Einzelbild herunterladen
 
Ii. 299. 21. 2. Ktilme des Jmiirts" ßetlinrt PolMlitt Mittwoch. 21. Dtzembn 1904. Lokales. Freisinniges Vertuschungssystem. Von der A f f ä r e H o f f m a n n> B e h r e n d. die vor Wochen so viel Staub aufwirbelte, ist es rasch wieder still geworden. Im November muhte in der Stadtverordneten- Versammlung, wie unsere Leser sich erinnern werden, von sozialdemokratischer Seite wieder einmal an den im städtischen Obdach herrschenden Zuständen Kritik geübt werden. Den Anlaß dazu bot die Erörterung gewisser Verfehlungen, die einem im Obdach stationiert gewesenen Kriminal- Polizisten nachgesagt wurden. Genosse Adolf Hoffmann  , der über die Angelegenheit berichtete, wies darauf hin, wie man in der'Obdachsverwaltung bemüht gewesen ist, möglichst nichts in die Oeffentlichkeit dringen zu lassen. Da aber in jener Sitzung der Stadtverordneten auf freisinniger Seite neue Vertuschungsversuche gemacht wurden, so wollte Hoffmann einmal an einem besonders lehrreichen Beispiel zeigen, wie nützlich es ist, daß Sozialdemokraten in die dunklen Winkel des Obdachs hineinleuchten. Er spielte darauf an, daß hinter der plötzlichen Pensionierung des Professors Behrend, früheren Leiters der Geschlechtskrankenstation im Obdach, noch anderes steckt als bloße Gesundheitsrücksichten, daß Behrend vielmehr das Opfer einer jener Hoffmannschen Revisionen geworden ist. Wir kommen auf diese Affäre heute noch einmal zurück, weil sie unter der Behandlung, die eine gewisse Presse ihr hat zuteil werden lassen, sich schließlich zu einem förmlichen Schtilbeispiel des freisinnigen Vertuschungs- s y st e m s entwickelt hat. Am Tage nach jener Sitzung stand in freisinnigen und zum Teil auch in parteilos sich nennenden Blättern manch' tadelndes Wort über die im Rathause ge- triebene Heimlichtuerei. Aber der Wind schlug bald um. Als Professor Behrend zur Abwehr eine Antwort verbreitete, die nur eine Fortsetzung der von seinen Gönnern geübten Be< mäntelungen und Vertuschungen war, gaben die meisten jener Blätter sich dazu her, ihm behülflich zusein. Mehr oderwenigervoll- ständig druckten sie die Ausführungen ab, in denen er die Umstände seines Dienstaustrittes als für ihn überaus rühmlich darstellt und eseine ganz besondere Böswilligkeit" nennt, daß Hoffmann ihn mit der Sache deS Obdachpolizisten in Verbindung ge- bracht habe. Natürlich war es Hoffmann nicht eingefallen, B. mit jener Polizei-Affärein Verbindung zu bringen". DerVorwärts" stellte das fest, aber die bürgerliche Presse schwieg dazu. Sie schwieg auch, als wir eine Zuschrift Hoffmanns veröffentlichten, die sich deutlicher darüber ausließ, unter welchen Umständen der Herr Professor aus dem Dienst der Stadt geschieden ist. Man war jetzt offenbar selber von demVertuschungSficber" ergriffen worden, über das man anfangs so brav gescholten hatte. Dem ärzt- lichen Fachblatt, daS B.'S Rechtfertigung zuerst veröffentlicht hatte, glaubte Genosse H. eine Richtigstellung senden zu sollen, damit sein Schweigen nicht als Eingeständnis erscheine. Sie ist inzwischen von dem Blatt gebracht worden, aber mit einem Zusatz, in dem Herr V. bestreitet, was H. sagt, und austecht hält, was er selber behauptet hat. Wir hatten nun gemeint, die bürgerliche Presse werde sich auf diesen B.'schen Zusatz stürzen, aber merkwürdigerweise hat sie bisher weiter ge- schwiegen. Sie weiß offenbar genau Bescheid und will die Diskusston lieber nicht wieder eröffnen. Es bleibt also beim Vertuschen. Eine sehr eigentümliche Rolle hat in dieser Vertuschungs- epidemie auch der M a g i st r a t gespielt. Herr Behrend hat in seiner Rechtfertigung den Wortlaut der geheimen Vorlage angeführt, durch die der Magistrat die Pensionierung beantragte. Darin werden allerdings nur die Verdienste deS Herrn Pro­fessors gerühmt, aber mit keinem Wort wird davon gesprochen, daß noch andere Umstände als die Rücksicht auf seine Gesund- heit die Pensionierung empfehlenswert machen. Man kann es Herrn B. am Ende nicht verdenken, daß er nun diese Vorlage. die ganz in das freisinnige Vertuschungssystem hineinpaßt, triumphierend zu seinen Gunsten verwertet. Aber hoffentlich wird künftig bei ähnlich unvollständigen Begründungen der Magistrat durch die. die den Sachverhalt kennen, zu einer Ver- vollständigung gezwungen werden, damit festgelegt wird, warum ein Beamter pensioniert worden ist. D«» Berliner   Gewerbegericht hat im Jahre 1903/04 wieder eine Zunahme der Prozesse gehabt, die noch zu erklären sein dürfte aus der am 1. Januar 1902 in Kraft getretenen Novelle zum Gewerbegerichts-Gesetz, durch die eine Ausdehnung der Zuständigkeit des Getverbegerichts in sachlicher wie in örtlicher Äinsicht herbeigeführt wurde. DieSmal gingen 12 533 Klagen ein. Nachdem 631 noch vor Abhaltung eines ersten Termins erledigt ivorden waren, verblieben für die Rechtsprechung 11922 Klagen. Von diesen wurden erledigt: 6127 durch Vergleich. 25 durch Verzicht, 2180 durch Klageriickuahme oder Ruhenlassen. 535 durch Abgabe an das JnnungSschiedSgericht, 34 durch Anerkennungsurteil, 1615 dürch Bersäuninisurterl, 1013 durch kontradiktorisches Urteil. Die übrigen 393 Klagen wurden in das Jahr 1904/05 mit hinübergenommen. Die einzelnen Kammern waren an den Klagen wie folgt beteiligt: Schneiderei und Näherei 2921, Textil-, Leder-, Putzindustrie 809, Baugewerbe 1364, Holz- und Schnitzstoffe 707. Metalle 1285, Nahrung, Beherbergung, Erquickung 2504, Handel und Verkehr 1394, Allgemein 933. An der erwähnten Zunahme der Klagen sind alle Kammern beteiligt, am stärksten Schneiderei und Näherei. Soweit in den Prozessen Geldansprüche in Frage kamen, blieben diese bei 48 Proz. der Prozesse unter 20 M. Ueber 100 M.(Berufungsarenze) gingen sie nur bei 6 Proz. hinaus. Die höchste Klagesimtme war diesmal 4275 M.. die niedrigste 8 Pfennige. Der Streitgegenstand war 7484 mal rückständiger Lohn, 46<9 mal Ansprüche aus vorzeiftger Eni- laffung,'808 mal Herausgabe von Papieren, Handwerks- zeug usw., 736 mal Schadenersatz, 387 mal Ausstellung eines ArbeitszeugniffeS, 62 mal Wiederaufnahme der Arbeit, 58 mal Auflösung des Lehrverhältnisses usw. usw. Von Arbeit- gebern wurden nur 676 Klagen angestrengt, dagegen 11877 von Arbeitnehmern, darunter 3110 von Frauen und Mädchen, 113 von Heimarbeitern, 147 von Lehrlingen. 189 von Lauf- und Arbeitsburschen. AuS den Erfahrungen deS Berliner   GcwrrdegerichtS pflegen die Berichte, die über die Tätigkeit deS Gerichte» alljährlich erstattet werden, manchen beherzigenswerten Hinweis zu bringen. Der neueste Bericht, das Jahr 1gl>3/0� behandelnd, richtet wiederholt an die Arbeitgeber die Mahnung, mehr als bisher dafür zu sorgen, daß du, Arbeitern de» Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Arbeitspapiere stets ohne Verzug ausgehändigt werden. Ver» spätete Aushändigung der Jnvalidenkarte, des KrankenkassenbncheS. des Zeugnisses usw. führe»och allzuoft vor dem Gewerbegericht zu Prozessen, bei denen Schadenersatz verlangt wird, weil der Arbeiter ohne Papiere selten andere Arbeit findet. Gelingt der Nachweis des Schaden? und eines Verschuldens des Arbeitgebers oder seines be- rnienen Vertreters, und ist es auch nur ein' fahr- lässiges Verschulden,.so ist nach hiesiger Praxis der An- sprach begründet. Aber auch den Arbeitern, so fährt der Bericht fort, könne zur Vermeidung unnötiger Prozesse nicht dringend genug angeraten werden. beim Austritt aus einer Arbeitsstelle immer loaleich ihre Papiere z>i erbitten oder eventuell ihre genaue Adresse anzugeben, damit sie schnellstens zugeschickt werden können. Unter Umständen kann das Gericht auch ein eigenes Verschulden des Arbeiters annehmen und dann seinen Anspruch abweisen. Diese Mahnung sollte auf beiden Seiten beherzigt werden. Wir vermuten aber, daß sie auf manchen der Arbeitgeber keinen sehr starken Eindaick machen wird. Für das Vergnügen, einen Arbeiter durch Einbehaltung seiner Papiere zu schädigen oder doch mindestens zu chikanieren, riskiert ein zahlnngs- fähiger Protz schon mal eine Verurteilung zu Schadenersatz. Den Nachlveis, Schaden erlitten zu haben, kann ja der Arbeiter nickt immer so leicht führen. Der Arbeitgeber, der einen Arbeiter auS Chikane die Papiere einbehält, darf in neun von zehn Fällen darauf rechnen, daß ihm nichts geschieht. DaS Projekt der Nntertuiinclimg derLinden" zwischen Opern- platz und Kastanienwäldchen unterlag, wie verlautet, der Prüfimg der Aufsichtsbehörden in einer Konferenz, welche am Dienstag unter dem Vorsitz des Polizeipräsidenten Dr. V. B o r r i e s im SihungS- saale de? PrästdialgebäudeS am Alexanderplotz stattfand. An der- selben»ahmen u. a. Ober-Regierungsrat Dnmrath, Geh. Baurat. Bork, Baurat G r e v e und RegierungSrat Dr, H a s e l a u teil, j Von den vier vorliegenden Projekten kam nur das städtische in' Betracht. Danach wird die Einführung der Straßenbahngleise von der Markgrafen- und Behrenstraße.her geplant; sie sollen dann in einer Kurve bis zur Mittelaxe des Platzes und hier, gegenüber der Dresdener Bank in die Rampe eingeführt werden. Die letztere würde sich dann etwa bis zum Denkmal der Kaiserin A u g u st a hinziehen und hier in den Tunnel einmünden, der sich hakcnsörmig unterhalb derLinden" nach dem Kastanienwäldchen erstrecken würde. Diese Lösung hielt in an für die verhältnismäßig beste und dürfte dieselbe dem Vernehmen nach auch dem Minister der öffentlichen Arbeiten, Herrn v. B u d d e, empfohlen werden, der, falls sie seine Zustimmung findet, die Genehmigung des Kaiser? ein« holen würde. Einige technische Bedenken /Steilheit der Rampe, Tut- gleisungSgefahr in der Kurve zc.) lassen sich leicht beseitigen. Eine Winter-ErholnugSstätte für mäunliche Kranke eröffnet am 5. Januar nächsten Jahres, mittags 12 Uhr, der Volksheilstätten-Verein vom Roten Kreuz in der Nähe der Vorortbahnstation Eichkamp im Grunewald. Es ist dies die erste, auch im Winter geöffnete Anstalt dieser Art: wir wollen hoffen, daß der beachtenswerte Versuch guten Erfolg hat. In dem neuerrichteten Bauwerk können einstweilen nur 60 75 männliche Patienten Unterkunft finden. Bei der Be- liebtheit der Erholungsstätten darf wohl vorausgesetzt werden, daß die neue Einrichtung schon am ersten Tage voll belegt ist. Die Zentralkommission der Krankenkassen gibt bekannt, daß Vorniöldungen für die Winter> Erholungsstätte an das Bureau der Erholungsstätten, Friedrichstr. 207, Hof rechts, 2 Treppen, zu richten sind. DasFrankeschc Waiscn�aus für Revierarme" befindet sich seit Jahren in der für Berliner   Verhältnisse ungewöhnlichen Lage, die ihm zur Verfügung stehenden Stellen für Wnisenkinder größtenteils unbesetzt lassen zu müssen, weil eS an Kindern fehlt, die die ge- forderten Bedingungen erfüllen. Diese Stiftung ist hervorgegangen aus einem der S'adtgenieinde überwiesenen Vermächtnis des im Jahre l87l verstorbenen Kaufmanns A. F. Franke, aber ihre Für- sorge sollte nach den letztwilligen Bestimmungen des Stifters nicht hinausreichen über daS 28. Polizeirevier, das nur einen kleinen Teil der inneren Luisenstadt umfaßt, Strecken der Alten Jakobstraße, Konimandantenstxaße, Oranienstraße, Alexandrinen- straße usw. Aus diesem Revier sollte die Stiftung mindestens zwölf Kinder in Erziehung und Pflege nehmen. Die Kinder sind unterzubringen in dem städtischenWaisenhaus Berlin  ", dessen Grundstück rn der Alten Jakobstraße gleichfalls aus dem Vermächtnis Frankes herrührt. Im Laufe der Jahre hat aber die Bestimmung, daßmindestens" zwölf Kinder des 23. Reviers aus den Mitteln der Frankeschen Stiftung verpflegt werden sollen, sich immer wesiiger erfüllen lassen, weil es immer schwerer geworden ist, au» diesem kleinen Bezirk eine hinreichende Zahl entsprechender Kinder zu finden. Das Verwaltungsjahr 1901/02 begann mit nur noch vier Frankeschen Waisenkindern. 1902/03 mit nur noch zwei, und in 1908/04 war keine einzige der vorhandenen zwölf Stellen besetzt. 14 627 Vkark 73 Pf. sind bis jetzt ftir die W e i h n a ch t S- befcherung der Kinder unserer Ansgesperrten ein- gegangen. Das ist eine ganz beträchtliche Summe, aber sie genügt noch lange nicht, um den Kindern ein Freudenfest in dem Sinne zu bereiten, wie es vom Ausschuß der Berliner  Gewerkschaftskommiffion ins Auge gefaßt worden ist. Wir erwarten daher von der Arbeiterschaft Berlin  ? und der Bor  - orte, daß sie in dieser WeihnachtSwoche, wo auch im b"- scheidenen Proletarierheim der Tannenbaum hergerichtet wird. ganz besonders der Kinder derer gedenkt, die im harten Kampf mit dem Kapital monatelang selbstlos ausgeharrt und zum Besten der Gesamtheit Opfer von hoher Bedeutung gebracht haben. Jeder Arbeiter, jede Arbeiterin möge ihr Scherflcin beisteuern zu dem schönen Werk, das in diesen Tagen den Kindern der Ausgesperrten bereitet wird. Beiträge werden von 11 biS 1 Uhr und von 6 bis 8 Uhr vom Ausschuß im GewerkschaftShause, Engelufer 15, entgegen genommen; Geld- sendungen wolle man an den Reichstagsabg. Albin Körsten, Engeluser 15, richten. Ein tragisches Liebesdrama, dessen Hauptheld ein junger Mann aus den adligen Kreisen Berlin  » war, hat jetzt seinen gerichtlichen Abschluß gefunden. Der 23jShrIge Student der Rechte Freiherr  v. Watter au» Berlin   lernte in München   eine Kellnerin, nach dem Zeugni« aller Leute, die sie kannten, ein höchst ehrbare» Mädchen, kennen und knüpfte mit ihr ein Liebesverhältnis an, dem ein Kind entsprang. Der junge Freiherr, der eine sehr ideal angelegte Natur sein soll, machte e» nicht, wie eS sonst in seinen Kreisen allgemeinSitte" ist, daß man die Betrogene mit einem Brocken schnöden Mammon» abspeist und sie dann ihrem Schicksal überläßt, sondern er war von dem ernsten Willen beseelt, die Mutter seine» Kinde« auch zu ehelichen. Mit diesem Vorhaben stieß er aber bei seinen aristokratischen Eltern auf heftinen Widerstand. Als Maitresie wollten sie ihrem Sohne das Mädchen gönnen, aber als Gattin niemal», da» wäre nicht standesgemäß" gewesen. Der junge Mann besaß nicht den Mut und die Kraft, dem elterlichen Willen zu trotzen. sondern gab sich der Verzweiflung hin und überredete das Mädchen, mit ihm zu sterben. Sie reisten beide mit dem einige Monate alten Kinde nach Nürnberg   und logierten sich al» Ehepaar in einem der ersten Hotels«in. Hier wollten sie ihr Vorhaben zur Ausführung bringen. Am St. März früh 4 Uhr erdrosselte v. Watter das Kind mit einem Strick und tötete seine Geliebte durch einen Revolverschuß. Mit einem zweiten Schutz wollte er sich selbst au» der Welt schaffen, aber er traf schlecht und verwundete sich nur schwer am Kopfe. Im Nürnberger  Krankenhause wurde er wieder hergestellt, aber sein Augen- licht ist für immer dahin. Nach seiner Genesung wurde er in Untersuchungshaft verbracht und e» sollte ihm der Prozeß wegen Doppelmordes gemacht werden. Nunmehr ist jedoch die Klage gegen ihn niedergeschlagen worden, weil er im Momente der unseligen Tat nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Er wurde auS der Haft entlasten und ist bereit», an Geist und Körper eine klägliche Ruine, zu seinen Eltern nach Berlin  zurückgekehrt. Der junge Mann ist nun für sein ganze» Leben ein Krüppel, aber dieStandeSwürde" ist glücklich gewahrt geblieben. die adlige Familie ist nicht durch eineMesalliance" geschändet. Und da» ist schon auch was wert. Wie man auf anderer Leute Kosten lebt. EinenSchutz vor gewerbsmäßigen Zechprellern" wollen die Gastwirte der westlichen Vororte durch eine schwarze Liste fanler Kunden schaffen. ES handelt sich nickt um die armen Teufel von Zechprellern, welche sich einmal, ohne Pfennig in der Tasche, ordentlich sattesten wolle», sondern um gelvohiiheitSinäßige Betrüger, welche namentlich die Inhaber besserer Restaurants hineinlegen, indem sie durch ihr vertrauenertveckendes sichere? Auftreten ganze Diners für Gesellschaften und Vereine heraus- zulocken wissen, oder auch nach einigen beglichenen Bestellungen, den Restanrateuren größere Darlehen ünter allerhand Vorspiegelungen abschwindeln. Es ist notorisch, daß es eine ganze Anzahl herunter­gekommener Leute aus gebildeten Kreisen gibt, welche ans Grund ihrer früheren Bekaniuschaft die Vertrauensseligkeit von Gastwirten in ungeniertester Weise ausnützen und auf deren Kosten ein leichtes Leben führen. Diesen Gesellen soll durch gemeinsames Vorgehen das Handwerk gelegt werden._ Gefahrvu lle Heimarbeit. Wegen der Feuergefährlichkeit des Z e l l u l o i d ist vor kurzem eine Eingabe an das Polizeipräsidium gerichtet worden. Gewiß sind umfassende Maßnahmen für Zelluloidfabriken notwendig; aber nicht minder ist eine scharfe Kontrolle der Heimarbeit angebracht. Hier werden Zelluloidwaren verschiedener Art mit einer Leicht- fertigkeit hergestellt, die nicht allein für die mit der Arbeit be- schäftigte Familie, sondern für die ganze Hansbewohnerschaft schwere Gefahren in sich birgt. ES wird da geschnitzt, geinalt, gelötet und aufgesetzt unter den ungünstigen BetriebSverhältnissen, die eben die Heimarbeit charakterisieren. Besteht die Wohnung, was ja durchaus nicht immer der Fall ist, au? mehreren Zimmern, so wird das kleinste zum Arbeiren benutzt. Kaum daß es dem Arbeiter möglich ist, in diesem Raum sich ohne Gefahr umzudrehen. Gar oft wird auch die Küche als Arbeitsraum hergerichtet; man arbeitet dann in der Nabe der Kochmaschine, beim Scheine einer auf dem Tische stehenden Petroleumlampe. Wo eine Drehbank gebraucht wird, wie beim Aufsetzen von Zelluloidgriffen auf Schirmstöcke, da hängt die Lampe an einem auf der Drehbank stehenden Leuchterstock; alle Schwankungen und anderen Bewegungen der Drehbank mutz die Lampe mitmachen. Es ist ein Wunder, daß eS unter solchen Arbeits- Verhältnissen noch nicht zu einem größeren Unglück gekommen ist; bricht aber einmal m einer derartigen Werkstatt Feuer auS, dann wird es keinem möglich sein, sich zu retten. Es ist bekannt, mit welcher Gewalt sich bei brennendem Zelluloid Rauch und Gase ent- wickeln; wer wirklich von den rasend schnell um sich greifenden Flammen verschont bleiben sollte, der wird von den Gasen in wenig Augenblicken betäubt sein. In den gelluloidfabriken kontrolliert die Polizei ständig und sorgt zumeist dafür, daß Notausgänge hergerichtet und Löschvorrichtungen bereit gehalten werden. Ebenso werden über die Beleuchtung und den Umgang mit Feuer und Licht strenge Vorschriften erlassen; selbstverständlich ist auch daS Rauchen in derartigen Arbeitsstätten verboten. Alle diese Schutzmaßregeln fehlen in der Häuslichkeit der Heimarbeiter und können dort auch aar nicht eingeführt werden. Bis jetzt waren die von der orgnni- sicrten Arbeiterschaft unternommenen Bemühungen, die Polizei für die geschilderten Gefahren zu interessieren, ohne Erfolg. Und doch muß im Interesse der öffentlichen Sicherheit etwas gescheben. Die einzige Maßnahme von wirklichem Nutzen bleibt allerdings das generelle Verbot, Zelluloidwaren in der Heimarbeit herstellen zu lassen. Ein solches Verbot ist auch volkswirtschaftlich von Segen, da die Unternehmer, die unter den geschilderten Umständen gemein- gefährlicher Rawr fabrizieren, als schlimme PreiSdrllcker den Ar- bcitern bei der Erringnng menschenwürdiger Lohn- und Arbeits- bedingungen am meisten im Wege sind. Wer allerding« das Walten der Polizei bei Lohnkämpfen beobachtet, mag auf den Gedanken kommen, daß der eben angeführte Grund die Behörde von einem energischen Vorgehen abhält._ Vom Drrschgrafcn. Mit Verhaftung bedroht wurde Graf Pückler von der Polizeivcrwaltung in Oranienburg   für den Fall, daß er dort sprechen würde. Nachdem der Graf vergeblich in Friedrichsfelde  , Wilmersdorf   und anderen Bororten Versucht hatte, eine Rede zu halten, wandte er sich nach Oranienburg  . Hier kam jedoch auf die VersammInngSanmeldnng folgender Bescheid der dorttgen Polizeiverwaltung:Nach amtlicher Auskunft soll Graf Pückler-Klein-Tschirne geistig nicht normal sein und kann daher sein Austreten in der fraglichen Versammlung nicht gestattet werden, da bei diesem seinem Zustande eine öffentliche Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander zu befürchten ist. Sollte Graf Pückler dennoch als Redner auftreten, so würde seine Sistierung behufs Feststellmig der Personalien erfolgen müssen". Ein Vorspiel zum Piickler-Prozeß, der im Jamiar nächsten Jahres vor dem Land- gericht I seinen Anfang nehmen wird, gab es vor dein Schöffen- gericht in Moabit  . Ein Verteiler von Pncklcr-Rcden hatte gegen ein polizeiliches Strafmandat gerichtliche Entscheidung beantragt. Er hatte eine Polizeistrafe von vier Mark erhalten, weil er die konfiszierte Pückler-RedeDer Ruin des Handwerks", auf der Straße verteilt haben sollte. Der Zcttelvcrteilcr behauptete, er habe die Reden nur in Geschäften verteilt. Vor Gericht wurde die beschlag- »ahmte Rede vcrleien und vom Richter festgestellt, daß ihr Inhalt nicht zu beanstanden sei. Da außerdem nicht festgestellt werden konnte, ob die Reben auf den Straßen verteilt wurden, erfolgte Freisprechung deS Zettelvcrtcilers. Der Wiener Victoria-Prozeß. Aus Wien   wird berichtet: Die in dem Ehrenbeleidigungs- Prozeß der Berliner   Vcrsichcrmigs« gesellschaft Victoria   gegen ihren gewesenen Generalagenten Aga! von letzterem erhobene NichttgkeitSbeschwerde ist vom Kassationshofe zurückgewiesen worden. Besuch in der Rotunde. Einen seltsamen und etwaS ungestümen Besuch erhielt gestern morgen um 7 Uhr die Rotunde, die an der Einmündung der Straße am Friedrichshain   in die Friedcnstraße steht. Ein Kutscher von Buggenhagen in der Kövenickerslraße Nr. 8 fuhr mit einem leeren Mörtelwagen die Friedcnstraße entlang. Auf der abschüssigen Strecke von der Weinstraße nach dem Königstor ging das Hemmzeug entzwei und nun konnten die Pferde aus dem Trab nicht mehr angehalten werden. Immer schneller liefen sie die Bahn hinunter, bis die Rotunde ihnen Halt gebot. Das rechte Pferd rannte mit dem Kopfe gegen die eiserne Wand. zerschmetterte sich den Schädel und fiel in die Anstalt hinein. weil in demselben Augenblick die Deichsel die Wand zertrümmerte. Da? linke Pferd kam neben der Anstalt zu Falle. Arbeiter einer Roßschlächterei auS der Greifswalderstraße befreiten die Tiere mit Winden und Stricken. Da» eine war unversehrt geblieben, daS ver­letzte dagegen verendete bereits beim Aufwinden auf den Wagen. Die Anstalt, in der sich während des Unfalls zum Glück niemand befand, mußte zur Nnsbesscrung geschlossen werden. Aus der UittersnchnngShastgetzfiffen" hat die 23jährige uu» verehelichte Taffert und so der Polizei die Ämittsluug einer toeifc-