Einzelbild herunterladen
 

Nr. 303. 21. Jahrgang. 1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonntag, 25. Dezember 1904.

Weiterentwickeltes Christentum.

Wer verübte die meisten Verbrechen?

gestaltung dieses Allgemeingültigen mehr oder weniger bewußt Rindvich, 3590 Pferde und 210 803 Stüd Kleinvieh. Wenige Jahre macht. Andererseits freilich gilt gerade von dem populären zuvor wurde, gleichfalls amtlich, der Viehbestand der Eingeborenen Glauben, daß er den Inhalt des Geglaubten, also den auf 3 bis 4mal hunderttausend Köpfe geschätzt! Inhalt des Dogmas als Wahrheit ansehen muß, wenn er wirklich glauben soll; denn das Volt ist gänzlich außerstande, in irgend einer Form die Lehre von der doppelten Wahrheit sich anzueignen, daß nur für das Gefühl, den Willen, die Phantasie etwas Geltung haben soll, was in der Form eines Dogmas als Wahrheit aus­gesprochen wird. Sobald sich das Volk davon überzeugen würde, daß man ein Dogma nicht als wahr erkennen tann, daß Tatsachen, die geglaubt werden sollen, sich historisch nicht feststellen lassen, würde auch der Glaube an das Dogma schwinden.

Wenn auf dem Askanischen Plaz die Tannenbäume rauschen und blaugefrorene Jungen in der Leipzigerstraße acht Weihnachts­Postkarten für einen Groschen ausbieten, zieht etwas wie ein fernes Klingen durch jedermanns Gemüt, und selbst den im Unglauben ver­härteten sozialdemokratischen Bücherrezensenten lockt es, einmal wieder ein gutes christliches Buch zur Hand zu nehmen, um nach­denklich zu untersuchen, ob Erde und Himmel noch immer so weit von einander entfernt seien wie in den übrigen Wochen eines christ­lichen Jahres. Da fällt ihm in der übergroßen Auswahl des theologischen Weihnachtsmarktes ein Buch in die Hände, das durch die Eigenart seines Titels und die wohlbekannten Namen seiner Verfasser seine Aufmerksamkeit fesselt. Beiträge zur Weiter- Mit anderen Worten: das Dasein eines persönlichen, wollenden, entwickelung der christlichen Religion" betitelt es sich, unter den eines christlichen Gottes kann als Wahrheit nicht erkannt werden. Verfassern der Auffäße, die es enthält, finden sich Namen wie Man kann von diesem Gott nichts wissen, sondern nur ihn fühlen", Guntel, Herrmann, Euden, Dorner und andere, die ihn wollen" oder ihn sich phantastisch vorstellen. Dorners Christentum in der protestantischen Welt einen guten lang haben. Auf dem der Gebildeten ist längst über den dogmatischen Kinderglauben, der funstvollen Deckblatt sieht man einen Sturzbach, der, aus hohem die Behauptungen der Religion einfach als Wahrheit hinnimmt, Felsgebirge hervorbrechend, sich in zahlreiche Arme teilt und drunten hinaus. Den Böbel aber darf man diese doppelte Wahr­einer grünenden Alm ihr Leben gibt. Uns dürstet nach der Offenheit" nicht merken lassen, wofern man ihm überhaupt die Religion barung, und getrost folgen wir ihren gläubigen Verkündern nach erhalten will. Es gibt also ein doppeltes Christentum, das populäre, ihrer phantastischen Landschaft. das ganz einfach glaubt, und das gebildete, das diesen naiven Kinderglauben belächelt, wodurch dieses gebildete Christentum freilich nicht gehindert wird, den Kindern des Volkes in der Schule den alten naiven Glauben als wortwörtliche Wahrheit einzupauken. Profeffor Gunkel- Berlin schreibt in seinem Auffaze:" Das alte Testament im Lichte der modernen Forschung" über die Bibelfritif:

Haben wir aber erst das Land, das uns so geheimnisvoll er­schien, betreten, so erleben wir alsbald eine merkwürdige Ueber­raschung. Denn bald bemerken wir, daß wir uns gar nicht in dem romantischen Zaubergarten eines dogmen- gläubigen Christentums, sondern auf dem uns bekannteren Boden moderner Gelehrsamkeit be­finden, und daß der Sturzbach, wenn er auch in Wirklichkeit nicht gar so hoch von oben kommt, und wenn er auch nicht so unbändig schäumt, und wenn seine Wasser auch mitunter nicht ganz so klar sind, gar nicht der Quell der göttlichen Offenbarung, sondern der der modernen Wissenschaft ist. Jezt erscheint uns die Bedeutung des Titelblattes böllig verändert; der Bach ist nicht mehr die Religion, sondern die Philosophie, und die Niederungen, denen er zu neuer Frucht­barkeit verhelfen soll, find nicht die des allgemein irdischen, sondern die des kirchlichen Jammertals, dessen Brunnen längst verfiegt sind. Dieses Buch ist ein Versuch, einen Sterbenden zu beleben den christlichen Glauben! Und so bleibt unsere gute Absicht nach allerhand christlicher Auferbaulichkeit diesmal unbelohnt. Statt eines Zeugnisses für die Kraft des christlichen Glaubens, haben wir eines für die Selbstverleugung und Selbstzersetzung des Christentums in unseren Händen.

" 1

Versöhnung mit der Wissenschaft! Das ist ein Ruf, der durch die ganze theologische Literatur geht. Der fatholisch oder evangelisch Rechtgläubige erhebt ihn vorwurfsvoll und drohend, wenn er es nicht etwa vorzieht, faltblütig zu erklären, daß es zwischen echter" Religion und echter" Wissenschaft" überhaupt feinen Streit geben könne. Mag die Wissenschaft dafür sorgen, daß sie ihre Echtheit" erhalte! Durch dieses Buch aber schallt der Ruf nach Versöhnung faft wie ein Angstschrei: Versöhnung um jeden Breis!" Unter dem Titel Wissenschaft und Religion" schreibt Profeffor N. Euden Jena :

-

W

"

-

Man hat dieser kritischen" Wissenschaft das Leben wahrlich nicht leicht gemacht. Noch in der Mitte des verflossenen Jahr­hunderts hat ein fanatischer Ansturm gegen die Kritit stattgefunden, und noch sind die Stimmen nicht ganz verstummt, die alle solche literarische Kritik an der Bibel als Unglauben verurteilen. Woher die Leidenschaft dieser Bestreitungen? Es ist ganz deutlich im legten Grunde die Inspirationslehre, die Lehre von der göttlichen Eingebung der heiligen Schrift, worum hier ge­fämpft wird. Denn wenn die heilige Schrift wirklich in allen ihren Teilen Gottes Wort " ist, vom heiligen Geiste den Schriftstellern übernatürlich eingegeben, fo müssen alle ihre Angaben und auch ihre Ueberschriften Wahrheit sein. Um so bedeutsamer ist demnach die Thatsache, die gegen­wärtig offenkundig vorliegt, daß die Kritit" auf ber ganzen Linie gefiegt hat.... Und auch Theologen, die von Freund und Feind" pofitiv" oder orthodor" genannt werden, haben sich der Wucht der kritischen Gründe nicht verschließen fönnen. Denn diese positiven" Theologen denken vielfach sehr viel anders, als die pofitiven" Laien denken, und als diese denken, daß die Theologen dächten.

Professor Gunkel beschuldigt damit ziemlich unverblümt auch die positiven" Theologen eines doppelten" Christentums. Die positiven Gottesgelahrten erhalten das fromme Volf in dem Glauben, daß sie selber noch die Bibel für Gottes Wort hielten. In Wirklich­feit aber wissen sie, daß die, fünf Bücher Mosis" gar nicht von Moses, die Psalmen Davids" nicht von David, der zweite Teil des Buches Jejaijas gar nicht von Jesaijas verfaßt sein kann, daß diese Bücher vielmehr ein auf natürlichem Wege zustande gekommenes Sammelsurium von Schriften ist.

"

Der ungeheuren Masse des deutschen Volkes aber sollen diese Siege der geschichtlichen Forschung über den Glauben unbekannt bleiben. Ein Lehrer, der es wagte, den Kindern in der Schule zu sagen, die Bibel sei nicht das Wort Gottes ", würde mit Schimpf und Schande aus Amt und Brot gejagt werden.

"

ein Reich der Philosophie und der Wissen schaft" verkündete schon Bacon ( 1561-1626) mit begeisterten Worten, ein solches Reich ist in Wahrheit durch jahrhundertlange Arbeit entstanden und umfängt heute uns alle mit über Iegener Macht. So muß das Christentum eine ungeheure Erschütterung erleiden, wenn es mit der neuen Wissenschaft in Konflikt gerät, in Konflikt nicht bloß bei den Ergebnissen, sondern in der Gesamtart des Lebens und Strebens. Kann die Religion die Probe der Wissenschaft nicht bestehen, so wird sie leicht aus dem Kern zu einem nebensächlichen Anhange des Lebens, ja zu einer leeren Einbildung. Es erübrigt sich, die positive Seite" dieses merkwürdigen Damit ist für jeden, der lesen kann, flar genug gesagt, daß Buches, dessen Verfasser sämtlich Doktoren oder Professoren der nicht die " göttliche Wahrheit" der Offenbarung die Grenzen Theologie und Christen sind, wenigstens fich für solche halten, menschlicher Wissenschaft vorschreibe, sondern umgekehrt die Wahrheit einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Die Beiträge zur des göttlichen Wortes von der Schärfe der menschlichen Dentfraft Weiterentwickelung der christlichen Religion" sind ja auch keine abhängig sei. Was Sant wollte, wäre damit erreicht, die Philo- Ausnahme- Erscheinung innerhalb der modernen theologischen Wissen­sophie trüge nicht mehr der Theologie die Schleppe nach, sondern schaft, sondern nur ein Gipfel einer durch Jahrhunderte fortgesetzten vielmehr Entwickelung. Schöpferisch ist diese Entwickelung in feinem das Licht voran. Gucken verhehlt sich keineswegs, welche Bedeutung einem folchen Augenblick gewesen; mit dem Katholizismus und der orthodoren Wechsel der Funktionen zuzuschreiben ist. Kann denn", so fragt er, Theologie muß die moderne Wissenschaft in der Beurteilung dieses die Religion den Forderungen des neuen Lebens mit seiner Wissen- weiterentwickelten Christentums" wenigstens darin übereinstimmen, schaft genügen, ohne sich selbst preiszugeben? Bedeutet die Annahme daß auch fie dieses Christentum überhaupt für feines mehr halten der neuen Dentweise nicht eine Zerstörung ihres innersten Wesens?" tann. Es ist vielmehr nichts als eine barode Außenskulptur, die auf das strenge Renaissancegebäude der Wissenschaft aufgeklebt wird, Und er entgegnet sich selbst: und den klassischen Bug feiner Linien in stilwidriger Weise durch­bricht. Die Struktur unseres Geisteslebens wird nicht mehr von religiösen, sondern von wissenschaftlichen Elementen gebildet, auch die Verfasser der Beiträge" denken fast alle rein wissenschaftlich bis zu dem Punkte, an dem plötzlich ihr Wille, ihr Gefühl oder ihre Phantasie" von dem geraden Wege der Vernunft abbiegt. Die Beiträge" sind darum als Weihnachtslektüre niemand zu empfehlen. Sie wirken durchaus nicht auferbaulich. Die Phantasie, die sich immerfort deffen bewußt bleibt, daß sie Phantasie ist, wirft Der alte Glaube hat Poesie; die neue nicht phantastisch. Professorenreligion will fie bloß haben. Man feiert das Christfest beffer entweder ganz naiv- gläubig als den Geburtstag des göttlichen Jungfrausohnes, der die Menschheit von ihren Sünden erlöst hat oder ganz niederträchtig atheistisch als ein altes, nettes Familien­fest, das nun einmal da ist und mitgemacht sein will. Kommentar" ist da wirklich überflüssig". Es fann fein umständlicheres Weih­nachten geben als das weiterentwickelte christliche der Herren Professoren!

Die Sache liegt teineswegs fo einfach, und die Frage läßt sich nicht so frohmütig beantworten, wie es von manchen geschieht, die rückhaltlos dem Strom des modernen Lebens folgen und nebenbei sich auch leicht ein Stück Religion glauben wahren zu können. Die Religion hat in Wahrheit, nicht zum mindesten durch die neuere Wissenschaft, schwere Verluste erlitten und befindet sich augenscheinlich in einer peinlichen Krise; vermag sie für ihre Verluste nicht eine entsprechende Ver­stärkung zu finden, vermag sie nicht ihre Selbständigkeit im Ganzen des Lebens neu zu befestigen, so ist eine Auflösung oder doch ein immer weiteres Zurücktreten nicht zu vermeiden.

Prof. Euden sezt schließlich an den dunklen Himmel dieses Nacht­gemäldes einen schwachen Hoffnungsstern. Er glaubt nicht mehr Ben Glauben, aber er glaubt an ihn, und daß er auf irgend eine Weise, auf welche scheint ihm selber unklar, wieder zu neuem Leben erwachen werde.

V

Gibt so Prof. Eucken zu, daß das Dogma nicht mehr zu halten fei, so zerstört Prof. Herrmann Marburg nicht minder radikal die Grundlagen christlicher Ethik. Die moralische Inferiorität eines Systems, das das Gute als Befehl Gottes betrachtet, unter jenem der Philosophie, das die Gute seiner selbst willen lehrt, ist ihm durchaus gewiß:

#

"

f. s.

Nach der amtlichen Denkschrift weist die Kriminal. statistik für das Jahr 1902 folgendes auf: In der ganzen Kolonie wurden wegen Eigentumsvergehen, Raub, Erpressung, Brand­stiftung usw. insgesamt 516 Eingeborene bestraft, das sind 0,25 Proz. Wegen der gleichen Vergehen wurden 28 Weiße be­straft, das macht bei einer weißen Bevölkerung von 4635 Stöpfen 0,60 Proz. Unter den Weißen war also die Zahl der Diebe usw. prozentual mehr als doppelt so groß als unter den Eingeborenen. Noch viel schlechter schneiden die Weißen ab, wenn man die Ver­brechen und Vergehen wider die Person in Betracht zieht. Solcher Vergehen wegen wurden 1902 ganze 17 Eingeborene ver­urteilt, also auf je 11 764 Personen einer. Die Zahl der wegen dieser Delikte verurteilten Weißen beträgt dagegen 10, das macht auf ie 463 Personen eine Verurteilung. Amtliches Material über den Land- und Viehraub. In der Denkschrift über den Hereroaufstand vom 29. No­pember 1904 heißt es: und so strebte abgesehen von Ausnahmefällen, die hier unberücksichtigt bleiben können jeder weiße Kolonist nur danach, durch Erwerb von Grund und Boden die Möglichkeit zum Viehzuchtbetrieb für sich zu begründen. Zur Erreichung dieses Zieles boten sich ihm, der meist ohne genügende Geldmittel war, zwei Wege, nämlich der des Transportgeschäftes und der des Handels So ergoß sich der Strom kleinerer Händler in die von den Sitzen der Verwaltung abgelegenen Eingeborenengebiete. Sie widmeten sich, wie man sich im Schutzgebiet ausdrückt, dem Feldhandel. An diesem Feldhandel beteiligten sich aber außer minder bemittelten Leuten auch solche, welche überhaupt keine Geldmittel besaßen. Am wirksamsten erwies fich das Mittel der Kreditgewährung Es artete in den letzten Jahren infolge der wachsenden Konkurrenz zu einem schweren Mikstande aus, denn es hatte eine rapid fortschreitende Ver­schuldung der Eingeborenen zur Folge.

Der Kolonialrat und seine Kommission erblickten die wesent­lichsten Gefahren der Verschuldungsfrage darin, daß einmal die Schulden der Eingeborenen sich im Laufe der Zeit zu ungemessenen und unkontrollierbaren Beträgen anhäuften, die ohne daß es der Eingeborenen zum Bewußtsein kommt deren wirtschaftliche Existenz vernichten; daß ferner für die Schulden Einzelner das Stammesvermögen häufig in Anspruch genommen werde."

Die Kulturarbeit der Weißen.

-

Ein in der Denkschrift für das Jahr 1902 zitierter Missions= bericht aus dem Hererolande lautet:

Besondere Unzucht und Trunksucht herrschen im hohen Grade, leider sind oft Weiße nicht allein schlechte Vorbilder in dieser Beziehung, sondern auch direkte Verführer. Venerische Krankheiten haben in besorgniserregender Weise um sich ge= griffen

Sehr bedauerlich ist es, daß es hier in weiten Kreifen üblich ist, eingeborenen Arbeitern den Genuß von Branntwein regelrecht anzugewöhnen."

In einer Zuschrift an den Reichsboten" heißt es:

,, Nun schreibt man in gewissen Zeitungen von den Greuel. taten der Hereros, daß sie die Frauen der Ansiedler ab= geschlachtet und dort auch Männer fastriert hätten. Was letzteres betrifft, so haben gewisse Hereros das getan an Weißen, die sich an ihren Frauen und Mädchen schändlich vergriffen hatten. Viele der unverheirateten Ansiedler lebten mit eingeborenen Weibern und stellten den Ehefrauen der Hereros nach. So sittlich tief der Herero auch steht, so hat bei ihm doch auch hier die Unzucht eine Grenze."

In einem Artikel des Reichsboten" heißt es:

,, Man hat in missionarischen Kreisen bisher zurückgehalten, was man über das Treiben der Weißen weiß. wodurch sie die Erbitterung, den Haß und die Rachsucht der Hereros hervorgerufen haben: das wüste Leben der Mäner gegenüber den Hererofrauen, die brutale Behandlung der Hereros, ihre Aus­beutung durch die Händler... Die deutsche Nation will nicht, daß eine Hand voll Abenteurer in den Kolonien wüste Brutalitäten üben, die Eingeborenen zur Rache erbittern und das Reich dann alles ausbaden soll."

In einem späteren Artikel des Reichsboten" heißt es: Wir fragen uns aber immer wieder, wie es gekommen, daß die Hereros, die seit Menschengedenken nie einen Weißen aus­geraubt, ermordet haben, nun auf einmal so greuliche Mörder ge= worden sind. Ihr ganzer Charakter gegenüber den Weißen war nicht auf Rauben und Morden angelegt, sondern eher aus Respett auf der einen und der sllavischen Furcht auf der anderen Seibe Wer war ihr Vorbild, ihr Lehrmeister? Noch kurz vor dem Aus=" bruch des Aufstandes hat ein Soldat einem unschuldigen Herero die Schädeldecke eingeschlagen und ihn wie ein Stück Vieh be= handelt. Wollte man alle diese Mißhandlungen mit Latten, Stöden, Rhinozerospeitschen eine gewöhnliche Strafe für einen Un­schuldigen, 25 Hiebe, daß der Bestrafte blutend wie tot dalag-, das Niederknallen so mancher Unschuldigen, ganz abgesehen von den vielen Gefängnisstrafen zusammenstellen, so wird man sich nicht wundern über den Haß der Eingeborenen gegen die Weißen. Ist denn Hereroland ein Verschickungsland für ungeratene, unbequeme Söhne, deren Vorleben hier die Ursache des dortigen Aufstandes nicht allein, sondern der ganzen Ver­rohung der Hereros ist?"

-

Exzesse der weißen Kulturträger.

Praktisches Christentum in Südwest- Brozeß gegen den Prinzen Arenberg der Zeuge Reiter Kie.

Afrika.

Die Urfachen des Herero- Aufftandes. Amtliche Prügelstrafen.

Wie ausgiebig unter den Hereros geprügelt wurde, buchte ge= wissermaßen die amtliche Denkschrift für das Jahr 1902. Danach wurde nicht weniger als in 473 Fällen die Prügelstrafe vollzogen. Namentlich im Hererogebiet wurde besonders oft geprügelt, nämlich in Swakopmund 128mal, in Karibib 87mal und in

Die Sittlichkeit ist in ihrer Wurzel vergiftet, sobald ein Gedanke, der allerdings jedem frommen Menschen heilig ist, zum Grund der sittlichen Ueberzeugung gemacht wird, nämlich der Gedanke, daß das sittliche Gebot das Gebot Gottes ist. Ohne diesen Gedanken wollen wir Christen freilich nicht leben. Sehen wir aber wirklich in ihm den Grund unserer fittlichen Ueberzeugung, so haben wir überhaupt keine jittliche Ueberzeugung. Unsere Ueberzeugung hat dann vielmehr einen doppelten Inhalt, der mit Sittlichkeit gar nichts zu schaffen hat, sondern ein Ausdruc tiefer Unsittlichkeit sein fann. Wir sind dann erstens erfüllt von dem Gedanken, daß wir uns vor einem allmächtigen Willen beugen müssen und haben indhuk 99mal. zweitens die Vorstellung, daß uns gesagt werde, was dieser Wille uns gebiete. Das erste fann ein Gedanke der Feigheit fein, das zweite ein Gedante des Selbst betrugs. So haben fich aber Millionen Menschen, die wahrhaft fittlich und fromm zu fein meinen, innerlich eingerichtet.

Wie ein Gedanke der Feigheit und des Selbstbetruges, der die Sittlichkeit in ihrer Wurzel vergiftet, dennoch einem fittlichen und vernünftigen Menschen, heilig" sein könne, bleibt das neueste Mysterium des Christentums.

Ein Herero über das Prügelsystem.

Die Tägliche Rundschau" veröffentlichte folgenden Brief eines nach Britisch- Südafrika ausgewanderten Hereros:

Jch teile Dir mit, das Land der Engländer ist wahrscheinlich ein gutes Land, da sind keine Mißhandlungen; Weißer und Schwarzer stehen auf gleicher Stufe Es ist viel Arbeit und viel Geld und wenn auch Dein Vorgesetzter da ist, so schlägt er Dich nicht, aber wenn er Dich schlägt und hat das Gesez übertreten, so wird er auch bestraft."

Amtliche Statistik des Viehraubes.

Ueber die bestialische Bluttat an dem Hevero Kain sagte in dem berger folgendermaßen aus:

" Der Angeklagte fagte zu mir, er will fliehen, schießen Sie. Ich hatte dann den Herero, der zusammenbrach, in den Unterschenkel getroffen. Der Prinz äußerte sich daraufhin: Sie haben saumäßig geschossen, Sie schießen doch sonst gut." Dann 3og er einen Revolver hervor und schoß Kain, der sich wieder er­hoben hatte, eine Kugel in den Kopf. Wir gingen dann fort. Als wir bald darauf zu der Stelle wieder zurückkamen, faß Kain an einem Busch. er bat mich um Wasser. Darauf sagte der Angeklagte: Du brauchst nicht mehr zu trinten" und warf den Verwundeten so auf die Erde, daß er mit der Brust auf dem Boden lag. Dann sette der Prinz den Fuß auf den Rücken Kains und fragte mich, wie man ihn am besten töte. Er forderte von mir den Ladestock, da ich ihn aber nicht sofort herausbekam, warf der Prinz den Kain auf den Rücken und befahl mir, ihn mit dem Bajonett zu erstechen, er zeigte mir auch die Stelle, wo ich hinstechen sollte, dann warf er den Vera wundeten wieder um, der noch immer röchelte, ließ sich von mir den Ladestock geben und stieß ihn 5 bis 6mal durch die Schußwunde ins Gehirn."

Ueber die bestialische Mordtat wurde von sachkundiger Seite dem ,, Reichsboten" geschrieben:

Warum verdeckt man auch bei Arenbergs Fall den Umstand, daß die Mutter des so hingeschlachteten Willi Kains, um in deutscher Sprache zu reden, eine Prinzessin war, eine nächste Anverwandte der jetzt aufständischen Leute und Oberhäuptlinge? Wird denn hier der Mord einer Person aus königlichem Geschlecht etwa fo übersehen? Und die Verwandten Samuel Maharero , Rinord Nandina, sollten diese die Abscheulichkeit des Prinzen Arenberg so bald vergessen haben?

Prof. A. Dorner in Königsberg nimmt vom Dogma Ab­Dieses ist ihm nicht mehr der Mittelpunkt des Heils­schied. glaubens", sondern steht völlig außer ihm.... Das Dogma hat In welchem Maße die Eingeborenen ihres teuersten Bejizes, im Laufe der christlichen Entwickelung seine Starrheit und Unbeug ihres Biehstandes, beraubt wurden, auch darüber gibt die Denkschrift für das Jahr 1902 Auskunft. In diesem Jahre wurde nämlich der samkeit verloren: Heute steht es so, daß man das Recht der Individualität für Wiehstand sämtlicher Eingeborenen in Südwestafrika auf 45 895 Stüd die religiöse Ueberzeugung mindestens insoweit in Anspruch nimmt, t in dvieh, 1675 Pferde und 136 557 Stück Leinvieh daß man das Dogma nach seiner Art sich denten könne. geschäßt. Dieser Viehbestand entfiel auf eine Gesamtbevölkerung Ja man verlangt vom Dogma, daß es solche Deutung offen läßt. von zweimal hunderttausend Köpfen. Die weiße Bevölkerung betrug Das weist darauf hin, daß man in weiten Streifen einen Unter- um diese Zeit zirka 4000 Köpfe, also den 50. Teil der Bevölkerungs - Der Farmer Heerfurth erhob gegen den Unteroffizier schied zwischen dem Allgemeingültig n und der individuellen Aus- ziffer der Eingeborenen. Dieser 50. Teil besaß jedoch 44 487 Stüd& offat folgende Anklage;