•nhm Ohorn zur SuMhrung vorverettet. Der Autor, der früher selbst dem geistlichen Stande angehört hat, wirkt zurzeit als Pro- fesior an der Gewerbe- Akademie in Chemnitz . Inzwischen wird „Faust" I. Teil neu einstudiert und im Laufe der nächsten Woche in das Repertoir aufgenommen.— Im Schiller-Theater (Friedrich Wilhelmstädtisches Theater) wird heute, Mttwoch(statt der bereits angekündigten Vorstellung von„Tyrannei der Tränen") das Schauspiel„Mutter Erde" von Max Halbe gegeben. Die 286. Veranstaltung des Vereins für Volksunterhaltungen findet am Sonntag, nachmittags 3 Uhr, im Schiller-Theater dl. statt. Zur Aufführung gelangt:„Die Haubenlerche", Schauspiel in vier Akten von Ernst v. Wildenbruch.—„Mutter Thiele," von Adolf L'Arronge , gelangt Donnerstag, den 26. d. M., in einer Vorstellung zum Besten des„Deutschen Künstlerheims" in der kompletten Besetzung des königlichen Schauspielhauses mit Anna Schramm , Berta Hautzner, Anna v. Hocheuburger, Wollmer, Molenar, Böttcher usw. im Luisen-Theater zur Darstellung. /Ins den Nachbarorten. Rixdorf. Lei der Stadwerordneten- Ersatzwahl der zweiten Abteilung unterlag gestern unser Genosse R a m b o w mit 121 Stimmen seinem bürgerlichen Gegner, welcher 213 Stimmen auf sich vereinigte. Schöneberg . Der klagende Oberbürgermeister. Wie wir bereits gestern mitteilten, ist gegen unseren Genosten Stadtv. Hoff mann sowohl wie gegen den bürgerlichen Stadt- verordneten Lohausen vom Schöneberger Oberbürgermeister Wilde Strafantrag wegen Beleidigung gestellt worden. Es ist dies ein Vorgehen, wie es wohl einzig dastehen dürste. Stadtverordnete, die im Interesse der städtischen Bevölkerung ihre Tätigkeit unier großen Opfern an Zeit und Geld ausüben, werden vor den Kadi geschleppt, weil das Stadtoberhaupt in ihren Aeußerungen eine per- sönliche Beleidigung erblickt. Der Vorgang, aus dem die Klage hergeleitet wird, spielte sich, wie man uns schreibt, in der Sitzung vom 9. Januar ungefähr folgendermaßen ab. Der Oberbürgermeister hatte in seinen Aus- fllhrungen bezüglich der Schularzt-Affäre es stir nötig befunden, dem Schularzt Dr. Goldfeld unlautere Motive zu unterschieben und hatte dabei auch auf ein Gerücht Bezug genommen, wonach Dr. G- sich einer ehrenrührigen Aeußerung bedient haben soll. Genosse Hoffmann wollte u. a. mm nachweisen, wie wenig Wert auf derartige Zuträgereien zu legen ist und illusttierte dies an einem Gerüchte, das ihm seinerzeit zu Ohren gekommen sei, wonach der Oberbürgermeister sich von der englischen Gasanstalt den Mund durch ein paar blaue Lappen habe stopfen lassen. Durch einen Ordnungsruf wurde unser Genosse am Weiterreden verhindert. Er selbst glaubt natürlich nicht im entferntesten an die Wahrheit eines derartigen Gerüchtes. Der Stadtv. Lohausen führte aus, daß die Städte-Ordnung geeignet sei, die Bürgermeister mehr oder weniger zu Tyrannen heranzubilden, und glaubte konstatteren zu können, daß dies bei unserem Bürgermeister in ganz besonderem Maße zutreffe. Er wies ferner darauf hin, daß sich verschiedene unbesoldete Magistrats- Mitglieder Informationen vom Oberbürgermeister holten, wie sie abzustimmen hätten. Ob es für unseren Genossen Hoffmann taktisch richtig war, in den Fehler des Oberbürgermeisters zu verfallen, möge dahin- gestellt bleiben. Auf keinen Fall halten wir aber eine Verurteilung desselben für möglich. Daß der Oberbürgermeister durch Be- schreitung des Klageweges an Ansehen gewinnen wird, ist aus- geschloffen. Wir werden also getrost den Prozeß abwarten. Recht bezeichnend für die Objektivität verschiedener bürgerlicher Stadtverordneter ist noch folgende Tatsache: Als der Bürgermeister Gerhardt mitteilte, daß gegen unseren Genossen H o f f m a n n Strafanttag gestellt sei, ertönten auf verschiedenen Seiten Bei- fallsäußerunge'n, als er dann aber weiter mitteilte, daß in derselben Weise gegen den bürgerlichen Stadtverordneten Lohausen vorgegangen werde, verstummten mit einem Male diese Zustimmungs« rufe. Wir sehen daraus, daß diesen Herren uns gegenüber jedes Mittel recht ist; wird aber gegen ihre eigenen Klassengenossen vor- gegangen, dann nehmen sie erne ganz andere Stellung ein. Groß-Lichterfelde . Die Gemeindevertretung von Groß-Lichterfelde hatte sich in ihrer jüngsten Sitzung u. a. auch mit der Aufftellung eines Bebauungs- planes für das Gelände zwischen der PotSdam-Magdeburger Bahn und der Potsdamer Chaussee einerseits und von der Steglitzer Grenze bis zur Dahlemersttaße andererseits zu befaffen. Der ganze Komplex gehört der Terraingesellschaft am neuen botanischen Garten. Nach dem Entwurf sind zwei Parallelstraßen entlang der Potsdamer Chaussee und diverse Querstraßen vorgesehen. Die Breite soll 13 Meter, 16 und 12 Meter betragen. Für drei öffentliche Plätze sind der Gemeinde zirka 358 Quadrat- ruten, zu Gemeindezwecken ein zusammenhängendes Gnmdstück von 400 Ouadratruten abzutreten. Für notwendig werdende Brücken- erweiterungen und Brückenbauten im Zuge der Roonstraße hat die Gesellschaft an die Gemeinde 100 000 M. zu zahlen. Ferner sind 767 000 M. als Kaution für die der Gemeinde gegenüber über« nommencn Verpflichtungen zu deponieren.— Die Errichtung von Ouergebäuden und Seitengebäuden ist verboten; dagegen dürfen Seitenflügel ohne selbständige Wohnungen in unmittelbarem An- schluß an die Vordergebäude errichtet werden.— Das Riesclgut Werken ergab für das Rechnungsjahr 1903/4 ein Defizit von 4597 M.— Dem Teltowkanal-Fonds wurde die Umsatz- steuer stir verkaufte Grundstücke am Kanal im Betrage von 3226 M. zugewiesen.— Die Beratung über die Errichtung der Kaufmanns- g e r i ch t e nahm wenig oder besser gesagt, fast gar keine Zeit in Anspruch. Einrichtungen, die der arbeitenden Klasse zugute kommen, werden in Groß-Lichterfelde nicht als dringend angesehen und dem- gemäß behandelt. Aus den einleitenden Worten des Gemeinde- Vorstehers war zu entnehmen, daß für Groß-Lichterfelde etwa 60 Gehilfen und Lehrlinge in Betracht kämen, man also an sich von der Notwendigkeit eines Kaufmannsgerichtes nicht sprechen könne. Aber der gesetzlichen Borschrift müsse entsprochen werden. Der Statuten- Entwurf, der nicht zur Beratung kam, wurde einer Kommission von vier Mitgliedern überwiesen. Sie loird aus den G.-B. Pranse, Ransert, Racke und dem Vorsitzenden des Gewerbeaerichts, Scheff, bestehen.— Außerhalb der Tages- ordnung fand»in dringlicher Anttag, eine Kommission, die sich mit der Frage der Erweiterung des Rathauses zu befassen habe, zu wählen, einstimmig Annahme. Schmargendorf . Aus Mangel an Beweisen. In den Jahren 1902 und 1903 hat die Erwerbung des sog. Friedhofgrundstücks in Schmargendorf wegen der sonderbaren Manipulationen beim Kauf viel Staub aufgewirbelt. Im Juli und am 14. Oktober 1902 war der Ankauf des Grund- stücks MiSdroyerstraße 8 von der Gemeindevertretung abgelehnt worden, weil der geforderte Preis von 280 M. für die Ouadrattute zu hoch erschien. Schon am 23. Oktober aber� beschloß die Ver- tretung auf eine erneute Borlage des Amtsvorstehers den Erwerb und zwar zu 350 Vi. pro Rute I Nicht genug damit I Einen Tag nach der Sitzung kaufte ein Bekannter des Schmargcndorfer Amtsvorstehers, ein Herr Bruck-Südende, das fragliche Grund- stück für 14 000 M.<318 M. pro Rute) und gab es einige Tage danach an die Gemeinde für 15 625 M. ab. Es kam hinzu, daß sich der Amtsvorsteher bei der von ihm selbst verfaßten Ausgabe- Auweisung stir Herrn Bruck um 204 M. zum Schaden der Gemeinde irrte. Weiter wurde die peinliche Angelegenheit dadurch ver- schärft, daß„versehentlich" eine Umsatzsteuer von Herrn Bruck nicht erhoben worden und hierdurch der Gemeindesäckel obendrein noch geschädigt war. Diese Skandalaffäre erregte die Oeffentlichkeit in ausgedehntestem Maße. Von Gemeinde wegen beschäftigte sich eine Untersuchungskommisfion mit der Sache. Beschwerden gingen an die vorgesetzten Behörden. Schließlich übergab man die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft. Jetzt gelangt ein gericht- liches Schreiben an die Oeffentlichkeit, wonach der Amts- Vorsteher H o h m a nn„wegen mangelnder Beweise außer Verfolgung gesetzt" worden ist. Aus der Schmargendorfer Gemeindeverttetting. Der kleine inmitten des Dorfes liegende Friedhof soll bedeutend erweitert werden. Zu diesem Zwecke hat man bereits das an den alten Kirchhof anstoßende, von den Häuserreihen der Misdroyer-, Warnemünder - und Breitestraße umsäumte ehemals Balz'sche Terrain erworben. Für die gärtnerische Ausgestaltung wurden 3896,50 M. ausgeworfen. Vorgesehen sind Reihengräber, Wahlstellen und Erbbegräbnisse; der Dreiklassen- Charakter ist also gewahrt. Die Bewässerungsanlagen, Wasser- spülung einschließlich Hydranten, übertrug man dem Ge- meinde- Verordneten Schitting als Mindestfordernden.— Hinsichtlich der Kaiser- G eburtstagS-Feier im Rathause beschloß die Gemeindevertretung, von einer brieflichen Einladung Abstand zu nehmen und eine Eintragungsliste öffentlich auszulegen, trotzdem man die Befürchtung hegte, daß nicht genügend Zeichnungen erfolgen und Schmargendorf sich so blamieren könnte. Um dem vorzubeugen, werden bei unzureichender Meldung doch noch briefliche Einladungsschreiben ergehen. Im sozialdemokrattschen Schmargendorf scheint man die monarchischen Gefühle selbst der konservativsten Elemente nicht allzu hoch einzuschätzen. Gemcindewählerlisten. Für die Einwohner von Schmargendorf liegen die Gemeindewählerlisten im Rathause während der Dienst- stunden und außerdem jeden Donnerstag von 5—8 Uhr abends im Zimmer 5 aus. Spandau . Die Stadtverordneten-Bersammlung zu Spandau hatte sich in ihrer letzten Sitzung u. a. auch mit einem Antrage unserer Genossen zu beschäftigen, welcher die Hergäbe einer geeigneten Räumlichkeit für die Sitzungen der sozialdemokratischen Fraktion verlangte. Der Antrag, der vom Genossen Scholz begründet wurde, fand bei den Bürgerlichen sehr geteilte Aufnahme. Das alte Steckenpferd wurde wieder geritten, daß nämlich die Städte-Ordnung keine„Fraktionen", sondern nur einzelne Stadwerordneie kenne. Genoffe Rieger erwiderte, daß in jedem Fall die Bildung von Fraktionen ein Zeichen des Fortschritts sei. Der Antrag wurde schließlich einer gemischten Kommission zur Weiterberatung überwiesen. Hierauf trat die Versammlung in die Etatsberatung ein. Beim Schulkassen-Etat, der mit 702 489.68 M. abschließt, und seitens der S t a d t- Hauptkasse einen Zuschuß von 460 550,28, seitens der Regierung aber nur eine Beihilfe von ganzen 42 350 M. erhält, gelang es unseren Genossen endlich eine alte Forderung, die A» st e l l u n g von Schulärzten betreffend, durchzusetzen. Genosse Pieper beantragte nämlich, des ewigen Herumziehens der Sache müde, kurz und bündig, 3500 M. in den Etat für die Anstellung von Schulärzten einzustellen. Dieser Antrag wurde von dem bürgerlichen Stadtv. Dr. Engelhardt em- pfohfen und zu allgemeiner Ueberraschung mit beträchtlicher Majorität angenommen. Allerdings hat der Magistrat hier auch noch ein Wort mitzureden. Der Schuletat selbst wurde mit dieser Abänderung angenommen und hierauf die Etats des Schlachthofs, der Elektrizitäts- anstatt, des Kanalisations- und des Wasserwerks, des Krankenhauses, der Annen- und der Banverwaltung und der Begräbnisplätze nach der Vorlage unverändert gleichfalls festgestellt. Um den StadtrntSposten in Spandau , der in Kürze neu besetzt werden soll, haben sich insgesamt 21 Herren beworben; auf Vorschlag der Spezialkommission sind von der«tadiverordneten-Versammlung folgende fünf Herren zur engeren Wahl gestellt: Zweiter Bürger- meister Fischer in Luckenwalde , Assessor L a n t s ch in Branden- bürg, Assessor Regenbrecht in Gncsen, Assessor W ü b k e n- Königsberg und Assessor Reichardt zurzeit juristischer Hilfsarbeiter beim hiesigen Magistrat._ Ein neuer Kanalisations-Zweckverband ist auf Anregung deS Landrats v. Stubenrauch in den westlichen Vororten im Entstehen begriffen. ES handelt sich um einen dauernden Anschluß an die Wilmersdorfer Kanalisatton stir diejenigen Gemeinden, deren Gebiet das Wilmersdorser Lbwässerdruckrohr berührt. In Betracht kommen für den Zweckverband außer Wilmersdorf , Schmargendorf , Zehlen- darf, Stahnsdorf , Grunewald und Teltow . Gericbts-Leitung. Die Kunst, ehrenhafte Arveiter unter Benutzung des Erpressungs- Paragraphen ins Gefängnis zu bringen, ist gestern von Berliner Richtern in mehreren Fällen geübt worden. Im ersten Falle, der vor der zehnten Straf- kammer verhandelt wurde, waren die Dachdecker August Rosen- bäum, Karl Schmidt und Karl Friede! angeklagt. Diese waren bei dem Bau des Rudolf Virchow -Krankenhauses beschäftigt, wo auch der Bautechniker Steinweg Arbeit angenommen hatte. Letzterer war den, Verbände der Dachdecker allerdings beigetreten, hatte aber seine Beiträge schon mehrere Wochen nicht bezahlt und wollte seine Pflichten dem Verbände gegenüber nicht weiter erfüllen. Er behauptete. von den Angeklagten deshalb arg belästigt worden zu sein; diese hätten auch ver- sucht, durch Drohung ihn zu zwingen, dem Verbände bei- zutreten. Er beschuldigte insbesondere den ersten Angeklagten, ihm die Drohung zugerufen zu haben:„Wenn Du Dein Verbandsbuch nicht in Ordnung hast, dann werden wir Dich bei den Schweins- ohren kriegen,, wir werden Dich erziehen, hier geht es anders zu als bei Dir zu Hause!" Ferner soll ihm einer der Angeklagten bei Gelegenheit aus Schabernack ein Bein gestellt haben und außerdem sollen die Worte gefallen sein:„Wenn Du Dich nicht fügst, wie wir wollen, dann wollen wir mal sehen, was dem Meister lieber ist: ob er einen Mann behält, oder ob zwanzig gehen!"— Die Angeklagten bestritten die Richtigkeit dieser Darstellung ganz entschieden und behaupteten, daß die Aeußerungen gar nicht in diesen, Wortlaute und in dem behaupteten Zusammenhange gefallen seien. Der Zeuge blieb aber dabei, daß er die Auffaffung erhalten habe, daß er durch Drohung gezwungen werden sollte, dem Verbände beizutreten. Der Staatsanwalt beantragte gegen Rosenbaum zwei Monate, gegen Schmidt 1 Monat Gefängnis und gegen Friede! Freisprechung.— Rechtsanwalt Dr. Liebknecht plädierte für die Freisprechung der sämtlichen Angeklagten. Zunächst könne gar keine Rede davon sein, daß der Zeuge gezwungen werden sollte, dem Verbände beizutreten, denn er se, ja schon Mitglied gewesen und seine Mitgliedschaft sei nach dem Statut trotz der rückständigen Beiträge noch nicht erloschen gewesen. In tatsächlicher Beziehung seien die Angaben des Zeugen doch viel zu verschwommen, um zur Verurteilung zu führen. In juristischer Beziehung sei es eine uner- trägliche, absolut falsche Auffassung des Reichsgerichts, wenn es in einem Erkenntnis behauptet habe, daß in einem solchen Falle die Vorteile, die jemand durch seinen Beitritt dem Verbände zuführt, größer seien, als die ungewissen und nicht unmittelbaren Vorteile, die der Verband ihm gewähre. Das sei, wie der Verteidiger unter Hinweis auf die vielen rdealen Vorteile, die der Verband biete, darzulegen suchte, durchaus unzutteffend.— Der Gerichtshof verurteilte Rosenbaum zu einem Monat Gefängnis und sprach die beiden anderen frei.— Der zweite Fall lag ähnlich. Die dritte Strafkammer hatte seinerzeit die Töpfer Paul Kitzle, Aug. S o k o l o w s k i. Emil M u s o l t und WilH. Griebe— sämtlich Männer im vorgerückten Lebensalter— für überführt erachtet, den Versuch gemacht zu haben, den Töpfer Adameit durch Drohung zum Beitritt zum Zentralverband der Töpfer und Berufsgcrossen zu nöttgen. Wegen versuchter Er- Pressung war der Angekl. Kitzle zu zwei Monaten, die Angekl.sSokolowski, Musolt und Griebe zu je einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Das Reichsgericht hatte das Urteil aufgehoben, weil die Verurteilung nur wegen versuchter Erpressung und nicht auch wegen Vergehens gegen Z 153 der Gewerbe-Ordnung erfolgt war. Nach der Be- kundung deS Zeugen«damit in der erneuten Verhandlung sollen die Angeklagten ihn zwangsweise dem Verbände haben zuführen wollen. Auf seine Antwort, daß er kein Geld dazu habe, habe ihm der erste Angeklagte vorschußweise das Geld gegeben, er sei damit auch zur Verbandskasse gegangen. Als man ihn dort geftagt, ob er auch aus freiem Antriebe beitrete, habe er verneinend geantwortet und gesagt: er füge sich nur dem Zwange. Daraufhin sei er nicht auf- genommen worden und die Folge sei gewesen, daß er seine Arbeits« stelle verlor, da die übrigen mit ihm nicht zusammen arbeiten wollten. Auch in diesem Fall bestritten die Angeklagten die Richtigkeit der Beschuldigung und Rechtsanwalt Dr. Liebknecht machte abermals juristische Bedenken geltend. Der G.' �hof war aber auch hier der Ueberzeugung, daß die Angel. n dem Zentralverband einen Vermögensvorteil ver- schaffen wo-uen, da die Erlangung deS baren Eintrittsgeldes für den Verband mehr wert sei als die ungewiffen Verpflichtungen des letzteren gegen die Mitglieder. Der Gerichtshof erkannte wegen ver- suchter Erpressung und Vergehens gegen die Gewerbe-Ordnung ebenso wie das erste Mal. In einem dritten Falle stand der Schlosser Otto Jüttner wegen versuchter Nötigung vor der dritten Strafkammer. In der Metallgießerei von Asch Nächst, in der Huttenstraße war im Ottober Streik ausgebrochen. Am 10. Oktober morgens 7 Uhr stand der Angeklagte vor der Fabrik Streikposten und soll zwei Arbeitsburschen, die dort Arbeit annehmen wollten, gedroht haben,„daß sie die Jacke vollbekommen würden, wenn sie dort arbeiteten, denn eS sei Streik"! Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten zu drei Wochen Gefängnis._ Walserfahrt mit Musik und g 10 deS preußischen BereinsgesetzeS. Hallesche Studenten, die eine Wasserfahrt mit Musik unternahmen. hatten die Polizei nicht um eine Erlaubnis dazu ersucht. Der Ver» anstalter. der Vorsitzende des Vereins„Thuringia ", sollte dadurch den§ 10 des Vereinsgesetzes übertreten haben, wonach man einer Erlaubnis bedarf zur Veranstaltung von öffentlichen Aufzügen „innerhalb der Städte und Ortschaften oder aus ö f f e n t l i ch e u S t ra ß e n". Er wurde jedoch in zweiter Instanz freigesprochen. Das K a m m e r g e r i ch t als Revisionsinstanz hob indeffen dies Urteil wieder auf und verwies die Sache an die Vor- mstanz zurück. Begründend wurde ausgeführt: Als eine Straße im Sinne des§ 10 könne ein Wafferlauf allerdings nicht angesehen werden. Also könnte nur in Frage kommen, ob der Aufzug— ein solcher liege zweifellos vor—„innerhalb der Stadt" vor sich ge- gangen sei. Das Landgericht verneine dies, weil der fragliche Teil der Saale nicht von Häusern und Straßen, sondern meist von Gärten, Wiesen und Wald begrenzt sei. Diese Auffaffung sei aber falsch, denn es fei lediglich entscheidend, ob der Saaleteil, um den es sich handele, im Gebiete derStadt liege, wie es die Staats. anwaltschaft angebe. Liege er wirklich im Stadtgebiet, dann handele es sich um einen öffentlichen Aufzug im Sinne des§ 10 des Vereins- gesetzes. Darum habe das Landgericht noch einmal Stellung zu nehmen._ Vermifcktes. Professor AbbeS Leichenbegängnis. In Jena wurde am Dienstag die Traucrfeier für Pro- sessor Abbe abgehalten. Der große Saal des VolkshauseS lvar, wie uns ein Privattelegramm aus Jena meldet. wirkungsvoll dekoriert. Es sprachen Dr. C z a p s k i und Regieruugsrat Bollert im 5!anlen der Zeiß-Sttftung, Pro- rektor W a g e m a n n für die Universität, der Vorsitzende des Arbeiterausschusses, Leber, für die Arbeiterschaft. Weiter hielten Gedächtnisreden Professor Ernst Häckel als Natur- forscher und als Studienfreund des Verblichenen, Ober- Bürgermeister Singer im Nainen der Stadt Jena . Zahl- los waren die Kranzspenden, die am Sarge niedergelegt wurden: unter anderen hatten der Großherzog von Sachsen- Weimar , die Grotzherzöge von Sachsen-Meiningen , Sachsen- Altenburg und Sachsen-Koburg-Gotha Kränze gefristet; neben diesen Widmungen lagen solche von wissenschaftlichen, ge- meinnützigen ic. Vereinen, unter denen auch eine herrliche Blumenspende des deutschen Metallarbeiter-Ver« b a n d e s bemerkt wurde. Viele Tausende schlössen sich nach Beendigung der Feier dem Trauerzuge nach dem Friedhofe an, wo die Leiche eingeäschert wurde. Bahnhofsbrand in Schwerin . Das Dachstockwerk des Nordflügels vom Bahnhofsgebäude in Schwerin stand gestern früh in Flammen. Die dort liegenden Stuben brannten völlig aus. Der Feuerwehr gelang es, die unteren Stockwerke vor dem Feuer zu sichern. Die Wartesäle 1. und 2. Klasse wurden durch das Waffer sehr beschädigt. Die Entstehungsursache des Brandes ist unbekannt. Ausschreitung eines Berliner Studenten, Im Löwenbräukeller in München gab es eine Messerstecherei unter Studenten, ein in München bisher unerhörtes Vorkommnis. Der Student der Zahn- Heilkunde Hans Friedrich Neumann, Leutnant a. D. aus Berlin , versetzte nach einem heftigen Wortwechsel dem am gleichen Tische sitzenden Studenten der Tierärztlichen Hochschule Wenzeslaus Swi- kalsky von Stargard mit einem grifffesten Messer zwei lebensgefähr- liehe Stiche in den Rücken. Der Täter wollte flüchten, wurde aber verhaftet. Er mußte von der Polizei gegen das'Publikum in Schutz genommen werden, das ihn zu lynchen drohte. Infolge Schneeverwehungen ist die Eisenbahnstrecke Buchholz— Weigert der Linie Annaberg bis auf weiteres für den Verkehr ge- sperrt. Die Aufrechterhaltung des Personenverkehrs durch Umsteigen der Passagiere ist nicht möglich. Witterungsumschlag in England. Wie ein Telegramm aus London meldet, hatte England vorgestern den kältesten Tag seit Jahren. In der letzten Nacht schlug das Frostwetter in warmes, Regenwetter um. Während eines heftigen Schneesturmes sanken an der Küste mehrere Schiffe, man befürchtet Stele Verluste an Menschenleben. Vor der Insel Whigt sank ein kleiner französischer Segler; seine Mannschaft ist vor den Augen der Zuschauer ertrunken. Fortgesetzt laufen weitere Nachrichten über Schiffsunfälle ein, die zumeist kleinere Fahrzeuge betreffen. Eisenbahnunglück in Oesterreich . Bei einer Entgleisung deS Brünn— Wiener Schnellzugs in der Station Hohenau wurden, nach einer Meldung aus Wien , drei Personen schwer, elf leichter verletzt. Mehrere Waggons wurden zertrümmert. Die Verwundeten sind in letzter Nacht mittels Hülfszugs nach Wien gebracht und von �>er Rettungsgcsellschaft übcniomiucn worden. Die Lokomitive ist bei Hohenau 70 Kilometer vor Wien infolge eines Schienenbruchs 6nt- gleist und durch den Rückstoß der letzte Waggon über den Damm hinabgeschleudcrt worden. Im Zuge befanden sich der Abgeordnete Dr. Otto Lecher und der Professor der Kinderheilkunde Dr. Monti. Massenvcrhaftung von Mädchenhändlern. Durch Herrn Kanoni» kus Dr. Müllcr-Simonis, der im Interesse des Deutschen National- Komitees vor 6 Monaten eine Informationsreise nach Süd-Amerika unternommen hatte, ist in Rio de Janeiro die Bekämpfung des Mädchenhandels in Fluß gebracht worden. Der Erfolg ist ein sehr erfreulicher. Er wurden dort in kurzer Zeit unter Benutzung des daselbst bestehenden Belagerungszustandes über 30 noto- eische Mädchenhändler festgenommen, und 15 AiM> länder konnten bis jetzt ausgewiesen werden. Man arbeitet nun darauf hin, ein Gesetz durchzubringen, welches eine längere Frei- heitsstrafe über diejenigen Ausländer, welche sich des Mädchen- handeles schuldig gemacht haben, vor ihrer Ausweisung verhängt. da sie sich sonst der Bestrafung sehr leicht entziehen können, indem sie nach erfolgter Ausweisung so lange im Auslande verweilen, bis die Straftat verjährt ist, und außerdem sogar noch den unfreiwilligen
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