1100 Arbeiter hat. Die erste Ursache zu dem Streik ist die Vor- enthaltung der Deputatkohlen gewesen. In dieser Beziehung kann das Verhalten der Zechenverwaltung nicht scharf genug verurteilt werden. Dazu kam dann die angekündigte Verlängerung der Seil- fahrt, die grundsätzlich eine Verlängerung der Schicht und damit der Arbeitszeit um mindestens Vs Stunde bedeutet. Den Nutzen davon, daß die Arbeiter die Schicht früher beginnen müssen, hat der Arbeitgeber. Weitere Ursachen für die Streikbewegung sind in der Slilllegung der Zechen zu suchen. Der frühere Vorsitzende des bergbaulichen Vereins, der verstorbene Abg. Hammacher, hat 1889 gesagt: Wer seine Lage nicht zu verbessern sucht, ist ein Esel. Ich sage: Wenn die Arbeiter sich ihre Arbeitsbediiigunge» durch Schicht- Verlängerungen verschlechtern ließen, dann wären sie Nicscncscl. Jetzt wird gefordert achtstündige Schicht einschließlich Ein- und Ausfahrt. Diese Forderung wurde auch 1839 aufgestellt. In dem Protokoll über die damaligen Verhandlungen ist dann gesagt worden, daß in die Dauer der achtstündigen Normalschicht Ein- und Ausfahrt nicht mit eingerechnet werden sollen, für diese werde je eine halbe Stunde angenommen, jedenfalls solle der Bergmann nicht länger als acht Stunden unter Tage sein. In dem Protokoll war ferner bestimmt, daß Ueberschichten nur auf Grund vorheriger Verständigung stattfinden dürften. Nur im Hinblick auf diese Festsetzung hatte man von der Bildung von Ver- trouensmänner- Ausschüssen abgesehen. Alle diese Bestimmungen werden aber schon längst vom Unternehmertum nicht mehr inne- gehalten: Die Seilfahrt ist fast überall verlängert worden, von einer Verständigung wegen der Ueberschichten ist gar nicht die Rede. Aber das damalige Protokoll trug auch die Unterschrift des Herrn Mathias Stinnes , dessen Sohn jetzt auf Zeche„Bruchstraße" so schroff auftritt. Daß der Kampf unter Kontraktbruch begonnen wurde, beklage ich: aber für meine Person billige ich den Kampf der Bergarbeiter gegen diese Verschlechterungen auf das entschiedenste. Gewiß ist es aufs schärffte zu verurteilen, daß die Belegschaft der anderen Gruben dem Rat der Verbände nicht gefolgt ist und uuter Kontraktbruch in den Streik getreten ist, aber bedenken Sie, welch' starker Zündstoff sich seit 1889 in der Bergarbeiterschaft angehäuft hatte. Ich will hier nicht die politischen Strömungen in meiner Partei aus Anlaß dieses Streiks erörtern, ich will nur gegenüber dem Frhni. v. Zedlitz feststellen, daß nie und nimmer die christliche Bcrgarbcitcrorganisatio» ins sozialdemokratische Fahrwasser hiniibergleite» wird. Möglich, daß ein Versuch dazu vorliegt, wie er sagte. Aber ich versichere Ihnen, daß er niemals gelingen wird. Dazu kenne ich die christlichen Berg- arbeiter viel zu gut. Sie werden ihre Selbständigkeit zu wahren wissen, wenn sie auch von Fall zu Fall mit der Organisation der sozialdemokratischen Bergarbeiter zusammengehen. Sie werden die Kampfgenossenschaft sofort kündigen, wen» die Bewegung das zulässige Maß überschreitet. Nachdem jetzt der Kampf diesen Umfang angenommen hat, wird eil ja überaus schwer sein, ihn beizulegen. Aber ich kann die Forderungen der Bergarbeiter nur durchweg für berechtigt und bei einigem guten Willen auch durchführbar halten. Für die Schicht- Verkürzung ist eine Uebergangsfrist bis 1907 vorgesehen. Ueber die jetzige Arbeitsdaner wird von den Arbeitgebern eine ganz falsche Auffassung aufgebracht und genährt. Mit Recht wird in der jüngsten Nummer der„Sozialen Praxis" ausgeführt, man müsse den Arbeitern recht geben, wenn sie als Arbeitszeit die ganze Schichtdauer auffassen und behaupten, daß die von den Vätern ererbte Achtstundenschicht 9 oder 10 Stunden lang geworden ist. Ich kann mich dem auf Grund meiner langjährigen praktischen Erfahrungen als Bergmann nur anschließen. Infolge der langen Arbeitszeit werden jährlich über 60 Proz. der Arbeiter krank, sie alle durchgehends früh invalide. Das beweist die Statistik der preußischen Knappschaftsvereine. Ihre Resultate wären noch schlechter, zählte man nur die, welche von Jugend auf gelernte Bergleute sind. Schon längst hätte aus sanitären Gründen auf dem Verordnungs- Wege die Arbeitszeit in den Bergwerken verkürzt werden müssen. Es ist geradezu unverständlich, wenn einerseits bei einer Temperatur von 29 Grad Celsius die Schichtzeit auf 0 Stunden herabgesetzt werden mutzte und wurde, auf der anderen Seite 20 Jahre hindurch bei einer Temperatur von 27 bis 28 Grad eine Arbeitszeit von acht bis neun Stunden aufrechterhalten wird.— Was in England möglich ist, muß in Deutschland doch auch durchzuführen sein.— Das Wagen- nullen ist eine umfassende Strafart, die auch an Stelle anderer Strafen gesetzt werden kann. Regelmäßig kommt es zur�Ver- Wendung, wenn nach der Meinung der Aufseher zu viel Steine zwischen den Kohlen sind; es wird zu wenig berücksichtigt, daß die Arbeiter reine Kohle gar nicht fördern können. Dafür sind sie durch die Niedrigkeit des Lohnes und andererseits durch die oft traurigen Familienverhältnisse viel zu sehr zu hastigem Arbeiten gezwungen. Von feiten des„Bergbaulichen Vereins", der Vertretung der Besitzer, wird gesagt, daß Unrechtmäßigkeiten auf feiten der Zechenverwaltungen nicht vorgekommen seien und Belegschaften zum größten Teil in den Ausstand eingetreten seien, ohne zu wissen, was sie ivollten. Ja, ist denn der„Bergbauliche Berein" erst von gestern? Seit seiner Begründung, 1889, sind Hunderte von allgemeinen Bergarbeiter- Bersammlungeu gewesen und der größte Teil der jetzige» Forderungen schon oft vom Vorstande des„Bergbaulichen Vereins" zur Kenntnis genoinmcn.— Gegenüber seinen neuesten Erklärungen kann ich ein Schreiben von: Gewerkverein hier verlesen, das mir gestern über- mittelt wurde; der Schreiber nahm bei der Entstehung des Streikes eine durchaus besonnene und vermittelnde Stellung ein, er eilte von Versammlung zu Versammlung, um die Erregten zu beschwichtigen— kurz— er darf unS als zuverlässiger Zeuge gelten.— Er teilt uns mit. daß am 14. d. M., Sonnabend, eine Belegschaftsversammlung des Werkes„Oberhausen " stattfand, in der eine große Anzahl von— mit Name» genannten— Bergleuten Fälle aus der jüngsten Zeit vorbrachten: In einem Falle mußte trotz einer Temperatur von 38 Grad Celsius die Schicht ausgehalten werden; in einem anderen Falle mußte eine Belegschaft von 12 Mann 26 Schichten in Reparatur arbeite»; bezahlt erhielten sie diese, trotz ihrer Forderung, nicht;— es mußte in einem Be- triebe bek eine», Wasserstand von 2 Fuß gearbeitet werden; für die geförderte» 120 Wagen Wasser wurde nichts gezahlt.— In einem Falle sind die Abortkübel nicht rechtzeitig entleert worden und die Leute mußten ihre Notdurft neben den Kübeln verrichten. Ein Bergmann Schwertfeger hatte vor fünf Monaten dem Betriebs- führer die Uebelstände auf Zeche„Konstantin" brieflich geschildert, die Antwort war seine Entlassung. In einer Versammlung der Belegschaft der Zeche„Mathias Stinnes " wurde am Sonntag mit- geteilt, am 12. Januar sollte auf den Obersteiger Papst geschossen worden sein, es wurde aber festgestellt, daß der Obersteiger den Schuß selbst abgegeben hatte. Ein anderer Bergmann be- klagte sich darüber, daß in der Nähe seiner Arbeitsstelle mehrere Kisten Dynamit gestanden hätten. Wenn schon über eine neuere Zeche wie„Konstairtin" vor fünf Monaten schwere Klagen erhoben sind, denen noch nicht abgeholfen ist. dann läßt sich ermessen, wie es auf älteren Gruben aussieht. Der Handelsnnnister hat im Einverständnis mit dem Minister de? Innern eine Kommission zur schleunigen Untersuchung der Miß- stände nach dem Ruhrrcvier entsandt. Inzwischen ist aber der General- ausstand infolge der unverantwortliche» Ablehnung der Ver- handlmtge» mit der Arbeiterkommission seitens des bergbaulichen Vereins ausgebrochen, die Führer können die Belegschaften nicht mehr zurück- halten. Die Verweigerung der Deputatkohlen war ein Kontraktbruch seitens der Zechenverwaltung, und an der jetzigen Lage haben die kapitalistischen Klassen mitgewirkt, die beständig die Arbeiter herunter- zusetzen suchen. Ich hoffe, daß der Einwirkung der entsandten Kommissare bald eine Vermittelung gelingen möge, damit das Ende des Generalausstandes herbeigeführt wird. Das wünsche ich im Interesse der Industrie, des gesamten Wirtschaftslebens und der vielen Tausende von Arbeitern, deren Existenz hier auf dem Spiele steht. Wenn die Regierung nach der Been- digung des Streiks bündig erklären wird: wir werden mittelst Gesetzes oder Verordnung aus sanitären Gründen die Arbeits- zeit und die Arbeiterausschüsse einführen, wie es in der bayerischen Gesetzgebung seit 1890 schon geschehen ist, wir werden auch den übrigen Wünschen der Arbeiter so weit wie möglich Rechnung tragen und ihre Organisationen anerkennen, dann wird der Friede wieder eintreten. Das Protzige Auftreten der GnlVeiibefitzer stellt eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens dar. Handelsminister Möller: Ich will anerkennen, daß der Vorredner heute gemäßigter gc- sprachen hat, als wir es früher von ihm gehört haben, aber er hat doch die Linie verlassen, deren Einhaltung ich gewünscht hätte, da- mit der Friede bald einkehren kann. Ich habe ihnen gestern mitgeteilt, daß wir vereinbart haben, daß Ober-Berghanptmann v. Velsen ins Ruhrrevier zurückkehren solle. Das ist heute morgen geschehen, und damit sind die Untersuchungen eingeleitet, die von den Vertretern des Bergbaus selbst gewünscht wurden. Der Oberberghauptmann ist weiter verpflickitet, zu hören, inwieweit die Forderungen der Ar- beiter begründet sind, und er hat die Vertreter der Arbeiter zu heute 4 Uhr nach Dortmund eingeladen. Unter diesen Umständen wäre es im höchsten Maße verkehrt, wenn ich hier darauf eingehen wollte, ob eine Forderung der Arbeiter berechtigt oder unberechtigt ist. Ich will nur einige Unrichtigkeiten, die hier ausgeführt wurden, be- richtigen. Wenn der Abg. Brust von einem Kontraktbruch einer Zechenverwaltung spricht, weil sie die Lieferung der Deputatkohlen verweigert habe, so ist klargestellt, daß eine solche Verweigerung nicht stattgefunden hat. Die Zeche„Bruchstraße" hatte im Dezember täglich 30 Wagen zur Verfügung gestellt, und es wurden meist nur 26—28 Wagen beansprucht. Dann hat die Verwaltung den Arbeitern 40 Wagen zur Verfügung gestellt und in den letzten Tagen hat sie sich bereit erklärt, Vi der"Förderung den Arbeitern zur Verfügung zu stellen. Die Arbeiterschaft hatte aber verlangt, daß die Deputatkohlen ftir Januar innerhalb zwei Tagen zur Ver- fügung gestellt werden sollten, und diese Forderung verstieß gegen das Abkommen. Die Lersagung der Forderung kann nian aber nicht als Kontraktbruch bezeichnen. Die zweite Forderung war die Beseitigung der verlängerten EinfahrtSzeit, die ohne Einhaltung der Kündigungsfrist eingeführt war, und das hat allerdings gegen die Arbeitsordnung verstoßen. Nachdem diese Anordnung zurückgenommen worden ist, liegt auch hier seitens der Verwaltung Kontraktbruch nicht vor. Ich habe schon gestern ausgeführt, daß der Ausstand auf Zeche„Bruchstraße" leider explosionsartig erfolgt ist und die Arbeiter leider nicht den Rat- schlag befolgt haben, den die eigenen Arbeiterdelegierten vor dem Oberbergamt angenommen hatten, zunächst das Berggewerbeoericht in Dortmund anzurufen. So ist der Bcrständigungsversuch auf Zeche„Bruchstraße" durch Schuld der Arbeiter gescheitert. Der Ab- geordnete Brust hat weiter behauptet, die Zeche„Luise Tiefbau" sei stillgelegt. Dem Oberbergamt ist seitens der Verwaltung die Ver- sicherung gegeben worden, daß. in den nächsten zwei Jahren die Stillelegung dieser Grube nicht erfolgen werde. Der Abg. Brust hat ferner meine Darstellung bezüglich der Seilfahrt beanstandet. Ich halte daran fest, daß die Seilfahrt nicht zur Arbeits- zeit gehört. So heißt es auch im§ 7 der Norn'tl-ArbeitSordnung, daß die Arbeit unter Tage acht Stunden vom Ende der Seilfahrt bis zum Wiederbeginn derselben beträgt. Ich bemerke, daß für die- jenigen Zechen, bei denen die Temperatur über 29 Grad beträgt, eine sechsstündige statt einer achtstündigen gesetzt ist. Bei„Bruch- straße" beträgt die Seilfahrt bei der Morgenschicht Vi Stunden, bei der Nachmittagsschicht Vz Stunde. Für beide hat die Verlängerung auf Ve Stunde stattgeflmden. Für die Mehrzahl der Bergleute im ganzen Ruhrrevier hat seit Jahren die Seilfahrt von 1 Stunde bestanden, nicht ohne daß die Arbeiter sich nachträglich dagegen verwahrt haben. und insofern ist die Forderung auf„Bcuchstraße" allerdings lediglich ein Ausfluß der prinzipiellen Stellungnahme der Arbeiter. Wenn der Abg. Brust sich auf das Protokoll von 1889 bezieht, als einer Vereinbarung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, so ist das ein Irrtum. Das Protokoll ist nur zwischen den drei sogenannten Kaiser - delegierten und verschiedenen Reichstags-Abgcordncten, die, wie der Abg. Hammacher, im Bergbau sehr erfahren waren, abgeschlossen worden. Die Bergwerksbesitzer haben diese Abmachungen nie akzeptiert. In bezug auf die einzelnen Forderungen, die der Vorredner aufgestellt hat, lege ich mir die größte Zurück- Haltung auf. Er hat der Bergwcrksverwaltung einen Vorwurf zemacht, daß sie nicht längst aus Gesundheitsrücksichten die acht- ständige Arbeitszeit verkürzt hat. Aber ich erwähnte schon die Herabsetzung auf sechs Stunden bei einer Temperatur von 23 Grad. Neuerdings ist die Forderung aufgestellt, diese Grenze bei 27, 26 oder 25 Grad festzusetzen. Das sind aber alles Dinge, die gar nicht ernsthaft diskutiert werden können. Dazu müssen erst die Resultate der Nntersuchungstommisfion abgewartet werde». Ich kann den Berg- arbeitern mit dem Abg. Brust nur den Rat erteilen, zur Arbeit zurückzukehren, bis die Untersuchung stattgefunden hat, und bis eine Belehrung eingetreten ist. Ueber die Löhne wäre wohl eine Ver- ständigung möglich, aber zweifellos kann die Differenz nicht ohne schweren Kampf ausgeglichen werden. Wenn man da die Forderungen der Arbeiter durchführen will, so kann dies wohl nur durch einen schweren Ausstand geschehen wie jetzt. In der Frage des Nullens bestehen falsche Vorstellungen in der öffentlichen Meinung. Die Beträge, die den Arbeitern gekürzt werden, müssen gesetzlich in die Unterstützungskasse fließen. sHört! hört! rechts.) Gegen Verfehlungen sind hier die Behörden stets ein- geschritten. Jedenfalls sind die Redensarten über eine Ausbeutung der Bergarbeiter durch das Nulle» gänzlich falsch. Jedenfalls muß die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf die Reinhaltung der Kohle gerichtet werden, ob nun auf die jetzige Weise oder auf eine andere. Technisch ist natürlich das Wiegen der abgelieferten Kohle möglich, aber es fragt sich ob es wirtschaftlich richtig ist, eine derartige Komplikation und Ver- langsamung eintreten zu lassen. Bon einer schweren Beeinträchtigung der gesamten Belegschaften durch das Nullen kann jedenfalls keine Rede sein, da es nur in geringem Umfange Platz greift. Auf manchen Gruben wird überhaupt nicht genullt, wahrscheinlich, weil dort die Kohlen reiner sind. Immerhin ist das Nullen eine agitatorische Forderung, die seit Jahrzehnten Lärm gemacht hat und über die sich die Arbeiter und Arbeiterführer aufgeregt haben; da könnte es sich fragen, ob man es nicht beseitigen solle. In bezug auf die einzelnen Informationen aus dem Briefe, den Herr Brust mitteilte, erlvidere ich heute nur, daß es ungesetzlich wäre, dauernd bei 38 Grad acht Stunden lang arbeiten zu lassen oder die Abortkübel 14 Tage lang nicht zu leeren, und daß ich mir keinen Nevierbeamten denken kann, der so fahrlässig wäre, das zuzulassen. Im übrigen mag Herr Brust mir den Brief geben; ich werde die Beschwerden durch das Oberbergamt untersuchen lassen. Der Abgeordnete Goldschmidt machte mir am Sonnabend zum Vorwurf. daß die Berggesetz- Novelle noch nicht vorgelegt sei. Die Vorlage war aber von uns längst ausgearbeitet, erst neuerlich haben sich wieder erhebliche Schwierigkeiten herausgestellt, die zu beseitigen noch nicht gelungen ist. Eine Beratung hier wäre bei dem reichen sonstigen Arbeitsstoff in diesem Jahre doch nicht möglich gewesen. Die Arbeiter haben von der Verzögerung keinen Nachteil gehabt, die ihnen zugedachten Vorteile sind ihnen inzwischeu durch königliche Verordnung zuteil geworden. Weiter will ich mich über diese Fragen nicht aussprechen, ich wünsche unparteiisch zu bleiben. Ich hoffe, daß es gelingen wird. mehr als eine Million Arbeiter der verschiedenen Industrien vor dem Unheil zu retten und vor Kohlenmangel zu schützen.(Bravo !) Minister des Innern Frhr. v. Hammerstcin: Nachdem durch den gestrigen Beschluß der Arbeiterorganisationen der Generalstreik, wenn auch in beschränktem Umfange, beschlossen worden ist, so halte ich mich für verpflichtet, dem Abgeordneten- Hause Rechenschaft über die Maßregeln zu gebe», die zur Ausrecht- crhaltung der Ruhe und Ordnung in diesem Gebiete meinerseits und seitens der Behörden getroffen werden. Zunächst hoffen wir mit den gewöhnlichen Kräften, mit der«rdinären Polizei auszu- langen.(Bravo I_ Heiterkeit.) Die Polizei wird nur, soweit nötig, durch Zusammenzichung aus anderen Gegenden verstärkt werden. (Große Heiterkeit.) Wir hoffe» nicht benötigt zu sein, die bewaffnete Macht zu Hülfe zu nehmen, und hoffen, daß die Polizeimannschaftcn bemüht sein werden, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Zu dem Zwecke sind auS den benachbarten Provinzen zahlreiche Gendarmen den telreffende« Orten zur Verfügung gestellt. Die Instruktion, die gegeben ist, geht dahin, zunächst einer Störung der öffentlichen Ordnung mit Energie zu begegnen, und zweitens, und das ist nach meiner Meinung besonders wichtig, den Arbeitswilligen den nötigen Schutz zu geben.(Beifall rechts und bei den National- liberalen.) Ich habe die Hoffnung, daß die gestrige Proklamation nicht allgemeinen Beifall unter den Arbeitern findet, daß es wirklich zu einem Generalstreik kommt, sondern daß zahlreiche Arbeiter gewillt und bereit sind, weiter zu arbeiten. Diese zu schützen vor ihren eigenen Kameraden, ist Aufgabe der Polizei.(Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.) Abg. Hirsch-Essen(natl.): Bei dieser Gelegenheit hat sich gezeigt, daß die Arbeiterorgani- sationen dann, wenn es darauf ankommt, keine Macht haben, daß sie nicht imstande sind, ihre Beschlüsse durchzusetzen und der Arbeiterschaft entgcgenzulreten. Die Grundursache des jetzigen Streiks ist die verbrecherische Verhetzung, die seit Jahren unter den Arbeitern be- trieben wird. Diese Hetzer sind schuldig, auch wenn sie sich beim Ausbruch des Streikes jetzt bemüht haben, zu„bremsen". Die Hetze ging seit Jahren darauf aus, einen General- streik zu inszenieren, die Masse dazu in ihre Hand zu bekommen. Was wurde den Leuten nicht alles vorgeredet. Wie schlecht sie behandelt, wie sie ausgepreßt, ausgebeutet würden, wie menschenunwürdig ihre Lage seil Die Stimmung für die Aktion ist nun da, eher als die Herren Führer, die Hetzer, es erwartet haben. Darum wollen sie jetzt löschen. Das spricht wieder für die Richtigkeit der Anschauung, daß die Leute gar keinen Grund hatten. Nur, um die lokalen Streitigkeiten in„Bruchstratze" in eine all- gemeine Bewegung überzuleiten, wurden da die alten, allgemeinen Forderungen hervorgesucht. Ich mutz der Ansicht des Abg. Herold entgegentreten, wenn er meint, daß die Annahme der Resolution von 1392, die auf eine Untersuchung über die Notwendigkeit einer verkürzten Arbeitszeit abzielte, den Unruhen vorgebeugt hätte. Alles das nützt nichts gegenüber dem System der verbrecherischen, gewissen- losen Hetze. Das sogenannte„Bremsen" der sozialdemokratische» Blätter besteht darin, daß auf der einen Seite zur Ruhe gemahnt wird, während es auf der nächsten heißt:„Genug des Elends! Genug der Qual!"— Nun zu den Klagen! Die Gesundheitsverhältnisse, das erweist die amtliche Statistik, sind in den Bergarbeitertreiscn von Jahr zu Jahr günstiger geworden! Eine Einführung der Ar- beitszeit von 8 Stunden einschließlich Seilfahrt würde eine Einschränkung der Förderung um 10 bis 13 Proz., also eine große Schädigung der ganzen Industrie bedeuten. Daß die Beschränkung der Strafen auf das„Nullen" eine Einseitigkeit bedeutet, ist schon im Vorjahr von Herrn Geheimrat Meißner anerkannt worden. Als man den Versuch machte, das Revidieren der Wagen von 3 Hauern, statt von Kontrolleuren der Verwaltung, vornehmen zu lassen, mußte man schleunigst Abstand nehmen, weil jetzt noch einmal so viel Wagen genullt wurden als von den Kontrolleuren.-— Nach der Statistik von 1903 hatten wir in der Lohnklasse von über 5 M. 94 000 Ar- beiter; auch die übrigen Ziffern zeigen, daß die Klagen über schlechte Löhne durchaus unberechtigt sind. Daß in England bessere Verhält. nässe herrschten, ist im großen und ganzen zu bestreiten. Ich be- daure, daß der Minister nicht aus den Kontraktbruch der Arbeiten eingegangen ist. Die Ausführungen des A>z. Brust über die Ver- sagung von Deputatkohlen sind absolut unangebracht gewesen. Ich muß diese, wie auch die Angriffe auf die Grubenbesitzer, indem er von protzigem Auftreten derselben sprach, entschieden zurückweisen. Ich hoffe, daß es der von der Regierung entsandten Kommission gelingen wird, ohne Voreingenommenheit festzustellen, daß in Wirk- lichkeit die Grundlage des Streiks die hetzerische Agitation ist, die über viele Taufende von Arbeiterfamilien so viel Leid bringt und schwere Schädigungen für unser gesamtes Wirtschaftsleben im Gc- folge hat. Handelsministsr Möller: Dem Vorredner gegenüber bemerke ich, daß ich den Kontrakt- brück, in höchstem Maße mißbillige. Ich bedaure, baß in der deutsche» Arbeiterschaft so wenig Gefühl für Gesetzlichkeit herrscht, daß sich die Arbeiter zum Kontraktbruch verleiten lassen. Auch 1889 hat der Kontraktbruch die Gemüter aufs höchste erregt. Im Jahre 1890 haben bei der Beratung des Arbcitcrschutz-Gesetzes die Vertreter der Sozialdemokratie, insbesondere der Abg. Bebel, sich die größte Mühe gegeben, die Kündigungsfrist in der Gewerbeordnung zu streichen, damit die Arbeiter nicht in die Zwangslage kämen, den Kontrakt zu brechen. Ich bin damals als Abgeordneter in der schärfsten Weise gegen den Antrag Bebel aufgetreten und habe darauf hingewiesen, daß die Kündigungsfrist für die Arbeiter einen viel höheren Wert habe als für den Arbeitgeber, und daß das Verhältnis zwischen Ar- beitgeber und Arbeiter sich verschärfen müsse, wenn die Kündigungs» frijt beseitigt werde. Ich bedaure, daß die Arbeiterschaft selbst sich durch ihr Verhalten von neuem einen Angriffspunkt gegen dieses Schutzmittel bereitet hat. Aus einer Reihe von Telegrammen von heute morgen darf ich gleich zur allgemeinen Kenntnis bringen, daß erfreulicherweise die Order, in den allgemeinen Streik einzutreten, nicht beachtet ist. (Hört! hörtl) In einzelnen Bezirken ist die Arbeiterschaft bis zur Hälfte eingefahren, und auf einzelnen großen Zechen ist die Mann- schaft vollzählig eingefahren. Hoffen wir. daß die Zeit zu Verhand- lungen noch nicht zu spät ist.(Beifall.) Abg. Goldschmidt(frs. Vp.): Ich bedaure die Aeußerungen des Ministers v. Hammerstcin darüber, was geschehen solle, wenn die ordinäre Polizeigewalt nicht ausreiche. Ich möchte dem Minister sagen: wenn die Polizei sich nicht ordinär beträgt, so wird schon alles gut werden. Die Arbestecschafc wird selbst für Ordnung sorgen, und wenn die Polizei sich im Rahmen des Gesetzes hält, so wird trotz der großen Aufregung in dem Streik alles sich so abwickeln, daß die Anordnungen des Ministers überflüssig sein werden. Ich weiß nicht, ob in der von Herrn Hirsch angeführten Statistik auch die Beamtengehälter einbezogen sind. (Abg. Hirsch: Nein!) Ich habe früher öfters das Gegenteil gehört. Wenn der Minister Möller meinte, nur auf 3 Proz. der Förderung beziehe sich das Wagennullen, so trifft doch auf den einzelnen Ar- beiter ein höherer Prozentsatz. Mein lebhaftes Bedauern muß ich darüber aussprechen, daß Abg. Hirsch von hetzerischer Agitation ge- sprachen hat. Wir müssen uns bemühen, den Frieden aufrechtzuer- halten, dazu aber tragen die Ausführungen des Abg. Hirsch nicht bei, sie verschärfen nur die Gegensätze. Die Mitteilungen des Handrlsministers begrüßen wir mit Dank.(Beifall links.) Abg. Winckler(kons.): Ich muß bezüglich des Kohlenstreiks dem Handclsminister beitreten, wenn er, wie der Ministerpräsident, eine reservierte Stellung einnimmt und jetzt noch kein Urteil über die Schuld der Parteien wünscht, wo er eine unparteiische Untersuchung angezeigt hat. Nach ihrem Abschluß werden wir aber auch fragen müssen, ob die Organe der Regierung nicht doch hätten früher eingreifen können, als das Unheil noch zu verhindern war. Den Worten des Ministers des Innern kann ich nur aus voller Ueberzeugung beistimmen. Beim Schutze der Arbeitswilligen ist die Autorität der Staatsregierung und die Autorität des Staates engagiert.(Sehr gut! rechts.) Erst vor Wenigen Minuten haben wir durch Telegramme die bedauerliche Nachricht erhalten, daß man auch diesmal wieder versucht hat, Arbeitswillige mit Gewalt an der Arbeit zu verhindern.(Hört! hörtl rechts.) Eins dürfen wir schon jetzt als feststehende Erkenntnis aus dem Streik gewinnen: die sozialdemokratische Agitation hat dort an der Ruhr wie überall vorbereitend für den Streik gewirkt, so daß es in der Tat nur noch eines Funkens bedurfte. Schon jetzt wissen wir, daß es kein Gewicht hat, wenn die Führer der Sozial- dcmokratie jetzt, nachdem es so weit gekommen ist, anscheinend und äußerlich die Friedensschalmei blasen. Wir haben es schon so oft ausgeführt, wenn wir an Unruhen anderer Art, die kommen könnten, erinnerten: daß das Unglück nachher nicht die Führer trifft, daß die sich stets zu salvieren wissen. Gegenüber den Organisationen ist die Stellung der Unter» nehmer sehr schwierig geworden. Um so bedauerlicher und schlaffer ist die Haltung der sogenannten unparteiischen Blätter, die bei jedem Lohnkainpfe ohne weiteres auf die Seite der Arbeiter treten. Denken Sie nur an Erimmitschaul(Unruhe links.) Freilich die Zusammen- ballung der Syndikate und Kartelle hat vielleicht auch in bezug aaf
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