften der Kommune beiträgt. Davon zu schweigen, daß das Wirken der Frau als Hausmutter, als Pflegerin und Erzieherin der Kinder an sozialem Werte auch für die Gemeinde sicher nicht unter der Tätigkeit etwa eines fürstlichen Kammerdieners steht oder eines Polizeiers, der durch die Entdeckung der Verkehrsgefährlichkeit eines Streikpostens die„öffentliche Ordnung" rettet. Indem unsere Genossen im wllrttembergi scheu Landtage ein beschränktes Frauen« Wahlrecht forderten, stellten sie sich in Gegensatz nicht bloß zu unserer grundsätzlichen Forderimg vollen öffentlichen Rechtes für alle Gesellschaftsmitglieder und zu den Beschlüssen deutscher Parteilage wie internationaler Kongresse, sondern auch zu der mustergültigen Aktion der Sozialdemokratie gelegentlich der Beratung des bürger« lichen Gesetzbuches im deutschen Reichstage. Diese Aktion bezweckte in richtiger Würdigung deS vollzogenen Umschwunges in der Wirtschaft» lichen Stellung der Frau, das Mundium. die Vormundschaft des Ehe- manneS über die Ehefrau aus dem Familicnrecht, dem bürgerlichen Recht zu beseitigen. Aber was die Sozialdemokratie ihrem Wesen und ihrer geschichtlichen Auffassung nach auf privattechtlichem Ge« biet bekämpft, daS kann sie nun und nimmer auf öffentlichrechtlichem Gebiet festlegen wollen. Bei einem Vorstoß zugimsten dc§ Frauen« Wahlrechtes hätte die grundsätzliche Auffassung und Forderung der Sozialdemolratie maßgebend sein müssen und nicht der beschränkte Ansatz zur Gleichberechtigung der Geschlechter, den beschränkte kon- servative und liberale Bourgeoispolittker in England und englisch »«
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