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Handlung Gelegenheit genommen, mit Voigt zu sprechen und sagte ihm, er sollte recht vorsichtig sein. In der Verhandlung habe ich allerdings vielfach die Auffassung gewonnen, dah er mehr ein- räumte, als sich aus der Situation ergab, dah er durch Zugestand- niste versuchte, sich das Wohlwollen� seiner Richter zu erwerben. Verhandlungsführer: Die Frage ist, ob man ihm vorgehalten hat, dah sein Zugeständnis ein scheußliches militärisches Verbrechen in- volvierc. Hat man ihm gesagt, das ist Aufruhr, da gibt es eine furchtbare Strafe? Zeuge: Dafür war die Vorbedingung, dah das gemeinschaftliche Handeln festgestellt wurde. Hierauf wurde wohl weniger Wert gelegt. Verhandlungsführer(zu den Verdeidigcrn): Wird nunmehr auf alle weiteren Zeugenvernehmungen verzichtet? Ich denke, ich habe nun Licht und Schatten nach allen Seiten gleichmäßig verteilt. Der Anklagevertreter erklärt, er verzichte, während die Verteidiger erklären, nicht verzichten zu können. Nach Vernehmung des Majors Freiherrn   v. Troschke wird das Protokollarische Geständnis des Angeklagten Voigt verlegen. Voigt sagt darin aus: Als Heine blank zog, bekam ich einen Schreck und hielt das Seitengewehr fest, um ein Unglück zu verhüten, Bestreite, den Unteroffizier angegriffen zu haben. Günther stand während dc-Z Borganges ruhig dabei. Wir beide liefen dem Unteroffizier nach, da ich mein Seitengelvehr wieder haben wollte. Der Unter- osfizier drehte sich nach uns herum und schlug nach uns. Günther hielt ihn am Arme fest, während ich ihm das Seitengewehr abnahm. Der Unteroffizier schlug nun jetzt, nachdem ich das Seitengewehr wieder hatte, nach der Regel, worauf Günther ihn festhielt und zu Boden warf. Weiter habe ich Heine nicht berührt. Es kam dann ein anderer Soldat, der versetzte Heine Fußtritte. Voigt bemerkt auf Befragen des Verhandlungsführers, er gebe zu, dah Günther den Unteroffizier von hinten gepackt habe, alles übrige müste auf einem Mißverständnis beruhen. Vcr- handlungsführer: Sie haben doch aber das Protokoll unterschrieben. Ein Mann, dem sein Hauptmann das Zeugnis ausstellt, dah er ein fähiger Soldat sei, der beim Freiwerden einer Stellung zum Ge- freiten befördert werden sollte, mutz doch wisseii, was er unter- schrieben hat. Voigt: Ich habe das nicht so gesagt, ich muh falsch verstanden worden sein. Verhandlungsführer: Sie sagen heute, Günther habe den Unteroffizier von hinten gepackt. Voigt: Jawohl. Verhandlungsführer: Am Mittwoch sagten Sie, Günther habe den Unteroffizier von vorn gefaßt. Voigt schweigt. Verhandlungsführer: Günther, was sagen Sie dazu? Günther: Es ist unwahr, was Voigt soeben sagte, ich hätte den Unteroffizier von vorn gefaßt. Verhandlungsführer: Angeklagter Heine, was sagen Sie dazu? Angeklagter Heine: Nichts. Zeuge Rechtsanwalt Suchsland bemerkt auf Befragen des Ver- teidigers Guttmann, er hatte die Auffassung, die Angeklagten hätten mehr zugegeben, als der Wahrheit entspräche, um sich die Gunst des Gerichts zu erwerben. Sie seien sich aber auch heute noch nicht über die Situation klar. Der Verhandlungsleitcr erklärt hierauf die Beweisaufnahme für geschlossen. Nach einer kurzen Pause nimmt das Wort der Vertreter der Zlnklage Kriegsgerichtsrat R i ch a r z: Die vorliegende Anklage hat wegen des ergangenen Urteils großes Aufsehen erregt, dieses Aufsehen war aber vollständig unberechtigt. Der Krieg ist ein rauhes Hand- werk, er erfordert, daß Tausende wie ein Mann zusammenhalten. Die Vorschule hierzu ist die Armee. Die Soldaten müssen durch eiserne Disziplin dazu erzogen werden, daß sie die Schreck- niste und Unbilden des Krieges ertragen, daß sie bis zum letzten Augenblick ausharren und die Befehle ihrer Vorgesetzten strikte er- füllen. Wir nehmen zum Militär auch Vorbestrafte und Wider- spcnstigc. Diesen Elementen muß der militärische Geist erst ein- geimpft werden. Deshalb ist es notwendig, daß den Soldaten immer und immer wieder vorgelesen wird, welche Strafen auf Jn- s ubordinationstehen, es ist notwendig, dem Soldaten immer und wieder zu sagen, daß er mit S Jahren Zuchthaus bestraft wird, wenn er sich an einem Aufruhr beteiligt. Wenn auf Aufruhr nur 45 Tage Gefängnis stünden, würde sich das Verbrechen des Aufruhrs ungemein vermehren. Die gegenwärtige Verhandlung hat gezeigt, daß je längere Zeit eine Sache dauert, desto schtvächer die Erinnerung wird. Es ist natürlich, daß die Zeugenaussagen von- einander abweichen und sich widersprechen. Jedenfalls hat aber die Verhandlung nicht bestimmt ergeben, daß die Angeklagten sich des Aufruhrs im Sinne des Gesetzes schuldig machten. Der Vertreter der Anklage beleuchtet sodann eingehend die einzelnen Zeugenaussagen und kommt zu dem Schluß, daß Aufruhr nicht nachgewiesen sei. Es liegt hier ein non liquet vor. Erwiesen sei dagegen, daß die Angeklagten sich einer tätlichen Mißhandlung eines Vorgesetzten schuldig gemacht hätten. Bei der Strafabmessung wird zu erwägen sein, daß die Angeklagten nicht weiter gegangen sind, als unbedingt notwendig war. Sie haben dem Unteroffizier das Seitengewehr zweimal weggenommen, damit er keine Tätlichkeiten begehen könne, sie haben es ihm aber jedesmal sofort zurückgegeben. Dem An- geklagten Günther kommt außerdem zugute, das- er das Dienst- mädchen Regel schüben musite. Er konnte ihm nicht gut sagen: Ich muß Dich schutzlos lassen, weil der Täter mein Vorgesetzter ist. Ferner ist zu erwägen, daß den beiden Angeklagten von ihrem Hmipt- mann das beste Zeugnis ausgestellt worden ist. Was den Angeklagten Heine betrifft, so hat dieser ein geradezu tolles Be- nehmen an den Tag gelegt. Er läßt sich gefallen, daß ihm Aus- drücke wieEsel",Stiesel".Rhinozeros" zugerufen werden, ohne den Maim festnehmen zu lassen. Der Staatsanwalt beantragt zum Schluß des Plaidohers gegen Heine sechs Monate Gefängnis, Degradation, gegen Günther «in Jahr, gegen Voigt ein Jahr zwei Monate Gefängnis. Urteil. Auf die Berufung der Angeklagten Voigt und Günther wird das kriegsgerichtliche Urteil der 8. Division zu Halle insoweit aufgehoben, als der Gefreite Günther von der Be- lcidigung eines Vorgesetzten und beide Angeklagte von der An- klage des militärischen Aufruhrs freigesprochen werden. Da­gegen sind beide in einem Falle des tätlichen Angriffs auf eine» Vorgesetzte» schuldig und werden deswegen mit einein Jahre sechs Monaten(tfesänguis verurteilt, wovon drei Monate durch die Untersuchnngshaft als verbüftt er- achtet werden. Hinsichtlich eines dem Angeklagte» Günther zur Last gelegten weiteren Angriffs auf einen Vorgesetzten er- folgte Freisprechung. Der Angeklagte Heine wird zu- züglich der gegen ihn vom Dessaucr Gericht erkannten Strafe zu einer Gesamtstrafe von sechs Monaten Ge- fängnis und Degradation verurteilt. Em   Erfolg gewerkschaftlichen Kampfes. Nachdem die Generalversammlung des Holzarbeiter-Vcrbandes dem Einigungsvcrtrage zugestimmt hat und eine Versammlung der Unternehmer ihn schon tags zuvor angenommen hatte, ist der Ver- trag am Sonnabend vormittag von den Vertretern beider Parteien vor dem Gcwerbcgericht unterzeichnet worden. Damit ist der Ver- trag für die beiderseitigen Organisationen rechtsverbindlich geworden, die Grundlage für die Lohn- und Arbeitsbedingungen im Berliner  Tischlergcwcrbe ist nunmehr für die nächsten zwei Jahre festgelegt. In der am Donnerstag abgehaltenen Vertrauensmänner- Ver- sammlung des Holzarbeiter-Vcrbandes stieß der Vertrag auf eine lebhafte Opposition und eine sehr starke Minderheit der Versamm. lunq stimmte gegen die Annahme desselben. Auch in der General- Versammlung am Freitag sprachen noch verschiedene Redner gegen den Abschluß des Vertrages. Schließlich gaben aber doch die wohl- erwogenen Gründe, welche die Mitglieder der Verbandsleitung für den Vertrag anführten, den Ausschlag, so daß das Vertragsverhältnis mit einer Mehrheit von fast drei Vierteln der Abstimmenden An- nähme fand. Es ist ja begreiflich, daß in den Reihen der unmittelbar Be-. tciligten verschiedene' Meinungen herrschen, ob man mit dem cnd- gmrigc. aresuliat des langwierigen, auf beiden Seiten mit Hart- näckigkeit und Ausdauer geführten Kampfes zufrieden sein kann und ob der Erfolg in angemessenem Verhältnis zu den Opfern steht, welche der Kampf den Arbeitern kostete. Will man diese Frage rein objektiv beantworten, ohne Stimmungen und Empfindungen, so berechtigt sie auch sein mögen, Raum zu geben, so muß man die Tatsachen reden lassen, welche für den nunmehr beendeten Kampf maßgebend waren. Die einfache Tarstellung dieser Tatsachen wird uns zeigen, um welches Streitobjekt der Kampf geführt wurde, wie sein Verlauf war und welchen Erfolg er für die beteiligten Arbeiter hatte. Ten Ausgangspunkt des Konflikts bildete die von den Arbeitern erhobene Forderung: Sicherung des Lohnes bei Anfertigung neuer Muster im Akkord.   Im Grunde genommen berührt diese For- derung die Streitfrage: Akkord- oder Zeitlohn. Der Unternehmer hat ein erhebliches Interesse am Akkordlohn, denn er will mit fest- umgrenzten Herstellungskosten für jeden einzelnen Artikel rechnen. Schwanken die Herstellungskosten bei ein und demselben Artikel je nach dem Fleiß und der Geschicklichkeit des Arbeiters, so stört das die Rechnung des Unternehmers und er wird deshalb bemüht sein, seine Waren im Akkord herstellen zu lassen, was denn auch in der Berliner   Möbelindustrie fast ohne Ausnahme geschieht. Die Ar­beiter hätten keine Ursache, der Akkordarbeit an sich zu widerstreben, wenn nicht diese Lohnform den Uebelstand hätte, die Leistungen des Arbeiters fortgesetzt zu steigern, ohne seinen Verdienst entsprechend zu erhöhen. Wenn es sich um die Herstellung von Artikeln handelt, die stets nach demselben Schema und in derselben Art hergestellt iverden, so kann durch feste Akkordtarife, die als unverrückbare Norm ebenso wie der Zeitlohnsatz maßgebend sind, der indirekten Lohndrückern vorgebeugt werden. Für die Tischlerei, besonders für die Möbelindustrie, lassen sich derartige Normen aber gar nicht schaffen, weil hier mit einer ungeheuren Mannigfaltigkeit der Artikel und sehr verschiedenen Arten der Ausführung zu rechnen ist. In ganz besonders hohem Matze trifft das zu für jenen Zweig der Möbelindustrie, der von Zeit zu Zeit ganz neue Muster auf den Markt bringt. Der Unternehmer, der solche neuen Muster anfertigen läßt, will sie natürlich, um die Konkurrenz zu schlagen und sich einen gewinnbringenden Absatz zu sichern, zu möglichst niedrigem Preise liefern. Was liegt da näher, als daß er, wie es immer in solchen Fällen zu geschehen pflegt, am Arbeitslohn zusparen", das heißt, den Lohn zu drücken sucht. Die Rechnung des Unternehmers wird in dieser Regel gemacht werden: Das Stück darf so und so viel kosten, wenn es guten Absatz finden soll; so und so viel muß ich für Material ausgeben, so und so viel will ich daran verdienen, folglich darf der Arbeitslohn nur so und so viel betragen. Nach diesen Grundsätzen wird also der Akkordlohn festgesetzt. Der Arbeiter, der zum ersten- mal ein neues Muster anfertigt, kann in. den mcksten Fällen gar nicht voraussehen, ob er bei dem gebotenen Preise seinen Lohn ver- dienen kann. Er feilscht wohl mit dem Unternehmer, erhält viel- leicht auch eine kleine Zulage zu dem anfangs gebotenen Preise, aber wenn er einige Wochen an dem neuen Akkorde gearbeitet hat, stellt sich heraus, daß sein Verdienst trotz fleißigen Arbeitens weit hinter dem üblichen Lohn zurückgeblieben ist. Aber die Arbeit ist einmal verakkordiert, eine nachträgliche Zulage gibt es nicht. Der Arbeiter hat die letzten Tage, vielleicht gar die letzte Woche an dem neuen Stück tatsächlich umsonst gearbeitet; er istausgeschmiert" worden, wie der Fachausdruck lautet. Diesen unsicheren und unhaltbaren Zuständen wollten die Arbeiter ein Ende machen, indem sie forderten, daß ihnen bei neuen Mustern, die in Akkord angefertigt werden, der von ihnen bisher erzielte Durchschnittslohn gesichert werde. Davon wollten aber die Unternehmer nichts wissen. Sie behaupteten, mit der Lohn- sicherung werde ihnen jede Grundlage der Preisberechnung ent- zogen, die Erfüllung dieser Forderung sei gleichbedeutend mit dem Ruin der Berliner   Möbelindustrie. Die Arbeiter hatten niemals die Absicht, diese Forderung, so berechtigt und selbstverständlich sie mich ist, zum Gegenstand eines allgemeinen Streiks zu machen. Sie verhandelten vielmehr mit den Vertretern der organisierten Unter- nehmer. und, um den Kamps zu vermeiden, ivaren sie sogar bereit, sich mit der Sicherung von 95 Proz. des durchschnittlichen Verdienstes zu begnügen. Aber selbst diese ermäßigte Forderung wollten die Unternehmer nicht anerkennen. Zwar boten sie 99 Proz. des Durch- schnittsverdienftes, aber sie wußten wohl, daß sich die Arbeiter auf ein solchesZugeständnis" nicht einlassen konnten. Man darf wohl annehmen, daß es den Unternehmern mit diesemZugeständnis" nicht einmal ernst war. Seit Jahren hatten sie gesehen, daß der Holzarbeiter-Verband eine Macht ist, mit der die Unternehmer rechnen müssen. Sie waren sich wohl bewußt, daß die Organisation der Holzarbeiter in der Lage ist, auf die Lohn- und Arbeitsverhältnisse bestimmend einzuwirken. Es war den Unternehmern klar, daß sie nicht willkürlich die Löhne festsetzen, daß sie nicht unumschränkte Herren über die Arbeiter sein könnten, solange sich diese auf eine starke und leistungsfähige Organisation stützen konnten. Deshalb war es schon lange der sehnlichste Wunsch der Unternehmer, den Holzarbeiter-Verband zu schwächen, seine Macht und seinen Einfluß zu brechen und nach eigenem Gutdünken zu bestimnien, welche Löhne, Ivelche Arbeitsverhälwisse in der Holzitidustrie gelten sollten. Do auch die Unternehmer seit Jahren mit Erfolg an der Stärkung ihrer Organisation gearbeitet hatten, so schien ihnen der Zeitpunkt gekommen, um einen entscheidenden Schlag gegen den Holzarbeiter-Verband zu führen. Sie brachen die Verhandlungen ab und machten die Forderung de? Lohnsichcrung, obwohl dieselbe nur für einen Teil der Möbelindustrie in Frage kommt, zum Anlaß eines allgemeinen Angriffs gegen den Holzarbeiter-Verband. Die Aussperrung wurde beschlossen und anfangs Oktober ins Werk ge- setzt. Die Unternehmer rechneten mit Sicherheit darauf, daß die Aussperrung die Macht des Holzarbeiter-Vcrbandes brechen und ihnenRuhe im Gewerbe" schaffen werde, dergestalt, daß die Unter- nehmer die Lohn- und Arbeitsverhältnisse einfach diktieren könnten, ohne das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter respektieren zu brauchen. Der Plan der Unternehmer ist völlig gescheitert. Die organisierten Arbeiter nahmen den Kampf, der ihnen ge- boten wurde, auf, ja, sie gingen nun ihrerseits zu energischen Gegen- maßnahmen über, indem sie die tcilweisen Aussperrungen in allen Betrieben, wo es ihnen ratsam schien, mit der vollständigen Arbeits- niederlegung beantworteten. So währte der Kamps ein volles Vierteljahr, ohne daß die Unternehmer ihrem Ziele auch nur einen Schritt näher gekommen wären. In den Reihen der in den Kampf gedrängten Arbeiter gab es kein Wanken und kein Weichen. Unter solchen Umständen mußte selbst den harwäckigsten Unternehmen, die Einsicht kommen, daß ein Gegner, der so fest im Kampfe steht, nicht zu besiegen ist. Neben dieser Einsicht mag auch der Umstand, daß viele Unternehmer bereits kampfesmüdc waren, dazu beigetragen haben, daß die Führer der Unternehmer-Organisation. einer Ein- ladung von unpartonscher Seite folgend, kurz vor Jahresschluß in Verhandlungen mit den Vertretern der Arbeiter eintraten. Die unparteiischen Leiter dieser Verhandlungen hatten ei» schweres Stück Arbeit, um in einer Reihe langer Sitzungen endlich eine Verständigung der Parteien herbeizuführen. Da standen auf der einen Seite die Beauftragten der Unternehmer mit ihrem Ober- meister als Wortführer, der nur widerstrebend den Forderungen der Arbeiter Schritt um Schritt entgegenkam, und dem jede den Arbeitern günstige Bestimmung des Vertrages oft unter heftigem Wortgefecht abgerungen werden mutzte. Auf der anderen Seite die Vertreter der Arbeiter, die zwar bereit zum Frieden, aber durchaus nicht ge- neigt waren, von den wohlbcgründctcn Forderungen und den be- rechtigten Interessen ihrer Kollegen etwas abzulassen, und die, wenn man auf der Gegenseite mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, mit ruhigem Gleichmut antworteten:Gut, wenn Sie weiter kämpfen wollen, wir halten es noch lange ausl" Aber trotz aller Schwierigkeiten kam man schließlich, dank der einsichtsvollen Leitung der Unparteiischen, doch zu einer Berständi- gung, und zwar zu einer solchen, mit der die Arbeiter unserer Ueberzeugung nach vollkommen zufrieden sein können. Während der ganzen Dauer des Kampfes haben die Unter- nehmer in jeder ihrer Versammlungen und in jeder Nummer ihres Fachorgans erklä-t:Wenn die Arbeiter die Forderung der Lohn- sicherung nicht>'sen lassen, gibt es keine Verständigung." Dies stolze Wort ist nicht zur Wahrheit geworden. Der nunmehr geltende Vertrag erfüllt die Forderung der Lohn- sicherung in dem Umfange, wie sie von den Arbeitern vor der Aus- sperrung gestellt worden ist. Allerdings bleibt die Akkordarbeit auch bei neuen Mustern die herrschende Lohnform. Ihre Abschaffung haben die Arbeiter aber niemals gefordert. Aber das, was sie in dieser Hinsicht wünschten, ist ihnen durch Vertrag zugebilligt. Die Verhältnisse sind derart geregelt, daß kein Arbeiter mehr durch zu niedrig angesetzte Akkordpreise eine Einbuße am Lohn erleiden kann. Der Verdienst, den der Arbeiter im Durchschnitt der letzten sechs Monate erzielte, ist ihm unter allen Umständen gesichert. Es ist nicht mehr nötig, daß die Arbeiter erst in jedem einzelnen derartigen Falle durch Werkstattstreiks, deren Ausgang ja immerhin zweifelhaft ist, einen gerechten Lohn erzwingen müssen. Damit ist eine For- derung erfüllt, die der Akkordarbeit die eine Seite ihrer lohn« drückenden Wirkung nimmt. Außer dieser zweifeUosen Errungenschast bringt der Vertrag noch eine andere, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Der Arbeitsnachweis der Tischler-Jnnung, der eingerichtet worden ist als eine Stelle zur Kontrolle und Maßregelungmißliebiger" Arbeiter, muß beseitigt werden, an seine Stelle tritt ein p a r i t ä- t i s ch e r Arbeitsnachweis, der zu gleichen Teilen von Arbeitern und Arbeitgebern verwaltet wird. Auch hier ist den Arbeitern ein Mitbestimmungsrecht gesichert, welches ihnen die Unternehmer bisher hartnäckig vorenthielten. Nach alledem ergibt sich also das Resultat des 15 Wochen währenden Kampfes: Der Holzarbeiter-Verband hat bewiesen, daß er durch den schärfsten Angriff, dessen die Unternehmer der Holz- industrie fähig find, nicht besiegt, ja nicht einmal in seiner Macht und seinem Einfluß geschädigt werden kann. Die Unternehmer mutzten wohl oder übel diefe Tatsache anerkennen und einen Vertrag mit den organisierten Arbeitern abschließen, der an die Stelle der Willkür festumgrenzte, beide Teile verpflichtende Bestimmungen, an die Stelle des Unternehmer-Absolutismus ein sozusagen konstitu- tionelles Verhältnis setzt. Die Arbeiter brauchen nicht mehr durch Streiks, die ihnen Opfer kosten und nicht immer Erfolg haben, in jedem Einzelfalle um ihr Recht kämpfen, es muß ihnen vielmehr werden, ohne daß sie Opfer zu bringen und Kämpfe zu liefern haben. Besonders ist zu beachten, daß ja auch die kapitalkräftigen Groß- Unternehmer, die ja immer noch am ehesten in der Lage sind, den Arbeitern erfolgreichen Widerstand zu leisten, dem Vertrage unter- warfen sind. So ist also jetzt für die Berliner   Holzindustrie ein Vertrags- Verhältnis geschaffen, welches für längere Zeit stabile Lohn- und Arbeitsverhältnisse schafft, an denen die Unternehmer nicht rütteln dürfen, selbst wenn eine ungünstige GeschätfSkonjunktur die Mög- lichkcit böte, die Lage der Arbeiter zu verschlechtern. In den Versammlungen der Arbeiter ist hier und da der Ein- wand erhoben worden: Wer bürgt uns denn dafür, daß die Unter- nehmer den Vertrag ehrlich halten? Mag sein, daß mancher Arbeiter infolge seiner Erfahrungen Grund zum Mißtrauen hat. Den Zweiflern an der Vertragstreue des Gegenkontrahentcn mag gesagt sein: Wenn man auch Grund haben mag, nicht immer auf Treu und Glauben bei den Unternehmern zu bauen, so bürgt doch die Macht der Arbeiterorganisation, ivelche die Unternehmer soeben kennen gelernt haben, unter allen Umständen dafür, daß der Vertrag gehalten wird. Die organisierten Arbeiter werden natürlich nicht auf den Lorbeeren, die sie in diesem Kampfe geerntet haben, aüs- ruhen. Im Gegenteil. Da ihnen das Vertragsverhältnis für die nächsten zwei Jahre Lohnkämpfe erspart, so werden sie die dadurch frei werdenden Kräfte anwenden, um auch den letzten Mann für die Organisation zu gewinnen, dieselbe auszubauen und nach jeder Richtung hin zu stärken. So wird die Organisation der Holzarbeiter eine unwiderstehliche Macht werden und imstande sein, nach Ablauf des gegenwärtigen Vertrages einen neuen Vertrag zu schließen, der ihre Lohn- und Arbeitsverhältnisse noch günstiger gestaltet und Wünsche erfüllt, die heute noch nicht befriedigt werden konnten. Das eine aber darf man nicht vergessen: Selbst die stärkste und bcstgeleitcte Gewerkschaft ist in ihrer Tätigkeit gebunden an den Grenzen, welche die bürgerliche Gesellschaft den Arbeitern gesteckt hat. Eine wahrhaft gerechte Verteilung des Ertrages der Arbeit kann nicht eintreten, so lauge wir in der bürgerlichen Gesellschaft leben. Erst in der sozialistischen   Gesellschaft kann der Arbeiter in den vollen Genuß der Früchte seiner Arbeit kommen. Deshalb ist es Pflicht der Proletarier, die infolge eines geregelten Vertragsverhältnisses ihre Kräfte für die nächste Zeit nicht im Kleinkampf um einige Pfennige Lohnerhöhung zersplittern brauchen, sich umsomehr in den Dienst der großen Sache der Sozialdemokratie zu stellen und um so energischer für die Befreiung des Proletariats aus den Fesseln der Lohnkncchtschaft zu kämpfen. Sericdts-Leitung. Backstubengcheimniffe. Von einem entlassenen Gesellen war der Bäckermeister Winstruck durch eine Strafanzeige beschuldigt worden, sogenanntes Fußmehl zum Verbacken benutzt zu haben. Er sollte Mehl, welches beim Einbringen der Mehlsäcke in den Mchlkeller. beim Umschütten derselben usw. vorbeifiel und manchmal schon tagelang an der Erde gelegen hatte, zusammen- efegt, durchgesiebt und wieder zum Backen verivendet aben, obwohl er wußte, daß der Fußboden uiunöglich rein sein konnte und die Gesellen achtlos darüber hingingen. Gerichtschemiker Dr. Juckenack begutachtete, daß solches Mehl, ganz abgesehen von den allgemeinen Reinlichkeitsrücksichten, für NahrnngSzwecke keine Verwendung finden dürfe, da am Fußboden natürlich Bakterien sich festsetzen, die sich mit dem Mehl vermengen. Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten, der die Thatsachen ohne Erfolg bestritt, zu 300 M. Geldstrafe und verfügte die Publikation in derBäcker-Zeitung". Ei» trauriges Sittenbild wurde gestern in einer Verhandlung vor der 3. Strafkammer des Landsgerichts I aufgerollt. Der 65jährige Schneidermeister Guido H ü b n e r wurde beschuldigt, sich seit längeren Jahren an seinen Nichten, zu deren Vonnund er bestellt war. im Sinne des 8 176, 3 St.-G.-B. vergangen zu haben. Der Angeklagte ist ein vermögender Mann, seit lauger Zeit verheiratet und Vater mehrerer Kinder. Im Familien- und Verwandtenkreise war H. allgemein als Kinderfrcimd bekannt. Er beschäftigte sich vielfach mit Kindern, insbesondere mit denjenigeir von Verwandten seiner Frau. Die jetzt 16jährige Charlotte R. wurde schon im Alter von 9 Jahren von dein Angeklagten mißbraucht. Bis in die neueste Zeit gelang es dem weißhaarigen Greis, sein scheußliches Treiben fortzusetzen. Vor Gericht bestritt der Augeklagte. sich irgendlvie schuldig gemacht zu haben, und behauptete. sich öfters mit den Kindern einen barmlosen Scherz erlaubt zu haben. Der Staats- anlvalt beantragte unter Berücksichtigung, daß es sich um einen sehr gemeingefährlichen Kinderfreund handele, eine Zuchthaus st rafe von drei Jahren. RechtSanlvalt Dr. L v w c n st e i n bat, dem Angeklagten in Anbetracht seiner bisherigen Unbescholten- heit inildernde Umstände zuzllbilligen. Der Gerichtshof hielt dies indessen für nicht angebracht. Wenn ein 65 jähriger erfahrener Mann Kinder in sittlicher Beziehung mit Dingen verseucht, welche jeder Kindessecle unbedingt fern bleiben müssen, so verdiente ein derartiger Kinderfreund die schärffte Bestrafung. Der Gerichtshof erkannte deshalb auf ei» Jahr n c u n M o n a t e Z u ch t h a u S und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von drei Jahren. Ein zweiter ganz gleickiartigcr Fall, wo ein achtjähriger Knabe in die Hände eines Wüstlings siel, gelc. zte in derselben Straf- kammer zur Verhandlung. Der S ch u h m a cb e r m e i st e r Karl H e r in d o r s benutzte deS Oeftern zu kleinen Botengängen einige in demselben Hause wohnhaste Schulknaben. Einer der Knaben teilte seinen Eltern einen Vorgang mit, welcher zur Er­hebung der jetzigen Anklagen führte. Vor Gericht gab der Angeklagte als EntschuldigungSgruiid für seine Handlungsweise seine damalige Angetruuleuheil an. Der Gerichtshof erkannte unter Zubilligung milderuder Umstände auf n e u n Monate G e f ä n g:u s.